Jacobs H.
et al.
Use of Physical Therapy in Patients
With Osteoarthritis in Germany: An Analysis of a
Linkage of Claims and Survey Data.
Arthritis Care
Res (Hoboken) 2021;
23 (07) 1013-1022
DOI:
10.1002/acr.24365
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizierten mithilfe einer
großen gesetzlichen Krankenversicherung mehr als 657 000 Personen im
Alter zwischen 30 und 79 Jahren, die 2016 an einer Hüft- und/oder
Kniegelenkarthrose litten. Aus diesem Kollektiv wählten sie per
Zufallsstichprobe – stratifiziert nach Alter, Geschlecht und Diagnose
– 8995 Patientinnen und Patienten aus, die sie mittels eines Fragebogens zu
ihrem Krankheitsstatus (z. B. WOMAC/Western Ontario and McMaster
Universities Ostreoarthritis Index) sowie zu demografischen und
sozioökonomischen Parametern befragten. Anhand der Versicherungsdaten
prüften sie anschließend, wie viele Betroffene im Jahr 2016
Physiotherapie erhalten hatten, welche ärztlichen Fachdisziplinen diese
verschrieben hatten und welche Behandlungen dabei im Einzelnen erfolgten (z. B.
Massage, Lymphdrainage, Übungstherapie, manuelle Therapie, Elektrotherapie,
Thermotherapie). Ferner untersuchte das Forscherteam, welche Faktoren die
Inanspruchnahme physiotherapeutischer Behandlungen beeinflussten.
Ergebnisse
3564 Patientinnen und Patienten beantworteten den Fragebogen und flossen in die
Analyse ein. Sie waren im Schnitt 66,5 Jahre alt und mehrheitlich (69%)
weiblich. 50% der Befragten hatten im Jahr 2016 mindestens einmal eine
physiotherapeutische Behandlung absolviert. Am häufigsten rezeptierten
Orthopädinnen und Orthopäden die Therapie (45%), gefolgt von
Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern (32%). Rheumatologinnen und
Rheumatologen hatten nur in 3% der Fälle die Verschreibung
übernommen. Die am häufigsten rezeptierten Interventionen waren
Übungsbehandlungen (36%), gefolgt von der manuellen Therapie
(16%) und der Thermotherapie (13%). Frauen nahmen im Vergleich zu
Männern häufiger eine entsprechende Behandlung in Anspruch (54 vs.
43%). Die multivariate logistische Regressionsanalyse ergab: Weibliches
Geschlecht, eine Mehrgelenkarthrose, stärkere funktionelle
Einschränkungen, eine stärkere Krankheitsaktivität
(höhere Anzahl schmerzhafter Gelenke), ein höheres
Haushaltseinkommen sowie ein Wohnort im Osten, Süden oder Westen
Deutschlands gingen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine
Physiotherapie einher.
Obwohl in Deutschland ein großer Anteil der Arthrosekranken
Physiotherapie in Anspruch nimmt, hat – entgegen der
Leitlinienempfehlungen – mehr als ein Drittel der Betroffenen trotz
starker funktioneller Einschränkungen und/oder Schmerzen in den
vorangegangenen 12 Monaten keine entsprechende Behandlung erhalten,
unterstreichen die Autorinnen und Autoren. Hier besteht dringender
Handlungsbedarf, meinen sie. Insbesondere Männer und Personen mit
geringem Einkommen müssen dabei angesprochen werden.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell