Die hohe Kontagiosität von COVID-19 war seit den ersten Berichten aus China klar,
sie war deutlich höher als bei Influenza und nur vergleichbar mit der Kontagiosität
von Masern, die klassisch als die am meisten ansteckende Erkrankung angesehen wird.
Während man in der frühen Zeit der Pandemie die Übertragung vom Tier auf Mensch in
der ersten Ausbruchstelle im Tiermarkt in Wuhan angenommen hat, stellte sich anhand
der Übertragung in Familien heraus, dass die Ansteckung von Mensch zu Mensch den Hauptweg
der Ausbreitung darstellt. Seit einigen Wochen ist endgültig geklärt, dass die Übertragung
weniger durch Schmierinfektion als aerogen erfolgt, als Tröpfcheninfektion. Diese
gefährdet besonders Menschen, die in geschlossenen Räumen ohne Maskenschutz sehr nahe
zueinander und über lange Zeit exponiert werden. Besonders kleine Partikel, etwa 5
(bis zu 100 µm), „Aerosol“ genannt, bleiben mehrere Stunden in der Luft schweben und
erreichen größere Entfernungen als die auf viel größeren Tröpfchen abgemessene Abstandsregelung
von 1,5 m. Aerosolpartikel verbreiten auch die Viren.
Das sind alles ideale Voraussetzungen für die Übertragung der Infektion von einem
erkrankten Familienmitglied („Index case“) auf die ganze Familie. Es war anzunehmen,
dass die Übertragung unter Familienmitglieder eine treibende, vielleicht auch die
wichtigste Quelle der Ausbreitung der Pandemie ist.
Am 18. 12. 2020 wurden in PubMed eine nicht mehr übersehbare Anzahl von 59 443 Publikationen
über COVID-19 gelistet, darunter viele Kasuistiken und narrative Reviews zu den bekannten
und noch zu etablierenden Übertragungswegen. Die exakte Kenntnis der Übertragungswege
erlaubt es, mit möglichst gezielten und effektiven Maßnahmen die Pandemie einzudämmen.
Das systematische Review und die Metaanalyse von Madewell et al. in JAMA kommen daher
gerade zurecht.
Viele für die Eindämmung der Pandemie wichtigen Fragen sollten dabei beantwortet werden:
Übertragung durch ältere oder jüngere Personen, asymptomatische versus symptomatische
Personen, Intensität des Kontaktes in der Familie, Männer und Frauen, die Schwere
der Erkrankung des Indexfalles.
Das wichtigste Ergebnis der Metaanalyse ist, dass die Übertragungsrate in der Familie
16,6% beträgt und damit eher niedriger ist als der Verfasser aufgrund seiner Tätigkeit
in der pneumologischen Praxis eingeschätzt hat. Ich sah Cluster aus dem familiären
Umfeld, z. B. 2–3 weitere Ansteckungen in einer 5-köpfigen Familie durch ein Familienmitglied.
Besonders hervorzuheben ist das Ergebnis, dass Schlafen im gleichen Schlafzimmer eines
der wichtigsten Übertragungsrisiken ist. Diese Erkenntnis kann sicher auch auf andere
virale Infektionen wie Influenza übertragen werden und hat sofort nutzbare praktische
Konsequenzen: Für die Dauer der Infektiosität bei symptomatischen Patienten soll einer
der Partner aus dem Schlafzimmer ausziehen. Entsprechend kann jetzt jeder Arzt – evidenzbasiert
– seine Patienten beraten.
Es ist auch wichtig zu wissen, dass asymptomatische Fälle („positiv getestet) weniger
häufig die Krankheit übertragen. Bemerkenswert ist, dass COVID-19 deutlich stärker
kontagiös ist als andere bekannte Coronaviren.
Autorinnen/Autoren
Dr. med. Peter Kardos, Internistische Facharztpraxis, Frankfurt am Main, pkardos@aol.com