Im Rahmen des digitalen 61. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie
und Beatmungsmedizin e. V. wurde am 4. Juni 2021 der mit insgesamt 6000 € dotierte
Dissertationspreis Pneumologie 2021 der Deutschen Lungenstiftung e. V. verliehen.
Der Preis für die beste experimentelle Arbeit mit dem Titel „Cathepsin B, a new player
in the progression of Bronchiolitis Obliterans Syndrome“ ging an Carmela Morrone,
München, der für die beste klinische Arbeit zum Thema „Mutationsanalyse von zirkulierender
DNA bei Lungenkrebspatienten mit Adenokarzinom unter Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren“
an Dr. med. Anja Lisa Riediger, Durmersheim. Nachfolgend stellen die beiden Preisträgerinnen
ihre ausgezeichneten Arbeiten vor.
Cathepsin B, a new player in the progression of Bronchiolitis Obliterans Syndrome
Das Bronchiolitis obliterans-Syndrom (BOS) ist eine der chronischen Hauptkomplikationen
nach der Lungentransplantation (LTx). BOS ist durch eine massive Fibrose in der Umgebung
kleiner Atemwege charaktarisiert, die zu einer durch Lufteinschlüsse induzierten Lungenfunktionsstörung
führt. Cathepsin-B (CatB), eine lysosomale Cysteinprotease, ist sowohl unter sauren
als auch unter neutralen pH-Bedingungen katalytisch aktiv und kann seine Zielproteine
intrazellulär und extrazellulär spalten. CatB wurde in Verbindung mit mehreren fibrotischen
Erkrankungen beschrieben. Obwohl mehrere In-vitro-Studien gezeigt haben, dass CatB
in fibrotischen Signalwegen stark involviert ist, konnte bisher kein direkter Zusammenhang
zwischen CatB und der BOS-Krankheit gezeigt werden. Um diese Lücke zu füllen, wollten
wir mit dieser Studie die Rolle von CatB als möglichen Auslöser der BOS-Pathogenese
und seinen Beitrag zum Fortschreiten der Krankheit untersuchen.
Die Expression von CatB und seine Enzymaktivität wurden mithilfe von Western Blot,
Färbung von Gewebeschnitten und einem FRET-basierten Aktivitätsassay in Lungengewebe
und bronchoalveolarer Lavageflüssigkeit bestimmt. Der Prokollagenspiegel wurde in
BALF-Proben mittels ELISA analysiert. Um den Einfluss von Cathepsin-B auf die Pathophysiologie
von BOS weiter zu untersuchen, verwendeten wir ein in vivo orthotopisches Mausmodell
für die Transplantation der linken Lunge im Frühstadium der BOS-Entwicklung, das als
lymphozytische Bronchiolitis (LB) bezeichnet wird. Mechanistische Studien wurden in
vitro unter Verwendung von Makrophagen- und Fibroblastenzelllinien durchgeführt.
Mit unserer Studie haben wir gezeigt, dass der CatB-Proteinspiegel in BALF-Proben
und im Lungengewebe von Patienten, die BOS entwickelten, sowie in unserem Mausmodell
von LB erhöht waren. Interessanterweise war die CatB-Aktivität in BALF von BOS-Patienten
bereits in frühen Stadien der Krankheit erhöht.
Bemerkenswert ist, dass die Aktivität von CatB negativ mit der Lungenfunktion über
das Fortschreiten der BOS-Krankheit korrelierte und mit einer erhöhten Biosynthese
von ProKollagen assoziiert war. Wir identifizierten außerdem infiltrierende proinflammatorische
Makrophagen als Hauptquelle für CatB in BOS. Mechanistisch haben wir gezeigt, dass
CatB zur TGF-β1-abhängigen Aktivierung von Fibroblasten beiträgt und seine Hemmung
den BOS-Phänotyp verhindert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass infiltrierende Makrophagen in Bereichen, die
die Atemwege umgeben, CatB freisetzen sowie die Aktivierung von Fibroblasten und die
anschließende Kollagenablagerung fördern und das Fortschreiten von BOS verstärken.
CatB kann, basierend auf unserer Studie, somit ein potenzielles therapeutisches Target
sein, um das Fortschreiten von BOS zu verhindern.
Carmela Morrone, München
Mutationsanalyse von zirkulierender DNA bei Lungenkrebspatienten mit Adenokarzinom
unter Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren
Der Lungenkrebs zählt zu den häufigsten Tumorerkrankungen und ist insgesamt leider
immer noch mit einer schlechten Überlebensprognose verbunden [1, 2]. Durch intensive
Forschung mit einhergehenden Entwicklungen in der Tumortherapie und verbessertem Therapieansprechen
konnten progressionsfreies- und Gesamtüberleben jedoch gebessert werden. Die zielgerichtete
als auch personalisierte Tumortherapie nimmt hierbei einen großen Stellenwert ein.
Insbesondere das häufigere, nichtkleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) und hierbei
speziell das Adenokarzinom ist durch eine große molekulare Heterogenität und hohe
Mutationsraten gekennzeichnet [3, 4]. Zu den wichtigsten Vertretern bekannter Tumortreiber
zählen Mutationen im Gen des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR). Es sind
mehr als 100 EGFR-Mutationen bekannt, wobei in 85 % aller Fälle die L858R-Mutation
in Exon 21 oder Deletionen in Exon 19 auftreten [5–7]. Tumore mit aktivierender EGFR-Mutation
sprechen gut auf eine zielgerichtete Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) an
[8, 9]. Leider entwickeln sich in fast allen Fällen Therapieresistenzen mit resultierender
Tumorprogression. Als häufigster Resistenzmechanismus ist hierbei das Auftreten der
EGFR-T790M-Mutation zu nennen [10, 11]. In der Behandlung mit Drittgenerations-TKIs
(Osimertinib) zeigte sich auch bei vorliegender T790M-Resistenzmutation ein erneutes
Ansprechen auf die Therapie [12]. Der Therapieerfolg ist von einem adäquaten Therapiemonitoring
zur initialen Risikostratifizierung, Therapieauswahl- und Überwachung der fortführenden
Therapie als auch der rechtzeitigen Erkennung von Resistenzen abhängig.
Eine zusätzliche Informationsquelle zur gängigen Gewebebiopsie stellt die Analyse
von Körperflüssigkeiten (Liquid Biopsy), wie z.B. Blut, Urin, Liquor oder Sputum,
dar. Dabei gelang bereits bei verschiedenen Tumorentitäten der Nachweis von verschiedenen
tumorassoziierten Parametern, u. a. zirkulierenden Tumorzellen und auch zirkulierenden
Nukleinsäuren (DNA, RNA, mitochondriale DNA). Im Blut von NSCLC-Patienten wurden ebenfalls
diverse Genveränderungen, ebenso auch EGFR-Mutationen, in zirkulierender Tumor-DNA
identifiziert [13–16]. In unserem Projekt wurde das Potenzial von regelmäßigen, seriellen
Blutentnahmen bei NSCLC-Patienten mit anschließender Analyse der bekannten EGFR-Mutationen
zur Einschätzung des Therapieansprechens und der Resistenzentwicklung während der
zielgerichteten TKI-Therapie evaluiert. Insgesamt lagen 49 Serum- und 119 Plasmaproben
von 20 NSCLC-Patienten im fortgeschrittenen Tumorstadium vor, aus denen zirkulierende
DNA (cfDNA) extrahiert wurde. Zur Ergebnisoptimierung wurde die cfDNA einer präanalytischen
Qualitätskontrolle unterzogen. Hierbei wurden die Gesamtmenge als auch die Zusammensetzung
der cfDNA-Fragmente evaluiert. Bei fast allen Proben zeigte sich ein charakteristischer
Peak bei einer Fragmentlänge von 160–170 bp (oder bei Vielfachen dieser Länge), welche
der Länge von DNA-Fragmenten in Assoziation zum Nukleosom entspricht [17–19]. Der
größte Anteil der zirkulierenden Tumor-DNA wird diesen kürzeren Fragmenten zugeordnet,
wohingegen sehr lange Fragmente mit genomischer DNA und damit einhergehender Wildtyp-DNA
als Background-Signal für die Mutationsanalyse assoziiert werden [18, 19]. Die Präanalytik
hatte somit einen entscheidenden Einfluss auf die Durchführung und Resultate, wie
auch auf die Auswahl des geeigneten Ausgangsmaterials für die weitere Mutationsanalyse.
Aufgrund eines größeren Anteils charakteristischer, kurzer cfDNA-Fragmente bei gleichzeitig
geringerer Kontamination mit genomischer DNA wurde das Plasma als weiteres Ausgangsmaterial
gewählt. Mithilfe der sensitiven digitalen PCR-Methode gelang im Plasma eine qualitative
und quantitative Detektion von bereits aus der Gewebeanalyse vorbekannten aktivierenden
EGFR-Mutationen (L858R, L861Q, EGFR c.2235_49del, EGFR c.2236_50del) bei 15 von 16
getesteten Patienten sowie einer KRAS-Mutation (G12C) bei einem Patienten. Die EGFR-T790M-Resistenzmutation
war bei 12 von 19 getesteten Patienten nachweisbar. Bei 16 Patienten wurden zwischen
2 und 11 serielle Plasmaproben über einen längeren Zeitraum (bis zu 33 Monate) evaluiert.
Trotz individueller Unterschiede konnten gemeinsame Aspekte herausgearbeitet werden,
welche die raschen Entwicklungen nach einem Therapiebeginn, das längerfristige Therapieansprechen
sowie die Tumorprogression und Resistenzentwicklung aufzeigten. Im direkten zeitlichen
Zusammenhang zwischen Therapiebeginn und den beobachteten Reaktionen im Plasma stellte
sich bei einem Patienten ein initiales Ansprechen des Tumors bereits 96 Stunden nach
Beginn einer TKI-Therapie mit einem starken Anstieg der mutierten Allele im Plasma
dar. Anschließend wurde deren erneuter Abfall auf ein sehr niedriges Niveau innerhalb
weniger Tage registriert. Der Patient wies klinisch ein gutes Therapieansprechen auf.
Bei einer erneuten Plasmakontrolle nach 2 Monaten war die bekannte Mutation nicht
mehr nachweisbar.
Eine Verringerung des Wertes von der letzten Probe vor zur ersten Probe nach Therapiebeginn
konnte insgesamt bei 6 von 7 Patienten mit erfolgreicher Therapieeinleitung gesehen
werden. Bei einer Stabilisierung der Tumorerkrankung waren die mutierten Allele nicht
mehr nachweisbar oder lagen auf einem niedrigen Niveau. Über einen längeren Zeitraum
konnte dieser kontrollierte Zustand bei 3 Patienten über 11, 13 bzw. 33 Monate im
Plasma nachverfolgt werden. Im Gegensatz dazu wurde bei erneuter Tumorprogression
ein Anstieg der mutierten Allele im Plasma beobachtet. Bei 5 Patienten mit Tumorprogression
wurde zudem zu unterschiedlichen Zeitpunkten die T790M-Mutation im Plasma detektiert,
übereinstimmend mit den Resultaten der Gewebeanalyse aus der Re-Biopsie. Bei einem
Patienten identifizierten wir die T790M-Mutation bereits vor Beginn der TKI-Therapie.
Dies war klinisch mit einem fehlenden Therapieansprechen und einer kurzen Überlebenszeit
assoziiert. Ein weiterer Patient wies initial eine KRAS-Mutation im Tumorgewebe und
im Plasma auf. Bei daraufhin rasant ansteigender und schlussendlich sehr hoher Anzahl
der KRAS-mutierten Allele im Plasma zeigte sich kein Therapieansprechen und eine rasche
Tumorprogression.
Zusammenfassend konnte mit dieser Arbeit das Potenzial der seriellen Analyse von cfDNA
im Blut von NSCLC-Patienten zur Therapieüberwachung unter TKI-Therapie aufgezeigt
werden. Es konnten sowohl das Therapieansprechen als auch das Auftreten von Therapieresistenzen
durch die Entwicklungen der EGFR-mutierten Allele im Plasma nachvollzogen werden.
Hervorzuheben ist deren serielle Detektion im Plasma eines Patienten während den ersten
Stunden nach Einleitung der TKI-Therapie. Die beobachteten Entwicklungen ließen einerseits
interessante Rückschlüsse auf die Applikation der TKI-Therapie zu, warfen allerdings
auch neue Fragen hinsichtlich der Tumorbiologie auf. Eine weiterführende Forschung
zur Etablierung von Standardisierungen der Versuchsablaufe als auch eine ausbauende
Wissensgenerierung hinsichtlich der Tumorbiologie im Zusammenhang mit der Liquid Biopsy
sind erstrebenswert und essenzieller Bestandteil der aktuellen Forschung. Auf lange
Sicht kann das Potenzial der Liquid Biopsy somit hoffentlich zur Diagnostik, Unterstützung
von Therapieentscheidungen und idealerweise zur Früherkennung in der klinischen Routine
ausgeschöpft werden.
Dr. Anja Lisa Riediger, Heidelberg
Die Studie wurde veröffentlicht in: Riediger A, Dietz S, Schirmer U et al. Mutation
analysis of circulating plasma DNA to determine response to EGFR tyrosine kinase inhibitor
therapy of lung adenocarcinoma patients. Sci Rep 2016; 6: 33505. doi:10.1038/srep33505
Literatur
[1] Ferlay J, Soerjomataram I, Dikshit R et al. Cancer incidence and mortality worldwide:
sources, methods and major patterns in GLOBOCAN 2012. Int J Cancer 2015; 136: E359–E386
[2] Siegel RL, Miller KD, Jemal A. Cancer statistics, 2016. CA Cancer J Clin 2016;
66: 7–30
[3] Cancer Genome Atlas Research Network. Comprehensive molecular profiling of lung
adenocarcinoma. Nature 2014; 511: 543–550
[4] Lawrence MS, Stojanov P, Mermel CH et al. Discovery and saturation analysis of
cancer genes across 21 tumour types. Nature 2014; 505: 495–501
[5] Siegelin MD, Borczuk AC. Epidermal growth factor receptor mutations in lung adenocarcinoma.
Lab Invest 2014; 94: 129–137
[6] Shigematsu H, Lin L, Takahashi T et al. Clinical and biological features associated
with epidermal growth factor receptor gene mutations in lung cancers. J Natl Cancer
Inst 2005; 97: 339–346
[7] Yeh P, Chen H, Andrews J et al. DNA-Mutation Inventory to Refine and Enhance
Cancer Treatment (DIRECT): a catalog of clinically relevant cancer mutations to enable
genome-directed anticancer therapy. Clin Cancer Res 2013; 19: 1894–1901
[8] Maemondo M, Inoue A, Kobayashi K et al. Gefitinib or chemotherapy for non-small-cell
lung cancer with mutated EGFR. N Engl J Med 2010; 362: 2380–2388
[9] Rosell R, Carcereny E, Gervais R et al. Erlotinib versus standard chemotherapy
as first-line treatment for European patients with advanced EGFR mutation-positive
non-small-cell lung cancer (EURTAC): a multicentre, open-label, randomised phase 3
trial. Lancet Oncol 2012; 13: 239–246
[10] Pao W, Miller VA, Politi KA et al. Acquired resistance of lung adenocarcinomas
to gefitinib or erlotinib is associated with a second mutation in the EGFR kinase
domain. PLoS Med 2005; 2: e73
[11] Zheng D, Ye X, Zhang MZ et al. Plasma EGFR T790M ctDNA status is associated with
clinical outcome in advanced NSCLC patients with acquired EGFR-TKI resistance. Sci
Rep 2016; 6: 20913
[12] Janne PA, Yang JC, Kim DW et al. AZD9291 in EGFR inhibitor-resistant nonsmall-cell
lung cancer. N Engl J Med 2015; 372: 1689–1699
[13] Douillard JY, Ostoros G, Cobo M et al. Gefitinib treatment in EGFR mutated caucasian
NSCLC: circulating-free tumor DNA as a surrogate for determination of EGFR status.
J Thorac Oncol 2014; 9: 1345–1353
[14] Mok T, Wu YL, Lee JS et al. Detection and Dynamic Changes of EGFR Mutations from
Circulating Tumor DNA as a Predictor of Survival Outcomes in NSCLC Patients Treated
with First-line Intercalated Erlotinib and Chemotherapy. Clin Cancer Res 2015; 21:
3196–3203
[15] Weber B, Meldgaard P, Hager H et al. Detection of EGFR mutations in plasma and
biopsies from non-small cell lung cancer patients by allele-specific PCR assays. BMC
Cancer 2014; 14: 294
[16] Oxnard GR, Paweletz CP, Kuang Y et al. Noninvasive detection of response and
resistance in EGFR-mutant lung cancer using quantitative next-generation genotyping
of cell-free plasma DNA. Clin Cancer Res 2014; 20: 1698–1705
[17] Lo YM, Chan KC, Sun H et al. Maternal plasma DNA sequencing reveals the genome-wide
genetic and mutational profile of the fetus. Sci Transl Med 2010; 2: 61ra91
[18] Jahr S, Hentze H, Englisch S et al. DNA fragments in the blood plasma of cancer
patients: quantitations and evidence for their origin from apoptotic and necrotic
cells. Cancer Res 2001; 61: 1659–1665
[19] Mouliere F, Robert B, Arnau Peyrotte E et al. High fragmentation characterizes
tumour-derived circulating DNA. PLoS One 2011; 6: e23418