Schlüsselwörter
Vena giacomini - V. femoropoplitea - V. saphena parva - paradoxer Reflux
Key words
giacomini vein - femoropopliteal vein - small saphenous vein - paradoxical reflux
Einleitung
Carlo Giacomini, italienischer Anatom, Neurowissenschaftler und Professor an der Universität
von Turin, beschrieb im Jahr 1873 in seiner Publikation „Osservazioni anatomiche per
servire allo studio della circolazione venosa delle estremità inferiori“ erstmalig
eine Vene, die seither seinen Namen trägt [1]. Carlo Giacomini berichtete über eine Vene, die er als Fortsetzung der V. saphena
parva ansah und die über die Fossa poplitea (ohne in die V. poplitea einzumünden)
zum dorsalen Oberschenkel weiter nach medial zieht, um im Verlauf in die V. saphena
magna zu münden [1]
[2]
[3].
Die vielgestaltigen anatomischen Variationen der oberflächlichen Venen in der Kniekehle
und des dorsalen Oberschenkels liegen unter anderem in der Entwicklungsgeschichte
des oberflächlichen Venensystems begründet. Die beiden epifaszialen Venen der unteren
Extremität folgen in ihrer Entwicklung im Wesentlichen den Nerven [4]. Während die V. saphena magna Ästen des präaxialen N. femoralis folgt, ist die Situation
der V. saphena parva komplexer. Ihr Anfangssegment, vom Fußrücken bis zur Wadenspitze,
ist ein Begleitgefäß des N. suralis, der zum System des N. ischiadicus, des axialen
Nervs des Embryos, gehört [4]. Ihr mittleres Segment von der Mitte des Unterschenkels bis zum Oberschenkel begleitet
den zum postaxialen Nerv des Embryos gehörenden N. cutaneus femoris posterior [4]. Zwei Anastomosen leiten den gesamten oder nur einen Teil des postaxialen Flusses
zu den benachbarten Abflüssen, dem axialen und dem präaxialen: (1) zum axialen, dem
größten Teil der V. poplitea, löst sich die Anastomose auf Höhe der Kniekehlenfalte
vom postaxialen Gefäß (der V. saphena parva) ab und bildet deren inkonstante Crosse
mit variabler Topografie, und (2) zum präaxialen Abflussgebiet, aus dem die V. saphena
magna hervorgeht [4]. In diesem Fall erstreckt sich der postaxiale Abfluss bis oberhalb der Kniekehlenfalte:
er liegt in der vertikalen Achse der Kniekehlenfalte, entlang des N. cutaneus femoris
posterior und unmittelbar unterhalb der Faszie. Wenn er den Oberschenkel erreicht,
perforiert er diese Faszie und wird subkutan [4]. Somit erklärt sich auch die physiologische Flussrichtung in der V. giacomini von
distal nach proximal. Die Nomenklatur der V. giacomini ist uneinheitlich und es existieren
zahlreiche Synonyme, wie z. B. „Oberschenkel-Extension“ („thigh extension“) [3], V. femoropoplitea [5], posterior subaponeurotic vein of the thigh [6], Ramus descendens lateralis posterior der V. saphena magna [7], V. saphena parva proximalis [8], V. saphena posterior [9] oder V. saphena accessoria medialis [10]
[11]. Die Bezeichnung V. femoropoplitea ist in mehrfacher Hinsicht irreführend. Zum einen
verbindet die Giacomini-Vene nur in einer Minderheit der Fälle die V. poplitea mit
der V. femoralis, und zum anderen suggeriert sie eine pathologische Flussrichtung
von femoral nach popliteal.
Aufgrund ihres konstanten Kalibers ist die V. giacomini eine Arkade und aufgrund ihrer
Topografie die terminale intersaphenäre Bogenvene [12].
Die V. femoropoplitea entspricht vielmehr einer anderen, ebenfalls von Giacomini beschriebenen
Gefäßformation [13]. Dabei endet die V. saphena parva in die V. poplitea und die V. giacomini fehlt;
allerdings gibt es eine gut sichtbare Begleitvene des N. cutaneus femoris posterior,
die Giacomini als V. femoropoplitea bezeichnet. Dieses Gefäß besitzt die gleiche Verbindung
mit der V. saphena parva wie die V. giacomini und nach proximal mit dem N. cutaneus
femoris posterior, aber anstatt subkutan zu werden und nach ventral in die V. saphena
magna zu münden, erschöpft es sich im Panniculus adiposus im hinteren und oberen Teil
des Oberschenkels. Dieser Ast drainiert offensichtlich Blut von proximal nach distal
in die V. saphena parva, da es ein Paar Klappen gibt, die so angeordnet sind, dass
sie Blut am proximalen Fluss hindern ([Tab. 1]).
Tab. 1
Tabellarische Übersicht unterschiedlicher Venen mit ähnlichem Verlauf am dorsalen
Oberschenkel.
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Bezeichnung
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Verlauf
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Flussrichtung
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saphenopopliteale Mündung
|
Prävalenz
|
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V. giacomini, terminale intersaphenäre Bogenvene
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von der V. saphena parva interfaszial nach proximal; nach Fasziendurchbruch epifaszial
medial um den Oberschenkel als V. saphena accessoria post. in die V. saphena magna
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nach proximal
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kann vorhanden sein oder fehlen
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ca. 70–80 %
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V. femoropoplitea
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aus dem Panniculus adiposus des dorsalen Oberschenkels zur V. saphena parva
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nach distal
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muss vorhanden sein
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ca. 15 %
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V. ischiadica
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von der V. saphena parva nach proximal subfaszial mit dem N. ischiadicus zu einer
der Vv. gluteales inferiores
|
nach proximal
|
kann vorhanden sein oder fehlen
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< 1 %
|
Andere Autoren reservieren den Begriff der V. giacomini ausschließlich für die extrafasziale
Verbindung zwischen der proximalen Verlängerung der V. saphena parva und dem mittleren
bis unteren Drittel der V. saphena magna. Im folgenden Artikel orientieren wir uns
an Giacominis Erstbeschreibung, in der die V. giacomini die proximale Fortsetzung
der V. saphena parva repräsentiert ([Abb. 1]).
Abb. 1 Giacomini-Vene: Die V. saphena parva (vsp) setzt sich als nahezu gleichkalibrige
V. giacomini (vG) auf dem Oberschenkel fort; diese windet sich um den proximalen Oberschenkel
und mündet in die V. saphena magna (vsm). Im Bereich der Kniekehle besteht eine kräftige
Perforans („Crosse“) zur V. poplitea. Vsaa = V. saphena accesssoria anterior. Linkes
Bein. Quelle: Brenner E. Anatomie des oberflächlichen Venensystems des Beines. Phlebologie
2018; 47: 352–362. doi:10.1055/s-0038-1675460.
Verlauf und Prävalenz
Die V. giacomini verläuft auf der Muskelfaszie an der Oberschenkelrückseite bis die
Muskelbäuche des M. semitendinosus mit dem M. biceps femoris (Caput longum) in der
Mittellinie oberflächlich unter der Haut zusammentreffen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Sonografische Darstellung im Querschnitt mit interfaszialem Verlauf der V. giacomini.
ST, M. semitendinosus; B, M. biceps femoris.
An dieser Stelle mündet die V. giacomini entweder in eine posterior-laterale Perforansvene
in die tiefen Beinvenen (ehemals Hach-Perforansvene) oder sie durchstößt die Saphena-Faszie,
um frei im subkutanen Fettgewebe weiter nach proximal zu verlaufen [14], um schließlich als V. saphena accessoria posterior in die V. saphena magna einzumünden.
Die Prävalenz der V. giacomini variiert je nach Autoren und Art der Untersuchung.
Giacomini fand diese nach ihm benannte Vene in 37 von 51 Beinen (72 %) [13]. In postmortalen Untersuchungen konnte die V. giacomini in bis zu 86 % der untersuchten
Beine nachgewiesen werden [2]
[15]. In einer duplexsonografischen Studie an 301 Beinen, die unter dem Verdacht auf
Vorliegen einer chronisch venösen Insuffizienz untersucht wurden, zeigte sich die
V. giacomini mit einer Häufigkeit von 70,4 % [16]. Die V. giacomini mündete in 45,3 % in das tiefe Venensystem, wohingegen es in 64,2 %
zu einem Fasziendurchbruch mit Einmündung in das oberflächliche Venensystem kam (meist
über die V. saphena accessoria posterior). Das Vorhandensein bzw. Fehlen einer saphenopoplitealen
Einmündung ist grundsätzlich unabhängig von der Präsenz der V. giacomini [16]. Darüber hinaus beeinflusste der Nachweis einer saphenopoplitealen Einmündung die
weiteren anatomischen Gegebenheiten der V. giacomini nicht [16].
Geht man von den stringenten Beschreibungen Gillots aus [4]
[12], muss man von einer nahezu 100 %igen Prävalenz der V. giacomini ausgehen. Aus den
tatsächlich beobachteten Zahlen drängt sich daher der Schluss auf, dass in manchen
Individuen diese terminale intersaphenöse Bogenvene aufgrund diverser Einflüsse, etwa
der Kompression beim Sitzen, wieder verschwindet.
Delis et al. zeigten, dass im Gegensatz zu den Stammvenen, die in 53,3 % der untersuchten
Beine von einer Insuffizienz betroffen waren, in nur 4,7 % ein isolierter Reflux der
V. giacomini nachweisbar war. Die Wahrscheinlichkeit, eine Insuffizienz der V. giacomini
nachzuweisen, erhöhte sich um das knapp 12-Fache, sofern in der V. saphena parva ein
Reflux vorlag [16]. Für die Praxis lässt sich festhalten, dass bei insuffizienter V. saphena parva
eine gezielte Untersuchung der V. giacomini sinnvoll erscheint, um eine Insuffizienz
sowie den Refluxtyp adäquat zu erfassen.
Anatomie
Faszienverhältnisse
Die V. saphena parva und die V. giacomini verlaufen in ihrer eigenen Faszienduplikatur.
Schweighofer et al. zeigten, dass diese Faszie nahe des Außenknöchels beginnt und sich über das gesamte
Bein nach proximal erstreckt. Einzig für die Einmündung in die V. poplitea durchbricht
die Crosse der V. saphena parva die Fascia poplitea (analog einer Perforansvene) [17]. Andere Autoren beschreiben, dass durch das Zurückweichen der Muskelfaszie der Wade
auf den Gastrocnemiusköpfen sowie des dorsalen Oberschenkels keine Faszie mehr zwischen
der proximalen V. saphena parva und der V. poplitea nachweisbar sei [14]
[18]. Dementsprechend verläuft die V. saphena parva vom Knöchel bis zur Kniekehle auf
der Muskelfaszie und unter der Fascia saphena, die im Fuß-nahen Drittel nicht so kräftig
ist wie in Kniegelenknähe [14].
Venenklappen
Die terminale Venenklappe der V. saphena parva befindet sich in deren Crosse in unmittelbarer
Nähe der V. poplitea und die präterminale Klappe meist distal des Abgangs der V. giacomini
[17] ([Abb. 3]).
Abb. 3 Schematische Zeichnung der saphenopoplitealen Mündung. VSP = V. saphena parva. Quelle:
Arrien GmbH.
Über die Anzahl der Venenklappen in der V. saphena parva existieren widersprüchliche
Angaben. Möglichweise ist beim Erwachsenen zum Lebensende die Anzahl der Venenklappen
in der V. saphena parva deutlich geringer als bislang angenommen [19]
[20]. Schweighofer et al. fanden in den proximalen 20 cm der V. saphena parva im Durchschnitt
nur 1,8 Venenklappen [17]. Daten zur Verteilung der Venenklappen in der V. giacomini fehlen bislang.
Topografische Anatomie der Fossa poplitea
Aufgrund der anatomischen Enge der Fossa poplitea und der in der Vergangenheit zunehmend
an Beliebtheit gewonnenen endoluminal-thermischen Verfahren ist die Kenntnis der topografischen
Anatomie insbesondere zur Vermeidung von neuronalen Komplikationen von essenzieller
Bedeutung. In Abhängigkeit von der individuellen Variabilität der saphenopoplitealen
Mündung variiert auch die neuronale Topografie in der Fossa poplitea. In der Fossa
poplitea liegt der N. tibialis in etwa 65 % der Fälle lateral der „Crosse“ [17]. Der N. fibularis communis läuft zwar selten, aber doch in bis zu 2,5 % medial um
die Crosse und kreuzt in den Fällen die Fossa poplitea schräg [17].
Der N. tibialis gibt in der Fossa poplitea u. a. den sensiblen N. cutaneus surae medialis
ab, der erst im Bereich des Unterschenkels nach dem Zusammenschluss mit dem N. cutaneus
surae lateralis aus dem N. peronaeus den Namen N. suralis trägt. Die in der aktuellen
Literatur publizierten Fälle neuronaler Komplikationen beziehen sich hauptsächlich
auf die Schädigung des N. cutaneuous suralis medialis im mittleren Drittel des Unterschenkels
und weiter distal des N. suralis. Schädigungen von neuronalen Strukturen durch die
endoluminale Ablation der V. giacomini werden, wenn auch anatomisch möglich, in der
Literatur nur als Einzelfälle beschrieben [21]. Gerade bei Behandlungen der V. giacomini als dorsale Extension auf der Rückseite
des Oberschenkels muss neben dem sensiblen N. cutaneus surae medialis auch die topografische
Nähe zum N. tibialis und N. ischadicus und vor allem zum N. cutaneus femoris posterior
berücksichtigt werden [22]
[23]. Hinzu kommt, dass eine refluxive V. ischiadica, die in ca. 1 % der Fälle vorkommt,
irrtümlicherweise für die V. giacomini gehalten werden könnte, eine thermische Ablation
würde den begleiteten N. ischiadicus zwangsläufig schädigen [24]
[25]. Die subkutane V. ischiadica ist der Hauptstamm des ursprünglichen tiefen Venensystems
(die Axialvene des Embryos) [26]. Sie verläuft in der unmittelbaren Nähe des N. ischiadicus und mündet in eine der
Vv. gluteae inferiores. Nach der Ausbildung der ursprünglich unbedeutenden V. femoralis
und deren Verbindung mit der V. ischiadica in der Kniekehle verkümmert dann der proximale
Anteil und bleibt nur als Vas nervorum bestehen [27]. Eine Persistenz der V. ischiadica ist insgesamt sehr selten (< 1 % [28]) und kommt vor allem beim Klippel-Trenaunay-Syndrom vor [29]; sie kann eine wichtige Rolle als Nebenweg für die V. femoralis übernehmen, allerdings
auch durchaus gravierende Folgen haben [30] ([Tab. 1]).
Das präinterventionelle sonografische Mapping vor jeder noch so kleinen Intervention
sollte neben den Venen auch die neuronalen Strukturen sowie an der Wade auch die die
V. saphena parva begleitende Arterie umfassen, um ggf. therapeutische Maßnahmen zu
unterlassen bzw. sinnvoll zu planen [22]
[31]
[32]
[33]
.
Refluxtypen der V. giacomini und Therapieoptionen
Refluxtypen der V. giacomini und Therapieoptionen
Als Verbindung zwischen 2 Stammvenen wird die Flussrichtung in der V. giacomini als
anterograd (von der V. saphena parva zur V. saphena magna hin) beschrieben.
Bei der V. giacomini müssen wir grundsätzlich 2 Refluxtypen unterscheiden: den anterograden
und den retrograden Reflux.
Beim retrograden Reflux der V. giacomini gelangt venöses Blut aus der V. saphena magna,
den Beckenvenen oder den Perforansvenen des Oberschenkels in die V. saphena parva
([Abb. 4a–c]).
Abb. 4 a–c Schemazeichnungen zum retrograden Reflux. a Reflux aus der V. saphena magna (in diesem Fall aus der V. femoralis communis, aus
einem Venensternseitenast wäre es auch denkbar) mit Übertritt in die V. giacomini.
Anastomose und Füllung der V. saphena parva: inkomplette Insuffizienz der V. saphena
parva vom kranialen Magna-Typ. Quelle: Arrien GmbH. b Reflux aus dem kleinen Becken über subkutane Seitenäste mit Anschluss an die V. giacomini
und Füllung der V. saphena parva: inkomplette Insuffizienz der V. saphena parva vom
kranialen pudendalen Typ. Quelle: Arrien GmbH. c Reflux in der V. giacomini aus der dorsalen Oberschenkelperforansvene mit Füllung
der V. saphena parva: inkomplette Insuffizienz vom kranialen Perforans-Typ. Quelle:
Arrien GmbH.
In allen Fällen handelt es sich um eine inkomplette Insuffizienz der V. saphena parva
mit suffizienter saphenopoplitealer Mündung. Diese Formen werden als inkomplette Insuffizienz
der V. saphena parva vom dorsalen Magna-Typ oder pelvinen Typ bezeichnet [3]
[34].
Unter dem wesentlich selteneren anterograden Reflux versteht man einen paradoxen (aufsteigenden)
Reflux, der in der muskulären Diastole stattfindet, sprich während der Relaxation
der Wadenmuskulatur nach Muskelanspannung. Dabei ist vor allem die saphenopopliteale
Mündung insuffizient (im Sinne einer Perforans-Insuffizienz), füllt die V. giacomini
anterograd, und proximal die V. saphena magna, die dann wiederum meist distal des
Knies einen varikös veränderten Seitenast füllt (komplette Insuffizienz der V. saphena
parva Hach I und inkomplette Insuffizienz der V. saphena magna vom dorsalen Typ Hach
III) ([Abb. 5]).
Abb. 5 Schemazeichnung zum anterograden Reflux. a Diastolischer Reflux der Mündung der V. saphena parva mit Übergang des Refluxes in
die V. giacomini (komplette Insuffizienz Hach I der V. saphena parva). Füllung der
V. saphena magna über die Anastomose mit Reflux bis unterhalb des Knies. Inkomplette
Insuffizienz Hach III der V. saphena magna vom dorsalen Parva-Typ. Quelle: Arrien
GmbH. b Wie a, mit dem Unterschied, dass die Refluxquelle nicht der V. saphena parva, sondern
der dorsalen Perforansvene am Oberschenkel mit Füllung der V. giacomini entspricht.
Inkomplette Insuffizienz der V. saphena magna Hach III vom dorsalen Perforanstyp. Quelle:
Arrien GmbH. c Diastolischer Reflux der Mündung der V. saphena parva mit Übergang des Refluxes in
die V. giacomini (komplette Insuffizienz Hach I der V. saphena parva) und Füllung
von Seitenästen am dorsalen Oberschenkel. Quelle: Arrien GmbH.
Alternativ können auch nur die V. saphena parva und die V. giacomini betroffen sein,
mit refluxiven Seitenästen an der Oberschenkelrückseite. Escribano zeigte, dass diese
Art des Refluxes in ca. 1 % der primären Varikose vorkommt [3]
[35]. Physikalisch ist das scheinbare Paradoxon mit dem „Heber-“ oder „Siphon-Effekt“
zu erklären. Es gilt festzuhalten, dass jeder nachweisbare Fluss in der muskulären
Diastole als pathologisch anzusehen ist und duplexsonografisch abgeklärt werden sollte.
Davon zu unterscheiden ist der systolische „Reflux“ in der V. giacomini mit retrogradem
Austritt von Blut in der Mündung der V. saphena parva und Übertritt in die V. giacomini,
anterogradem Fluss zur V. saphena magna und Drainage in die V. femoralis. Dieser systolische
Fluss in der V. giacomini entspricht einem Bypass (reell nach Thrombose oder funktionell,
z. B. bei muskulärer Hypertrophie) bei Verschluss der tiefen Oberschenkelvenen und
darf nicht mit einer Insuffizienz der V. giacomini verwechselt werden [3]
[36].
Unter dem Gesichtspunkt, dass die V. giacomini die Insuffizienz der V. saphena magna
auf die V. saphena parva überträgt, wurde in der Vergangenheit ein möglichst radikales
chirurgisches Vorgehen mit Krossektomien und Stripping beider Stammvenen inklusive
der Phlebektomie der V. giacomini propagiert [37]
[38]. Seit jüngster Zeit ermöglichen das anatomisch-funktionelle Verständnis durch die
Sonografie und die neueren endoluminal-thermischen Verfahren sowie die Sklerosierungstherapie
oder auch kleine chirurgische Eingriffe mit ihrem gezielten Einsatz und unter Kenntnis
der Refluxtypen einen deutlich minimalinvasiveren Zugang zu dieser Form der Insuffizienz
[35]
[39]
[40]
[41]
[42].
Beim anterograden Reflux der V. giacomini mit Inkompetenz der V. saphena magna vom
dorsalen Parva-Typ ([Abb. 5a]) oder mit Reflux in Seitenäste am dorsalen Oberschenkel ([Abb. 5c]) zeigten Escribano et al. an 15 Beinen eine aus pathophysiologischer Sicht interessante
Behandlungsalternative, indem er lediglich die V. giacomini von der V. saphena parva
abtrennte und die am dorsalen Oberschenkel oder an der V. saphena magna an der Wade
gelegenen varikösen Seitenäste phlebektomierte (Anwendung der CHIVA-Strategie auf
die Giacomini-Vene). Der Durchmesser der V. giacomini normalisierte sich von 5,8 mm
auf 3,6 mm und der anterograde Reflux verschwand. Die saphenopopliteale Mündung, die
vor dem Eingriff als Refluxquelle insuffizient war, normalisierte ihren Fluss ebenfalls
und war nach der Intervention suffizient. In 2 Beinen kam es nach 6 bzw. 12 Monaten
zu einem Rezidiv (13 %) [35] ([Abb. 6a–c]). Theivacumar et al. berichteten über 2 Patienten, die bei anterogradem Reflux der
V. giacomini mit refluxiver Verbindung zur V. saphena magna ausschließlich an der
mittleren bis distalen V. saphena magna mittels endoluminaler Laserablation therapiert
wurden. Die V. giacomini war in beiden Fällen, ohne dass diese direkt behandelt wurde,
nach der Ablation der V. saphena magna wieder suffizient. In der postinterventionellen
Kontrolle nach 12 Monaten konnte in beiden Fällen ein Rezidiv ausgeschlossen werden
[39] ([Abb. 6d, e]).
Abb. 6 Schemazeichnung Therapieoptionen beim anterograden Reflux. a Dissektion der V. giacomini an der V. saphena parva (grüne Linie) und Phlebektomie
der Seitenäste am Unterschenkel. Quelle: Arrien GmbH. b Dssektion der V. giacomini an der V. saphena parva (grüne Linie) und Phlebektomie
der Seitenäste am Oberschenkel. Quelle: Arrien GmbH. c Hämodynamisches Ergebnis nach den Eingriffen unter a und b. Quelle: Arrien GmbH. d Behandlung des refluxiven Anteils der V. saphena magna mit endovenös thermischer
Laserablation (grüner Strich entspricht dem thermisch behandelten Bereich). Quelle:
Arrien GmbH. e Hämodynamisches Ergebnis nach den Eingriffen unter d: Der Blutfluss aus der distalen
V. saphena magna drainiert über Perforansvenen der Wadenmuskulatur (hellblauer Pfeil).
Quelle: Arrien GmbH.