„Zunächst einmal begrüßen wir es sehr, dass die Kostenübernahme für den NIPT durch
die gesetzlichen Versicherungen nicht wahllos erfolgt, sondern an bestimmte Voraussetzungen
sowie eine ausführliche Aufklärung und genetische Beratung geknüpft ist“, sagt Professor
Dr. med. Karl Oliver Kagan, Leiter der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe der DEGUM.
Der Test, den der G-BA im Herbst 2019 als Kassenleistung beschlossen hat, sei für
die Detektion von Trisomien entwickelt worden; die Trisomien 21, 18 und 13 könne der
NIPT sehr zuverlässig erkennen. Eine Aussage über andere Chromosomenstörungen oder
gar über Fehlbildungen, die nicht auf strukturelle Fehler im Erbgut zurückgingen,
erlaube der Test jedoch nicht. „Letztere machen aber die überwiegende Mehrzahl der
kindlichen Fehlbildungen aus“, so Kagan. Als Beispiel nennt er die Spina bifida, auch
offener Rücken genannt, die meist nicht auf eine Chromosomenstörung zurückgeht. Auch
viele andere Fehlbildungen – wie etwa kindliche Herzfehler – könnten nur im Rahmen
einer differenzierten Ultraschalluntersuchung erkannt werden. Diese ist bereits im
Rahmen des Ersttrimesterscreenings möglich.
„Bei Fehlbildungen rücken andere Chromosomenstörungen in den Fokus, die nicht mittels
NIPT erkannt werden können. In diesen Fällen ist weiterhin eine diagnostische Punktion,
wie zum Beispiel eine Fruchtwasseranalyse, notwendig“, betont Kagan. „Daher ist es
aus unserer Sicht notwendig, dem NIPT eine Ultraschalluntersuchung vorzuschalten“,
betont Kagan.
Bereits im vergangenen Jahr hat die DEGUM 10 Empfehlungen formuliert, die Medizinern,
aber auch den Schwangeren selbst als Hilfestellung in Bezug auf den NIPT dienen sollen.
Einzelne Punkte, wie etwa die Forderung nach einem ärztlichen Aufklärungsgespräch
vor und nach der Untersuchung oder der Hinweis darauf, dass ein auffälliger NIPT-Befund
aufgrund eines möglichen Fehlalarms immer das Angebot einer invasiven Abklärung nach
sich ziehen muss, finden sich bereits in dem aktuell vorgelegten Entwurf der Versicherteninformation.
Andere Aussagen sieht Kagan aber noch nicht klar genug dargestellt. „Sie betreffen
hauptsächlich die begrenzte Aussagekraft des Tests“, so der Leiter der Pränatalmedizin
am Universitätsklinikum Tübingen. So sei der NIPT bei Zwillingsschwangerschaften,
nach künstlicher Befruchtung und bei stark übergewichtigen Schwangeren – all dies
sind zunehmend häufige Situationen – mit einer höheren Versagerquote behaftet.
Ein wesentliches Augenmerk gilt auch dem Anteil der zellfreien DNA, der der Schwangerschaft
zugeordnet werden kann: je geringer dieser ist, desto weniger zuverlässig ist das
Testergebnis. „Dieses Qualitätsmerkmal sollte dem Arzt und der Schwangeren nicht vorenthalten
werden“, bekräftigt Kagan.
Neben den Störungen des Erbguts gibt es eine Vielzahl von anderen Komplikationen in
der Schwangerschaft. Allen voran ist hier die Präeklampsie zu nennen, die sowohl die
Schwangere als auch den Fötus gefährden kann. Das Ersttrimesterscreening erlaubt eine
Beurteilung des persönlichen Risikos der Schwangeren, welches bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit
mit ASS gesenkt werden kann. „All diese Vorteile des Ersttrimesterscreenings sollten
nicht aufgegeben werden und müssen der Schwangeren klar aufgezeigt werden.“
Eine ausführliche Fassung der „Zehn goldenen Regeln für die Durchführung eines NIPT-Tests“
ist auch auf der DEGUM-Homepage einsehbar: https://www.degum.de/sektionen/gynaekologie-geburtshilfe/informationen-zum-fach.html.