Einleitung
Das atypische Fibroxanthom (AFX) ist ein seltener, intermediär maligner mesenchymaler
Tumor vermutlich (myo-)fibrozytären Ursprungs. Es wurde 1963 erstmals beschrieben
[1] und zunächst als oberflächliche Variante des malignen fibrösen Histiozytoms gewertet,
das in tiefen subkutanen oder subfaszialen Weichteilen lokalisiert ist und histologische
Gemeinsamkeiten mit dem AFX aufweist.
Mittels neuer immunhistochemischer Marker erfolgte eine Neubewertung des malignen
fibrösen Histiozytoms. Für die Tumore, die trotz Immunhistologie keiner spezifischen
Entität zugeordnet werden können, wurde der Begriff „undifferenziertes pleomorphes
Sarkom“ (UPS) geprägt [2]. Die in der Haut lokalisierten UPS werden auch „pleomorphes dermales Sarkom“ (PDS)
genannt.
Im Folgenden stellen wir 2 Patienten mit diesen Tumorentitäten vor und diskutieren
Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Kasuistik
Fall 1
Es stellte sich ein 60-jähriger Patient vor, der anamnestisch eine seit einem Jahr
bestehende Hautveränderung am rechten Ohr beschrieb, welche seit eineinhalb Wochen
größenprogredient gewesen sei und zuletzt stark geblutet habe. Bei der klinischen
Untersuchung fand sich an der Anthelix des rechten Ohres ein ca. 5 × 5 mm messender
hämorrhagisch krustiger Nodulus ([Abb. 1]). Es erfolgte eine mehrzeitige Exzision mit mikrografisch kontrollierter Chirurgie
und 5 mm seitlichem Sicherheitsabstand, der Defekt wurde mittels Spalthauttransplantat
von okzipital verschlossen. In der histologischen Untersuchung zeigte sich ein teils
ulzerierter, spindelzelliger sowie pleomorpher Tumor in der Dermis (Tumordicke 3,9 mm,
Infiltration bis ins Stratum reticulare der Dermis, Infiltrationslevel IV). Zur näheren
Einordnung des Tumors erfolgten immunhistochemische Untersuchungen. Der Tumor zeigte
eine kräftige Expression von CD10 und Vimentin bei Negativität von CD34, Desmin, Panzytokeratin,
SOX100 und Melan A. Die Histomorphologie und der immunhistochemische Phänotyp sprachen
für das Vorliegen eines atypischen Fibroxanthoms. Ein pleomorphes dermales Sarkom
ließ sich bei nicht nachweisbaren Subkutisanteilen nicht beweisen, jedoch auch nicht
sicher ausschließen. Zum Ausschluss von lymphogenen Metastasen wurde eine Sonografie
der angrenzenden Lymphknotenstationen durchgeführt. Die klinischen Nachsorgeuntersuchungen
erfolgen aktuell vierteljährlich, eine Lymphknotensonografie wird halbjährlich durchgeführt.
Bisher ergab sich hierbei kein Anhalt für ein Lokalrezidiv oder Lymphknotenmetastasen.
Abb. 1 Klinisches Bild eines atypischen Fibroxanthoms am rechten Ohr (Fall 1).
Fall 2
Es stellte sich eine 76-jährige Patientin vor, die von einer seit 2 Monaten bestehenden
Hautveränderung temporal links berichtete, welche seither rasch größenprogredient
gewesen sei. Klinisch zeigte sich links temporal ein ca. 3 × 2 cm messender bläulich-livider,
weicher Nodus mit oberflächlicher Ulzeration ([Abb. 2]). Therapeutisch erfolgte die mehrzeitige Exzision in mikrografisch kontrollierter
Chirurgie bis zur R0-Situation mit einem seitlichen Sicherheitsabstand von 1 cm. Der
Defektverschluss erfolgte mittels Spalthauttransplantation vom linken Oberschenkel.
Der histologische Befund entsprach einer 2,5 cm messenden malignen Neoplasie im Bereich
der Dermis und Subkutis mit deutlicher Kernpleomorphie mit überwiegend epitheloidem
Wuchsmuster. Die angeschlossene immunhistochemische Untersuchung zeigte eine kräftig
positive Reaktion auf CD10 und Vimentin sowie eine deutliche Akkumulation von p53.
Zudem zeigte sich ein deutlich gesteigerter Ki67-Proliferationsindex zwischen 20–30 %.
Die Untersuchungen auf CD34, CK7, Desmin, ERG, MIB-1, S100 und SOX-10 waren negativ.
Abschließend handelte es sich um ein pleomorphes dermales Sarkom mit der Tumorklassifikation
(UICC 2017) pT2, cN0, L0, V0, Pn0, R0. Eine Lymphknotensonografie sowie ein Ganzkörper-CT
ergaben keinen Anhalt für Metastasen. Es erfolgte die Vorstellung im interdisziplinären
Sarkomboard. Die empfohlene adjuvante Strahlentherapie wurde von der Patientin abgelehnt.
Eine weitere Anbindung zur regelmäßigen Nachsorge findet auf Wunsch der Patientin
nicht statt. Eigenanamnestisch sei bisher kein Lokalrezidiv aufgetreten.
Abb. 2 Pleomorphes dermales Sarkom an der linken Schläfe (Fall 2).
Diskussion
Die klinische Abgrenzung der beiden Tumorentitäten ist schwierig, da zwischen AFX
und PDS keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Lokalisation, Alter und Tumorgröße
existieren bzw. keine eindeutigen klinischen Charakteristika definiert sind. Klinisch
finden sich bei den i. d. R. betagten Patienten (7./8. Lebensdekade) in sonnenexponierten
Arealen Knoten und Plaques, die häufig ulzeriert sind. Insbesondere bei Männern sind
diese häufig auf der spärlich behaarten Kopfhaut zu finden. Die klinische Differenzialdiagnose
umfasst insbesondere das ulzerierte Basalzell- und das Plattenepithelkarzinom. Die
Diagnose eines AFX oder eines PDS ist meist ein histologischer Zufallsbefund und wird
selten bereits klinisch diagnostiziert [2].
Beide von uns beschriebenen Patienten wurden mit dem klinischen Verdacht auf ein kutanes
Plattenepithelkarzinom überwiesen. Der Tumor der zweiten Patientin mit PDS war deutlich
größer als beim ersten Patienten mit AFX.
Die Abgrenzung von AFX und PDS/UPS erfolgt vorwiegend histologisch, obwohl die Tumorzellmorphologie
aus atypischen spindelförmigen und epitheloiden Zellen mit pleomorphen Kernen sowie
Riesenzellen recht ähnlich ist. Immunhistologisch lassen sich die Tumore ebenfalls
nicht unterscheiden. Lediglich das Vorhandensein einer deutlichen Infiltration der
Subkutis, perineuraler oder lymphovaskulärer Tumorausbreitung sowie das Vorliegen
von Tumornekrosen sollten an ein PDS/UPS denken lassen [3].
Hier ergab sich bei Patient 1 ein Problem. Das subkutane Fettgewebe ist im Bereich
des Ohres allenfalls gering ausgeprägt, und das Korium geht direkt ins Perichondrium
über. Damit kann das subkutane Fettgewebe als Kriterium für ein mögliches infiltratives
Wachstum nicht beurteilt werden, und ein pleomorphes dermales Sarkom konnte nicht
sicher ausgeschlossen werden.
Die Unterscheidung der beiden Tumorentitäten ist insbesondere zur Einschätzung der
Prognose wichtig. Während beim AFX bei vollständiger Exzision und fehlender oder minimaler
Infiltration der Subkutis i. d. R. selten Lokalrezidive und Metastasen auftreten,
sind Lokalrezidive und Metastasen beim PDS/UPS deutlich häufiger. Die Angaben dazu
schwanken je nach Studie erheblich, was einerseits an der häufig nicht korrekten Anwendung
der histologischen Kriterien, aber auch an der Miteinbeziehung unvollständig resezierter
Tumore in die Datenerfassung liegt.
Bei beiden Tumoren ist die Standardtherapie die vollständige Exzision entweder mittels
weiter Exzision (wide large excision, WLE) oder mit Methoden der mikrografisch kontrollierten
Chirurgie (MKC) [4]. Bei letzterer Methode können die Sicherheitsabstände zugunsten kosmetisch günstigerer
Verschlusstechniken reduziert werden. Die Rezidivrate ist bei der Verwendung der mikrografisch
kontrollierten Chirurgie signifikant geringer (bei AFX: MKC 0 % vs. 12 % bei WLE [5]) als bei der weiten Exzision mit einem Sicherheitsabstand von mind. 1 cm, da hier
subklinische Ausläufer besser erkannt werden. Die Datenlage zur MKC beim PDS ist allerdings
gering, in einer Studie betrug die Rezidivrate mit MKC 17 % vs. 35 % bei WLE [6]. Die Metastasierungsrate wird durch die MKC offenbar weniger beeinflusst als bei
der WLE. Sie beträgt für das AFX 1–5 % und für das PDS 10–20 % (Haut, Lunge, Lymphknoten)
[7].
Die Tumore der beiden vorgestellten Patienten wurden mittels mikrografisch kontrollierter
Chirurgie operiert, im Verlauf zeigten sich keine Rezidive oder Metastasen, allerdings
ist der Nachbeobachtungszeitraum noch relativ kurz. Rezidive bzw. Metastasen treten
i. d. R. in den ersten 3 Jahren nach Erstoperation auf [8], längere Zeiträume sind jedoch nicht ungewöhnlich.
Nach wie vor gibt es für beide Tumorentitäten ungeklärte Fragen, die Histiogenese
und Verwandtschaft betreffen. Offensichtlich ist das PDS eine tiefer infiltrierende
Variante des AFX, auch gemeinsame genetische Veränderungen sind beschrieben [3]. Hier wäre in Analogie zum Leiomyosarkom die Verwendung einer gemeinsamen Bezeichnung
mit dem Hinweis auf eine koriale und eine subkutane Lage sinnvoll. Auch beim Leiomyosarkom
ist das Verhalten der subkutan gelegenen Tumore deutlich aggressiver als bei rein
dermaler Lokalisation.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Gewinnung epidemiologischer Daten. Es gibt Hinweise,
dass das AFX innerhalb Deutschlands unterschiedliche Inzidenzen aufweist [9]. Leider wird das AFX trotz bekannter Metastasierungstendenz in der aktuellen Version
des ICD-10 als „Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens“ mit D48 kodiert,
wodurch eine Tumormeldung an die klinischen Krebsregister unterbleibt. Zudem existiert
in der ICD10-Klassifikation der Term „Malignes Fibroxanthom“, bei dem es sich um ein
nicht mehr gebräuchliches Synonym für das frühere maligne fibröse Histiozytom handelt,
was zusätzlich Verwirrung schafft. Hier sind auch die dermatologischen Fachgesellschaften,
insbesondere die ILDS als beratende Fachgesellschaft bei der Erstellung der ICD-Codes
gefragt.