Schlüsselwörter
Cochlea-Implantat - regionale Verteilung - Deutschland - Cluster
Key words
cochlear implant - regional distribution - Germany - cluster
Einleitung
Die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat (CI) stellt heute für hochgradig schwerhörige
oder gehörlose Kinder und Erwachsene den „Goldstandard“ einer Hörrehabilitation dar.
Keine andere neuroprothetische Behandlung des Menschen hat in den letzten 30 Jahren
eine vergleichbare Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Für diese positive Entwicklung war
eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren verantwortlich. Technische Weiterentwicklungen,
wie die Einführung verbesserter Sprachverarbeitungsstrategien, die Entwicklung optimierter
Elektrodendesigns, die Reduktion des Energieverbrauchs und die Entwicklung von HdO-Audioprozessoren,
haben wesentlich zur Akzeptanz und zu verbesserten Ergebnissen beigetragen. Auch hat
sich die Indikationsstellung zu einer CI-Versorgung über die letzten 3 Jahrzehnte
erheblich verändert. Während initial eine beidseitige komplette Taubheit vorliegen
musste, wird heute eine frühzeitige Versorgung unter Erhaltung des vorhandenen Restgehörs
angestrebt (elektrisch-akustische Stimulation, EAS). Inzwischen zählen auch die bilaterale
Versorgung sowie die Versorgung einer einseitigen Taubheit bei gegenseitig normalem
Gehör zum etablierten Standard. Gleiches gilt für die frühkindliche Versorgung innerhalb
des ersten Lebensjahres und ebenfalls für die Versorgung ohne Altersbeschränkung im
sehr hohen Lebensalter (Übersicht in [1]).
Mit der kontinuierlichen technischen Weiterentwicklung der CI, der Erweiterung der
Indikationsstellung, dem hieraus resultierenden verbesserten Sprachverstehen und der
gesteigerten Lebensqualität CI-versorgter Patienten hat sich die Anzahl der CI-Versorgungen
in Deutschland seit der Einführung dieser Methode stark erhöht. Auch wenn es zur jährlichen
Gesamtzahl der CI-Versorgungen in Deutschland keine absolut verlässliche Angabe gibt,
kann zumindest über das Statistische Bundesamt die Auflistung der OPS-Kodierung der
Kliniken erhoben werden [2]. Hiernach wurden im Jahr 2018 insgesamt 4441 CI-Operationen dokumentiert. Diese
Angabe umfasst ausschließlich vollstationäre Leistungserbringer und weist daher eine
„Unschärfe“ auf. Dennoch gibt dieser Wert einen ungefähren Anhalt über die Größenordnung
der jährlichen Versorgungen in Deutschland.
Eine ähnliche Unsicherheit existiert auch im Hinblick auf die aktuelle Anzahl der
CI-versorgenden Einrichtungen (CI-Kliniken) und deren geografischer Verteilung in
Deutschland. Bislang besteht kein umfassendes Verzeichnis, das Informationen zu diesem
spezialisierten Leistungsangebot einer Einrichtung erheben würde. Dieser Umstand ist
insbesondere für betroffene Patienten oder deren Angehörige unbefriedigend, da kein
einfacher Zugang zu umfassenden Daten bezüglich der regionalen oder überregionalen
Lokalisation von Einrichtungen existiert. Zur aktuellen Positionsbestimmung der CI-versorgenden
Einrichtungen in Deutschland wurde die hier präsentierte Umfrage gemeinsam vom Dachverband
der deutschen CI-Selbsthilfeorganisationen, der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft
(DCIG) e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und
Halschirurgie (DGHNO-KHC) initiiert. Ziel der Erhebung war die Erfassung der regionalen
Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen, deren Leistungsspektrum, der Berücksichtigung
existierender Qualitätsstandards sowie der Zusammenarbeit mit CI-Patientenselbsthilfe-Organisationen.
Material und Methoden
Die präsentierte Umfrage wurde durch die DCIG (Senden) mit Unterstützung der DGHNO-KHC
(Bonn) durchgeführt. Hierfür wurden insgesamt 170 Kliniken für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
bzw. deren ärztliche Leiter (37 Lehrstuhlinhaber und 133 Chefärzte) per E-Mail kontaktiert
und ein Fragebogen (siehe unten) versendet. Die Aussendung erfolgte erstmals im Oktober
2019. Im Februar 2020 erfolgte die zweite Aussendung. Die Rücksendung des beantworteten
Fragebogens erfolgte nicht anonym und wahlweise per E-Mail, Fax oder postalisch. Die
letzte Antwort eines Teilnehmers ging am 22.02.2020 in der Geschäftsstelle der DCIG
ein.
Insgesamt haben 71 Kliniken (41,8 %) an der Umfrage teilgenommen. Alle Teilnehmer,
die bestätigten, Cochlea-Implantationen durchzuführen, haben ihr Einverständnis erklärt,
dass die erhobenen Daten für die Erstellung einer Auflistung der CI-versorgenden Einrichtungen
(„CI-Klinik-Liste“) verwendet und publiziert werden dürfen.
Der versendete Fragebogen umfasste die nachfolgend aufgeführten Fragen. Die Fragen
1–4 und 6–7 konnten jeweils entweder mit „ja“, „nein“ oder „keine Angabe“ beantwortet
werden. Frage 5 sollte mit einer Zahlenangabe beantwortet werden.
-
Führen Sie CI-Operationen durch?
-
Führen Sie CI-Operationen bei Erwachsenen durch?
-
Führen Sie CI-Operationen bei Kindern (< 18 Jahren) durch?
-
War die Gesamtanzahl der CI-Operationen an Ihrer Einrichtung im Jahr 2018 > 50?
-
Wie groß ist die Anzahl der angebotenen CI-Hersteller an Ihrer Einrichtung?
-
Werden die Empfehlungen der DGHNO-KHC zur CI-Versorgung (gemäß Weißbuch CI-Versorgung,
Stand 2018) an Ihrer CI-versorgenden Einrichtung berücksichtigt?
-
Arbeiten Sie mit der örtlichen CI-Selbsthilfe zusammen?
Grafische Darstellung der Daten
Die Erstellung der Abbildungen erfolgte mit GraphPadPrism 8 (GraphPadSoftware, San
Diego, USA) und FreeHand MX (Adobe Inc., San Jose, USA).
Ergebnisse
Fragebogenbasierte Datenerhebung
Von den 170 kontaktierten Kliniken nahmen 71 (41,8 %) an der Umfrage teil. Die Ergebnisse
der Befragung sind in [Abb. 1] zusammengefasst. Insgesamt bestätigten 70 Kliniken (98,6 %), CI-Operationen durchzuführen
([Abb. 1a]). Dies entspricht 41,8 % aller kontaktierten Kliniken (70 von 170). Eine Klinik
nahm zwar an der Umfrage teil, beantwortete jedoch nur die erste Frage ([Abb. 1a]) und gab an, keine CI-Operationen durchzuführen. Von 99 Kliniken (58,2 %) ist nicht
bekannt, ob dort CI-Operationen durchgeführt werden.
Abb. 1 Ergebnisse der Umfrage unter Lehrstuhlinhabern und Chefärzten in Deutschland. Die
in A–G genannten Fragen wurden von den Leitern der Kliniken (n = 71 für A, n = 70 für B-G) entweder mit „ja“, „nein“ oder „keine Angabe“ A–D, F–G bzw. mit einer Zahlenangabe oder „keine Angabe“ E beantwortet. Eine Klinik verneinte die Durchführung einer CI-Versorgung A und nahm folglich an der Beantwortung der Fragen in B–G nicht teil.
Von den CI-versorgenden Einrichtungen gaben 70 Kliniken (100 %) an, CI-Operationen
an Erwachsenen durchzuführen ([Abb. 1b]). Hingegen wurde von 60 Kliniken (85,7 %) angeführt, dass sie CI-Operationen ebenfalls
bei Kindern (< 18 Jahre) durchführen ([Abb. 1c]). Keine CI-Operation an Kindern wird an 8 Kliniken (11,4 %) durchgeführt. Keine
Angabe hierzu wurde von 2 Kliniken (2,9 %) gemacht.
36 Kliniken (51,4 %) gaben an, dass die Gesamtanzahl der CI-Operationen an ihrer Einrichtung
im Jahr 2018 mehr als 50 betrug. 25 Kliniken (35,7 %) gaben an, dass sie 2018 50 oder
weniger CI-Operationen durchgeführt haben. Von 9 Kliniken (12,9 %) wurde hierzu keine
Angabe gemacht ([Abb. 1 d]).
Die Anzahl der angebotenen Implantate verschiedener CI-Hersteller wurde von 32 Kliniken
mit 4 (45,7 %), von 27 mit 3 (38,6 %), von 6 mit 2 (8,6 %) und von 4 mit 1 (5,7 %)
Hersteller angegeben ([Abb. 1e]). Eine Klinik (1,4 %) machte zu dieser Frage keine Angaben.
64 Kliniken (91,4 %) gaben an, die Empfehlungen der DGHNO-KHC zur CI-Versorgung (gemäß
Weißbuch CI-Versorgung, Stand 2018 [3]) zu berücksichtigen. Von einer Klinik wurde dies verneint (1,4 %) und von 5 Kliniken
(7,1 %) wurde hierzu keine Angabe gemacht ([Abb. 1f]).
Eine Zusammenarbeit der Klinik mit der CI-Selbsthilfe wurde von 67 Kliniken (95,7 %)
bestätigt. Keine Klinik (0 %) führte an, nicht mit der CI-Selbsthilfe zusammenzuarbeiten.
Keine Angabe hierzu erfolgte von 3 Kliniken (4,3 %) ([Abb. 1 g]).
Die geografische Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen, die sich an der Umfrage
beteiligt haben, zeigte ein heterogenes Verteilungsmuster zwischen den einzelnen Bundesländern
und auch innerhalb des jeweiligen Bundeslandes ([Abb. 2, ]
[Tab. 1]).
Abb. 2 Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen in Deutschland. Aufgeführt sind Kliniken,
die im Jahr 2018 > 50 (schwarzer Punkt; n = 36) Cochlea-Implantationen durchführten,
Kliniken, die im Jahr 2018 ≤ 50 Cochlea-Implantationen durchführten (grauer Punkt;
n = 25) sowie Kliniken, die hierzu keine Angabe machten (weißer Punkt; n = 9). Abkürzungen:
keine Angabe (k. A.), Baden-Württemberg (BW), Bayern (BY), Berlin (BE), Brandenburg
(BB), Bremen (HB), Hamburg (HH), Hessen (HE), Mecklenburg-Vorpommern (MV), Niedersachsen
(NI), Nordrhein-Westfalen (NW), Rheinland-Pfalz (RP), Saarland (SL), Sachsen (SN),
Sachsen-Anhalt (ST), Schleswig-Holstein (SH), Thüringen (TH).
Tab. 1
Kennzahlen und demografische Daten der Cochlea-Implantat-versorgenden Einrichtungen
in Deutschland.
Bundesländer
|
Anzahl Einwohner[
1
]
|
Anzahl der CI-versorgenden Kliniken
|
Anzahl der Kliniken pro 1 Mio. Einwohner
|
Anzahl der Einwohner pro Klinik
|
Anzahl der Kliniken mit > 50 OP 2018[
2
]
|
Anzahl der Kliniken mit ≤ 50 OP 2018[
2
]
|
Anzahl der Kliniken mit CI-Versorgung von Erwachsenen
|
Anzahl der Kliniken mit CI-Versorgung von Kindern[
3
] (davon Kliniken mit > 50 OP 2018)
|
Deutschland gesamt
|
8316 611
|
70
|
0,84
|
1188 096
|
36
|
25
|
70
|
60 (36)
|
Baden-Württemberg
|
11 100 394
|
8
|
0,72
|
1387 549
|
6
|
2
|
8
|
6 (6)
|
Bayern
|
13 124 737
|
9
|
0,69
|
1458 304
|
6
|
1
|
9
|
8 (6)
|
Berlin
|
3669 491
|
3
|
0,82
|
1223 164
|
1
|
2
|
3
|
3 (1)
|
Brandenburg
|
521 893
|
3
|
1,19
|
840 631
|
0
|
1
|
3
|
1 (0)
|
Bremen
|
681 202
|
1
|
1,47
|
681 202
|
1
|
0
|
1
|
1 (1)
|
Hamburg
|
1847 253
|
3
|
1,62
|
615 751
|
3
|
0
|
3
|
3 (3)
|
Hessen
|
6288 080
|
7
|
1,11
|
898 297
|
2
|
4
|
7
|
6 (2)
|
Mecklenburg-Vorpommern
|
1608 138
|
4
|
2,49
|
402 035
|
1
|
3
|
4
|
4 (1)
|
Niedersachsen
|
7993 608
|
7
|
0,88
|
1141 944
|
3
|
3
|
7
|
7 (3)
|
Nordrhein-Westfalen
|
17 947 221
|
10
|
0,56
|
1794 722
|
6
|
3
|
10
|
9 (6)
|
Rheinland-Pfalz
|
4093 903
|
4
|
0,98
|
1023 476
|
1
|
1
|
4
|
3 (1)
|
Saarland
|
986 887
|
1
|
1,01
|
986 887
|
1
|
0
|
1
|
1 (1)
|
Sachsen
|
4071 971
|
3
|
0,74
|
1357 324
|
2
|
1
|
3
|
2 (2)
|
Sachsen-Anhalt
|
2194 782
|
4
|
1,82
|
548 696
|
2
|
2
|
4
|
3 (2)
|
Schleswig-Holstein
|
2903 773
|
1
|
0,34
|
2903 773
|
1
|
0
|
1
|
1 (1)
|
Thüringen
|
2133 378
|
2
|
0,94
|
1066 689
|
0
|
2
|
2
|
2 (0)
|
1 Angaben des Statistischen Bundesamts, Stand 2019 (4).
2 keine Angabe bei n = 9 der CI-versorgenden Kliniken.
3 keine Angabe bei n = 2 der CI-versorgenden Kliniken.
Diskussion
Die Versorgung schwerhöriger oder ertaubter Patienten mit einem Cochlea-Implantat
(CI) hat in den vergangenen 3 Jahrzehnten eine beeindruckende Entwicklung genommen.
Die verbesserten Erfolge der mit einem CI versorgten Patienten, das zunehmende Wissen
um die Existenz und die Effektivität der Methode innerhalb der Ärzteschaft und auch
die Erweiterung der Indikationen haben inzwischen zu einer weiten Verbreitung dieser
Behandlung geführt. War die CI-Versorgung in den ersten Jahren nur auf wenige Einrichtungen
beschränkt, hat sie sich inzwischen an vielen Orten innerhalb Deutschlands etabliert.
Bislang existierten keine allgemein verfügbaren Daten zur regionalen Verteilung der
CI-versorgenden Einrichtungen oder zum jeweiligen CI-bezogenen Leistungsspektrum einer
Klinik. Die DCIG und die DGHNO-KHC haben daher erstmals eine Erhebung der regionalen
Verteilung, des Leistungsspektrums, der Berücksichtigung existierender Qualitätsstandards
sowie der lokalen Zusammenarbeit mit Patientenselbsthilfe-Organisationen durchgeführt.
Die erhobenen Daten erlauben zudem eine Reihe von Rückschlüssen über die geografische
Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen in Deutschland.
Insgesamt haben ca. 40 % (70 der 170) der kontaktierten Kliniken in der Umfrage eine
CI-Versorgung an der jeweiligen Einrichtung bestätigt. Aus jedem der 16 Bundesländer
hat zumindest eine CI-Klinik an der Umfrage teilgenommen und bestätigt, dass von ihr
eine CI-Versorgung durchgeführt wird. Die erhobenen Daten ermöglichen damit auch eine
Darstellung der CI-Versorgung über die gesamte Fläche Deutschlands.
Die regionale Verteilung auf die einzelnen Bundesländer zeigt erhebliche Unterschiede
und variiert zwischen je einer Klinik in Bremen, in Schleswig-Holstein sowie im Saarland
und 10 Kliniken in Nordrhein-Westfalen. Die Verteilung der 70 Kliniken auf die Bundesländer
wird in [Tab. 1] und in [Abb. 2] dargestellt. Da sich aber nicht nur die Fläche der Bundesländer, sondern auch deren
Bevölkerungszahl stark voneinander unterscheiden, wurde die Anzahl der CI-Kliniken
in Beziehung zur jeweiligen Bevölkerungszahl des Bundeslandes [4] gesetzt ([Tab. 1]). Aus den erhobenen Daten wurde für ganz Deutschland eine durchschnittliche Anzahl
von 0,84 CI-Kliniken pro 1 Million (Mio.) Einwohner bestimmt (70 CI-Kliniken bei ca.
83 Millionen Einwohnern). Dies entspricht ca. 1,2 Mio. zu versorgende Einwohner pro
CI-Klinik ([Tab. 1]). Die regionalen Unterschiede variieren wiederum stark im Vergleich zu diesem Durchschnittswert.
Während in Schleswig-Holstein mit 0,34 CI-Kliniken pro 1 Mio. Einwohner (entspricht
2,9 Mio. Einwohner pro Klinik) der Minimalwert vorliegt, findet sich der Maximalwert
in Mecklenburg-Vorpommern mit 2,49 CI-Kliniken pro 1 Mio. Einwohner (entspricht ca.
0,4 Mio. Einwohner pro Klinik) ([Tab. 1]).
Die Detailbetrachtung der „CI-Deutschlandkarte“ ([Abb. 2]) offenbart eine Reihe von bemerkenswerten Besonderheiten. Zunächst wird deutlich,
dass die regionale Lokalisation und Verteilung der Kliniken nicht homogen in der Fläche
eines Bundeslandes vorliegen. Dies ist auch nicht unbedingt zu erwarten, denn mehrheitlich
handelt es sich bei der Übernahme der CI-Versorgung durch eine Klinik nicht um das
Resultat einer Versorgungsplanung, sondern ist (vermutlich) eher der fachlichen Schwerpunktbildung
einer HNO-Klinik, der Entscheidung der HNO-ärztlichen Leitung oder auch der ökonomischen
Entscheidung einer Krankenhausadministration geschuldet. Eine „Leistungsplanung“ einer
übergeordneten Institution, wie des Gesundheitsministeriums des Bundeslandes, liegt
der regionalen Verteilung dieser Kliniken (wahrscheinlich) nicht zugrunde.
Eine homogene geografische Verteilung der CI-Kliniken ist auch deshalb nicht unbedingt
zu erwarten, da auch die Bevölkerung innerhalb eines Bundeslandes nicht homogen in
der Fläche verteilt ist und deutlich mehr Menschen in den (städtischen) Ballungsräumen
einer Region leben. Dies zeigt sich auch im Verteilungsmuster der CI-Kliniken in der
CI-Landkarte ([Abb. 2]). Ein besonderes Beispiel ist der „Rhein-Ruhr-Cluster“, der über das Ruhrgebiet
entlang des Rheins mehrere Kliniken in einem flächenmäßig kleinen, aber bevölkerungsreichen
Teil Deutschlands konzentriert. Aus dieser Situation ergibt sich ein scheinbares Paradoxon,
dass viele Menschen in einer kleinen Region von vielen Einrichtungen versorgt werden,
die Kliniken zum Teil aber nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind. Eine ähnliche
Clusterbildung findet sich im Rhein-Main-Neckar-Raum.
Ein weiteres interessantes Verteilungsphänomen zeigt sich in Bezug auf viele Großstädte,
die z. T. mehrere CI-Einrichtungen aufweisen. Hierzu zählen u. a. Berlin, Hamburg,
München, Frankfurt, Hannover oder Köln. Die Bewertung einer Clusterbildung stellt
eine komplexe Herausforderung dar. Zu berücksichtigen ist hierbei im Hinblick auf
eine Interpretation dieser Daten wiederum die Anzahl der Menschen, die in einer Stadt
oder einem Ballungsraum leben und versorgt werden. Dies gilt insbesondere, da innerhalb
einer Großstadt oder Clusterregion, z. B. „Rhein-Ruhr“, eine hohe Bevölkerungsdichte
existiert, die anhand von Durchschnittswerten des jeweiligen Bundeslandes nur ungenügend
dargestellt wird. Ebenfalls ist gerade in Ballungsräumen der Übergang zwischen 2 oder
auch mehreren Städten fließend, sodass eine klare Zuordnung der Einwohner zu einer
Klinik, zumindest anhand der hier erhobenen Daten, kaum möglich ist.
Die Beurteilung der Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen in einem Bundesland
stellt auch aus einem weiteren Grund eine Herausforderung dar: Im Rahmen dieser Studie
wurde allein erfasst, ob eine Klinik die CI-Operation durchführt. Nicht direkt erhoben
wurde, ob und in welchem Umfang eine Basis- oder Folgetherapie/CI-Rehabilitation bzw.
Nachsorge angeboten wird. Für eine erfolgreiche Hörrehabilitation ist die Durchführung
dieser Maßnahmen unerlässlich und muss zur Beurteilung der Versorgungsqualität perspektivisch
ebenso erhoben werden. Die weitaus überwiegende Mehrzahl der CI-Kliniken gab an, dass
die Empfehlungen des „CI-Weißbuchs“ [3] berücksichtigt werden und damit auch die Empfehlung zur Durchführung einer entsprechenden
technischen, hörsprachtherapeutischen, audiologischen und medizinischen Betreuung
des Patienten sowie ggf. die Durchführung einer CI-Rehabilitation. Die „Qualität“
der lokalen Struktur zur Durchführung der CI-Rehabilitation wurde aber nicht direkt
erhoben, sodass keine abschließende Aussage zu diesem Bereich anhand der hier verfügbaren
Daten möglich ist. Da dies allerdings nicht das Ziel der hier präsentierten Studie
war, wird dies Gegenstand zukünftiger Untersuchungen werden.
Anhand der im Rahmen dieser Umfrage erhobenen Daten soll keine Aussage im Hinblick
auf eine „Über- oder Unterversorgung“ einer Region mit CI-versorgenden Einrichtungen
getroffen werden. Dies ist weder Ziel der Arbeit, noch lassen die erhobenen Daten
hierauf ausreichend Rückschlüsse zu. Ergänzend kann auch festgestellt werden, dass
der Umfang der Tätigkeit einer Klinik im Bereich der CI-Versorgung deutlich variiert.
Das Spektrum der diesbezüglichen Anzahl an Eingriffen variiert zwischen einigen wenigen
und mehreren hundert CI-Operationen pro Jahr innerhalb einer Klinik [5]. Ein indirekter Hinweis auf die große Diversität des Leistungsumfangs der Kliniken
ergibt sich auch aus den hier erhobenen Daten: 36 Kliniken gaben an, dass sie mehr
als 50 CI-Operationen pro Jahr durchführen. Dies entspricht etwa der Hälfte aller
Einrichtungen, die eine CI-Versorgung bestätigt haben.
Die Anzahl der durchgeführten Eingriffe ist zweifelsohne kein Parameter, der allein
die Qualität einer Versorgung bestimmt. Besondere Berücksichtigung sollte die Beachtung
der existierenden Qualitätsstandards finden (Übersicht in [6]). Hier sind besonders das „Weißbuch Cochlea-Implantat-Versorgung in Deutschland“
der DGHNO-KHC [3] und die derzeit in Überarbeitung befindliche CI-Leitlinie [7] zu nennen. Diesbezüglich ist es erfreulich, dass mehr als 90 % der CI-Kliniken angeben,
dass sie die Empfehlungen der DGHNO-KHC zur CI-Versorgung (gemäß Weißbuch CI-Versorgung,
Stand 2018 [3]) berücksichtigen.
Die im „CI-Weißbuch“ [3] benannten Qualitätskriterien richten sich auch auf die Patienteninteressen im Hinblick
auf eine umfassende Beratung zur CI-Versorgung und die Option, sich zwischen verschiedenen
Cochlea-Implantat-Systemen entscheiden zu können. Auch hier ergeben die Umfrageergebnisse
ein sehr positives Bild des existierenden Qualitätsstandards. Fast 85 % der Kliniken
bieten mindestens 3 Implantate unterschiedlicher Hersteller an. Im Vergleich zu der
bis vor wenigen Jahren durchaus üblichen „Monokultur“, d. h. CI-Implantate nur eines
einzigen Herstellers vorzuhalten, ist dies sicher eine bemerkenswert positive Entwicklung,
die für die konsequente Umsetzung der Qualitätsempfehlungen der DGHNO-KHC durch die
Kliniken spricht.
Die CI-Versorgung ist ein komplexer Vorgang, in dem die Patienten-Selbsthilfe eine
besondere Rolle einnimmt. Eine Zusammenarbeit zwischen Kliniken und CI-Selbsthilfe
wird daher auch durch das CI-Weißbuch [3] empfohlen, und Vertreter der Selbsthilfe nehmen auch an Beratungen zur Erstellung
wissenschaftlicher Leitlinien teil [7]. Es ist daher aus der Patientenperspektive sehr positiv zu bewerten, dass über 95 %
der Kliniken mit der CI-Selbsthilfe zusammenarbeiten. Die Umsetzung dieses Aspekts
durch nahezu alle CI-Kliniken ist als ein Zeichen einer hohen patientenbezogenen Versorgungsqualität
zu werten.
In Bezug auf die CI-Versorgung von Erwachsenen und Kindern findet sich ein differenziertes
Bild. Während alle 70 Kliniken eine Versorgung von Erwachsenen angeben, bestätigen
dies etwa 85 % auch für die CI-Versorgung von Kindern. In der überwiegenden Anzahl
der Einrichtungen erfolgt damit sowohl eine Versorgung von Erwachsenen und Kindern.
Von den 60 Kliniken, die sowohl eine Erwachsenen- als auch eine Kinderversorgung vornehmen,
geben 36 Kliniken an, dass sie mehr als 50 CI-Operationen pro Jahr (2018) durchführten.
Hieraus folgt, dass 24 Kliniken, die eine CI-Versorgung bei Kindern durchführen, weniger
als 50 CI-Operationen durchführten oder hierzu keine Angaben machten.
Wie bereits zuvor erwähnt liegt die Zielsetzung dieser Studie nicht in der Diskussion
der Frage einer Mindestmenge in der CI-Versorgung. Hierzu bieten die im Rahmen dieser
Studie erhobenen Daten keinen rationalen Ansatz zur Beurteilung der Effekte einer
Anzahl von CI-Operationen auf die resultierende Versorgungsqualität. Daher kann auch
kein Rückschluss aus der hier erfassten Anzahl von 50 CI-Operationen pro Jahr (2018)
bezüglich einer ausreichenden oder nicht ausreichenden Qualität in der CI-Versorgung
abgeleitet werden, da diese Grenzzahl rein arbiträr gewählt wurde. Dennoch erscheint
es bemerkenswert, dass häufig eine große räumliche Nähe zwischen Kliniken mit mehr
oder weniger als 50 CI-Operationen pro Jahr besteht ([Abb. 2]).
Die im Rahmen dieser Untersuchung erhobenen Daten zeigen, dass die Empfehlungen des
Weißbuchs CI-Versorgung [3] von der großen Mehrheit der Kliniken im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Patientenselbsthilfe-Organisationen
und das Angebot verschiedener Implantate umgesetzt werden. Klare Unterschiede zeigen
sich in der Anzahl der durchgeführten CI-Operationen und der regionalen Verteilung,
mit einer Clusterbildung in vielen Städten und Ballungsräumen. Im Hinblick auf die
Bewertung müssen medizinisch-fachliche von politischen Perspektiven unterschieden
werden. Auch wenn diese Untersuchung zeigt, dass die empfohlenen Qualitätsstandards
offensichtlich weit überwiegend eingehalten werden, existieren derzeit erhebliche
Aktivitäten zur Umsetzung einer Leistungsplanung im CI-Bereich. Als Beispiel kann
hier Nordrhein-Westfalen genannt werden, das eine Strukturierung der Krankenhäuser
nach Leistungsgruppen und Leistungsbereichen plant. Durch die NRW-Krankenhausplan-Initiative
könnte sich neben der Onkologie auch die CI-Versorgung zu einem Modellbereich zur
Leistungsplanung innerhalb eines Bundeslandes mit Festlegung von Leistungserbringern
und Leistungsumfang entwickeln. Dieser Ansatz bietet zugleich Chancen und Risiken
für die großen Maximalversorgungsthemen der stationären Leistungserbringung der HNO-Heilkunde.
Es bleibt abzuwarten, ob diese landespolitische Initiative tatsächlich über eine Fokussierung
der Ressourcen eine weitere Verbesserung der Versorgungsqualität bewirkt oder eher
der Kosteneinsparung und Rationalisierung der Leistungserbringung dienen wird.
Limitationen der Studie
An der hier präsentierten Umfrage haben 71 von 170 kontaktierten Kliniken teilgenommen.
Die Bewertung der Umfrageergebnisse ist daher immer vor dem Hintergrund einer relativ
geringen Teilnahmequote an der Erhebung von 41,8 % zu betrachten.
70 von 170 der kontaktierten Kliniken haben in Form einer Selbstauskunft angegeben,
dass sie eine CI-Versorgung durchführen. Lediglich eine Klinik gab an, keine CI-Versorgung
anzubieten. Hinsichtlich der CI-Versorgung an den verbleibenden 99 Kliniken ist keine
abschließende Aussage möglich, da keine Rückmeldung gegeben wurde. Objektive Daten
zur Gesamtzahl der CI-Kliniken in Deutschland existieren derzeit nicht bzw. sind nicht
einfach zugänglich. Gegenwärtig sind am ehesten Abrechnungsdaten der Kostenträger
hilfreich, um die Gesamtzahl zu bestimmen. Nach Angaben der Techniker Krankenkasse
wurden im Jahr 2018 allein bei dieser Krankenkasse von 93 Einrichtungen in Deutschland
entweder die DRG D01A oder D01B (Cochlea-Implantation einseitig und beidseitig) zur
Abrechnung gebracht (persönliche Kommunikation G. Lehmann, Techniker Krankenkasse
Hamburg). Hieraus ergibt sich, dass mindestens 23 Kliniken nicht an der Umfrage teilgenommen
haben, obwohl sie eine CI-Versorgung durchführen.
Da diese Zahlenangaben ausschließlich die Angaben der Techniker Krankenkasse repräsentieren,
könnten durchaus auch mehr als 93 CI-Kliniken in Deutschland existieren. Berücksichtigt
werden muss hierbei, dass in Einzelfällen auch eine CI-Versorgung an nichtstationären
Einrichtungen stattfinden könnte. Da im Rahmen dieser Studie lediglich stationäre
Einrichtungen (Kliniken) angeschrieben wurden, könnte damit die tatsächliche Zahl
der CI-versorgenden Einrichtungen in Deutschland sogar bei mehr als 100 liegen.
Die Betrachtung der Anzahl der CI-Kliniken pro Bundesland bzw. pro Einwohner des jeweiligen
Bundeslandes ist aufgrund der derzeit nicht zugänglichen Daten der Einrichtungen,
die sich nicht an der Umfrage beteiligt haben, erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt.
Gerade durch die gegenwärtig scheinbar geringe oder durchschnittliche Anzahl von CI-Kliniken
in einzelnen Bundesländern würde es durch die Integration weiterer Datensätze bislang
nicht beteiligter Kliniken zu deutlichen Veränderungen der Ergebnisse kommen. Allein
aus dieser Betrachtung heraus ist anhand der derzeit verfügbaren Daten eine Bewertung
der Dichte der CI-Kliniken nicht abschließend möglich. Dennoch lassen sich, wie in
der Diskussion ausgeführt, bereits anhand der aktuell verfügbaren Daten „Clusterregionen“
und Trends für die regionale Verteilung der CI-Kliniken identifizieren.
Die hier erhobenen Daten beruhen auf der Eigeneinschätzung und Rückmeldungen der angeschriebenen
Kliniken. Eine unabhängige Verifikation der Informationen auf Korrektheit der gemachten
Angaben konnte nicht erfolgen. Abweichungen der Angaben sind damit zumindest möglich.
Allerdings existiert gegenwärtig auch keine andere einheitliche, verifizierte Datenquelle,
die eine Überprüfung der Angaben erlauben würde.
Schlussfolgerung
Die hier präsentierte Arbeit ist eine erste Standortbestimmung im Hinblick auf die
regionale Verteilung der CI-versorgenden Einrichtungen in Deutschland. Die Ergebnisse
zeigen eine heterogene regionale Verteilung der Anzahl und Lage der Kliniken in den
einzelnen Bundesländern. Auffällig ist eine Clusterbildung der CI-Kliniken in Ballungsräumen,
teils mit mehreren Einrichtungen in einer Stadt. Erfreulich ist die weit überwiegende
Berücksichtigung qualitätsbezogener Aspekte wie die Beachtung des CI-Weißbuchs der
DGHNO-KHC (3) und die Zusammenarbeit mit der Patientenselbsthilfe. Die erhobenen Daten
bieten zudem Hinweise, dass sich die Datenqualität durch ein deutschlandweites CI-Register
weiter verbessern ließe. Hierzu könnte das von der DGHNO-KHC in Vorbereitung befindliche
CI-Register einen erfolgversprechenden Lösungsansatz bieten.