Schlüsselwörter
Adulte HLH - Hämophagozytische Lymphohistiozytose - Makrophagenaktivierungssyndrom
Key words
adult HLH - macrophage activation syndrome - haemophagocytic lymphohistiocytosis
Was versteht man unter einer Hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH)?
Was versteht man unter einer Hämophagozytischen Lymphohistiozytose (HLH)?
Die ersten Fallberichte von Hämophagozytischen Syndromen bei Erwachsenen wurden bereits
vor einem knappen Jahrhundert publiziert. 1929 veröffentlichte die russische Ärztin
Olga Bykowa die erstaunlich detaillierte Kasuistik einer 69-jährigen Patientin mit
Fieber, Splenomegalie, Lymphadenopathie, Ikterus und progredienter Panzytopenie, die
nach 4 Wochen im Multiorganversagen verstarb. Autoptisch fanden sich bei der Patientin
im Knochenmark massenhaft Makrophagen, „ihr Leib vollständig mit Erythrozyten und
pyknotischen Kernen beladen“, heute als Hämophagozytose bezeichnet. Bykowa bezeichnete
das Krankheitsbild als Systemretikulose [1]. 10 Jahre später erfolgte die erste englischsprachige Publikation von erwachsenen
Patienten mit einem ähnlichen Krankheitsbild (Histiozytische Medulläre Retikulose)
[2]. 1952 wurde das bei 2 Geschwisterkindern im Säuglingsalter fulminant und fatal verlaufende
Syndrom von Farquhar und Claireaux beobachtet (Familiäre Hämophagozytische Retikulose,
Morbus Farquhar) und erstmals ein genetischer Zusammenhang vermutet [3]. Risdall beschrieb das Krankheitsbild bei mehreren, vorwiegend erwachsenen Patienten
im Zusammenhang mit Virusinfektionen und prägte 1979 den Begriff Virus-assoziiertes
Hämophagozytisches Syndrom [4]. Seit 1983 wird der Terminus Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH) von den
meisten Autoren akzeptiert. Ende der 80er Jahre erkannte man eine ausgeprägte Hyperferritinämie
als laborchemisches Charakteristikum der HLH. 1993 wurde die Bezeichnung Makrophagenaktivierungs-Syndrom
(MAS) für eine HLH im Kontext einer Autoimmunerkrankung eingeführt [5]. Das MAS ist eine schwerwiegende Komplikation der systemischen juvenilen Arthritis
(sJIA) und ihrem adulten Äquivalent, dem Morbus Still (adult onset Still’s disease,
AOSD), des systemischen Lupus erythematodes (SLE) sowie weiterer rheumatologischer
Erkrankungen. Mittlerweile gelten HLH und MAS-HLH in Vollausprägung als gemeinsame
Endstrecke pathophysiologisch heterogener hyperferritinämischer Inflammationserkrankungen,
was für die Einordnung der differentiellen Therapie von entscheidender Bedeutung ist
[6]. Die HLH ist ein hyperinflammatorisches Zytokinsturm-Syndrom mit hoher Mortalität
mit Fieber, Splenomegalie, Panzytopenie, Hämophagozytose und massivem Ferritinanstieg.
In der zuletzt 2016 von der Histiocyte Society festgelegten Nomenklatur werden „Hämophagozytische
Syndrome“ als Histiozytosen der H-Gruppe bezeichnet und in die 3 Hauptgruppen primäre
HLH (pHLH) mit monogenetischer Vererbung, sekundäre HLH (sHLH, keine monogenetische
Vererbung) und HLH mit unbekannter Ursache unterteilt. Die größte Gruppe stellt die
sHLH dar, die wiederum in infektionsassoziierte HLH (IAHLH), malignomassoziierte HLH
(MAHLH) und MAS-HLH (im Folgenden vereinfacht als MAS bezeichnet) unterschieden wird
[7]. Bei einer Subgruppe von Sepsis-Patienten wird die Existenz eines MAS-ähnlichen
Syndroms (macrophage activation-like syndrome, MALS) mit hepatobiliärer Dysfunktion
und disseminierter intravasaler Koagulopathie postuliert. Patienten mit einem MALS
könnten von einer immunmodulierenden Therapie profitieren [8]. MALS wird auch bei Patienten mit hyperinflammatorischer Covid-19 Pneumonie beobachtet
[9].
Im letzten Jahrzehnt nahm die Anzahl publizierter HLH-Kasuistiken in den Fachgebieten
der Inneren Medizin und Intensivmedizin und damit die „awareness“ für HLH und MAS
in der Erwachsenenmedizin deutlich zu [10].
Pathogenese
HLH und MAS-HLH sind hyperferritinämische Inflammationserkrankungen mit klinisch gemeinsamer
Endstrecke, pathophysiologisch jedoch heterogener Kausalität. Dabei kann grundsätzlich
zwischen monogenetisch verorteten Immundefekten und erworbener Immundefizienz vor
dem Hintergrund maligner oder rheumatologischer Erkrankungen unterschieden werden.
In Anbetracht des Zusammenspiels von genetischen Suszeptibilitätsfaktoren (zytotoxische
Kompetenz) und Umwelt- sowie Erregerfaktoren (Inflammationspotenzial) besteht ein
fließender Übergang zwischen genetisch determiniert und erworben, sodass eine scharfe
Trennung zwischen pHLH und sHLH nicht sinnvoll ist. Neben mittlerweile zahlreich charakterisierten
sehr seltenen Gendefekten sind Störungen der Immunsynapse mit Perforindefekt oder
vesikulärem Exozytosedefekt der Gruppe der familiären HLH (fHLH) zugeordnet und als
biallelische Mutationen überwiegend in der Pädiatrie von Bedeutung. Entscheidend war
die Aufdeckung der homozygoten, autosomal rezessiv vererbten Mutationen im Perforin-Gen
als häufigste molekulargenetische Ursache der fHLH im Jahre 1999. In den zurückliegenden
beiden Jahrzehnten wurden mehr als 10 funktionell relevante Mutationen in Proteinen
der Immunsynapse beschrieben, die zu einer gestörten Interaktion von zytotoxischer
T-Zelle und Antigenpräsentierender Zelle führen und als klinischen Phänotyp eine HLH
verursachen können [6]. Immundefektsyndrome mit klinischer Hypopigmentierung (Albinismus) verursachen ebenfalls
Degranulationsdefekte der Immunsynapse und gelten als pHLH-Syndrome (Griscelli-Syndrom
Typ 2, Chediak-Higashi-Syndrom). Einige Viren wie EBV und Influenza können die Zytolyse
infizierter Zellen zusätzlich noch spezifisch hemmen und so eine HLH begünstigen [11]
[12]. Aufgrund der bei defekter Immunsynapse fehlenden Eliminierung virusinfizierter
oder maligner Zellen resultiert ein Circulus vitiosus mit massiver Zytokinproduktion
(„Zytokinsturm“) durch dauerhaft aktivierte Immunzellen und eine überschießende T-Zell-Proliferation
und Makrophagenaktivierung. Im Endstadium droht ein Multiorganversagen. Einige Zytokine
haben eine zentrale Bedeutung für die Vermittlung der pathogenetischen Prozesse und
klinischen sowie laborchemischen Charakteristika der HLH (Fieber, Hepatosplenomegalie,
Hepatitis, neurologische Symptomatik, Zytopenie, Ferritinanstieg und Hämophagozytose).
Das zentrale Zytokin hierbei ist IFNγ, das bei der HLH exzessiv von CD8+T-Zellen produziert
und durch eine T-Zell-gerichtete Therapie blockiert wird. IFNγ und der von ihm aktivierte
JAK/STAT-Signalweg sind wichtige Ansatzpunkte für eine molekulare, Zytokin-gerichtete
HLH-Therapie. Auch bei MAS-HLH gibt es eine Korrelation zwischen eingeschränkter Zytotoxizität
und abnormer T- /NK-Zell-Aktivierung, jedoch sind bei Patienten mit MAS eher Therapieansätze
wirksam, die sich gegen Zytokine des angeborenen Immunsystems (IL-18, IL-1, IL-6)
richten [6]. Es ist jedoch zu beachten, dass für den Einsatz zytokingerichteter Therapien speziell
beim SLE-assoziierten MAS nur eine geringe Evidenz vorliegt. IL-1 wird bei der HLH
überexprimiert und bewirkt eine Expressionssteigerung von inflammatorischen Genen,
die wiederum eine verminderte zelluläre Apoptose vermitteln [13]. Die dysfunktionale Rolle von massiv erhöhtem IL-1 für das angeborene Immunsystem
zeigt sich durch das sehr gute klinische Ansprechen des MAS auf den IL1-Rezeptor Antagonist
Anakinra [14]. IL-6 ist ein weiteres Zytokin, das bei sJIA- und AOSD-MAS stark erhöht ist. Es
hemmt die zytotoxische Aktivität von NK-Zellen über eine reduzierte Perforinexpression
[15]. Dies könnte mit zur Entwicklung eines sJIA/AOSD-MAS beitragen. Mausmodelle mit
IL-6-Überexpression lassen vermuten, dass chronisch erhöhte IL-6-Spiegel wie bei sJIA
und AOSD in Kombination mit einer hinzukommenden Inflammation (Infektion) ein MAS-änliches
Krankheitsbild verursachen können [16].
Mit zunehmender Verfügbarkeit von Sequenzierungsmethoden werden auch bei Erwachsenen
Mutationen in HLH-Genen beschrieben [17]. Es wird postuliert, dass sich das Spektrum der HLH-auslösenden Mutationen von Punktmutationen
(HLH im frühen Kindesalter, kompletter Funktionsverlust des betroffenen Proteins)
mit höherem Lebensalter hin zu Mutationen mit nur partiellem Verlust der Genfunktion
bei adulter HLH verschiebt. Die Mutationen scheinen nur dann eine Rolle zu spielen,
wenn das Immunsystem durch sehr starke äußere Mechanismen stimuliert wird [18]. Die große Variabilität der HLH-Verläufe bei Erwachsenen würde sich dadurch erklären.
Das Risiko für die Entwicklung einer sHLH und deren Klinik (mild – schwer) wird letztlich
bestimmt vom genetischen Hintergrund, den vorliegenden Begleiterkrankungen, dem Immunstatus
und dem HLH-Auslöser.
Epidemiologie und Prognose der adulten HLH (aHLH)
Epidemiologie und Prognose der adulten HLH (aHLH)
Exakte epidemiologische Angaben zur aHLH existieren bislang nicht. Die in der Literatur
verfügbaren Angaben sind meist retrospektiv und schwanken aufgrund heterogener Populationen.
In einer multizentrischen retrospektiven japanischen Studie wurde die jährliche HLH-Inzidenz
mit 1/800 000 angegeben (keine Unterscheidung in pädiatrische und aHLH) [19]. Die Prognose der aHLH ist abhängig vom Auslöser. 2020 wurden erstmals die im deutschen
aHLH-Register registrierten multizentrischen Patientendaten ausgewertet (Zeitraum
2009–2017). Die Patienten (n=137) wiesen ein medianes Alter von 50 Jahren (Bereich
17–87 Jahre; 63,5% männlich) auf. Die häufigsten HLH-Trigger waren Infektionen (44,5%)
und Malignome (35%). Ein MAS fand sich bei 9,5% (n=13) der Patienten: AOSD n=8; Rheumatoide
Arthritis (RA) n=2; systemischer Lupus erythematodes (SLE) n=1; M. Crohn n=1; ANCA-negative
Vaskulitis n=1. Patienten mit MAHLH wiesen - konsistent mit früheren Daten – die schlechteste
Prognose auf [20]. Die in früheren Studien anhand retrospektiver Analysen angegebenen Prävalenzen
für das MAS wurden vermutlich eher unterschätzt und sind abhängig von den angewendeten
Diagnosekriterien. In der Literatur wurde die Prävalenz eines SLE-assoziierten Hämophagozytose-Syndroms
vor Verwendung der (sJIA-)MAS-Kriterien (PRINTO-Kriterien, siehe unten) mit etwa 1,5%
angegeben [21]. In einer jüngeren retrospektiven Untersuchung von 157 stationär behandelten SLE-Patienten
mit Fieber wurden die PRINTO-Kriterien für das Vorliegen eines MAS, die allerdings
nicht für adulte SLE-Patienten validiert sind, von 34% der Patienten erfüllt. Patienten
mit SLE-MAS wiesen eine erhöhte Mortalität auf [22]. Bei AOSD-MAS liegt die Prävalenz in aktuellen Studien mit bis zu 45% ebenfalls
deutlich höher als in früheren Untersuchungen [23]. Das Gesamtüberleben hospitalisierter Patienten mit AOSD und begleitendem MAS war
in einer retrospektiven Studie signifikant geringer als bei AOSD ohne MAS (67 vs.
100%) [24].
HLH-Trigger
Bei Vorliegen einer HLH ist es von großer Bedeutung, den Auslöser zu identifizieren,
da dessen adäquate Therapie essentiell zur Kontrolle der HLH ist. 2014 zeigte ein
Review global publizierter aHLH-Kasuistiken anhand 2197 analysierter erwachsener Patienten
folgende Verteilung der häufigsten HLH-Trigger: Infektionen 50,4% (Viren: 34,7%; Bakterien
einschließlich Tuberkulose: 9,4%; Parasiten 2,4%; Pilzinfektionen 1,7%); Malignome
47,7%; Autoimmunerkrankungen (MAS) 12,6%; andere oder idiopathische Ursachen 12,1%
(transplantationsbedingte HLH 4,3%) [10].
Infektionsassoziierte HLH (IAHLH)
Virusinfektionen, v. a. EBV, sind die häufigste infektiöse Ursache für eine sHLH.
Andere Herpesviren wie CMV, HSV und Varizella-Zoster-Virus (VZV) stellen ebenso wie
Influenza und HIV bedeutsame Auslöser einer IAHLH dar [10]. EBV und VZV sind die wichtigsten Infektionen, die bei sJIA-Patienten auf dem Boden
der rheumatologischen Grunderkrankung ein MAS auslösen [25]. Unter Bakterien- und Pilz-Infektionen sind besonders intrazelluläre Erreger wie
Mykobakterien sowie Aspergillus- und Histoplasma-Infektionen relevant. Bei HLH-Patienten
sollte selbst ohne eindeutige Reiseanamnese nach einer Leishmaniose gefahndet und
gegebenenfalls eine Leishmanien-PCR aus dem Knochenmark durchgeführt werden, da mit
liposomalem Amphotericin eine wirksame kausale Therapie zur Verfügung steht. Infektionen
können sich auch mit anderen möglichen HLH-Triggern überlagern – z. B. eine EBV-HLH
bei noch unerkanntem Hodgkin-Lymphom.
Malignomassoziierte HLH (MAHLH)
Hämatologische Neoplasien, insbesondere Lymphomerkrankungen (T-Zell-, NK-Zell-, B-Zell-
und Hodgkin-Lymphome) und Leukämien sind mit etwa 44% häufig, solide Tumoren mit 1,5%
hingegen nur selten Ursache einer sHLH [10]. Die Diagnose eines Lymphoms kann bei Patienten, die sich mit einer Lymphom-assoziierten
HLH präsentieren, wegen der Gewebsinflammation schwierig sein. Hier sollten neben
der Durchführung einer PET-CT, Knochenmarkbiopsie und Lymphknotenexstirpation großzügig
eine erweiterte invasive Diagnostik wie Haut- und Leberbiopsie oder Splenektomie (isoliertes
Milzlymphom?) erwogen werden.
Makrophagenaktivierungs-Syndrom (MAS)
Die beiden häufigsten rheumatologischen Erkrankungen bei Erwachsenen, die einem MAS
zugrunde liegen, sind AOSD und SLE. Ein SLE-MAS manifestiert sich meist bei Erstdiagnose
des SLE, weniger häufig sind rezidivierende SLE-bedingte MAS-Episoden [26]. In Einzelfällen wurde ein MAS im Zusammenhang mit Schwangerschaften und Geburten
bei SLE-Patienten beschrieben [26]
[27]. Neben SLE und AOSD finden sich in der Literatur Kasuistiken von Patienten mit rheumatologischen
Erkrankungen wie Dermatomyositis, rheumatoider Arthritis oder Vaskulitiden als dem
MAS zugrunde liegende Autoimmunopathien [10]
[28].
Therapie-assoziierte HLH
Weitere Risikofaktoren für die Entwicklung einer HLH sind eine intensive Chemotherapie
(Induktionstherapie bei Leukämien), eine vorangegangene Stammzell- oder Organ-Transplantation
sowie immunsuppressive Therapien [7]. Eine iatrogen bedingte Immunaktivierung wie der Einsatz von CAR-T-Zellen (chimäre
Antigenrezeptor-T-Zellen) bei hämatologischen Neoplasien kann ein HLH-ähnliches Zytokinsturm-Syndrom
induzieren, das jedoch meist durch die Gabe von Tocilizumab und Kortikosteroiden gut
kontrollierbar ist [29].
Diagnose der HLH
An das Vorliegen einer HLH sollte bei jedem Patienten mit der Trias prolongiertes
Fieber, Zytopenie und Ferritin-Erhöhung gedacht werden. Ferritin eignet sich bei Patienten
mit HLH-Risiko als sensitiver aber unspezifischer Screening-Parameter. Insbesondere
ein starker Serumferritin-Anstieg ist verdächtig für eine HLH. Wichtig ist, dass vom
Labor exakte Ferritinwerte angegeben werden, vor allem bei extrem hohen Werten (evtl.
Verdünnungsreihe notwendig), um Ferritin als Verlaufsparameter für das Therapiemonitoring
nutzen zu können. Die korrekte und frühzeitige Diagnose von sHLH und MAS bei Erwachsenen
stellt eine Herausforderung dar, da die unspezifischen klinischen Symptome und Laborparameter
für sich genommen oft nur schwer von der Grunderkrankung oder einem septischen Multiorganversagen
zu unterscheiden sind. Zudem existieren validierte Diagnosekriterien für die HLH formal
nur für pädiatrische Patienten oder im Falle des Makrophagenaktivierungs-Syndroms
ausschließlich für das sJIA-MAS. Dennoch sollten diese Kriterien unter Einbeziehung
des klinischen Gesamtbildes zur Diagnosestellung bei Erwachsenen herangezogen werden
[30]. Für unklare Fälle existiert eine Konsilhotline (www.hlh-registry.org).
HLH-2004-Diagnosekriterien
1991 wurden von der HLH-Studiengruppe der Histiocyte Society erstmals diagnostische
Kriterien für die pHLH bei Kindern festgelegt und später aktualisiert (HLH-2004-Kriterien)
[31]. Die HLH-Diagnose kann gestellt werden, wenn 5 der 8 klinischen und laborchemischen
Parameter erfüllt sind oder eine pHLH-typische Mutation vorliegt ([Tab. 1]). Bei unkritischer Anwendung der Kriterien bei Erwachsenen drohen sowohl Fehldiagnosen
als auch das Übersehen einer HLH. Bei einigen Patienten können vor allem im Initialstadium
der HLH weniger als 5 Kriterien erfüllt sein. Die Spezifität der Diagnosekriterien
verbessert sich, je rascher der Anstieg (Ferritin) oder Abfall (Zytopenie) der Parameter
erfolgt. Die für die HLH namensgebende Hämophagozytose (HLH-2004-Diagnosekriterium)
bezeichnet den mikroskopischen Nachweis von Makrophagen mit Einschlüssen phagozytierter
kernhaltiger hämatopoetischer Zellen vornehmlich im Knochenmark, seltener in Lymphknoten
oder Liquor. Die Hämophagozytose ist nicht zwingend für die Diagnosestellung und ließ
sich bei der deutschen aHLH-Registerkohorte bei 63% der Patienten nachweisen [20]. Nur der eindeutige Nachweis von Hämophagozyten sollte als Hämophagozytose gewertet
werden, nicht jedoch unspezifisch aktivierte oder vermehrte Makrophagen mit intrazellulären
Zelltrümmern [32]. Diagnostische Unsicherheiten bei adulten Patienten ergeben sich unter anderem aufgrund
des niedrigen Schwellenwertes für Ferritin (>500 µg/l). Meist liegt das Ferritin bei
aHLH zwischen 7000–10 000 µg/l, gelegentlich steigen die Werte extrem an (>100 000
µg/l) [30]. Allerdings ist eine extreme Hyperferritinämie unspezifisch und findet sich bei
der HLH ebenso wie bei Leber- und Nierenversagen, Hämochromatose und hämatoonkologischen
Erkrankungen [33]. Der lösliche IL2-Rezeptor (sCD25; sIL-2R) fand bislang als einziger „Zytokinsturm-Biomarker“
Eingang in die HLH-Kriterien und erwies sich in einer monozentrischen retrospektiven
Studie bei 78 adulten Patienten als exzellenter Diagnoseparameter: Der optimale cut-off-Wert
betrug 2515 U/mL (Sensitivität 100%; Spezifität 72.5%), sIL-2R≤2400 U/mL konnte eine
HLH sicher ausschließen (Sensitivität 100%), ein sIL-2R>10 000 U/mL zeigte eine Spezifität
von 93% für die Diagnose einer aHLH [34]. Ein hoher Quotient (≥2,0) sIL-2R (U/ml)/Ferritin (ng/ml) deutet auf eine Lymphom-bedingte
HLH hin [35]. Die Diagnose HLH wird unterstützt, wenn eine Hepatomegalie, Transaminitis, Hyperbilirubinämie,
LDH- oder D-Dimer-Erhöhung, eine im Liquor nachweisbare mittelgradig vermehrte Zellzahl
oder ein erhöhtes Liquoreiweiß auftreten.
Tab. 1 Übersicht über die derzeit verwendeten HLH- und MAS-Kriterien (adaptiert nach [25]).
|
HLH-2004-Kriterien [31]
|
HScore [36]
|
PRINTO sJIA-MAS-Kriterien [37]
|
|
Zielpopulation
|
pHLH
|
Erwachsene
|
sJIA
|
|
Klinische Kriterien
|
|
Fieber
|
+
|
<38,4 (0); 38,4–39,4 (33);>39,4 (49)
|
+
|
|
Hepatomegalie
|
|
Keine (0); Hepatomegalie oder Splenomegalie (23), Hepatosplenomegalie (38)
|
|
|
Splenomegalie
|
+
|
|
|
Immunsuppression
|
|
Nein (0); Ja (18)
|
|
|
Laborkriterien
|
|
Zytopenie
|
≥2 Zellreihen: Hämoglobin < 90 g/l; Thrombozyten<100 Gpt/l; Neutrophile<1 Gpt/l
|
1 Zellreihe (0); 2 Zellreihen (24); 3 Zellreihen (34)
|
|
|
Thrombozyten
|
|
|
≤181 Gpt/l
|
|
Ferritin, ng/ml
|
≥500
|
<2000 (0); 2000–6000 (35);>6000 (50)
|
>684
|
|
Hypertriglyzeridämie, mmol/l
|
≥3
|
<1,5 (0); 1,5–4 (44);>4 (64)
|
>1,76
|
|
Hypofibrinogenämie, g/l
|
≤1,5
|
>2,5 (0);<2,5 (30)
|
≤3,6
|
|
ASAT, U/l
|
|
<30 (0);>30 (19)
|
>48
|
|
Erniedrigte/Fehlende NK- Zell-Aktivität
|
+
|
|
|
|
sIL-2R, U/ml
|
≥2400
|
|
|
|
Hämophagozytose
|
+
|
Nein (0); Ja (35)
|
|
|
Kriterien erfüllt, wenn
|
≥5 Kriterien erfüllt oder Molekulargenetischer Nachweis einer pHLH-Mutation
|
Score>169: 93% Sensitivität und 86% Spezifität für Vorliegen einer HLH
|
Fiebernder Patient mit diagnostizierter oder vermuteter sJIA: Ferritin>684 ng/ml und mindestens 2 der Laborkriterien
|
HScore
2014 wurde der HScore, ein für Erwachsene validierter Web-basierter Online-Kalkulator
(http://saintantoine.aphp.fr/score/) entwickelt, der auf Basis von 9 Parametern (kein
Speziallabor) die HLH-Wahrscheinlichkeit errechnet [36]. Der HScore ist eine wertvolle Ergänzung der HLH-Kriterien für die Diagnosefindung
der sHLH, da in ihm Dynamik und Stärke der Abweichung der Diagnoseparameter von der
Norm berücksichtigt und gewichtet werden. Da die Validierungskohorte vorwiegend Patienten
mit malignomassoziierter HLH enthielt, ist die Verwendung des HScore für rheumatologische
Patienten mit MAS-HLH eingeschränkt.
Diagnose des MAS
Die HLH-2004-Kriterien und der HScore sind zur Diagnose eines MAS im Frühstadium ungeeignet,
da rheumatologische Erkrankungen bereits per se mit erhöhten Ferritin-, Leukozyten-,
Thrombozyten- und Fibrinogenwerten einhergehen und so die klassischen HLH-Kriterien
überlagern. Beispielsweise entwickelt sich die für die HLH typische (Pan-)Zytopenie
bei Patienten mit MAS meist erst nach längerem Krankheitsverlauf. Oft wird die Diagnose
verzögert, weil das klinische Hauptsymptom Fieber initial nicht als MAS erkannt, sondern
als Infektion oder akuter Schub der Grunderkrankung interpretiert wird. In der Pädiatrie
werden seit 15 Jahren MAS-Kriterien für die systemische juvenile Arthritis definiert
und weiterentwickelt. Da analog zur HLH noch keine eigenständigen Kriterien für das
MAS bei Erwachsenen existieren, muss mit gewissen Einschränkungen auf die pädiatrischen
Studien zurückgegriffen werden. 2016 wurden auf einer Konsensuskonferenz, basierend
auf einem umfassenden Datensatz von Patienten aus 33 Ländern, die in [Tab. 1] aufgeführten European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology/Paediatric
Rheumatology International Trials Organisation-Kriterien für ein sJIA-MAS festgelegt
(EULAR/ACR/PRINTO-Kriterien, Sensitivität 73% , Spezifität 99%) [37]. Diese beinhalten bis auf das klinische Hauptsymptom Fieber ausschließlich Laborparameter.
Obwohl in der Validierungskohorte keine ausreichenden Daten zum Fiebermuster verfügbar
waren, ist es weitgehender Konsens, dass es sich bei Entwicklung eines MAS von einem
intermittierenden Fiebermuster (aktive sJIA/AOSD) hin zu kontinuierlichem Fieber (sJIA-/AOSD-MAS)
verschiebt. Auffällig ist, dass der geforderte Thrombozytenwert im niedrig-normalen
und der Schwellenwert für Fibrinogen im hochnormalen Referenzbereich liegen. Hierbei
sind jedoch die bei sJIA und AOSD typischerweise erhöhten Ausgangswerte zu berücksichtigen,
sodass ein niedrig-normaler Thrombozyten- oder Fibrinogenwert bereits als relevante
Erniedrigung zu interpretieren ist. Obwohl regelmäßig bei MAS vorkommend, wurde die
Hämophagozytose vom Expertenpanel nicht als Diagnosekriterium aufgenommen (Gründe:
Hämophagozytose initial meist fehlend, invasive Diagnostik/Beckenkammpunktion notwendig).
Einige retrospektive Studien untersuchten die Eignung der sJIA-MAS-Kriterien bei Erwachsenen:
Eine südkoreanische retrospektive Analyse von 64 AOSD-Patienten zeigte, dass die PRINTO-Kriterien
prinzipiell zur Diagnose eines AOSD-MAS geeignet sind [24]. In einer japanischen Studie von 76 AOSD-Patienten wurden die pädiatrischen PRINTO-Kriterien
entsprechend statistischer Analysen für AOSD-Patienten modifiziert und von den Autoren
folgende Kriterien für die Diagnose eines MAS bei AOSD vorgeschlagen: a) Ferritin>2810 ng/ml
und b) 2 beliebige der folgenden Laborwerte: Thrombozyten≤137 Gpt/l, ASAT>95 U/l,
Fibrinogen≤365 mg/dl (Testgüte: Sensitivität 100%, Spezifität 93%, positiver prädiktiver
Wert 80%, negativer prädiktiver Wert 100%). Eingeschränkt wurde die Studie durch den
retrospektiven Charakter und die geringe Fallzahl [23]. Die 2016-PRINTO-Kriterien waren zur Klassifikation von MAS-Patienten in klinischen
Studien entwickelt worden, erwiesen sich aber unter modernen Antizytokintherapien
als weniger geeignet für die klinische Praxis, da hierunter die MAS-Diagnoseparameter
demaskiert werden [38]. Ein möglicher Ansatz ist, statt fester Schwellenwerte die Dynamik der Parameter
(relativer Abfall oder Anstieg) zu berücksichtigen. Dieser Aspekt wurde im Rahmen
eines Expertenkonsensus untersucht. Im Ergebnis erwiesen sich Ferritin- und ASAT-Anstieg
sowie Thrombozyten-Abfall als wichtigste dynamische Parameter für eine frühzeitige
MAS-Diagnose [39]. 2019 wurde auf Basis einer multinationalen Kohorte von 766 sJIA-Patienten ein MAS-Diagnosescore
(MS-Score) entwickelt, der sich wesentlich von den 2016-PRINTO-Kriterien unterscheidet
und für AOSD-Patienten geeignet sein könnte [40]. Da nahezu alle Patienten der Entwicklungs- und Validierungskohorte Fieber aufwiesen,
wird das klinische Symptom Fieber von den Autoren als zwingende Voraussetzung für
die Diagnose MAS gefordert, der Parameter geht aber nicht direkt in die Score-Berechnung
ein:
MS-Score (fiebernder Patient)=Neurologische Symptomatik [*] (0 oder 1)×2,44+Hämorrhagische Manifestation [**] (0 oder 1) × 1,54+Arthritis (0 oder 1)×(−1,30)+Thrombozyten (Gpt/l) × (−0,003)+LDH
(U/l)×0,001+Fibrinogen (mg/dl)×(−0,004)+Ferritin (ng/ml)×0,0001
Für die Diagnosestellung eines sJIA-MAS wird ein MS-Score von≥−2,1 gefordert (Sensitivität
85%, Spezifität 95% in der Validierungskohorte).
Die Arthritis ist ein typisches sJIA-/AOSD-Symptom. Paradoxerweise verbessert sich
bei Entwicklung eines MAS häufig die inflammatorische Aktivität der Erkrankung [41], sodass eine fehlende Arthritis bei sJIA-/AOSD-Patienten auf ein MAS hindeutet,
was sich im MS-Score abbildet (β-Koeffizient von −1,30, falls Aktive Arthritis vorhanden)
[40]. Interessanterweise gibt es Untersuchungen der Zytokinspiegel bei sJIA-Patienten,
welche auf die Existenz von 2 unterschiedlichen Zytokinprofilen hinweisen: ein MAS
trat in der IL-18-dominanten Subgruppe (IL-18/IL-6>1000) signifikant häufiger auf,
in der IL-6-dominanten Subgruppe (IL-18/IL-6<1000) waren signifikant mehr Gelenke
von aktiver Arthritis betroffen. Patienten mit extrem erhöhten IL-18 Serumspiegeln
(>47750 pg/ml) hatten ein hohes Risiko für die Entwicklung eines MAS [42]. Die Dichotomie der Zytokinprofile ließ sich bei Patienten mit AOSD reproduzieren
[43]
[44]. Da sich ein MAS unter Antizytokintherapien (z. B. Tocilizumab) entwickeln kann,
wäre IL-18 ein potenzieller Biomarker, um sJIA/AOSD-Patienten mit hohem Risiko für
ein MAS schon vor der Therapieeinleitung zu identifizieren.
Diagnostik bei Verdacht auf familiäre HLH
Obwohl sich die hereditär bedingte HLH meist im frühen Kindesalter manifestiert, kann
eine pHLH selbst im höheren Lebensalter als „late onset“-Mutation klinisch manifest
werden. 2007 wurde der Fallbericht eines 62-jährigen japanischen Patienten mit rezidivierenden
HLH-Episoden publiziert, bei dem eine kombiniert-heterozygote Perforinmutation vorlag
[45]. Somit sollte bei einer therapierefraktären HLH ohne eindeutige Ursache und bei
Erwachsenen mit einer schweren EBV-HLH an eine hereditäre HLH gedacht werden, um gegebenenfalls
frühzeitig eine kurative Therapie (HLH-2004-Protokoll) einzuleiten. Anamnese, klinische
Untersuchung sowie Blutausstrich können entscheidende Hinweise auf das Vorliegen einer
hereditären HLH geben: Beispielsweise würde sich bei einem jungen Mann mit blasser
Haut und silbergrau erscheinenden Haaren (partieller Albinismus), der eine therapierefraktäre
EBV-HLH entwickelt, der hochgradige Verdacht auf eine hereditäre pHLH ergeben. Die
Anamnese bezüglich Anhaltspunkten für weitere HLH-Fälle und Albinismus in der Familie
sollte erhoben werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit läge entweder ein Griscelli- oder
ein Chédiak-Higashi-Syndrom mit Mutation im RAB27A (15q21)- bzw. LYST (1q42–43)-Gen
vor. Der Blutausstrich könnte wegweisende Befunde wie eosinophile, peroxidasepositive
Riesengranula in Leukozyten und grau erscheinende Thrombozyten zeigen. Das Vorliegen
einer Hypo- oder Dysgammaglobulinämie (erniedrigtes Serum-IgG, erhöhtes Serum-IgM)
wiederum kann auf eine X-chromosomale lymphoproliferative Erkrankung (XLP) hindeuten.
In solchen Fällen müssen spezifische immunologische Untersuchungen (Durchflusszytometrie,
Degranulationstest, Messung der NK-/T-Zell-Funktion) durchgeführt werden. Die Diagnosesicherung
erfolgt durch den molekulargenetischen Nachweis einer Mutation in HLH-spezifischen
Genen. Da die oben genannte Diagnostik aufwendig ist und die Interpretation der Befunde
entsprechender Expertise bedarf, sollte frühzeitig (vor Einsendung von Blutproben)
eines der diagnostischen HLH-Referenzzentren kontaktiert werden (nähere Informationen:
www.hlh-registry.org).
Therapie von HLH und MAS
Durch den Einsatz einer intensiven Chemoimmuntherapie nach dem HLH-2004-Protokoll
(beinhaltet unter anderem Etoposid, Dexamethason, Cyclosporin A und intrathekales
MTX) mit anschließender allogener Stammzelltransplantation konnte die Prognose der
pHLH in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert werden [46]. Ein vergleichbares einheitliches Therapieschema kann es für die adulte HLH aufgrund
der ausgeprägten Heterogenität nicht geben. Vielmehr sollten bei sHLH und MAS des
Erwachsenen HLH-2004-Substanzen ebenso wie experimentelle Therapieansätze individuell
ausgewählt werden – abhängig von Schweregrad, HLH-Trigger und Begleiterkrankungen.
Ein möglicher therapeutischer Algorithmus für die aHLH ist in [Abb. 1] dargestellt. Das Epiphänomen HLH verschwindet bei Erwachsenen meist mit der erfolgreichen
Therapie der Grunderkrankung – z. B. durch Chemotherapie bei Lymphom-assoziierter
HLH. Falls überbrückend eine milde immunmodulatorische Therapie notwendig ist, wird
wegen seiner Liquorgängigkeit bevorzugt Dexamethason (initial 10 mg/m2, im Verlauf ausschleichend) in Kombination mit polyvalenten Immunglobulinen (IVIG)
(1–1,6 g/kg verteilt über 3 Tage) eingesetzt. Im Unterschied zur pHLH sollte eine
immunsuppressive sHLH-Therapie so früh wie möglich wieder ausgeschlichen oder beendet
werden, um die physiologische Immunreaktion nicht unnötig zu unterdrücken. Bei Patienten
mit EBV-HLH und hoher Viruslast kann eine B-Zell-depletierende Therapie mit Rituximab
(375 mg/m2 wöchentlich; 2–4 x) eingesetzt werden, um die EBV-Virämie zu reduzieren. Etoposid,
ein in der Lymphomtherapie seit Anfang der 1970er Jahre eingesetztes Zytostatikum,
ist eines der wesentlichen HLH-2004-Elemente. Etoposid ist eine wirksame Salvage-Option
bei schwer verlaufender oder therapierefraktärer sHLH. Dosierung und Dauer der Etoposidgabe
(50–100 mg/m2/Woche) sollte unter Berücksichtigung von Vorerkrankungen des Patienten und möglichen
Nebenwirkungen individuell festgelegt und im Verlauf angepasst werden. Bei jungen
Erwachsene mit schwerer EBV-HLH zeigte ein möglichst frühzeitiger Behandlungsbeginn
mit Etoposid einen signifikanten Überlebensvorteil gegenüber einer Therapieverzögerung
[47]. Für Patienten mit Influenza-A/H5N1-induzierter HLH wird Etoposid kombiniert mit
Dexamethason (ausschleichend) empfohlen [48]. Eine chinesische Studie zeigte bei 63 adulten Patienten mit therapierefraktärer
HLH (hauptsächlich EBV- und Lymphom-HLH) eine Ansprechrate von 76% auf eine Kombinationschemotherapie
mit liposomalem Doxorubicin, dosiseskaliertem Methylprednisolon und Etoposid (DEP-Schema)
[49]. Bei intensivpflichtigen Patienten mit HLH-assoziiertem Multiorganversagen kann
eine zytokinadsorbierende oder Plasmaaustausch-Therapie erfolgreich sein [50]
[51].
Abb. 1 Therapeutisches Vorgehen bei HLH (Quelle: Lehmberg K. Therapeutisches Vorgehen. In:
Kreuzer K, Hrsg. Referenz Hämatologie. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018).
Analog zur sHLH erfolgt die Therapie des MAS im Sinne einer Stufentherapie. Als Erstlinientherapie
werden Kortikosteroide eingesetzt. Bewährt hat sich eine Stoßtherapie mit Methylprednisolon
(1 g/d i. v., 3–5 d) kombiniert mit IVIG (1 g/kg/d, 2 d, Wiederholung IVIG nach 2–3
Wochen). Bei unzureichendem Ansprechen kann eine Immunsuppression mit Cyclosporin
A (2–7 mg/kg/d) oder eine Zweitlinientherapie mit dem IL-1-Rezeptorantagonisten Anakinra
durchgeführt werden [25]
[30]. Bei Patienten mit therapierefraktärem MAS waren teilweise hohe Anakinradosen notwendig,
um eine Remission zu erzielen, sodass die initiale Dosis (2–6 mg/kg/d) bei Nichtansprechen
auf bis zu 10 mg/kg/d (verteilt auf mehrere Einzeldosen) eskaliert werden kann [52]. Von aktueller Relevanz sind erste Publikationen, die einen Überlebensvorteil von
intensivpflichtigen Patienten mit schwer verlaufender COVID-19-Erkrankung und einem
MAS-ähnlichen Syndrom durch eine hochdosierte Anakinra-Therapie belegen [53]. Bei refraktärem MAS kann ein Therapieversuch mit Etoposid (50–100 mg/m2, wöchentlich) durchgeführt werden. In einer retrospektiven Studie von 89 adulten
Patienten mit SLE-MAS zeigte sich Cyclophosphamid mit einer Gesamtwirksamkeit von
78% ähnlich effizient wie Etoposid in der Therapie des refraktären SLE-assoziierten
MAS, während für den Einsatz von Anakinra beim SLE-MAS keine validen Daten existieren
[26]
.
In der Literatur wird zunehmend von Patienten mit refraktärer HLH berichtet, die effektiv
mit dem Jak1/2-Inhibitor Ruxolitinib behandelt wurden [54]. Aufgrund des Wirkmechanismus (Zytokinblockade) und der vergleichsweise geringen
Toxizität ist Ruxolitinib (2 x 5 mg bis 2 x 15 mg, off-label) eine vielversprechende
HLH-Therapie, nicht nur in der refraktären Situation [55].
Bei Patienten mit HLH und MAS besteht ein erhöhtes Risiko für Infektionen, weshalb
besonderes Augenmerk auf die Supportivtherapie gelegt werden muss. Neutropene HLH-Patienten
sollten leitliniengerecht eine antivirale, antimykotische und Pneumocystis-wirksame
Prophylaxe erhalten. Bei Patienten mit prolongierter Kortikosteroidtherapie oder relevanter
Hypogammaglobulinämie ist eine regelmäßige IVIG-Substitution (4-wöchentlich) notwendig.
Aktualisierte Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie der HLH finden sich in der entsprechenden
Onkopedia-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie
(https://www.onkopedia.com).