Kalil AC.
et al.
Baricitinib plus Remdesivir for Hospitalized Adults with Covid-19.
N Engl J Med 2021;
384: 795-807
DOI:
10.1056/NEJMoa2031994
Infolge der selektiven Hemmung der Januskinasen 1 und 2 beeinflusst Baricitinib die
entsprechenden intrazellulären Signalwege, die bekanntermaßen bei COVID-19 verstärkt
ablaufen: Der Inhibitor drosselt u. a. die Interleukine 2, 6 und 10, Interferon-γ
sowie den Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierenden Faktor (GM-CSF), wirkt dem
Eintritt von SARS-CoV-2 in die Zelle entgegen und erhöht die Lymphozytenkonzentrationen
bei infizierten Patienten. Gemäß eines auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmus
wurde Baricitinib eine potenzielle Wirksamkeit bei COVID-19 zugesprochen.
Remdesivir hatte sich bereits in der randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten
Studie ACTT-1 in der Therapie von COVID-19 als effektiv erwiesen. Mit der hier beschriebenen
randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie ACTT-2 wollten die Autoren
prüfen, ob die Kombination mit Baricitinib der alleinigen Gabe von Remdesivir überlegen
ist. Beim Design von ACTT-2 war auch der Hersteller von Baricitinib, Elli Lilly, beteiligt.
An der Studie nahmen von Mai 2020 bis Juli 2020 aus 8 Ländern insgesamt 67 Kliniken
teil – hauptsächlich in den USA, aber auch Singapur, Südkorea, Mexiko und mit je einer
Klinik Japan, Spanien, Großbritannien und Dänemark. In einer 1:1-Randomisierung erhielten
Erwachsene mit COVID-19 neben der „supportive care“ inklusive Thromboseprophylaxe
entweder nur Remdesivir i. v. (plus Placebo) in einer Dosis von 200 mg, gefolgt von
100 mg täglich über 10 Tage oder zusätzlich Baricitinib. Letzteres wurde oral bzw.
über eine Magensonde in einer Dosis von 4 mg täglich über 14 Tage verabreicht. Sofern
in der betreffenden Klinik ein schriftliches Therapieprotokoll für COVID-19 vorlag,
wurden die dort genannten zusätzlich Maßnahmen (auch off label) durchgeführt. Gab
es kein solches Protokoll, waren additive spezifische Behandlungen nicht erlaubt,
darunter die Off-label-Gabe von Glukokortikoiden.
Insgesamt erhielten 515 Patienten die Kombinationstherapie und 518 nur Remdesivir.
Das Durchschnittsalter lag bei 55,4 Jahren. Primärer Endpunkt war die Zeitdauer bis
zur deutlichen Erholung (erstmals 1–3 Punkte auf einer 8-Punkte-Skala); sekundär wurde
der klinische Status an Tag 15 gewertet. Unter Baricitinib trat im Median nach 7 Tagen
eine deutliche Verbesserung ein (95 %-Konfidenzintervall 6–8 Tage); bei der Kontrollgruppe
dauerte dies im Median 8 Tage (95 %-KI 7–9 Tage). Damit ergab sich eine Rate Ratio
von 1,16 (95 %-KI 1,01–1,32) bei einer Signifikanz von p = 0,03. Im Hinblick auf den
sekundären Endpunkt lag die Wahrscheinlichkeit, sich bis Tag 15 klinisch zu verbessern,
für die mit der Kombination behandelten Patienten um 30 % höher als für die Kontrollgruppe
(Odds Ratio 1,3; 95 %-KI 1,0–1,6). Die Patienten, die zum Zeitpunkt der Rekrutierung
High-Flow-Sauerstoff benötigten bzw. nichtinvasiv beatmet wurden, erholten sich unter
Baricitinib im Median nach 10 Tagen klinisch; die andere Gruppe brauchte dafür 18
Tage. Auch die Mortalität lag unter der Kombination niedriger – allerdings besaß die
Studie für diesen Endpunkt nicht genügend statistische Power: nach 28 Tagen waren
hier 5,1 % der Patienten gestorben, während es in der Kontrollgruppe 7,8 % waren (Hazard
Ratio 0,65; 95 %-KI 0,39–1,09). Baricitinib wurde im Vergleich gut vertragen: Sowohl
schwere unerwünschte Wirkungen (16 % vs. 21 %) als auch Zweitinfektionen (5,9 % vs.
11,2 %) traten unter der Kombination seltener auf.
Insbesondere bei COVID-19-Patienten mit Sauerstoffbedarf kam es unter der zusätzlichen
Gabe von Baricitinib im Vergleich zu Remdesivir allein zu einer rascheren klinischen
Erholung. In Bezug auf die Mortalität ergab sich eine positive Tendenz für die Kombinationstherapie.
Baricitinib plus Remdesivir wurde besser vertragen als die Monotherapie; das Risiko
einer nötigen invasiven Beatmung sank unter der Kombination. Das orale Medikament
eignet sich v. a. auch für weniger „reiche“ Länder, so die Autoren.
Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen