In einer Studie an einem Risikokollektiv von Arbeitnehmer*innen mit gesicherter BK
4103 konnte gezeigt werden, dass die blutbasierten Biomarker Mesothelin und Calretinin
ca. 1 Jahr vor der klinischen Diagnose eines Mesothelioms ansteigen. Aufgrund der
Studienergebnisse soll analog zu „EVA Lunge“ ein Programm zur Früherkennung von Mesotheliomen
implementiert werden, an dem derzeit ausschließlich Arbeitnehmer*innen mit anerkannter
BK 4103 teilnehmen werden.
Die S2k-Leitlinie „Diagnostik und Begutachtung asbestbedingter Erkrankungen“ empfiehlt
eine Früherkennung von Mesotheliomen mittels des Einsatzes von Biomarkern derzeit
nur unter kontrollierten Bedingungen innerhalb von Studien, da mit einer hohen Zahl
falsch positiver Tests zu rechnen sei. Es wird weiterer Forschungsbedarf gesehen.
An die AG DRauE wurde in Vorbereitung des geplanten Früherkennungsprogramms eine Anfrage
zum Einsatz bildgebender Verfahren gestellt.
Der gezielte Einsatz bildgebender Verfahren wird in der Literatur bei Mesotheliomen
nur im Zusammenhang mit Ausbreitungsdiagnostik und Therapiemonitoring bei symptomatischen
Fällen beschrieben. Die Proband*innen des geplanten Programms sind hingegen klinisch
unauffällig, die Verdachtsdiagnose eines Mesothelioms basiert ausschließlich auf einer
Erhöhung der Biomarker, es handelt sich also um die klassische Situation einer Früherkennung.
In der Literatur gibt es bisher keine gesicherten Daten dazu, ob und zu welchem Zeitpunkt
mit bildgebenden Verfahren bei erhöhten Biomarkern ein Mesotheliom zu detektieren
ist. Die Thoraxaufnahme ist zur Detektion von benignen und malignen pleuralen Läsionen
wenig sensitiv. Die Computertomografie ist bei geeigneter Technik dagegen geeignet,
asbestfaserbedingte Erkrankungen von Lunge und Pleura nachzuweisen bzw. auszuschließen.
Deshalb hat die AG DRauE bereits vor Jahren BMI-adaptierte Low-Dose-Volumen-CT-Protokolle
erarbeitet und immer wieder an den derzeitigen Stand von Wissenschaft und Technik
angepasst. Ein Low-Dose-Volumen-HRCT ist gemäß Falkensteiner Empfehlung Eingangsvoraussetzung
zur Erstbegutachtung bei V. a. BK 4103. Identische Untersuchungsprotokolle kommen
auch im Programm „EVA Lunge – Erweitertes Vorsorgeangebot der DGUV zur Früherkennung
von Lungenkrebs im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge und für Versicherte mit
anerkannter BK-Nr. 4103“ zur Anwendung.
Die Bildqualität dieser BMI-adaptierten Low-Dose-CT-Untersuchungen erlaubt eine eindeutige
Beurteilung der Pleura und der Lunge, sodass sie möglicherweise auch in der Früherkennung
von Mesotheliomen eingesetzt werden kann. Allerdings gelingt der Nachweis kleiner
bzw. neuer Läsionen der Pleura meist nur im subtilen Vergleich mehrerer Untersuchungen.
Lediglich in fortgeschrittenen Fällen kann ein einziges CT diagnostisch einen Verdacht
begründen.
Da nur Proband*innen mit einer anerkannten BK 4103 in das Mesotheliom-Früherkennungsprogramm
aufgenommen werden, liegt wahrscheinlich zumindest bei in den letzten Jahren erstdiagnostizierten
BKs bereits ein LD-Volumen-HRCT vor, das als „Basisuntersuchung“ dient und mit dem
die aufgrund der Erhöhung der Biomarker angefertigte CT-Untersuchung verglichen wird.
Im Rahmen des Programms „EVA Lunge“ unterliegen die LD-Volumen-HRCT-Untersuchungen
einer strengen Qualitätskontrolle hinsichtlich der effektiven Dosis und der Bildqualität.
Gleiches muss für die Mesotheliom-Früherkennung gefordert werden.
Hinsichtlich der Kontrollintervalle und Abklärung von Rundherden bestehen in der Früherkennung
von Lungenkarzinomen eindeutige Leitlinien. Derartiges existiert für Mesotheliome
nicht. Hier ergeben sich Forschungsfragen und -ansätze zu geeigneten Protokollen.
Kontrollintervalle für die Bildgebung können aus Sicht der AG DRauE nur über definierte
Schwellenwerte bei Erhöhung der Biomarker festgelegt werden, da Mesotheliome wie auch
kleinzellige Lungenkarzinome ein exponentielles Wachstum aufweisen können.
Bei Proband*innen mit anerkannter BK 4103 werden sowohl im Rahmen des Programms „EVA
Lunge“ als auch in der Nachbegutachtung Indikationen zu CT-Untersuchungen des Thorax
gestellt. Diese sind im Früherkennungsprogramm Mesotheliom obligat heranzuziehen.
Doppeluntersuchungen durch die Teilnahme am Früherkennungsprogramm müssen aus strahlenhygienischen
Gründen unbedingt vermieden werden.
Noch festzulegen ist das Vorgehen bei erhöhten Biomarkern und negativem Befund des
CT-Thorax. In dieser Situation muss grundsätzlich ein peritoneales Mesotheliom in
Betracht gezogen werden. Im Rahmen der Früherkennung kann von der AG DRauE aber aufgrund
der deutlich höheren Strahlenexposition ein CT des Abdomens derzeit nicht empfohlen
werden. Zur weiteren Abklärung käme nur ein MRT des Abdomens in Betracht. Dafür gibt
es derzeit aber keine standardisierten Untersuchungsprotokolle. Auch hier ergeben
sich Forschungsfragen.
In der Früherkennung von Mesotheliomen sind folgende radiologische Befunde abklärungsbedürftig:
-
neu aufgetretener asymptomatischer Pleuraerguss sowie
-
eindeutige, neu aufgetretene pleurale Raumforderung.
Proband*innen mit derartigen Befunden sind in ein zertifiziertes Tumorzentrum zur
weiteren Abklärung und leitliniengerechten Therapie zu überweisen. Das diagnostische
Prozedere der Abklärung eines Mesothelioms ist in mehreren Leitlinien mit leichten
Abweichungen beschrieben. Aus radiologischer Sicht erscheint es sinnvoll, auch für
Staging und Therapiemonitoring ein einheitliches Vorgehen im Konsens zwischen den
Tumorzentren zu vereinbaren.
Autorinnen und Autoren:
Dr. med. Kathrin Ludwig
Lungenklinik Lostau
Dr. med. Alexander Eisenkolb
BDT MVT Erlangen
Dr. med. Jan Philipp Hering
Klinikum Ibbenbühren
Dr. med. Beate Rehbock
Conradia Charlottenburg MVZ GmbH, Berlin
Nadine Bayerl
Universitätsklinikum Erlangen
PD Dr. med. Karina Hofmann-Preiß
BDT MVT Erlangen
Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Kraus
Uniklinik, RWTH Aachen