Osteosarkome sind die häufigsten primären malignen Knochentumoren bei Kindern, Jugendlichen
und jungen Erwachsenen. Seit Gründung der Cooperativen Osteosarkom Studiengruppe COSS
im Jahr 1977 werden Patienten mit Osteosarkomen und ähnlichen Knochentumoren aus Deutschland,
Österreich und der Schweiz, später auch aus Tschechien und Ungarn, in der COSS-Datenbank
registriert und zeitlich unbegrenzt nachbeobachtet. Es handelt sich mit über 5000
registrierten Patienten (Stand 10/2020) um eine der größten Osteosarkom-Kohorten weltweit.
Die Prognose von hochmalignen lokalisierten Osteosarkomen hat sich in den letzten
mehr als 30 Jahren nicht wesentlich verändert [1].
Seit 2005 erfolgt die Datenspeicherung von Patienten, die nicht an einer Therapieoptimierungsstudie
von COSS teilnehmen, in einem eigenen Register. Nach Ende der EURAMOS-1-Studie für
Patienten bis 40 Jahre und des EURO-B.O.S.S.-Protokolls für Patienten über 40 Jahre
werden aktuell alle gemeldeten Patienten in dieses Register rekrutiert.
Veränderte Regularien (EU-Datenschutzgrundverordnung [EU-DSGVO] [2]) und neue Kooperationen machen die Erstellung eines neuen Registerprotokolls notwendig.
Bei dem geplanten „Register für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Osteosarkomen
und biologisch verwandten Knochensarkomen: COSS-Register“ handelt es sich um ein prospektives,
multizentrisches, klinisch/epidemiologisches, nicht-interventionelles und internationales
Register. Am COSS-Register teilnehmen können Behandlungszentren mit Sitz in Deutschland,
Österreich, Schweiz, Tschechien und Ungarn, vorausgesetzt, dass ein Ethikvotum vorliegt
und die Bestimmungen des Protokolls und der EU-DSGVO sowie der jeweils gültigen nationalen
Datenschutzgesetze eingehalten werden. Der Start des Registers ist für das 1. Quartal
2021 mit einer unbefristeten Laufzeit geplant.
In das COSS-Register können Patienten jeden Alters, Geschlechts und Tumorstadiums
unabhängig von der Teilnahme an einer klinischen Studie eingeschlossen werden, sofern
die Diagnose eines Osteosarkoms (jeder Subtyp oder eine Sonderform) oder eines der
folgenden Knochensarkome histopathologisch gesichert wurde: undifferenziertes pleomorphes
Sarkom, dedifferenziertes oder mesenchymales Chondrosarkom, Fibrosarkom, Angiosarkom
bzw. Leiomyosarkom [3]. Zudem muss das Einverständnis zur Teilnahme am Register und an der Biomaterialbank
vorliegen.
Im neuen COSS-Register werden weiterhin Daten zu Diagnose, Behandlung und Krankheitsverlauf
von Patienten mit Osteosarkomen und verwandten Knochentumoren erfasst. Mit seiner
unbefristeten Laufzeit gewährleistet es die Langzeitnachverfolgung dieser Patienten.
Ziele des COSS-Registers sind die Erforschung von Krankheitsursachen sowie die Identifikation
von Risikofaktoren für diese Tumoren. Es dient als Rekrutierungsrahmen für zukünftige
klinische Phase-I-, Phase-II- oder Therapie-Optimierungsstudien und soll die Datenbasis
für zukünftige klinische sowie translationale Forschung erweitern. Ein neues und wichtiges
Ziel des Registers ist die Sammlung von biologischem Tumormaterial in einer Biomaterialbank
(BMB) für zukünftige Forschungsprojekte.
Die Neufassung des COSS-Registers wird durch verschiedene Hindernisse erschwert: allen
voran die gültigen Datenschutzbestimmungen, die eine Trennung von personenbezogenen
Daten und medizinischen Forschungsdaten fordern und einen Datenaustausch zwischen
behandelnder Klinik und Register sowie BMB bzw. zwischen Register und BMB nur in pseudonymisierter
Form gestatten.
Eine weitere Hürde ist die im Vergleich zu einer klinischen Studie meist geringere
Bereitschaft von teilnehmenden Kliniken, Patientendaten (zeitnah) in einem Register
zu dokumentieren. Im Rahmen eines Registers ist es zudem schwieriger, die Registerteilnehmer
zur Einsendung von Biomaterialproben in die BMB zu motivieren. Zur Überwindung dieser
beiden Hürden ist die Integration des wissenschaftlichen Begleitprojekts „Tumorprädispositionssyndrome
bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“ in das COSS-Register geplant. Eine Reihe
von genetisch determinierten Tumorprädispositionssyndromen (z.B. Li-Fraumeni-Syndrom,
familiäres Retinoblastom, Rothmund-Thomson-Syndrom) gehen mit einem erhöhten Osteosarkomrisiko
einher [4]. Pathogene Keimbahnvariationen werden für das Osteosarkom in einer Häufigkeit von
6–10 % berichtet [5]. Eine aktuelle Studie konnte bei mehr als einem Viertel der untersuchten Osteosarkompatienten
eine pathogene oder wahrscheinlich pathogene Genvariante nachweisen [6]. Ziel des Projektes ist die prospektive Erfassung der Häufigkeit und Art genetischer
Keimbahnmutation bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Osteosarkom.
Zusätzlich soll der Zusammenhang zwischen Keimbahnveränderungen und dem Manifestationsalter
und zu bekannten prognostischen Faktoren wie dem Ansprechen auf die Chemotherapie
erforscht werden.
Neben Keimbahnveränderungen rücken auch somatische Genveränderungen hinsichtlich ihrer
Bedeutung für die Entstehung und Behandlung von Osteosarkomen zunehmend in den wissenschaftlichen
Fokus. Bislang fehlt eine entitätsspezifische BMB in Deutschland, die eine systematische
Erforschung von Osteosarkomen auf zellulärer und molekularer Ebene ermöglicht.
In Ergänzung zum COSS-Register in Stuttgart soll daher am Klinikum Kassel eine korrespondierende
Proben-Datenbank für diese Erkrankung etabliert werden. Die medizinischen Daten des
COSS-Registers in Stuttgart werden mittels Zentralem Datenmanagement der Gesellschaft
für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) mit den Proben bzw. Probenbegleitdaten
der Proben-Datenbank am Institut für Pathologie am Klinikum Kassel datenschutzkonform
verknüpft.
Die BMB soll als entitätsspezifische BMB der GPOH etabliert werden, welche einheitlich
die strukturellen, organisatorischen und qualitativen Anforderungen an pädiatrisch
hämato-/onkologische Biomaterialbanken in Deutschland vorgibt.
Die BMB für Osteosarkome soll – zunächst auf nationaler Ebene – Gewebe- und Blutproben
von primären und sekundären Neuerkrankungen aller Altersstufen und Stadien sammeln.
Dabei sollen prätherapeutisch, präoperativ, nach Therapieabschluss und ggf. im Rezidiv
schockgefrorenes und paraffiniertes Restgewebe bzw. Blutproben für genetische Analysen,
Proteinanalysen und Analysen zirkulierender, zellfreier Tumor-DNA (ccf-DNA) asserviert
werden. Blutproben werden im Rahmen des geplanten wissenschaftlichen Projekts vor
der Asservierung auf bekannte Keimbahnmutationen untersucht. Ein wichtiges Anliegen
der BMB ist, molekular gut definierte Kollektive für weitere Forschungsvorhaben verfügbar
machen zu können.
Zusammenfassend sollen das neue COSS-Register und die geplante BMB als technische
Plattform zur Identifikation neuer prognostischer und prädiktiver Marker sowie therapeutischer
Zielstrukturen gemeinsam langfristig ermöglichen, die Prognose von Osteosarkompatienten
und die Therapieverträglichkeit zu verbessern.