Handchir Mikrochir Plast Chir 2021; 53(01): 19-25
DOI: 10.1055/a-1349-1446
Originalarbeit

Anatomische Landmarken für periphere Nervenblöcke an Unterarm und Handgelenk: Eine Untersuchung an Leichenpräparaten

Anatomical landmarks for peripheral neural blocks of the forearm and the wrist: A cadaveric study
1   Spital STS AG, Orthopädie/Traumatologie, Wirbelsäulenchirurgie & Sportmedizin, Thun, Schweiz
,
Tatjana Lanaras
2   Universitätsspital Zürich, Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Zürich, Schweiz
,
2   Universitätsspital Zürich, Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Zürich, Schweiz
,
Marco Guidi
2   Universitätsspital Zürich, Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Zürich, Schweiz
,
Maurizio Calcagni
2   Universitätsspital Zürich, Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Zürich, Schweiz
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Es gibt keine Daten, die eine standardisierte, auf Orientierungspunkten basierende Technik zur Blockierung sensibler Nerven des Unterarms gewährleisten.

Ziel Ziel dieser Untersuchung war es, Stellen an Unterarm und Ellenbogen zu definieren, an denen unter Orientierung an gut tastbaren knöchernen Landmarken Nervenblockaden relativ sicher erfolgreich möglich sind.

Methoden An fünf Leichenarmen wurden der Ramus superficialis des N. radialis (RSNR), der dorsale Ast des N. ulnaris (RDNU), der laterale, mediale und dorsale N. cutaneus antebrachii (NCAL, NCAM, NCAD) sowie der Ramus palmaris des N. medianus (RPNM) präpariert. In Bezug auf den Processus styloideus radii und ulnaris, das Listerʼsche Tuberkulum sowie den Epikondylus medialis und lateralis sowie Verbindungslinien zwischen diesen gut tastbaren Knochenvorsprüngen wurden Stellen lokalisiert, an denen die vorgenannten Nerven aufzufinden und zu blockieren sind.

Ergebnisse Die Nerven können an folgenden Stellen sicher blockiert werden: der RSNR 85 mm proximal des Listerʼschen Tuberkels auf einer Linie zwischen letzterem und dem Epicondylus humeri medialis; der NCAL 38 mm und der NCAD 32 mm ulnar vom Epicondylus humeri lateralis; der NCAM 14 mm radial zum medialen Epicondylus; der RDNU 27 mm proximal zum Ulnastyloid in Richtung des lateralen Epicondylus; der RPNM auf einer nach ulnar zielenden Senkrechten zur Verbindungslinie zwischen dem Processus styloideus radii (PSR) und dem medialen Epikondylus 45 mm proximal des PSR und 21 mm nach ulnar.

Schlussfolgerung Unter Verwendung gut tastbarer Knochenvorsprünge am distalen Unterarm und Ellenbogen und Verbindungslinien zwischen ihnen lassen sich der RSNR, RDNU, RPNM sowie die NNCAL/M und D sicher lokalisieren.

Evidenzgrad IV


#

Abstract

Background There are no data ensuring a standardized landmark-based-technique for blocking sensitive nerves of the forearm.

Purpose To identify locations were with use of good palpable bony landmarks and lines between them sensitive nerve blocks on the forearm can be done with great success.

Material and Methods Dissection of the superficial branch of the radial nerve (SBRN), the dorsal branch of the ulnar nerve (DBUN), the lateral, medial and dorsal antebrachial cutaneous nerve (LACN, MACN, and DACN) as well as the palmar branch of the median nerve (PBMN) was performed on five upper limbs of five different Caucasian cadavers. With respect to radius and ulnar styloid, Lister’s tubercle, and the medial and lateral epicondyle of the humerus as well as connecting lines between these bony landmarks locations were defined, where the mentioned nerves can be found and blocked.

Results The six nerves can be safely blocked at the following sites: the SBRN 85 mm proximal to Lister’s tubercle on a line drawn between the latter and the medial humeral epicondyle; the LACN 38 mm and the dorsal one 32 mm ulnar from the lateral epicondyle; the MACN 14 mm radial to the medial epicondyle; the DBUN 27 mm proximal to the ulnar styloid in direction to the lateral epicondyle; the PBMN 45 mm proximal to the radial styloid following a line between the latter and the medial epicondyle and 21 mm ulnarwards perpendicular to this line.

Conclusion Using superficial good palpable landmarks at the wrist and elbow as well as connecting lines between them the SBRN, DBUN, PBMN, LACN, MACN, and DACN can easily be located.


#

Einleitung

Periphere Nervenblöcke sind ein wichtiges diagnostisches Mittel und darüber hinaus therapeutisches Instrument zur Behandlung neuropathischer Schmerzen der oberen Extremität [1]. Auch wenn die Verwendung des Ultraschalls dabei das Aufsuchen zu blockierender Nerven erleichtert [2], so sind doch Kenntnisse über den Verlauf peripherer Nerven in Bezug auf gut tastbare anatomische Landmarken von Vorteil. In der Literatur finden sich jedoch nur wenige Beschreibungen, wo welcher Nerv am Unterarm am sichersten blockiert werden kann.

Ziel dieser Untersuchung war es, entsprechend Stellen am Handgelenk, Unterarm und Ellenbogen zu definieren, an denen unter Orientierung an gut tastbaren knöchernen Landmarken Nervenblockaden relativ sicher erfolgreich möglich sind.


#

Material und Methoden

An 5 Leichenarmen wurden der Ramus superficialis des N. radialis, der dorsale Ast des N. ulnaris, der laterale, mediale und dorsale N. cutaneus antebrachii sowie der Ramus palmaris des N. medianus präpariert.

Der Ramus superficialis des N. radialis (RSNR) innerviert die Haut der radialen Hälfte des Handrückens sowie die Haut an der Dorsalseite des Daumens und der proximalen und mittleren Fingerglieder des Zeigefingers und der radialen Hälfte des Mittelfingers. Nach Passieren des Ellenbogens verläuft er in der Fortsetzung des Stammes des N. radialis mit der A. radialis bedeckt vom M. brachioradialis. Im distalen Drittel des Unterarmes unterkreuzt er dessen Sehne, um nach dorsal zu gelangen, wo er durch die Unterarmfaszie nach subkutan tritt und sich in seine Endäste aufteilt.

Der Ramus dorsalis des N. ulnaris versorgt die ulnare Hälfte des Handrückens sowie die Haut der 2 ½ ulnaren Finger dorsal. Er entspringt proximal des Handgelenkes aus dem N. ulnaris und verläuft unter dessen Leitmuskel, dem M. flexor carpi ulnaris, nach dorsal.

Der N. cutaneus antebrachii lateralis (NCAL) ist der sensible Endast des N. musculocutaneaus und innerviert die Haut am radialen Rand und der palmaren-radialen Hälfte des Unterarmes bis zum Daumenballen. Er tritt am anterolateralen Aspekt des Ellenbogens zwischen Bizeps und M. brachialis an die Oberfläche, um dann lateral der Bizepssehne zu verlaufen.

Der N. cutaneus antebrachii medialis (NCAM), als neben dem N. cutaneus brachii medialis einzigem rein sensiblen Ast des Plexus brachialis, entspringt aus dem medialen Faszikel. Er verläuft ulnar der Arteria brachialis bis zur Mitte des Oberarmes, wo er zusammen mit der Vena basilica die Faszie durchbricht und sich in einen anterioren und ulnaren Ast aufteilt. Diese versorgen die Haut an der ulnaren Seite des Unterarmes sowie seiner ulno-palmaren Hälfte.

Die Haut dorsal am Unterarm bis zum Handgelenk wird vom N. cutaneus antebrachii dorsalis (NCAD) versorgt, der im Sulcus nervi radialis aus dem N. radialis entspringt und in der Regel über dem Ursprung des M. brachioradialis die Faszie durchbricht.

Der palmare Ast des N. medianus (RPNM) entspringt im distalen Drittel des Unterarmes ca. 80 bis 100 mm proximal des Retinaculum flexorum aus dem N. medianus. Über dem Handgelenk durchbricht er die Faszie und versorgt die Haut des Daumenballens und der radialen Hohlhand [3].

Die 5 oberen Gliedmaßen stammten von 5 kaukasischen Leichen, 3 weiblichen und 2 männlichen, mit einem Alter bei Eintritt des Todes zwischen 56 und 86 Jahren. Die Gliedmaßen wurden in der Mitte des Oberarmes vom Körper abgetrennt. In den Vorgeschichten gab es keine Hinweise für Verletzungen an Hand und Unterarm. Die Unterarme waren alle ähnlich lang. Zur Fixierung der Arme erfolgte eine Perfusion über die A. brachialis mittels Thielʼscher Lösung [4]. Die Arme wurden unter Lupenbrillenvergrößerung (×2,5) präpariert. Die Haut wurde in Längsrichtung über dem Bizepsmuskel bis zur Ellenbeuge und von dort bis in Höhe der Karpometakarpalgelenke eingeschnitten. Haut und Subkutangewebe wurden vorsichtig entfernt, wobei Nerven, Venen und Arterien identifiziert und erhalten wurden.

Als Referenzpunkte für die Messungen dienten leicht erkenn- und tastbare knöcherne Vorsprünge: der ulnare und radiale Processus styloideus, das Tuberculum Listeri sowie der mediale und laterale Epicondylus humeri. Diese wurden an allen Präparaten mit Nadeln markiert ([ Abb. 1 ]). Bei den Messungen wurden der Ellenbogen und das Handgelenk jeweils in eine stabile Position gebracht. Alle Messungen wurden von ein und demselben Untersucher mit einer Schieblehre mit einer Genauigkeit von 0,1 mm durchgeführt.

Zoom Image
Abb. 1 Knöcherne Referenzpunkte: Ulna- und Radiusstyloid (rot), Tuberculum Listeri (blau), Epicondylus humeri lateralis und medialis (gelb).

In Pronation des Unterarmes und bei 90° gebeugtem Ellenbogen wurden

  • der Abstand zwischen Radius- und Ulnastyloid (RS-US)

  • der Abstand zwischen Radiusstyloid und Tuberculum Listeri (RS-LT)

  • der Abstand zwischen Ulnastyloid und Tuberculum Listeri (US-LT)

  • der Abstand zwischen Radiusstyloid und medialem Epikondylus (RS-ME)

  • der Abstand zwischen Ulnastyloid und lateralem Epikondylus (US-LE)

  • der Abstand zwischen Tuberculum Listeri und medialem Epikondylus (LT-ME)

  • der Abstand zwischen Tuberculum Listeri und lateralem Epikondylus (LT-LE)

  • der Abstand zwischen medialem und lateralem Epicondylus (ME-LE)

gemessen.

Die Messungen für den RSNR, RDNU, NCAL und NCAD wurden ebenfalls in Pronation des Unterarmes durchgeführt, die für den NCAM in Neutralstellung und die für den RPNM in Supination des Unterarmes.

Die Dokumentation erfolgte durch digitale Fotografie mit einer Canon Ixus 85 IS (10,0 Megapixel). Für die statistische Aufarbeitung wurde SPSS verwendet. Ein p-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant betrachtet.


#

Ergebnisse

Der mittlere Abstand zwischen den beiden Styloid-Prozessen (RS-US) betrug 65,0 mm. Vom Radiusstyloid zum Tuberculum Listeri (RS-LT) konnten wir einen mittleren Abstand von 30,2 mm messen, während der mittlere Abstand zwischen dem Ulnastyloid und dem Tuberculum Listeri (US-LT) 40,1 mm betrug. Messungen vom Radiusstyloid zum medialen Epicondylus (RS-ME) ergaben einen mittleren Abstand von 235,0 mm, während der mittlere Abstand zwischen dem Ulnastyloid und dem lateralen Epicondylus (US-LE) 229,8 mm betrug. Der mittlere Abstand zwischen dem Tuberculum Listeri und dem medialen Epicondylus (LT-ME) betrug 235,3 mm, während er zum lateralen Epicondylus (LT-LE) 245,1 mm betrug. Von einem Epicondylus zum anderen (ME-LE) betrug der mittlere Abstand 90,3 mm.

Um jene Stellen am Handgelenk, Unterarm und Ellenbogen zu zeigen, an denen unter Orientierung an gut tastbaren knöchernen Landmarken Nervenblockaden relativ sicher erfolgreich möglich sind, sind alle folgenden Ergebnisse auch in anatomischen Abbildungen festgehalten. Der RSNR kreuzte die Verbindungslinie zwischen Listerʼschem Tuberkulum und dem medialen Epikondylus im Mittel 84,9 (84,5–85,3) mm proximal des Tuberkulums ([ Abb. 2 ]). Auf der Verbindungslinie zwischen Ulnastyloid und lateralem Epikondylus wurde der RDNU mit einem mittleren Abstand von 26,9 (26,5–27,2) mm proximal des Ellengriffels gefunden ([ Abb. 3 ]). Auf der Verbindungslinie zwischen lateralem und medialem Epikondylus lässt sich bei proniertem Unterarm der NCAL mit einem mittleren Abstand von 38,0 (37,4–38,3) mm und der NCAD im Mittel 32,1 (31,8–32,5) mm ulnar des lateralen Epikondylus aufsuchen ([ Abb. 4 ] und [ Abb. 5 ]).

Zoom Image
Abb. 2 Messungen für den Ramus superficialis N. radialis (RSNR) in voller Pronation eines rechten Unterarms von radial gesehen: blauer Hintergrund = RSNR; blauer Pin = Tuberculum Listeri; rote Linie = Verbindungslinie Tuberculum Listeri zum medialem Epicondylus humeri; gelbe Linie und schwarzer Stern = Messung zur Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 3 Messungen für den Ramus dorsalis N. ulnaris (RDNU) in voller Pronation eines rechten Unterarms von ulnar gesehen: blauer Hintergrund = RDNU, roter Pin = Ulnastyloid, blaue Linie = Verbindungslinie vom Ulnastyloid zum lateralem Epikondylus, gelber Pin und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 4 Messungen für den Nervus cutaneus antebrachii lateralis (NCAL) in voller Pronation eines rechten Unterarms von medial gesehen: blauer Hintergrund = NCAL, gelber Pin = medialer Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie medialer zu lateralem Epikondylus, Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 5 Messungen für den N. cutaneus antebrachii dorsalis (NCAD) in voller Pronation eines rechten Unterarms von lateral gesehen: blauer Hintergrund = NCAD, gelber Pin = lateraler Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie lateraler zu medialem Epikondylus, gelbe Linie = Messung und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.

Der NCAM konnte im Mittel 14,1 (13,6–14,6) mm radial vom medialen Epikondylus auf der Verbindungslinie zwischen beiden Epikondylen gefunden werden ([ Abb. 6 ]). Für den RPNM wurden die Messungen am supinierten Unterarm durchgeführt. Der RPNM konnte auf einer nach ulnar weisenden Senkrechten zur Verbindungslinie zwischen Radiusstyloid und medialem Epikondylus in einem Bereich zwischen 20,7 und 21,4 mm (mittlerer Abstand 21,1 mm) aufgefunden werden, wobei die Senkrechte zur Verbindungslinie RS-ME mit einem mittleren Abstand von 45,0 (44,3–45,6) mm vom Radiusstyloid errichtet wurde.

Zoom Image
Abb. 6 Messungen für den N. cutaneus antebrachii medialis (NCAM) in Neutralstellung eines rechten Unterarmes von medial gesehen: blauer Hintergrund = NCAM, gelber Pin = medialer Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie medialer zu lateralem Epicondylus, gelbe Linie und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 7 Messungen für den Ramus palmaris N. medianus (RPNM) in voller Supination eines linken Unterarmes von radial gesehen: blauer Hintergrund = RPNM, roter Pin = Radiusstyloid, blaue Linie = Verbindungslinie vom Radiusstyloid zum medialen Epikondylus, gelbe Linie (roter Pin bis gelber Punkt) = Entfernung vom Processus styloideus radii (PSR); gelbe Linie senkrecht zur blauen Linie (gelber Punkt zu gelbem Punkt/Stern) = Entfernung RPNM von der blauen Verbindungslinie PSR – medialer Epikondylus.

Die statistische Analyse mit SPSS ergab interindividuell sehr konsistente Ergebnisse (p-Wert zwischen 0,22 und 0,4).


#

Diskussion

Nervenblöcke mit Lokalanästhesie als diagnostisches und therapeutisches Mittel reichen bis in die 1950er Jahre zurück [5]. Vor allem, wenn nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen und eine schnelle Diagnose notwendig ist, können Nervenblöcke, wenn sie richtig platziert werden, nützliche Zusatzinformationen liefern und sind prädiktiv für ein Operationsergebnis [6], [7]. Kenntnisse über den Verlauf der sensiblen Nerven sind ebenso wichtig zur Diagnostik neuropathischer Schmerzen nach Nervenverletzungen, zudem sind sie für den Chirurgen auch zur Orientierung während offener Operationen nützlich [8].

Neuere Studien konnten zeigen, dass subkutane sensible Nerven des Unterarms auch sympathische Fasern beinhalten und möglicherweise bei der Entwicklung eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms (CRPS) eine Rolle spielen. Hierdurch hat die gezielte Infiltration subkutaner Nerven erhöhte Aufmerksamkeit erlangt und so zur Entwicklung ultraschallgesteuerter peripherer Blöcke beigetragen [9]. Leider liefert der größte Teil der Literatur zwar Daten zur ultraschallgesteuerten Regionalanästhesie, jedoch weniger zu Blockaden peripherer sensibler Nerven. Der Ultraschall ermöglicht die Echtzeit-Visualisierung peripherer Nerven, was das Risiko einer Verletzung des Nervs selbst oder benachbarter Gefäßstrukturen verringern kann. Darüber hinaus soll er sowohl die Einwirkzeiten als auch die Menge des verwendeten Lokalanästhetikums verringern und die Erfolgsraten erhöhen [2].

Eine prospektive Studie mit mehr als 7000 peripheren Nerven- und Plexusblockaden, 2009 von Barrington und Mitarb. veröffentlicht, zeigte jedoch keinen Unterschied bezüglich Nervenverletzungen nach ultraschallkontollierten Blockaden und in Landmark-Technik durchgeführten. Nicht immer und nicht überall ist ein Ultraschallgerät verfügbar. Auch fehlt es Klinikern oft auch an Routine mit der Nervensonografie. Zudem kann die ultraschallgesteuerte Visualisierung peripherer Nerven auch für den Geübten bei ausgedehnten Narben und/oder adipösen Patienten schwierig sein [11], [12].

Der Ramus superficialis des N. radialis ist aufgrund seines subkutanen Verlaufs dem Risiko traumatischer oder iatrogener Läsionen ausgesetzt, so bei der Kanülierung der V. cephalica oder der A. radialis für arterielle Blutgasanalysen, der offenen und mehr noch der perkutanen Frakturversorgung am Handgelenk und distalen Unterarm, bei der Handgelenksarthroskopie und Operationen einer Tendovaginosis stenosans de Quervain sowie beim Heben eines Radialislappens. Der Punkt, an dem der Ramus superficialis N. radialis zwischen dem M. brachioradialis und dem M. extensor carpi radialis longus nach subkutan tritt, wurde in dieser Studie auf einer geraden Linie zwischen dem Tuberculum Listeri und dem medialen Epikondylus bestimmt. Er fand sich im Mittel 84,9 mm proximal des Tuberculum Listeri, was nicht mit den Ergebnissen von Kilic und Mitarb. mit einem mittleren Abstand von 73,0 mm übereinstimmt [13]. Ergänzend haben wir den Durchtrittspunkt des RSNR auf einer geraden Linie zwischen dem Radiusstyloid und dem medialen Epikondylus bestimmt. Dabei fand er sich im Mittel 83,0 mm proximal des Radiusgriffels. Frühere Studien berichten über ähnliche Abstände [14], [15], [16]. Robson und Mitarb. [17] empfahlen, für einen Block des RSNR Injektionen zwischen dem distalen Fünftel und distalen Drittel auf der Radialseite des Unterarms zu platzieren, was sehr ungenau ist. Verwendet man sowohl die Verbindungslinie zwischen Radiusstyloid und dem medialen Epikondylus als auch die zwischen Listerʼschem Tuberkulum und medialem Epikondylus sollte eine sichere Blockade des RSNR möglich sein.

Studien haben gezeigt, dass der N. cutaneus antebrachii lateralis (NCAL) bei Venenpunktionen in der Ellenbeuge verletzt werden kann. Um eine Verletzung zu vermeiden, aber auch für die Entnahme des NCAL als Nerventransplantat ist die Kenntnis seines anatomischen Verlaufs unerlässlich [18], [19].

Viscomi und Mitarb. beschrieben die Blockierung des NCAL an seinem Durchtritt durch die Faszie lateral des M. bizeps, welcher bis zu 60 mm proximal der Interepikondylen-Linie erfolgen kann.

Aufgrund der kurzen Oberarme unserer Präparate suchten wir nach einer Stelle in der Ellenbeuge. Bei unseren Messungen lag dieser Punkt auf der Interepikondylen-Linie, was mit den Ergebnissen von Rosen und Mitarb. [21] übereinstimmt, während Wongkerdsook und Mitarb. [22] berichteten, dass sie bei ihren Präparationen den NCAL in 84,4 % 12 bis 18 mm distal der Interepikondylen-Linie fanden. Der mittlere Abstand vom lateralen Epicondylus zum Austrittspunkt des NCAL auf der Interepikondylen-Linie betrug 38,0 mm, wobei wir immer die Vena cephalica lateral zum NCAL verlaufend fanden, was sich mit den Beobachtungen von Beldner und Mitarb. [23] und Wongkerdsook und Mitarb. [22] deckt.

Kenntnisse über den Verlauf des Ramus dorsalis des N. ulnaris (RDNU) sind nicht nur nötig, um ihn sicher zu blockieren, sondern mehr noch, um ihn bei Eingriffen an der Hand und am Handgelenk nicht zu verletzen. Insbesondere bei Handgelenksarthroskopien und der Versorgung von Frakturen der distalen Ulna sowie Ulnaverkürzungsosteotomien ist der RDNU gefährdet [24], [25], [26], [27], [28]. In mehreren anatomischen Studien wurde der Verlauf des RDNU unter Verwendung des Os pisiforme als knöcherne Landmarke untersucht [29], [30]. Der Processus styloideus ulnae schien uns aber ein nützlicherer knöcherner Orientierungspunkt zu sein, insbesondere bei voller Pronation des Unterarms. Wir fanden den RDNU subkutan im Mittel 26,9 mm proximal des Ulnastyloids auf einer geraden Linie vom Ulnastyloid zum lateralen Epicondylus humeri, was sich weitgehend mit den Angaben von Puna und Poon deckt, die den RDNU 25,0 mm proximal des Ulnastyloids fanden [31].

Der N. cutaneus antebrachii dorsalis (NCAD) scheint in der Literatur fast vergessen zu sein. In Lehrbüchern über chirurgische Zugänge wird er nur selten erwähnt und wenn doch, dann nur kursorisch [32], [33]. Auch ist unklar, ob der Nerv anterior oder posterior zum lateralen Epicondylus verläuft, bzw. in wie viel Prozent anterior oder posterior [34]. MacAvoy und Mitarb. untersuchten, wo der NCAD aus dem N. radialis abzweigt und seinen weiteren Verlauf am Unterarm [35]. Bei unseren 5 Präparaten verlief der NCAD immer anterior zum lateralen Epicondylus. Auf der Interepikondylenlinie konnte er dabei mit einem mittleren Abstand von 32,1 mm medial des lateralen Epikondylus lokalisiert werden. Der anteriore Verlauf entspricht den Beobachtungen von MacAvoy und Mitarb., die in 29 von 30 Fällen den Nerven mit einem mittleren Abstand von 21,0 mm anterior des lateralen Epikondylus verlaufend fanden.

Das Hauptproblem bei der Blockade des N. cutaneus antebrachii medialis (NCAM) ist das Fehlen tastbarer oberflächlicher Landmarken und die Nähe zur Vena basilica [20], [36]. Thallaj und Mitarb. zeigten 2011 am Beispiel des NCAM die Vorteile der Ultraschall-Visualisierung bei der Durchführung von Nervenblockaden [37]. Die ultraschallgesteuerte Nervenvisualisierung erfordert entsprechende Fähigkeiten und Routine und ist nicht immer und nicht jederzeit verfügbar. Unter Verwendung des medialen Epicondylus als anatomische Landmarke konnten wir den NCAM bei Neutralstellung des Unterarmes im Mittel 14,1 mm radial des medialen Epikondylus finden. Bei allen 5 Präparaten fand sich die Vena basilica nicht in seiner unmittelbaren Nähe.

In Übereinstimmung mit anderen Autoren identifizierten wir den Ursprung des Ramus palmaris des N. medianus auf der radialen Seite des Stammnervs [38]. Im Gegensatz zu anderen Autoren, die die Handgelenksbeugefurche als anatomische Landmarke verwendeten und den Ursprung des RPNM zwischen 41 und 84 mm proximal der Raszetta fanden [39], [40], [41], [42], [43], wählten wir zwei knöcherne Orientierungspunkte. Um präzisere und reproduzierbarere Ergebnisse zu erhalten, verwendeten wir die Verbindungslinie zwischen dem Radiusstyloid und dem medialen Epicondylus humeri. Errichtet man auf dieser Verbindungslinie in einem Abstand von 44,3 bis 45,6 mm proximal vom Radiusstyloid eine Senkrechte nach ulnar, so läßt sich der RPNM nach ca. 21mm auf dieser Senkrechten auffinden.

Ein Nachteil unserer Studie ist die geringe Anzahl von Präparaten. Andererseits waren die Ergebnisse interindividuell und statistisch sehr konsistent.


#

Schlussfolgerung

Nach unseren Messungen können die folgenden sicheren Injektionsstellen für Nervenblöcke am vollständig pronierten Unterarm identifiziert werden: Der RSNR kann 85 mm proximal des Tuberculum Listeri auf einer geraden Linie zwischen diesem und dem medialen Epicondylus humeri blockiert werden. Auf der Interepikondylenlinie liegt der Blockierungspunkt für den NCAL etwa 40 mm ulnar vom lateralen Epikondylus, während der NCAM 14 mm radial zum medialen Epicondylus in Neutralstellung des Unterarmes zu finden ist. Beim NCAD sollte die Injektion 32 mm ulnar zum lateralen Epicondylus erfolgen. Der Blockierungspunkt für den RDNU befindet sich 27 mm proximal des Ulnastyloids in Richtung des lateralen Epicondylus. Bei vollständig supiniertem Unterarm kann der RPNM auf einer Senkrechten zur Verbindungslinie Radiusstyloid – medialer Epikondylus blockiert werden, wobei der Abstand zum PSR 45 mm und der Abstand zur Verbindungslinie RS-ME 21 mm beträgt.


#
#

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. David Jann
Spital STS AG Orthopädie/Traumatologie, Wirbelsäulenchirurgie & Sportmedizin, Thun, Schweiz
Krankenhausstrasse 12
3600 Thun
Schweiz   
Phone: 0586360000   
Fax: 0586360000   

Publication History

Received: 30 June 2020

Accepted: 07 January 2021

Article published online:
15 February 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Abb. 1 Knöcherne Referenzpunkte: Ulna- und Radiusstyloid (rot), Tuberculum Listeri (blau), Epicondylus humeri lateralis und medialis (gelb).
Zoom Image
Abb. 2 Messungen für den Ramus superficialis N. radialis (RSNR) in voller Pronation eines rechten Unterarms von radial gesehen: blauer Hintergrund = RSNR; blauer Pin = Tuberculum Listeri; rote Linie = Verbindungslinie Tuberculum Listeri zum medialem Epicondylus humeri; gelbe Linie und schwarzer Stern = Messung zur Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 3 Messungen für den Ramus dorsalis N. ulnaris (RDNU) in voller Pronation eines rechten Unterarms von ulnar gesehen: blauer Hintergrund = RDNU, roter Pin = Ulnastyloid, blaue Linie = Verbindungslinie vom Ulnastyloid zum lateralem Epikondylus, gelber Pin und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 4 Messungen für den Nervus cutaneus antebrachii lateralis (NCAL) in voller Pronation eines rechten Unterarms von medial gesehen: blauer Hintergrund = NCAL, gelber Pin = medialer Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie medialer zu lateralem Epikondylus, Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 5 Messungen für den N. cutaneus antebrachii dorsalis (NCAD) in voller Pronation eines rechten Unterarms von lateral gesehen: blauer Hintergrund = NCAD, gelber Pin = lateraler Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie lateraler zu medialem Epikondylus, gelbe Linie = Messung und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 6 Messungen für den N. cutaneus antebrachii medialis (NCAM) in Neutralstellung eines rechten Unterarmes von medial gesehen: blauer Hintergrund = NCAM, gelber Pin = medialer Epikondylus, weiße Linie = Verbindungslinie medialer zu lateralem Epicondylus, gelbe Linie und schwarzer Stern = Nervlokalisierung.
Zoom Image
Abb. 7 Messungen für den Ramus palmaris N. medianus (RPNM) in voller Supination eines linken Unterarmes von radial gesehen: blauer Hintergrund = RPNM, roter Pin = Radiusstyloid, blaue Linie = Verbindungslinie vom Radiusstyloid zum medialen Epikondylus, gelbe Linie (roter Pin bis gelber Punkt) = Entfernung vom Processus styloideus radii (PSR); gelbe Linie senkrecht zur blauen Linie (gelber Punkt zu gelbem Punkt/Stern) = Entfernung RPNM von der blauen Verbindungslinie PSR – medialer Epikondylus.