Nach einem Schlaganfall zeigen einige Patienten mit Hemiparese eine sehr spezifische
Störung ihrer Kontrolle der Körperhaltung und des Gleichgewichts: In sitzender oder
stehender Körperhaltung setzen sie den Arm und das Bein der kaum betroffenen Seite
ein, um sich aktiv in Richtung der gelähmten Körperhälfte zu drücken. Dies würde normalerweise
bedeuten, dass sie das Gleichgewicht verlieren und in die der Läsion gegenüberliegenden
Seite fallen, wenn sie nicht durch eine Person entsprechend gestützt und stabilisiert
würden. Der unverhältnismäßige Kraftaufwand bzw. muskuläre Einsatz, den die Patienten
bei passiver Korrektur ihrer Körperhaltung zeigen, lässt sie schnell ermüden. Davies
bezeichnete diese Symptomatik als „Pusher-Syndrom“, heute auch „Pusher-Symptomatik“,
„kontraversives Drücken“ oder „Lateropulsion“ genannt [1].
Das Pusher-Syndrom ist heute auch als Pusher-Symptomatik, kontraversives Drücken oder
Lateropulsion bekannt.
Mehrere Testverfahren validiert
Mehrere Testverfahren validiert
Mit Testverfahren wie der „Scale of Contraversive Pushing“ (SCP) [2] oder der „Burke Lateropulsion Scale“ (BLS) [3] lässt sich die Pusher-Symptomatik standardisiert erfassen. Entsprechend der SCP
wird kontraversives Pushen diagnostiziert, wenn ein Patient eine spontane Körperhaltung
mit lateraler Neigung zur kontraversiven Seite zeigt, mit dem Arm und dem Bein der
kaum betroffenen Körperhälfte durch Abduktion und Extension eine Kraft nach kontraversiv
erzeugt und Widerstand bei passiver Haltungskorrektur leistet. Die Validität und Reliabilität
der SCP-Skala bewerteten die Forscher als hoch [4].
Die BLS unterscheidet sich von der SCP darin, dass man Symptome nicht nur im Sitzen
und Stehen beurteilt, sondern auch im Liegen, Gehen und im Transfer. Hinzu kommt eine
etwas feinere Unterteilung der Schwere der Symptomausprägung innerhalb der jeweiligen
posturalen Aktivität, die für Verlaufsuntersuchungen von Vorteil ist. Die BLS ist
verglichen mit der SCP im Verlauf der Erholung sensibler für milde Pusher-Symptomatik.
In Abhängigkeit von dem bei der BLS verwendeten Diagnosekriterium lässt sich jedoch
eine Übereinstimmung der Diagnosestellung zwischen der BLS- und der SCP-Skala herstellen
[5].
Inhaltlich unterscheiden sich die beiden Skalen nur wenig, da sie beide die Neigung
der spontanen Körperhaltung und den Widerstand gegen passive Korrektur einordnen.
Insofern zeigt sich eine Besonderheit der SCP darin, dass sie zusätzlich die Abduktion
und Extension des Armes und des Beines auf der kaum betroffenen Seite einbezieht.
Erstaunlicherweise wird dieses für schwere Pusher-Symptomatik hoch charakteristische
Phänomen in den anderen Skalen wenig beachtet und vermutlich unter der Kategorie des
Widerstands subsummiert.
Merke – Prognose
Patienten mit Lateropulsion nach linkshemisphärischen Läsionensowie Personen jüngeren
Alters und initial weniger sensomotorisch Beeinträchtigte scheinen sich tendenziell
schneller zu erholen. Je geringere Beeinträchtigungen ein Patient nach dem Schlaganfallzeigt,
umso schneller scheint er Strategien zu entwickeln, diegestörte posturale Kontrolle
funktionell zu kompensieren.
Unterschiedliche Arten von Pusher-Symptomatik
Unterschiedliche Arten von Pusher-Symptomatik
Von der Pusher-Symptomatik unterscheidet man die „thalamische Astasie“ und das „Wallenberg-Syndrom“.
Im Fall der Astasie verlieren die Patienten während des Sitzens, Stehens und Gehens
verbunden mit eher milden sensomotorischen Beeinträchtigungen der kontralateralen
Körperhälfte das Gleichgewicht. Ein aktives Drücken in eine bestimmte Richtung findet
nicht statt.
ABB. 1 A UND B Spontane Haltung im Sitzen bei einem Patienten mit (oben) und einer Patientin ohne
Pusher-Symptomatik (unten) jeweils nach rechtshemisphärischer Läsion
Abb.: D. Zietz und L. JohannsenAbb.: D. Zietz und L. Johannsen
Beim Wallenberg-Syndrom (auch laterales medulläres Syndrom genannt) sind die Patienten
in der Lage, ohne Unterstützung aufrecht zu sitzen. Sie neigen allerdings dazu, im
Stand oder ataktischen Gang ihr Gleichgewicht in seitliche Richtung zu verlieren.
Patienten mit Pusher-Symptomatik zeigen insgesamt schwerere Funktionsbeeinträchtigungen
als Patienten ohne.
Verlangsamter Erholungsprozess
Verlangsamter Erholungsprozess
Schätzungen der Häufigkeit schwer ausgeprägter kontraversiver Pusher-Symptomatik bzw.
Lateropulsion bei Patienten mit akutem Schlaganfall mit Hemiparese reichen von 10
bis 25 Prozent [6], [7]. Bei der Aufnahme zeigen Patienten mit Pusher-Symptomatik schwerere Funktionsbeeinträchtigungen
als Patienten ohne Pusher-Symptome [7]. Obwohl räumlicher Neglekt und andere neuropsychologische Einschränkungen wie Anosognosie
oder Apraxie als Ursache ausgeschlossen wurden [2], [7], scheint es eine starke Assoziation zwischen Pusher-Symptomatik und schwerer Hemiparese,
somatosensorischem Verlust, Aphasie bzw. räumlichem Neglekt zu geben [8]. Der Erholungsprozess von Patienten mit Pusher-Symptomatik ist verlangsamt, aber
langfristig erreichen sie ein ähnlich hohes Funktionsniveau wie Patienten ohne diese
Symptomatik [7].
Besserung meist schon in den ersten sechs Wochen
Besserung meist schon in den ersten sechs Wochen
Patienten mit Pusher-Symptomatik scheinen langfristig erfolgreich kompensieren zu
können. Sechs Monate nach dem Schlaganfall zeigen bis zu 100 Prozent bedeutsame Veränderungen
auf allen SCP-Subskalen, obgleich sich noch eine leichte Restsymptomatik hinsichtlich
des Widerstands gegen passive Haltungskorrektur feststellen lässt [9]. Innerhalb von drei bis sechs Wochen nach Schlaganfall reduzieren sich die Symptome
bei 62–75 Prozent der Patienten [10], sodass sie selbstständig und ohne äußere Unterstützung sitzen. Nach etwa drei Monaten
weisen 21 Prozent noch Restsymptome – hauptsächlich im Stehen – auf. In Abhängigkeit
von der Schwere der Symptomatik reicht die Erholungsrate vier bis sechs Wochen nach
dem Schlaganfall von 37 Prozent für die am schwersten betroffenen Patienten bis zu
91 Prozent für die am leichtesten Betroffenen [11].
Verhaltensaspekte der Orientierungswahrnehmung
Verhaltensaspekte der Orientierungswahrnehmung
Die Kontrolle des Körpergleichgewichts ist ein komplexer Prozess, der aus dem Zusammenspiel
vieler Systemkomponenten resultiert. Visuelle, vestibuläre, somatosensorisch kutane
und propriozeptive Sinnesinformationen tragen dazu bei, die Körperhaltung zu regulieren.
Für eine möglichst umfängliche Wahrnehmung der Lage des Körpers in der Umwelt müssen
diese qualitativ sehr unterschiedlichen Sinnesafferenzen miteinander integriert werden.
Es gibt eine natürliche Redundanz zwischen den Sinnesmodalitäten, die zur gegenseitigen
Bestätigung wichtig ist. Mitunter bedeutet diese Redundanz jedoch auch, dass intersensorische
Konflikte erkannt und aufgelöst werden müssen. Für die Fusion der Sinneskanäle ist
daher die relative Gewichtung der einzelnen Afferenzen mittels kontinuierlich zu aktualisierender
Schätzungen ihrer jeweiligen Reliabilität essenziell.
SVV und SPV
Bei der subjektiven visuellen Vertikalen (SVV) wird die Orientierung eines Leuchtstabs
ohne visuelle Umgebungsreferenz der Schwerkraft entsprechend ausgerichtet, während
man bei der subjektiven posturalen Vertikalen (SPV) die Körperorientierung ganz ohne
visuelle Rückmeldung oder Umgebungsreferenz nur basierend auf somatosensorischen und
vestibulären Afferenzen vertikal ausgerichten muss. Die Antwortmuster der beiden Aufgaben
sind zwar ähnlich, jedoch korrelieren die produzierten Abweichungen von der vorgegebenen
Zielorientierung bei neurologisch gesunden Probanden nicht miteinander, was zeigt,
dass der Mensch nicht nur über ein einziges Orientierungsreferenzsystem verfügt, sondern
über mehrere aufgaben- und modalitätsspezifische Referenzsysteme.
Die Wahrnehmung der SVV wird beeinflusst von propriozeptiven und somatosensorischen
Afferenzen. Dies legt systematische Fehleinschätzungen bei nicht aufrechter Kopfhaltung
und Körperorientierung nahe. Sowohl die SPV als auch die SVV werden bei Patienten
nach Schlaganfall durch somatosensorische Defizite beeinflusst. Sie stehen aber nur
in einem moderaten Zusammenhang mit der Kontrolle des Gleichgewichts im Sitzen. Patienten
mit Pusher-Symptomatik zeigen mitunter eine messbare, wenn auch geringe Abweichung
in der Wahrnehmung der SVV [12]. Inwiefern diese Auffälligkeiten jedoch direkt oder indirekt mit der Pusher-Symptomatik
zusammenhängen, ist ungeklärt.
Patienten mit Pusher-Symptomatik zeigen häufig Abweichungen in der subjektiven posturalen
Vertikalen.
Untersuchung mit Videokinematik
Untersuchung mit Videokinematik
Patienten mit Pusher-Symptomatik zeigen im Sitzen [2] und Stehen [13] eine mitunter deutliche Verkippung der SPV in ipsilaterale Richtung. Um Konfundierungen
der SPV durch Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit, des Verständnisses und der Produktion
von Sprache zu vermeiden und einen Ausdruck der wahrgenommenen Körperorientierung
mittels spontaner Stellreaktionen des Kopfes und der Beine zu schätzen, wurden diese
während langsamer, passiver Verkippung ohne Bodenkontakt mittels Videokinematik untersucht
[14]. Im Vergleich zu verschiedenen Kontrollgruppen zeigten die Patienten eine spontane
Fehlhaltung des gering paretischen Beines zum Rumpf, die durch eine ipsiversive Verkippung
der eigenen wahrgenommenen Körperorientierung erklärt werden könnte.
Weder zeigten Patienten mit akuter vestibulärer Störung ähnliche fehlorientierte Stellreaktionen,
noch beeinflusste die Verfügbarkeit visueller Rückmeldung von Körper und Umgebung
die Reaktionen der Patienten mit Pusher-Symptomatik [14]. Daraus lässt sich ableiten, dass eine gestörte Verarbeitung somatosensorischer
Afferenzen der Körperhaltung zur Unterstützungsoberfläche möglicherweise eine Rolle
spielt.
Funktionelle Neuroanatomie
Funktionelle Neuroanatomie
Die Verarbeitung visueller, vestibulärer und somatosensorischer Afferenzen für die
Kontrolle von Körperhaltung und Gleichgewicht geschieht in spezifischen Regionen des
Hirnstamms, des Kleinhirns, des Thalamus und des zerebralen Kortex. Der posterolaterale
Thalamus und die posteriore Inselregion sind integrale Komponenten des vestibulären
Systems, da sie bei Schädigung zu einer Fehlwahrnehmung der Orientierung der visuellen
Umgebung führen [15]. Der parietoinsuläre vestibuläre Kortex ([ABB. 3]), das Zentrum des „vestibulären kortikalen Systems”, integriert vestibuläre und
visuelle Information mit Propriozeption der Nackenmuskulatur. Aber auch die benachbarten
Regionen wie das parietale Operculum und die Übergangsregion vom temporalen zum parietalen
Kortex verarbeiten vestibuläre Reize und tragen zur Wahrnehmung der Körperorientierung
bei.
ABB. 2 A UND B Spontane Bein- und Kopfstellreaktionen bei passiver Verkippung durch die Therapeutin
bei einem Patienten mit Pusher-Symptomatik (oben) und einer Patientin ohne (unten).
Beide Patienten zeigen eine rechtshemisphärische Läsion.
Abb.: D. Zietz und L. JohannsenAbb.: D. Zietz und L. Johannsen
ABB. 3 Lokalisation des parietoinsulären vestibulären Kortex (PIVC)und benachbarter Regionen
im temporoparietalen Übergangs-gebiet in der linken Hemisphäre
Abb.: H. Hübner/Thieme Gruppe
Karnath et al. publizierten die erste Studie, die systematisch die Läsionen von Patienten
mit Pusher-Symptomatik untersuchte und dabei konservativen Kriterien der Diagnosestellung
folgte [16]. Sie führten die Läsionsdaten von 23 Patienten zusammen, verglichen sie mit Kontrollpatienten
ohne Symptome und fanden heraus, dass in beiden Hemisphären der posterolaterale Thalamus
die neuroanatomische Struktur ist, die nach einer Schädigung mit der höchsten Häufigkeit
die Symptomatik hervorruft. Hinsichtlich kortikaler Hirnläsionen zeigen Patienten
mit Pusher-Symptomatik bzw. Lateropulsion in beiden Hemisphären tendenziell eher Schädigungen
der posterioren Inselregion, des parietalen Operculum und des superioren temporalen
Gyrus, wobei es eine funktionelle Asymmetrie zwischen den Hemisphären zu geben scheint
[17].
Theoretische Erklärungsansätze
Theoretische Erklärungsansätze
Es gibt unterschiedliche Ansichten, welche Rolle eine Aufmerksamkeitsstörung wie räumlicher
Neglect bei der Entstehung der Pusher-Symptomatik spielen könnte. Lafosse et al. nehmen
an, dass eine gestörte Beziehung zwischen einem räumlichen Verarbeitungsdefizit wie
Halbseitenneglect und der axialen Körperschemarepräsentation bei rechtshemisphärischen
Patienten besteht [18]. Gedanklich verwandt ist der Ansatz des „gravizeptiven Neglects“ nach Perennou et
al., wonach die Pusher-Symptomatik als Ausdruck eines Nichtbeachtens eines posturalen
Ungleichgewichts in die seitliche Richtung interpretiert wird [19].
Der Patient muss keinen räumlichen Halbseitenneglect haben, damit eine Pusher-Symptomatik
entsteht.
Demgegenüber fanden Karnath et al. heraus, dass Patienten mit Pusher-Symptomatik eine
Störung eines Systems zur Wahrnehmung der Schwerkraft zeigen, das sich auf die Verarbeitung
somatosensorischer und interozeptiver Afferenzen stützt [2]. Diese Interpretation ist durchaus vereinbar mit der Annahme, dass die Pusher-Symptomatik
den Störungen hochrangiger vestibulärer Funktionen zuzuordnen ist, die sich durch
eine abnormale Integration multipler sensorischer Modalitäten sowie Repräsentationen
der Orientierung im Raum auszeichnen. Letztlich schließen sich die neglectorientierten
Erklärungsansätze und Ansätze, die eine gestörte somatosensorische Informationsverarbeitung
zur Wahrnehmung der Vertikalen annehmen, nicht zwangsläufig gegenseitig aus. Meistens
ist der gewählte Erklärungsansatz eher ein Resultat der individuellen Schwerpunktsetzung
der Forschenden. Empirisch scheint ein räumlicher Halbseitenneglect jedenfalls nicht
notwendig für die Pusher-Symptomatik zu sein, da auch linkshemisphärisch geschädigte
Patienten diese Symptomatik ohne zusätzlichen Neglect zeigen können.
Vom heutigen Erkenntnisstand ausgehend muss man jedoch feststellen, dass es bisher
kaum Fortschritte gegeben hat, die motorischen Komponenten der Pusher-Symptomatik
besser zu verstehen. Zum Beispiel können die Streckung und Abspreizung der Extremitäten
der kaum paretischen Körperhälfte ein Ausdruck einer intendierten motorischen Kontrollstrategie
sein, mit der die aufgewendeten Kräfte maximiert werden sollen. Eine überkompensierende
Eskalation des Kraftaufwands könnte wiederum durch eine geringe Präzision der Vorhersage
des zukünftigen posturalen Zustands erklärbar sein.
Therapeutische Ansätze
Aufgrund des wenn auch begrenzten Verständnisses der ursächlichen Mechanismen der
Pusher-Symptomatik scheint es sinnvoll, in der Behandlung Trainingsformen einzusetzen,
die eine Kompensation des eigentlichen Defizits bzw. eine Umgewichtung der gewohnheitsmäßigen
Orientierungsreferenz bewirken. Beispielsweise könnten Patienten mit Pusher-Symptomatik
Individuen sein, die ihr dominantes posturales Bezugssystem über somatosensorische
Informationen aufspannen und die Unterstützungsoberfläche als Referenz nutzen, dabei
aber nicht in der Lage sind, ihr posturales Bezugssystem zu wechseln. Insofern würden
sich Strategien regelmäßigen Feedback-Trainings anbieten.
Es gibt bisher keinen Goldstandard in der Behandlung. Therapeutische Ansätze, etwa
galvanisch vestibuläre Stimulation, transkranielle Gleichstromstimulation, Lagerungspositionen
im Liegen und seitliches Gehen zur nicht betroffenen Seite auf einem Laufband haben
Wissenschaftler bisher fast ausschließlich auf dem Niveau von Einzelfallserien evaluiert.
Ein robotergestütztes Gangtraining konnte die Pusher-Symptomatik in einer Studie deutlich
reduzieren.
Auch mittels Orientierungstrainings mit visuellen und somatosensorischen Hinweisreizen
wurde versucht, die Pusher-Symptomatik zu reduzieren und die Haltungskontrolle zu
verbessern. Ein Ansatz zur kurzfristigen Reduktion des aktiven Drückens, zum Beispiel
zu Beginn einer Therapieeinheit, beinhaltet die Lenkung der Aufmerksamkeit des Patienten
auf vertikale Strukturen im Raum, die Unterbindung des aktiven Drückens durch das
Hinlangen zu Objekten auf der nicht betroffenen Seite und die Erarbeitung einer spontan
vertikal ausgerichteten Körperhaltung. Dieses Vorgehen reduzierte innerhalb von drei
Wochen signifikant die Pusher-Symptomatik [10]. Als einer der wenigen Gruppenvergleiche konnten Bergmann et al. zeigen, dass ein
robotergestütztes Gangtraining die Pusher-Symptomatik innerhalb von zwei Wochen deutlich
reduziert [20]. Nichtsdestotrotz sind weitere experimentelle und kontrollierte Interventionsstudien
notwendig, um die sensomotorische Integration der verschiedenen Verarbeitungs- und
Kontrollsysteme für die aufrechte Körperhaltung zu verstehen und somit die mit der
Pusher-Symptomatik verbundenen Phänomene gezielter therapieren zu können.
Es gibt bisher keinen Goldstandardin der Behandlung derPusher-Symptomatik.
Zusammenfassung
Pusher-Symptomatik scheint mehr zu sein als eine alleinige perzeptive Störung der
Wahrnehmung der Körperorientierung. Stattdessen könnte die Symptomatik aus einem Zusammenspiel
von individueller Disposition, Störungen somatosensorischer Körperrepräsentation,
hochrangiger Aufmerksamkeitsfunktionen und sensomotorischer Integration entstehen.
Die Läsionsanatomie von Patienten mit Pusher-Symptomatik überlappt häufig mit dem
kortikalen vestibulären Netzwerk, in dessen Mittelpunkt die posteriore Inselregion
liegt. Neuroanatomisch ist eine Unterscheidung in Patienten mit und ohne Pusher-Symptomatik
nicht eindeutig. Auf Verhaltensebene demonstrieren diese Individuen jedoch eine praktisch
unverwechselbare und relativ einfach diagnostizierbare Symptomatik und zeigen Hinweise
auf eine Störung der Verarbeitung somatosensorischer Information zur Wahrnehmung der
Orientierung des eigenen Körpers. Dieses schließt jedoch nicht aus, dass sie auch
ein Defizit der Orientierung der Wahrnehmung der visuellen Umwelt zeigen. Evidenzbasierte
Therapieansätze, die die motorische Seite der Pusher-Symptomatik adressieren und praxistauglich
angewendet werden können, sind bislang nicht verfügbar.