Liebe Tuberkuloseinteressierte
Liebe Tuberkuloseinteressierte
welche drastischen Folgen die SARS-CoV-2-Pandemie für Tuberkulosepatienten und Patientinnen
weltweit hat, zeigt der nun veröffentliche Welt-Tuberkulose-Report der WHO. Dabei
wurde aber auch gezeigt, wie rasch durch gemeinsame Anstrengungen die Entwicklung
von Impfstoffen möglich ist. Diskutiert wird, ob die mRNA-Technologie vielleicht auf
für die Tuberkuloseimpfstoffentwicklung möglich ist. In vielen Ländern stellt aber
auch die Diagnostik insbesondere der resistenten Tuberkulose eine große Hürde zur
richtigen Therapie dar. In einer neuen Studie wird dazu der neue Xpert MDR/XDR als
neuer Schnelltest vorgestellt.
Weitere Informationen und News zur Tuberkulose wie auch den Link zum Wissens-Podcast
Tuberkulose finden Sie unter www.dzk-tuberkulose.de.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr DZK
Veranstaltungshinweis
Wir möchten Sie bereits jetzt auf die kommende Tagung „Tuberkulose aktuell“ hinweisen,
die am 21. 03. 2022 als Hybridveranstaltung virtuell und im Langenbeck-Virchow-Haus
in Berlin stattfinden wird. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter http://tba.fz-borstel.de/.
Welt-Tuberkulosebericht der WHO für 2020 – Todesfälle durch Tuberkulose erstmals wieder
ansteigend
Welt-Tuberkulosebericht der WHO für 2020 – Todesfälle durch Tuberkulose erstmals wieder
ansteigend
Im Jahr 2020 ist die Mortalität durch Tuberkulose (TB) erstmals seit mehr als einem
Jahrzehnt wieder angestiegen. Gegenüber dem Vorjahr 2019 mit geschätzten 1,4 Millionen
Todesfällen wurden für 2020 1,5 Millionen Todesfälle geschätzt. Diese alarmierende
Entwicklung wird als eine direkte Folge des Einbruches bei der Fallfindung durch die
SARS-CoV-2-Pandemie gesehen. Die geschätzte weltweite Inzidenz lag 2020 mit 9,9 Millionen
Fällen sogar gering unter den für 2019 geschätzten 10 Millionen TB-Fällen. Die Anzahl
der diagnostizierten und registrierten Fälle aber sank um 18 % von 7,1 auf 5,8 Millionen.
Dieser Einbruch bei der Fallfindung war in allen WHO-Regionen und insbesondere in
den Hochprävalenzländern Indien, Indonesien, den Philippinen und China sichtbar.
Der Anteil der multiresistenten (MDR) TB-Fälle blieb im Vergleich zu 2019 unverändert.
Der aktuelle Report zeigt jedoch, dass bei 15 % weniger MDR-Patientinnen und Patienten
eine Behandlung begonnen werden konnte. Die verbesserten Therapieoptionen führten
zu einem leichten Anstieg des durchschnittlichen Therapieerfolgs, der mit 59 % immer
noch deutlich niedriger ausfällt als bei medikamentensensibler TB (86 %). Laut WHO-Schätzungen
verbleiben jedoch ⅔ der Menschen mit MDR-TB ohne Therapie.
Insbesondere durch die pandemiebedingte Verschiebung finanzieller und personeller
Ressourcen mussten in vielen Ländern die Versorgungsangebote reduziert werden. Auch
die Bemühungen, die präventive Therapie in Risikopopulationen zu verstärken, waren
davon betroffen. Restriktionen im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie und die Angst vor
Ansteckung werden als weitere Gründe für die verminderte Nutzung des Angebots an Diagnostik
und Therapie verantwortlich gemacht. Erschwerend kamen die wirtschaftlichen Folgen
der Pandemie hinzu. Zunächst wurde nun im Jahr 2020 ein Anstieg der Gesamt-Mortalität
registriert. Durch den vergrößerten Pool an nicht behandelten und ansteckungsfähigen
Fällen wird jedoch in den nächsten Jahren auch ein Anstieg der registrierten TB-Fallzahlen
erwartet.
Die Meilensteine zum Erreichen des internationalen Ziels einer Eliminierung der TB
bis 2035 konnten in dieser Situation bei Weitem nicht erreicht werden. Die weiteren
Entwicklungen der gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen der EndTB-Strategie werden maßgeblich
vom Verlauf der SARS-CoV-2-Pandemie abhängen. Die Finanzierung für den Zugang zu Prävention,
Diagnostik und Therapie sowie für die Forschung im TB-Bereich blieb 2019 deutlich
hinter den geplanten Investitionen zurück. Eine Stärkung der Ressourcen bei der Bekämpfung
der weltweiten TB-Epidemie ist dringend notwendig, um die besorgniserregenden Entwicklungen
aufzuhalten und katastrophale Folgen für die Betroffenen zu verhindern.
Der Global TB Report wurde dieses Jahr in einer innovativen Internet-basierten Form
herausgegeben (https://www.who.int/teams/global-tuberculosis-programme/tb-reports/global-tuberculosis-report-2021) und ist auch als App erhältlich.
Ist eine mRNA-Impfung gegen Tuberkulose möglich?
Ist eine mRNA-Impfung gegen Tuberkulose möglich?
Im August 2021 teilte die Firma BioNTech mit, sich an der Entwicklung eines Tuberkulose-Impfstoffs
auf mRNA-Basis zu beteiligen. Zunächst aber sollen ein mRNA-Impfstoff gegen Malaria
geprüft und Produktionsmöglichkeiten auf dem afrikanischen Kontinent geschaffen werden.
Das Wirkprinzip der mRNA-Impfstoffe scheint bei Viren sehr gut zu funktionieren, und
es besteht Hoffnung, dass dieses auf einen Impfstoff gegen den parasitären Erreger
der Malaria übertragbar ist. Ob eine mRNA-Impfung gegen Mykobakterium tuberculosis möglich ist, bleibt fraglich. Erste Versuche hierzu wurden bereits 2004 gemacht,
und bei Mäusen konnte eine Antikörper-Antwort induziert werden [1]. Dennoch schienen andere Wege der Immunisierung gegen Tuberkulose erfolgversprechender,
sodass zunächst mRNA-Impfstoffe gegen die lukrativeren Ziele der onkologischen und
allergologischen Forschung entwickelt wurden [2].
Prof. Kaufmann ist international ein Experte für die Immunologie des Tuberkuloseerregers
und maßgeblich an der Entwicklung eines rekombinanten Impfstoffes auf Basis von BCG
beteiligt. Wir haben ihn zu einem möglichen mRNA-Impfstoff gegen Tuberkulose befragt
und er unterstützt die derzeitigen Bemühungen, beurteilt die Erfolgsaussichten aber
zurückhaltend. „Versuchen sollte man es aber auf jeden Fall. Gegen Viren und möglicherweise
gegen Malariaerreger kann eine Immunität über neutralisierende Antikörper wirksam
vermittelt werden“, antwortet Prof. Kaufmann. Aber kann ein RNA-Impfstoff, der etwa
3–5 unterschiedliche Antigene kodiert, auch eine Immunantwort hervorrufen, die breit
genug ist, um insbesondere auch T-Zellen zu stimulieren? „Dass RNA-Impfstoffe auch
T-Zellen stimulieren, steht außer Frage, aber über die unterschiedlichen am Schutz
beteiligten T-Zellen wissen wir noch zu wenig“, antwortet Prof. Kaufmann.
Mehr als 130 Jahre nach den ersten Versuchen, gegen die Tuberkulose zu impfen, ist
der BCG-Impfstoff seit 100 Jahren der einzig Verfügbare, wenn auch nur für eingeschränkte
Personengruppen in Hochinzidenzländern. Es gibt zwar vielversprechende Ansätze, aber
noch keine breit einsetzbare Impfung. Die Zukunft muss zeigen, wie der bestmögliche
Impfstoff gegen Tuberkulose aussieht und auf welchem Weg die beste Immunantwort erreicht
werden kann. Die aktuelle Coronavirus-Pandemie hat gezeigt, dass wirksame Impfstoffe
in einer weltweiten Notlage in kurzer Zeit verfügbar sein können. Die hierzu notwendigen
Investitionen werden nun gebraucht, um einen wirksamen Schutz gegen Tuberkulose zu
finden, den weltweit tödlichsten bakteriellen Infektionserreger.
Erweiterte Resistenztestung im Schnellverfahren
Erweiterte Resistenztestung im Schnellverfahren
In einer in der Zeitschrift Lancet veröffentlichten klinischen Studie wurde der neue
automatisierte Schnelltest Xpert MTB/XDR der Firma Cepheid an direkten Sputum-Proben
evaluiert [3]. In der groß angelegten Untersuchung wurde der neue Test bei 611 Proben von Patientinnen
und Patienten aus Hochprävalenzländern mit der phänotypischen Resistenztestung (MGIT)
und der Gesamtgenom-Sequenzierung verglichen. Bei sehr guter Spezifität (98–100 %)
zeigte der Xpert MTB/XDR eine Sensitivität von 94 % für Isoniazid, 94 % für Fluoroquinolone,
54 % für Ethionamid[*], 73 % für Amikacin, 86 % für Kanamycin und 61 % für Capreomycin. In der Validierung
zeigte der Xpert MTB/XDR eine sehr gute Übereinstimmung mit den bereits verfügbaren
sogenannten Line Probe Tests MTBDRplus und MTBDRsl der Firma GenoType.
Wir sprachen mit PD Dr. Claudia Denkinger, die an der Studie beteiligt war. Sie hat
das Tuberkulose-Programm der Foundation for Innovative New Diagnostics (FIND) geleitet
und ist seit vielen Jahren als Expertin für die WHO tätig. Sie bewertet den Xpert
MTB/XDR als eine wichtige Weiterentwicklung in der Tuberkulose-Diagnostik, da der
neue Test wichtige zusätzliche Informationen zur üblichen Resistenztestung gegen Rifampicin
liefern kann. Frau Denkinger betont: „Gerade mit der zunehmenden Bedeutung der Fluorochinolone
in Therapiekombinationen der ersten und zweiten Wahl ermöglicht der neue Test eine
zeitnahe Umsetzung der Resistenztestung.“ Daher wird er von der WHO empfohlen.
Allerdings werden mit dem Xpert MTB/XDR auch Medikamente wie Aminoglykoside untersucht.
Aus dieser Gruppe sollte nur noch Amikacin in ausgewählten Situationen und unter strenger
Beobachtung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen verwendet werden [4]. Für Kanamycin und Capreomycin gibt es keine Empfehlung mehr [5].