IV Leitlinie
1 Ziel der Geburtseinleitung
Die Indikation zur Durchführung einer Geburtseinleitung muss kritisch gestellt werden,
da hierdurch der natürliche Verlauf der Schwangerschaft beeinflusst wird. Die vermuteten
Vorteile müssen mit den möglichen Nachteilen abgewogen werden. Generell gilt, dass
die Geburtseinleitung das Erreichen eines besseren perinatalen Ergebnisses für Mutter
und Kind als durch eine abwartende Haltung zum Ziel hat.
2 Indikationen zur Geburtseinleitung
2.1 Terminüberschreitung, Übertragung
Konsensbasierte Empfehlung 2.E1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Das (anamnestische) Gestationsalter soll mit der Messung der Scheitel-Steiß-Länge
in der Frühschwangerschaft überprüft und ab einer Diskrepanz von 7 Tagen korrigiert
werden. In der Schweiz wird gemäß entsprechender SGUM-Vorgaben der Termin ab einer
Diskrepanz von 5 Tagen korrigiert.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ab 40 + 0 SSW sollten engmaschigere Verlaufskontrollen erfolgen, um Risiken frühzeitig
zu erkennen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ab 41 + 0 SSW kann eine Geburtseinleitung angeboten werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ab 41 + 3 SSW sollte eine Geburtseinleitung empfohlen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ab 42 + 0 SSW soll eine Geburtseinleitung dringend empfohlen werden.
Mit steigendem Gestationsalter nehmen das absolut gesehen niedrige Risiko für Mortalität
und Morbidität stetig zu [1], [2], [3], und randomisierte Studien zur Geburtseinleitung der letzten Jahre zeigten, dass
eine Geburtseinleitung ab 39 + 0 SSW mit einer erniedrigten Rate an Kaiserschnitten
einhergeht [4], [5], [6], [7], [8].
Im Rahmen der Schwangerenbetreuung soll daher eine Aufklärung über die individuelle
Risikosituation (z. B. mütterliches Alter, Nikotinabusus, Parität, Bishop Score, Adipositas,
kindliches Schätzgewicht) erfolgen und die jeweiligen individuellen Vor- und Nachteile
einer Beendigung der Schwangerschaft dargestellt sowie gemeinsam mit der Schwangeren
in einer umfassenden Beratung abgewogen werden (siehe 3.1.). Das niedrige absolute
Risiko eines intrauterinen Fruchttods kann in bestimmten Situationen (z. B. Alter
über 40 Jahre) erhöht sein [9]. Bei Fortführen der Schwangerschaft sollten ab 40 + 0 SSW engmaschigere Verlaufskontrollen
(z. B. alle 3 – 5 Tage) erfolgen. Im deutschsprachigen Raum sind hierfür auch CTG-
und Sonografie-Kontrollen üblich, um Risiken frühzeitig zu erkennen. Für dieses Vorgehen
liegen jedoch keine prospektiven Daten vor, weshalb in manchen Ländern auf diese Kontrollen
zwischen 40 + 0 – 41 + 0 SSW verzichtet wird [10].
2.2 (Früher) vorzeitiger Blasensprung
2.2.1 Früher vorzeitiger Blasensprung (PPROM)
Konsensbasierte Empfehlung 2.E6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Nach einem frühen vorzeitigen Blasensprung (PPROM) sollte bei fehlendem Hinweis für
ein Triple I („Amnioninfektionssyndrom“) spätestens ab 37 + 0 SSW die Geburtseinleitung
empfohlen werden.
2.2.2 Vorzeitiger Blasensprung (PROM)
Konsensbasierte Empfehlung 2.E7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Geburtseinleitung soll nach vorzeitigem Blasensprung spätestens nach 24 Stunden
empfohlen werden.
2.3 Gestationsdiabetes
Konsensbasierte Empfehlung 2.E8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wegen der mit Frühgeburtlichkeit assoziierten Morbidität soll eine vorzeitige Einleitung
(vor 38 + 0 SSW) aufgrund schlechter Blutzucker-Einstellung nicht angestrebt werden,
sondern eine pränatale Optimierung der Blutzucker-Werte.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E9
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Einleitung < 39 + 0 SSW erhöht die neonatale Morbidität und Verlegungsrate und
soll vermieden werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E10
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Einleitung ab 40 + 0 SSW soll bei insulinpflichtigem Gestationsdiabetes angeboten
werden.
Konsensbasiertes Statement 2.S1
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ein diätetisch gut eingestellter Gestationsdiabetes stellt für sich genommen keine
Indikation zur Geburtseinleitung dar.
In der AWMF-S3-Leitlinie 057-008 „Gestationsdiabetes mellitus (GDM), Diagnostik, Therapie
und Nachsorge“ werden ausführliche Empfehlungen dargestellt [11].
2.4 Abnorme Fruchtwassermenge
2.4.1 Oligohydramnion
Konsensbasierte Empfehlung 2.E11
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Zur Beurteilung der Fruchtwassermenge soll die SDP-Methode (single deepest pocket)
verwendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E12
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Geburtseinleitung vor 37 + 0 SSW führt zu einer höheren neonatalen Morbidität
und sollte daher nicht nur wegen eines isolierten Oligohydramnions erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E13
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es sollte ab 37 + 0 SSW keine routinemäßige Beendigung der Schwangerschaft aufgrund
eines isolierten Oligohydramnions empfohlen werden.
Vor allem ab 39 + 0 SSW sollte aber bei einem isolierten Oligohydramnion die Indikation
zur Beendigung der Schwangerschaft bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren großzügiger
gestellt werden – auch wenn hierfür keine eindeutige Evidenz vorhanden ist.
2.4.2 Polyhydramnion
Konsensbasierte Empfehlung 2.E14
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es sollte keine routinemäßige Beendigung der Schwangerschaft aufgrund eines isolierten
Polyhydramnions empfohlen werden.
2.5 SGA-Fetus oder intrauterine Wachstumsrestriktion
SGA-Feten (small for gestational age) sind in bis zu 70% konstitutionell klein und
haben ein normales perinatales Outcome [12], [13]. Die intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR, intrauterine growth restriction) ist
hingegen mit einer größeren perinatalen Morbidität und Mortalität assoziiert und kann
durch zusätzliche Auffälligkeiten (pathologische Doppler-Sonografie, Oligohydramnion,
fehlendes Wachstum im Intervall, Schätzgewicht < 3. Perzentile) identifiziert werden.
Mit zunehmenden Gestationsalter steigt das Risiko eines intrauterinen Fruchttods,
weshalb eine vorzeitige Schwangerschaftsbeendigung mit der Patientin diskutiert werden
sollte.
Bezüglich der Rationale der Empfehlungen zur Geburtseinleitung verweisen wir auf die
S2k-Leitlinie 015-080 „Intrauterine Wachstumsrestriktion“
[14].
2.6 Intrahepatische Schwangerschaftscholestase
Konsensbasierte Empfehlung 2.E15
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei vorliegender intrahepatischer Schwangerschaftscholestase soll ab 38 + 0 SSW eine
Geburtseinleitung empfohlen werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E16
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei vorliegender intrahepatischer Schwangerschaftscholestase sollte ab 37 + 0 SSW
eine Geburtseinleitung empfohlen werden.
Ab einer Gallensäurekonzentration von > 100 µmol/l kann eine Geburtseinleitung bereits
zwischen 34 + 0 und 36 + 6 SSW empfohlen werden.
Die Höhe der Konzentration der Gallensäuren zu einem undefinierten Zeitpunkt im Verlauf
der Schwangerschaft ist ein prädiktiver Marker für Totgeburt und neonatale Komplikationen,
und der Cut-off hierfür variiert in Studien zwischen > 40 µmol/l und > 100 µmol/l
[15], [16], [17], [18], [19]. Entsprechend der besten verfügbaren Evidenz kann daher zwischen 34 + 0 und 36 + 6 SSW
bei einer Gallensäurekonzentration von > 100 µmol/l eine Geburtseinleitung empfohlen
werden [20].
2.7 Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft
Konsensbasierte Empfehlung 2.E17
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer Präeklampsie soll ab 34 + 0 SSW die Beendigung der Schwangerschaft nach
Abwägen der maternalen und neonatalen Risiken empfohlen werden.
Bei der Entscheidung für oder gegen eine Geburtseinleitung ab 34 + 0 SSW wegen einer
Präeklampsie sollen die erhöhte neonatale Morbidität der späten Frühgeburt und die
Risiken für die Schwangere berücksichtigt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E18
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer Präeklampsie soll spätestens ab 37 + 0 SSW die Beendigung der Schwangerschaft
empfohlen werden. Die Beendigung der Schwangerschaft kann auch durch eine Geburtseinleitung
erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E19
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer Gestationshypertonie sollte ab 37 + 0 SSW die Beendigung der Schwangerschaft
empfohlen werden. Die Beendigung der Schwangerschaft kann auch durch eine Geburtseinleitung
erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 2.E20
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einer chronischen Hypertonie sollte ab 38 + 0 SSW die Beendigung der Schwangerschaft
empfohlen werden. Die Beendigung der Schwangerschaft kann auch durch eine Geburtseinleitung
erfolgen. Eine Terminüberschreitung sollte vermieden werden.
Die Definitionen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen sind ausführlich in der
S2k-Leitlinie 015/018 „Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie“ aufgeführt [21]. Die Beendigung der Schwangerschaft wegen einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung
kann unter Berücksichtigung von weiteren fetalen und geburtshilflichen Faktoren durch
eine Geburtseinleitung erfolgen.
Bei einem HELLP-Syndrom sollte die Geburt (spätestens) ab 34 + 0 SSW erfolgen; eine
Geburtseinleitung kann unter Berücksichtigung der Gesamtsituation erwogen werden.
2.8 Verdacht auf (nicht diabetogene) Makrosomie
Konsensbasierte Empfehlung 2.E21
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Verdacht auf einen LGA-Fetus > 95. Perzentile sollte ab 39 + 0 SSW die Geburtseinleitung
angeboten werden.
Die fetale Makrosomie ist ein Risikofaktor für Geburtskomplikationen. Eine Geburtseinleitung
soll daher das Risiko für eine Schulterdystokie mit möglicher konsekutiver Läsion
des Plexus brachialis und für operative Interventionen senken.
2.9 Wunsch/ohne medizinischen Grund
Konsensbasierte Empfehlung 2.E22
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Geburtseinleitung auf Wunsch ohne medizinischen Grund sollte nicht vor 39 + 0 SSW
durchgeführt werden.
In Studien der letzten Jahre wurde gezeigt, dass eine Geburtseinleitung bei Frauen
ohne Risikofaktoren/medizinische Indikation ab 39 + 0 SSW im Vergleich zu einem abwartenden
Management nicht mit höheren Risiken unter anderem für einen Kaiserschnitt assoziiert
ist [4], [5], [22]. Diese Erkenntnisse haben dazu geführt, dass international in Leitlinien-Empfehlungen
die Geburtseinleitung ab 39 + 0 SSW bei Erstgebärenden ohne Risikofaktoren als mögliche
Option angesehen wird [23]. Aufgrund der potenziell höheren neonatalen Morbidität (Hyperbilirubinämie, Hypoglykämie)
sollte diese nicht vor 39 + 0 SSW erfolgen.
3 Maßnahmen vor Geburtseinleitung
3.1 Aufklärung, Beratung und Dokumentation
Konsensbasierte Empfehlung 3.E23
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vor jeder Geburtseinleitung soll eine ärztliche Aufklärung und Beratung der Schwangeren
mit dem Ziel einer gemeinsamen Entscheidungsfindung erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 3.E24
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Nach vorherigem Kaiserschnitt soll eine ärztliche Aufklärung und Beratung der Schwangeren
über die Vor- und Nachteile (v. a. Uterusruptur) erfolgen und eine schriftliche Einverständniserklärung
eingeholt werden.
Die Geburtseinleitung ist eine medizinische Intervention, weshalb eine Aufklärung
und Beratung mit einer individuellen Risiko-Nutzen-Analyse durchgeführt werden soll.
Ziel des Beratungsprozesses soll die gemeinsame Entscheidungsfindung mit der Schwangeren
sein. Es sollen die Indikation zur Einleitung überprüft, mögliche Kontraindikationen
ausgeschlossen und die Methode der Geburtseinleitung unter Berücksichtigung aller
Faktoren gewählt werden. Dabei sollten gemeinsam mit der Schwangeren der Zeitrahmen,
mögliche Verläufe und weitere Optionen (z. B. Zuwarten) erörtert werden. Da manche
Methoden nur in bestimmten Situationen zugelassen sind, sollten die spezifischen Zulassungsindikationen
und Kontraindikationen bekannt sein. Jedoch kann ein Verfahren – auch wenn es nicht
zugelassen ist – bei ausreichend vorliegender Evidenz angewendet werden. Hierfür ist
eine sachgerechte Aufklärung und Einwilligung erforderlich. Das Einverständnis sollte
schriftlich dokumentiert
werden.
Vor allem die Geburtseinleitung nach vorangegangenem Kaiserschnitt stellt hohe Anforderungen
an Aufklärung und Beratung. Die Indikation zur Geburtseinleitung muss streng gestellt
und mögliche Alternativen (z. B. Re-Sectio caesarea) müssen aufgezeigt werden. Die
Patientin soll über die Risiken (vor allem die Uterusruptur mit entsprechenden Folgen
für Mutter und Kind), die mit einer Geburtseinleitung nach Kaiserschnitt einhergehen
können, aufgeklärt und ausführlich beraten werden. Da zudem fast alle Verfahren in
dieser Situation nicht zugelassen und kontraindiziert sind, soll eine schriftliche
Einverständniserklärung der Patientin eingeholt werden.
3.2 Risiko-Nutzen-Analyse, Kontraindikationen
In bestimmten Situationen überwiegen die Risiken einer Geburtseinleitung den gewünschten
Nutzen. So kann eine medikamentöse Geburtseinleitung bei vorhandenen, regelmäßigen
Kontraktionen zu einer Überstimulation mit Beeinträchtigung des kindlichen Zustands
führen. Des Weiteren sind die generellen Kontraindikationen für eine vaginale Geburt
(z. B. Querlage, Placenta praevia totalis, Nabelschnurvorliegen/-vorfall, aktiver
Herpes simplex, Zustand nach Uterusruptur oder Zustand nach Sectio caesarea mit Längs-Uterotomie)
zu berücksichtigen.
3.3 Prädiktion des Geburtseinleitungserfolges
Konsensbasierte Empfehlung 3.E25
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Faktoren, die eine Geburtseinleitung günstig oder ungünstig beeinflussen, sollen bei
der Wahl der Einleitungsmethode berücksichtigt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 3.E26
Expertenkonsens
Konsensusstärke ++
Der Bishop Score soll erhoben und dokumentiert werden.
Zu den Faktoren, die eine Geburtseinleitung günstig beeinflussen, gehören ein reifer
Zervixbefund, eine Vaginalgeburt in der Anamnese und ein vorzeitiger Blasensprung
[24]. Die Zervixreife wird klinisch beurteilt und anhand des Bishop Score wiedergegeben.
Der Bishop Score ist einer der wichtigsten Prädiktoren für eine erfolgreiche Geburtseinleitung
und sollte daher erhoben und dokumentiert werden. Zu den ungünstigen Faktoren einer
Geburtseinleitung gehören dementsprechend ein niedriger Bishop Score, Nulliparität,
ein hoher Body-Mass-Index, ein vorangegangener Kaiserschnitt und ein niedriges Gestationsalter.
4 Methoden der Geburtseinleitung
Es stehen mehrere mechanische und medikamentöse Verfahren zur Geburtseinleitung zur
Verfügung. Die Wahl des Einleitungsverfahrens wird vor allem vom Zervixbefund (Bishop
Score, siehe 3.3) bestimmt. Weitere Faktoren, die bei der Wahl des Verfahrens berücksichtigt
werden sollten, sind unter anderem das Vorhandensein eines (vorzeitigen) Blasensprungs
oder eines vorherigen Kaiserschnitts in der Anamnese.
4.1 Mechanische Geburtseinleitung
4.1.1 Eipollösung
Konsensbasierte Empfehlung 4.E27
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Eipollösung am Termin kann den Schwangeren angeboten werden.
Unter einer Eipollösung versteht man eine Intervention, bei der mit 1 oder 2 Fingern
in die Cervix uteri eingegangen wird, um dann den unteren Fruchtblasenpol mit einer
zirkulären Bewegung vom unteren Uterussegment zu lösen.
4.1.2 Amniotomie
Konsensbasierte Empfehlung 4.E28
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Amniotomie soll nicht als alleiniges Verfahren zur Geburtseinleitung erfolgen.
Die Amniotomie – Eröffnung der Fruchtblase – wird bei einem reifen Zervixbefund mit
Muttermunderöffnung durchgeführt. Ziel dieser Intervention ist die Freisetzung von
endogenem Prostaglandin.
4.1.3 Ballonkatheter
Konsensbasiertes Statement 4.S2
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ballonkatheter (Einzel- und Doppelballonkatheter) sind ein wirksames Verfahren zur
Zervixreifung und Geburtseinleitung bei unreifem Zervixbefund.
Konsensbasiertes Statement 4.S3
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Rate an uterinen Überstimulationen ist im Vergleich zu den Prostaglandinen bei
der Verwendung mit Ballonkathetern geringer.
Konsensbasiertes Statement 4.S4
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die sequenzielle Geburtseinleitung mit Ballonkathetern und Prostaglandinen ist vor
allem bei Erstgebärenden mit unreifem Zervixbefund wirksam.
Konsensbasiertes Statement 4.S5
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die simultane Geburtseinleitung mit Ballonkathetern und Oxytocin oder Prostaglandinen
ist wirksam und führt zu einem kürzeren Einleitung-Geburt-Intervall als die alleinige
Verwendung eines Verfahrens.
Ballonkatheter werden zur Zervixreifung und Geburtseinleitung bei unreifem Zervixbefund
verwendet. Hierfür stehen Einzel- und Doppelballonkatheter mit Volumina von 30 bis
100 ml zur Verfügung. Durch den Druck des oder der mit Flüssigkeit gefüllten Ballons
auf die Cervix uteri kommt es zur endogenen Freisetzung von Prostaglandinen, was zur
Zervixreifung und Geburtsbeginn führen kann.
4.1.4 Hygroskopische Dilatatoren
Konsensbasierte Empfehlung 4.E29
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Zervixdilatatoren können zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Zervixbefund verwendet
werden.
Hygroskopische Zervixdilatatoren werden in die Cervix uteri eingelegt und führen über
eine osmotische Dehydratation des Zervixgewebes und endogener Freisetzung von Prostaglandinen
zur Dilatation der Zervix. Die meisten Erfahrungen liegen zur Abortinduktion in frühen
Schwangerschaftswochen vor [25].
4.2 Medikamentöse Geburtseinleitung
4.2.1 Oxytocin
Konsensbasierte Empfehlung 4.E30
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Oxytocin soll bei einem unreifen Zervixbefund nicht zur Geburtseinleitung verwendet
werden.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E31
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Oxytocin kann bei einem reifen Zervixbefund zur Geburtseinleitung verwendet werden.
Die Kombination mit einer Amniotomie erhöht die Wahrscheinlichkeit einer vaginalen
Entbindung.
Oxytocin wird intravenös gegeben und wirkt über die Induktion einer Wehentätigkeit.
Vorteilhaft ist seine gute Steuerbarkeit, da es schnell anflutet (Wirkungseintritt
nach ca. 3 – 10 min) und schnell wieder aus dem Blut eliminiert wird (Halbwertszeit
3 – 6 min). Es ist zugelassen zur Geburtseinleitung bei einem reifen Zervixbefund.
4.2.2 Prostaglandin E2 (Dinoproston)
Konsensbasierte Empfehlung 4.E32
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die vaginale Applikation von Prostaglandin E2 zur Geburtseinleitung bei unreifem Zervixbefund
ist geeignet und wirksam und sollte der intrazervikalen Gabe vorgezogen werden.
Prostaglandine wirken im Vergleich zum Oxytocin über zervixreifende und wehenauslösende
Mechanismen, weshalb sie auch bei einem unreifen Zervixbefund eingesetzt werden können.
4.2.3 Prostaglandin-E1-Analoga (Misoprostol)
Konsensbasierte Empfehlung 4.E33
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bis zum Erhalt einer neuen Zulassung zur Geburtseinleitung soll über den Off-Label-Use
aufgeklärt werden.
Addendum März 2021:
Im September 2020 wurde auch in Deutschland und Österreich ein Misoprostol-haltiges
Medikament zugelassen, dessen Markteinführung bereits in einzelnen europäischen Ländern
erfolgt ist.
In Österreich ist dieses Medikament bereits erhältlich.
Die Markteinführung in Deutschland soll noch in diesem Jahr erfolgen.
In der Schweiz wurde ein Zulassungsantrag gestellt (Stand März 2021).
Konsensbasiertes Statement 4.S6
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Misoprostol ist das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen
Zervixbefund.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E34
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Applikation von Misoprostol sollte oral erfolgen.
Konsensbasiertes Statement 4.S7
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Misoprostol-Dosierungen von 25 µg gelten auch bei vaginaler Applikation als sicher.
Konsensbasiertes Statement 4.S8
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Misoprostol in einer Dosierung von 50 µg oral entspricht dem Sicherheitsprofil einer
vaginalen Applikation von 25 µg.
Konsensbasiertes Statement 4.S9
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Nebenwirkung wie eine uterine Überstimulation führt nicht zwangsläufig zu einem
pathologischen CTG, einem Kaiserschnitt und/oder einem schlechten kindlichen Outcome.
Konsensbasiertes Statement 4.S10
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Orales/vaginales Misoprostol in einer Dosierung von ≥ 50 µg pro Tablette führte zwar
im Vergleich zu Placebo zu mehr Überstimulationen, die Rate an Verlegungen in die
Kinderklinik war jedoch nicht verschieden.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E35
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Erstgaben von > 50 µg und Einzelgaben von > 100 µg sollten vermieden werden.
Konsensbasiertes Statement 4.S11
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eigenhändiges Zerstückeln von Tabletten höherer Dosierung und/oder Auflösen von Tabletten
in Flüssigkeit und Gabe von bestimmten Trinkmengen sind aufgrund der Ungenauigkeit
der Stabilität und Wirkstoffkonzentration zu vermeiden. Eine korrekte Herstellung
durch eine Apotheke ist deshalb unabdingbar.
Misoprostol kann oral und vaginal sowohl bei einem unreifen als auch bei einem reifen
Zervixbefund gegeben werden. Die Verwendung von Misoprostol zur Geburtseinleitung
ist mittlerweile sehr gut untersucht – und es scheint sich bei einem unreifen Zervixbefund
um das effektivste Medikament zur Geburtseinleitung zu handeln.
4.3 Weitere Methoden der Geburtseinleitung
4.3.1 Rizinusöl
Konsensbasierte Empfehlung 4.E36
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Rizinusöl soll nicht im ambulanten Setting zur Geburtseinleitung verwendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 4.E37
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Rizinusöl sollte nur im Rahmen von Studien zur Geburtseinleitung verwendet werden.
Der „Wehencocktail“ mit Rizinusöl war das erste medikamentöse Verfahren zur Geburtseinleitung
in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts [26], [27], [28]. Aufgrund seiner Nebenwirkungen (vor allem Diarrhö) wurde es im Verlauf nicht mehr
weiter in dem Maße eingesetzt und letztlich durch Oxytocin verdrängt. Der Effekt beruht
auf der Rizinolsäure, dem Wirkstoff des Rizinusöls. Die Rizinolsäure wirkt über Prostaglandin-Rezeptoren
der Muskelzellen in der Gebärmutter und dem Darm, weshalb es neben den für Abführmittel
typischen Symptomen zu Uteruskontraktionen kommen kann. Obwohl es seit etwa einem
Jahrhundert zur Geburtseinleitung eingesetzt wird, ist die Evidenz unzureichend.
4.3.2 Sonstige Methoden
Es gibt noch eine Vielzahl an anderen Methoden, die zur Geburtseinleitung angewendet
werden. Zu diesen Verfahren gehören unter anderem der Nelkenöltampon, Geschlechtsverkehr
[29], [30], Akupunktur [31], Mamillenstimulation und homöopathische Verfahren wie die Gabe von Caulophyllum.
Da diese alternativen Verfahren unzureichend untersucht sind, werden sie nicht zur
Geburtseinleitung empfohlen und sollten nur im Rahmen von Studien Verwendung finden.
5 Überwachung der Geburtseinleitung
Konsensbasiertes Statement 5.S12
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es gibt keine evidenzbasierten Empfehlungen darüber, wie genau eine Geburtseinleitung
überwacht werden soll.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E38
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Vor Beginn einer medikamentösen Geburtseinleitung soll eine CTG-Untersuchung erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E39
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Wenn es unter einer medikamentösen Geburtseinleitung zu relevanten Wehen und/oder
Blasensprung kommt, soll eine CTG-Untersuchung durchgeführt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E40
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Nach Gabe von Prostaglandinen sollten im Verlauf CTG-Untersuchungen erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E41
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Geburtseinleitung mittels Oxytocin soll unter kontinuierlicher CTG-Überwachung
erfolgen.
Es gibt keine evidenzbasierten Empfehlungen darüber, wie genau eine Geburtseinleitung
überwacht werden muss. Genereller Konsens ist die Durchführung eines CTG über mindestens
30 Minuten vor Beginn einer Geburtseinleitung.
Mechanische Verfahren (siehe 4.1.) bewirken über eine endogene Freisetzung von Prostaglandin
eine Zervixreifung, weshalb Nebenwirkungen wie eine uterine Überstimulation nicht
zu erwarten [32] und CTG-Untersuchungen im Verlauf nicht zwingend erforderlich sind. Empfohlen sind
sie im Falle von vaginalen Blutungen oder anderen Auffälligkeiten.
6 Besondere Situationen der Geburtseinleitung
6.1 Adipositas
Konsensbasiertes Statement 6.S13
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Geburtseinleitung ist bei maternaler Adipositas mit längeren Einleitung-Geburt-Intervallen
und höheren Dosen von Oxytocin und Prostaglandinen assoziiert.
Die mütterliche Adipositas stellt in Abwesenheit anderer geburtshilflicher oder medizinischer
Indikationen allein keine Indikation für eine Geburtseinleitung dar [33]. Jedoch haben adipöse Schwangere aufgrund bestehender Co-Morbiditäten und neu aufgetretener
Schwangerschaftskomplikationen ein erhöhtes Risiko für eine Geburtseinleitung. Zudem
ist die mütterliche Adipositas mit einer höheren Rate an ante-, intra- und postpartalen
Komplikationen assoziiert [34], [35].
6.2 Beckenendlage
Konsensbasiertes Statement 6.S14
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Geburtseinleitung ist auch bei fetaler Beckenendlage möglich.
Die Datenlage zur Geburtseinleitung bei fetaler Beckenendlage beruht auf wenigen,
nicht randomisiert-kontrollierten Untersuchungen. Einige Fallserien zeigten, dass
bei guter Selektion das Risiko für Mutter und Kind gering ist [36], [37], [38], [39].
6.3 Geminigravidität
Konsensbasierte Empfehlung 6.E42
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei normal verlaufender dichorialer Geminigravidität kann ab 37 + 0 SSW die Schwangerschaft
beendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E43
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei normal verlaufender dichorialer Geminigravidität sollte ab 38 + 0 SSW die Schwangerschaft
beendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E44
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei normal verlaufender monochorialer-diamnialer Geminigravidität kann ab 36 + 0 SSW
die Schwangerschaft beendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E45
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei normal verlaufender monochorialer-diamnialer Geminigravidität sollte ab 37 + 0 SSW
die Schwangerschaft beendet werden.
Es gibt keine evidenzbasierten Daten, wann der geeignete Zeitpunkt für eine Entbindung
bei dichorialen Geminigraviditäten ist. Die durchgeführten Studien sind durch verschiedene
Faktoren limitiert [40], [41], [42], [43], [44]. Während das prospektive Risiko für einen intrauterinen Fruchttod (IUFT) zwischen
37 + 0 SSW und 37 + 6 SSW äquivalent zur neonatalen Mortalität zu sein scheint, übersteigt
das IUFT-Risiko ab 38 + 0 SSW das neonatale Mortalitätsrisiko [45]. Die neonatale Morbidität (z. B. Atemnotsyndrome, Aufnahmen auf die neonatale Intensivstation …)
ist in späteren Schwangerschaftswochen geringer. Da diese Daten aufgrund fehlender
Angaben über die sonografischen Untersuchungen, antepartales Monitoring, Geburtsmodus
und Qualität der neonatalen Versorgung kontrovers
diskutiert werden, ist eine generelle Empfehlung zur Geburtseinleitung ab 37 + 0 SSW
bei dichorialer Geminigravidität schwierig. Aus diesem Grund wird von verschiedenen
Fachgesellschaften als Empfehlung ein Gestationsalter ab 37 + 0 oder 38 + 0 SSW angegeben
[46], [47].
Es gibt keine RCT, die den optimalen Zeitpunkt einer Geburtseinleitung bei monochorialen-diamnialen
Geminigraviditäten untersucht haben. Zwar scheint es einen Trend hinsichtlich eines
höheren Risikos für einen IUFT im Vergleich zur neonatalen Mortalität über 36 SSW
zu geben, jedoch sind diese Daten aus zuvor beschriebenen Kritikpunkten limitiert
[45]. Dennoch sollte das potenziell erhöhte Risiko für ein intrauterines Versterben diskutiert
werden [47], [48], [49], [50], [51], auch wenn es keine eindeutige Evidenz für eine Geburtseinleitung ab 36 + 0 SSW
für monochorial-diamniale Geminigraviditäten gibt [52], [53]. Aus diesem Grund empfehlen manche internationale Fachgesellschaften eine Entbindung
bis 37 + 6 SSW [46], [51].
6.4 Zustand nach Sectio caesarea
6.4.1 Aufklärung und Beratung
Die Geburtseinleitung nach vorangegangenem Kaiserschnitt stellt hohe Anforderungen
an die Aufklärung und Beratung (siehe 3.1.). Die Indikation zur Geburtseinleitung
sollte angesichts der höheren Risiken im Vergleich zu einem spontanen Wehenbeginn
(z. B. höhere Kaiserschnittrate (OR 1,52, 95%-KI 1,26 – 1,83 [54]) kritisch gestellt werden. Dennoch erfüllt die überwiegende Mehrheit der betroffenen
Schwangeren die Voraussetzungen für einen vaginalen Entbindungsversuch und soll darüber
aufgeklärt werden (siehe 3.2.).
Konsensbasiertes Statement 6.S15
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Erfolgsrate für eine vaginale Entbindung nach Kaiserschnitt liegt insgesamt etwa
bei 75% (60 – 85%).
Konsensbasierte Empfehlung 6.E46
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber aufgeklärt werden, dass eine erfolgreiche Vaginalgeburt
nach vorherigem Kaiserschnitt die geringste Komplikationsrate mit sich bringt.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E47
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber aufgeklärt werden, dass nach erfolglosem vaginalem Entbindungsversuch
gelegentlich ein akuter Kaiserschnitt/Notkaiserschnitt notwendig wird, der mit einer
erhöhten Komplikationsrate einhergeht.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E48
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber informiert werden, dass das Risiko einer Uterusruptur
bei vaginaler Geburt nach einem vorherigen Kaiserschnitt bei circa 0,5 – 1% liegt.
Sofern eine von der Quer-Uterotomie abweichende Schnittführung bekannt ist, insbesondere
wenn es sich um eine fundale Uterotomie, eine klassische Schnittführung oder eine
T-Inzision handelt, sollte von einem vaginalem Entbindungsversuch Abstand genommen
werden [55], [56], [57].
Konsensbasierte Empfehlung 6.E49
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber aufgeklärt werden, dass eine Geburtseinleitung zu einer
2- bis 3-fachen Risikoerhöhung für eine Uterusruptur (ca. 1 – 1,5%) und zu einer 1,5-fachen
Erhöhung der Kaiserschnittwahrscheinlichkeit führt.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E50
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber aufgeklärt werden, dass das Risiko eines geburtsassoziierten,
perinatalen kindlichen Todesfalles bei vaginaler Entbindung nach Kaiserschnitt insgesamt
äußerst gering ist.
Konsensbasiertes Statement 6.S16
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die maternale Mortalität ist höher für die elektive Re-Sectio caesarea als für die
angestrebte Vaginalgeburt. Das absolute Risiko bleibt jedoch bei beiden Entbindungsmodi
extrem gering.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E51
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Schwangere soll darüber aufgeklärt werden, dass jede Re-Sectio caesarea zu einer
weiteren Steigerung des Risikos einer Plazentationsstörung bei Folgeschwangerschaften
führt und Adhäsionen verursachen kann, die zukünftige abdominelle Eingriffe komplizieren
können.
6.4.2 Methoden der Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio caesarea
Konsensbasiertes Statement 6.S17
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei reifem Zervixbefund (Bishop Score ≥ 6) stellt eine Geburtseinleitung nach vorherigem
Kaiserschnitt mittels Oxytocin und Amniotomie eine risikoarme Methode dar.
Konsensbasiertes Statement 6.S18
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei unreifem Zervixbefund (Bishop Score < 6) stellt die Geburtseinleitung nach vorherigem
Kaiserschnitt mittels Prostaglandin E2 (Dinoproston) eine risikoarme Methode dar,
auch wenn das Risiko für eine Uterusruptur erhöht ist.
Konsensbasiertes Statement 6.S19
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Die Geburtseinleitung mit mechanischen Methoden (transzervikaler Ballonkatheter, Amniotomie)
ist mit einem niedrigeren Uterusruptur-Risiko als mit Prostaglandinen assoziiert.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E52
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Misoprostol soll im 3. Trimenon nicht zur Geburtseinleitung bzw. Zervixreifung nach
vorherigem Kaiserschnitt oder einer Operation, die mit einer Eröffnung des Cavum uteri
einhergegangen ist, eingesetzt werden.
6.4.3 Geburtseinleitung bei Zustand nach Sectio caesarea
Konsensbasiertes Statement 6.S20
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei regelmäßiger Wehentätigkeit soll bei Zustand nach Sectio caesarea eine kontinuierliche
fetale Überwachung (CTG) bis zur Geburt erfolgen.
7 Setting der Geburtseinleitung
Konsensbasiertes Statement 7.S21
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Schwangeren mit geringem Risiko für Komplikationen ist ein ambulantes Management
zur Einleitung unter bestimmten Rahmenbedingungen möglich.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E53
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Es sollten ausschließlich mechanische Methoden mit einem geringen Risiko für eine
Überstimulation zur ambulanten Geburtseinleitung verwendet werden.
Konsensbasierte Empfehlung 7.E54
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Aufklärung über die möglichen Risiken einer ambulanten Geburtseinleitung soll
erfolgen.
8 Abortinduktion/Geburtseinleitung bei intrauterinem Fruchttod
8.1 Abortinduktion im 1. Trimenon
Grundsätzlich ist zwischen der Abortinduktion aufgrund einer gestörten Schwangerschaft
(z. B. Missed Abortion, Windei, Trophoblasterkrankungen) und der Beendigung einer
primär regelrechten Schwangerschaft nach der Beratungsregel (in Österreich: Fristenregelung
§ 97 StGB; in der Schweiz: strafloser Schwangerschaftsabbruch gemäß Artikel 119, Absatz
2 StGB) bzw. aufgrund einer kriminologischen oder medizinischen Indikation zu unterscheiden.
Vor dem Abbruch der Schwangerschaft ist die Schwangerschaftsdauer sonografisch zu
bestimmen.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E55
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bis zum 63. Tag post menstruationem kann sowohl ein medikamentöses Vorgehen als auch
ein chirurgisches Vorgehen gewählt werden.
Hinsichtlich der Vorteile und Nachteile der jeweiligen Methoden (siehe [Tab. 5]) sollte die Patientin aufgeklärt und beraten werden [58].
Tab. 5 Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren zur Abortinduktion im 1. Trimenon
[58].
|
medikamentöses Vorgehen
|
chirurgisches Vorgehen
|
|
invasive Prozedur
|
häufig nein
|
ja
|
|
Anästhesie
|
nicht erforderlich
|
erforderlich
|
|
zeitliche Planbarkeit
|
unsicher
|
planbar
|
|
Erfolgsrate
|
ca. 95%
|
ca. 99%
|
|
Blutung
|
mittelschwer
|
leicht
|
|
Nachsorge
|
erforderlich zum Ausschluss eines inkompletten Aborts
|
häufig nicht erforderlich
|
|
Vorgehen
|
mehrzeitig
|
einzeitig
|
Konsensbasierte Empfehlung 8.E56
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Entscheidet sich die Patientin für ein medikamentöses Vorgehen, so sollte ein sequenzielles
Vorgehen mit der Gabe von 200 mg Mifepriston gefolgt von der vaginalen Applikation
von 800 µg Misoprostol gewählt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E57
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Ab 9 + 0 SSW sollte ein chirurgisches Vorgehen durch Aspirationskürettage oder Abrasio
uteri erfolgen.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E58
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei einem geplanten chirurgischen Vorgehen kann durch die Durchführung präoperativer
zervixreifender Maßnahmen die Rate an intraoperativen Zervixdilatationen verringert
werden.
8.2 Abortinduktion/Geburtseinleitung bei intrauterinem Fruchttod im 2. und 3. Trimenon
Konsensbasierte Empfehlung 8.E59
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Eine Abortinduktion/Geburtseinleitung bei intrauterinem Fruchttod im 2. Trimenon sollte
mittels sequenzieller Gabe von Mifepriston und Misoprostol erfolgen.
In den deutschsprachigen Ländern wird spätestens ab 14 + 0 SSW eine medikamentöse
Beendigung der Schwangerschaft gewählt. Auch im 2. Trimenon zeigte sich die Sequenz
aus Mifepriston und Misoprostol der alleinigen Misoprostol-Applikation überlegen.
Es gibt zahlreiche Variationen der Dosierung und der Applikationsintervalle.
Es werden beispielsweise folgende Schemata empfohlen:
Im 3. Trimenon werden
nach der Mifepriston-Gabe
auch geringere Misoprostol-Dosierungen empfohlen:
-
Misoprostol 200 µg (vaginal, sublingual oder bukkal) alle 4 – 6 Stunden [61]
-
Misoprostol 100 µg (vaginal, sublingual oder bukkal) alle 4 – 6 Stunden [61]
Ist es nach 5 Misoprostol-Gaben nicht zum Abort/zur Geburt gekommen, empfehlen die
meisten internationalen Leitlinien eine 12-stündige Pause; die aktuellen NICE-Empfehlungen
sehen eine solche Pause nicht mehr vor [62].
Nach dem Abort/der Geburt sollten eine genaue Inspektion der Plazenta und eine sonografische
Darstellung des Cavum uteri erfolgen; eine Nachkürettage ist nicht obligat. Bei V. a.
Plazentaresiduen oder bei stärkerer Blutung sollte die Indikation zur Nachkürettage
gestellt werden.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E60
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Abortinduktion/Geburtseinleitung nach intrauterinem Fruchttod und Zustand nach
Kaiserschnitt soll die Patientin über das Uterusruptur-Risiko aufgeklärt werden. Die
Dosis des Misoprostols sollte reduziert und die Patientin über den Off-Label-Use aufgeklärt
werden.
Konsensbasierte Empfehlung 8.E61
Expertenkonsens
Konsensusstärke +++
Bei Zustand nach Kaiserschnitt kann durch die zusätzliche Verwendung eines Ballonkatheters
die Zeitspanne bis zum Abort/zur Geburt und die Gesamtdosis an Misoprostol reduziert
werden.