E-Zigaretten sind nach dem derzeitigen Kenntnisstand keine harmlosen Lifestyleprodukte,
sondern es mehren sich die Hinweise auf ernste Gesundheitsgefahren, sofern die Studien
industrieunabhängig durchgeführt worden sind [1]. Das Cochrane-Review thematisiert
das mit diesen Risiken assoziierte Problem des kontinuierlichen E-Zigaretten-Konsums
nicht [2]. Dieses Problem soll anhand des dritten, neu in das Cochrane-Review aufgenommenen
RCTs [3] deutlich gemacht werden. In dieser Studie wurden insgesamt 886 Raucher auf
zwei Gruppen randomisiert: Nachdem beide Gruppen zunächst eine persönliche Beratung
bekommen hatten, erhielt die Hälfte der Raucher kostenfrei ein E-Zigaretten-Starter-Paket,
die andere Hälfte Nikotinersatzprodukte (NEP) ihrer Wahl, wobei 75 % der Probanden
schon vor dem Trial vergeblich versucht hatte, sich mithilfe von NEPs das Rauchen
abzugewöhnen. Dies muss als Bias gewertet werden, der die Studienergebnisse verzerren
kann. Wöchentliche verhaltenstherapeutische Gruppensitzungen des National Health Service
„stop-smoking“ über mindestens 4 Wochen wurden zusätzlich für beide Gruppen ermöglicht.
Die Hauptergebnisse dieser Untersuchung 52 Wochen nach der Randomisierung veranschaulicht
[Abb. 1].
Abb. 1 Tabakfreiheit vs. Nikotinfreiheit: Ergebnisse des nach 52 Wochen [3].
Betrachtet man als primären Endpunkt der Studie die Tabakfreiheit, so scheinen die
Ergebnisse eindeutig: Nach einem Jahr rauchten 18,0 % der Raucher der E-Zigaretten-Gruppe
keine Tabakprodukte mehr, im Vergleich zu lediglich 9,9 % der NEP-Gruppe. 39,5 % der
E-Zigaretten-Gruppe konsumierten auch ein Jahr später weiterhin E-Zigaretten, während
lediglich 4,3 % der NEP-Gruppe Nikotinersatzprodukte konsumierten. Von der Untergruppe
der Probanden der E-Zigaretten-Gruppe, die den Tabakkonsum erfolgreich aufgaben, konsumierten
80 % nach einem Jahr weiterhin E-Zigaretten. Wählt man die vollständige Nikotinabstinenz
als primären Endpunkt der Studie, drehen sich die Ergebnisse komplett um: Von den
Teilnehmern, die Nikotinersatzprodukte erhalten hatten, waren ein Jahr später 9,0 %
vollständig nikotinfrei, aber lediglich 3,7 % der E-Zigaretten-Gruppe. Bedenklich
ist ferner, dass bei einem Viertel der E-Zigaretten-Gruppe Dual-Use (25 %), der gleichzeitige
Gebrauch von Tabak und E-Zigaretten, initiiert wurde. Dual-Use ist die in Deutschland
mit Abstand häufigste Konsumform und führt zu einer besonders hohen Exposition mit
nachweislich gesundheitsschädlichen Substanzen [4].
Unterschiedliche Untersuchungsbefunde in Abhängigkeit vom primären Endpunkt der Studie
– Tabak- oder vollständige Nikotinfreiheit – erschweren ein Gesamtfazit. Klar ist
aber auf jeden Fall, dass sich eine unmittelbare Ableitung für die Praxis der Raucherentwöhnung
in Deutschland allein schon aus der wenig realitätsnahen intensiven therapeutischen
Betreuung der Patienten inklusive der Bezahlung von E-Zigaretten und NEPs verbietet.
Daher ist diese Studie wenig aussagefähig für die therapeutische Wirklichkeit nicht
nur in Deutschland, sondern in den meisten Ländern der Welt, in denen noch nicht einmal
die wirksamste Form der Tabakentwöhnung, die Kombination verhaltenstherapeutischer
Beratung und gleichzeitige Gabe von NEPs zur Linderung der Entzugssymptome, bezahlt
wird.
Es bleibt zu hoffen, dass in Zukunft methodisch hochwertige RCTs veröffentlicht werden,
die es erlauben, eine Bewertung der E-Zigarette als Rauchstopphilfe mit größerer Sicherheit
vornehmen zu können. Die kontinuierliche Aktualisierung des Cochrane-Reviews, welche
die Autoren in Aussicht gestellt haben, sollte künftig auch Angaben dazu machen, wie
viele Raucher mit Hilfe der E-Zigarette im Vergleich zu anderen Methoden der Raucherentwöhnung
nicht nur den Tabak-, sondern auch den Nikotinkonsum gänzlich einstellen. Ferner sollten
Cochrane-Autoren nicht ihre eigenen Arbeitsergebnisse bewerten dürfen und bestehende
Interessenskonflikte sollten offengelegt werden. Eine umfassende Unabhängigkeit von
Cochrane-Reviews ist erforderlich.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Autorinnen/Autoren
Prof. Dr. phil. Reiner Hanewinkel
Studium der Psychologie (Diplom, Promotion, Habilitation) in Kiel, Approbation als
Psychologischer Psychotherapeut. Außerplanmäßiger Professor für Medizinische Psychologie
und Medizinische Soziologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Kiel. Seit
1990 Leiter des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung, IFT-Nord gGmbH,
in Kiel.
hanewinkel@ift-nord.de
Literatur
[1] Pisinger C, Godtfredsen N, Bender AM. A conflict of interest is strongly associated
with tobacco industry-favourable results, indicating no harm of e-cigarettes. Prev
Med 2019; 119: 124–131
[2] Hartmann-Boyce J, McRobbie H, Lindson N et al. Electronic cigarettes for smoking
cessation. Cochrane Database Syst Rev 2020: CD010216
[3] Hajek P, Phillips-Waller A, Przulj D et al. A Randomized Trial of E-Cigarettes
versus Nicotine-Replacement Therapy. N Engl J Med 2019; 380: 629–637
[4] Goniewicz ML, Smith DM, Edwards KC et al. Comparison of Nicotine and Toxicant
Exposure in Users of Electronic Cigarettes and Combustible Cigarettes. JAMA Netw Open
2018; 1: e185937