neuroreha 2022; 14(01): 42-47
DOI: 10.1055/a-1729-3259
Patientenperspektiven

Mobilität in der Neurorehabilitation aus der Patientenperspektive

Marion Egger
,
Chiara Höhler
 

Mobilität. Mobil sein. Begriffe mit hoher Relevanz, die wir im Rehabilitationsalltag täglich benutzen. Doch was beinhalten sie genau? Und was bedeuten sie für Patienten?


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Sucht man im Internet nach Definitionen von Mobilität, stößt man auf Folgendes: „Mobilität beschreibt die Bewegung von Menschen und Dingen in Räumen. (…) Mobilität [wird] allgemein als physische, psychische oder soziale Beweglichkeit definiert“ [1]. Im Bereich Gesundheit findet man die Definition „Grad der Beweglichkeit eines Patienten, insbesondere der Gehfähigkeit“ [2]. Mobil sein wird beschrieben als „sich von sich aus bewegen zu können und es zu tun“ [3]. Für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur geht es bei der Mobilität primär um die Frage: „Wann will jemand wohin, mit welchem Verkehrsmittel und zu welchem Zweck?“ [4].

Die Bedeutung der Wiedererreichung der Mobilität nach Schlaganfall wurde bereits in mehreren Studien beleuchtet. Das größte Problem, von dem die Patienten berichten, ist die eingeschränkte Mobilität. Häufig ist die Gangrehabilitation das übergeordnete Ziel [5], [6]. Doch was genau verstehen Patienten unter dem Begriff Mobilität? Inwiefern unterscheiden sich die Ansichten nach Person, Krankheitsursache und funktionellen Möglichkeiten?

Wir haben 8 Patientinnen und Patienten in unserer Klinik für Neurorehabilitation befragt und wollten unter anderem wissen, was Mobilität für sie bedeutet ([ Abb. 1 ]). Die Patienten unterscheiden sich in Alter, Geschlecht, Diagnose und Funktionsniveau ([ Abb. 2 ]). Und genauso unterscheiden sich auch ihre spannenden und emotionalen Antworten in Bezug auf die Mobilität. Lassen Sie sich von dem Perspektivenwechsel überraschen!

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Abb. 1 Wörterwolke zu den Aussagen „Was bedeutet Mobilität?“
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Abb. 2 Steckbriefe zu allen befragten Patienten. Die Namen sind verschlüsselt. Die nachfolgenden Aussagen der Patienten wurden während des Interviews mitgeschrieben und so originalgetreu wie möglich wiedergegeben.

Was bedeutet Mobilität für Sie?

Herr L.: „Mobilität ist Freiheit. Für mich bedeutet es, einfach wieder normal am Leben teilzuhaben, arbeiten zu gehen. Es bedeutet auch, ganz normal duschen zu können und zur Toilette zu gehen. Selbstständig, ohne Hilfe – auch wenn ich dafür Hilfsmittel, wie einen Hocker, benötige. Das Sozialleben leidet tierisch, wenn du nicht laufen kannst. Es müssen immer alle zu einem kommen. Mobilität heißt also für mich auch, am Sozialleben teilzunehmen, essen und feiern gehen zu können.“
Herr R.: „Alles. Ich will aufrechten Ganges hier rauslaufen, ohne Hilfsmittel, ohne Krücken, ohne alles. Das ist der Wunsch.“
Frau P.: „Was ich jetzt schon habe – mein E-Rolli. Wenn ich in der Klinik selbst mit dem Rollstuhl unterwegs bin, habe ich das Gefühl, dass alle auf einen aufpassen, man findet Beachtung und man hat einen Bonus, wenn man mit dem Rolli allein fährt. Zum Beispiel hilft immer gleich jemand im Aufzug und drückt für einen die Taste, wo man hin möchte.“
Herr T.: „Es bedeutet für mich Laufen und Greifen. Selbstständig essen können.“
Herr M.: „Meine Mobilität geht bis zu dem Baum da hinten (zeigt aus dem Fenster). Also etwa 200 Meter hin und 200 Meter zurück. Eine Sitzpause, 2 Stehpausen. Die Beine spielen leider noch nicht mit, und die Lunge ist noch zu schwach. Für mich reicht, was ich jetzt schaffe. Ich könnte so leben. Inzwischen kann ich die Treppe hochsteigen. Ich muss zu Hause 2 Stockwerke rauf, runter komme ich einfacher. Duschen kann ich, ich kann mich selbst waschen … Ich hoffe, dass ich noch Auto fahren kann. Oh Gott, ich hoffe, dass ich Auto fahren kann. Ich muss meine Beine viel trainieren, damit ich Auto fahren kann. Im jetzigen Zustand kann ich nicht fahren. Für meine Arbeit reicht es aktuell auch nicht. Ich bin verliebt in meine Arbeit, das ist das Problem. Ich bin Lagerist, da gibt es keine leichten Arbeiten. Büroarbeit kann ich nicht, ich kann mit meinen 51 Jahren nicht noch umschulen. Außerdem bin ich durch Corona vergesslich geworden. Was ich hier erzähle, könnte ich morgen vergessen haben.“
Herr B.: „Mobilität bedeutet Beweglichkeit – Beweglichkeit im Sinne der Fortbewegung des Menschen von A nach B, was auch das Aufstehen einschließt ([ Abb. 3 ]). Ich finde, es gibt einen Unterschied zwischen selbstständiger und passiver Mobilität. Das Ziel der Reha und auch mein Ziel ist die selbstständige Mobilität – ich möchte mich selbst bewegen.“
Herr D.: „Freiheit! Lebensqualität! Bei dem Begriff Mobilität denke ich an die Möglichkeit, entscheiden zu können, wie ich an einen bestimmten Ort komme – ob beispielsweise zu Fuß oder mit dem Auto. Außerdem verbinde ich mit dem Begriff Mobilität das Arbeiten.“
Frau S.: „Mobilität bedeutet für mich Bewegung – Bewegung meines Armes und das Gehen. Die Mobilität beginnt eigentlich schon beim Aufstehen aus dem Bett. Auch den selbstständigen Gang auf die Toilette zähle ich zu dem Begriff Mobilität.“

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Abb. 3 Veranschaulichte Mobilität am Beispiel von Herrn B.

Wodurch ist Ihre Mobilität aktuell eingeschränkt?

Herr L.: „Nach einem halben bis zu einem Dreivierteltag ist die Kraft in den Beinen reduziert, die Beine sind noch sehr schwach. Dann benötige ich den Rollstuhl. Insgesamt ist durch die fehlende Kraft die Mobilität noch eingeschränkt.“
Herr R.: „Hauptsächlich durch die Lähmung. Anfangs hat es sich angefühlt wie Holzfüße, und ich habe nichts mehr gespürt. Erst konnte ich noch mit dem Gehwagen gehen, dann wurde die Lähmung schlimmer, ging bis zur Mitte des Oberschenkels, dann bis zum Becken. Aber ich habe immer versucht, alles selbst zu machen. Socken anziehen dauert 8 Minuten, und dabei habe ich immer Schweiß auf der Stirn. Aber alles, was ich tue, bringt mir ein Stückchen mehr Beweglichkeit.“
Frau P.: „Es ist noch schwierig. Ich bin noch nicht gesund genug, um selbst aus dem Bett in den Rollstuhl zu kommen. Also bin ich immer auf Hilfe angewiesen.“
Herr T.: „Alles! Ich kann nicht einmal selbstständig trinken, ich muss jedes Mal Pfleger rufen, das ist blöd.“
Herr M.: „Ich werde nicht so sein wie vorher, hat mir auch der Arzt gesagt. Ich fülle gerade einen Bogen aus. 80 % Behinderung steht da drauf. Ich kann nicht gehen – das Gehen, was ich jetzt mache, zählt nicht. Ich kann nicht allein gehen, ich brauche immer eine Begleitung. Auch mit dem Rollator kann ich nicht viel gehen, weil meine Lunge nicht mitspielt. Die Lunge ist geschrumpft, da geht nicht viel Luft rein, die Sättigung geht schnell unter 90 %. Und der Puls steigt auch gleich auf über 120. Dann muss ich Pausen einlegen für 3–4 Minuten. Danach kann ich wieder losgehen, aber wie weit … wie weit … Es liegt an der Lunge und an der Kraft. Aber fürs Treppensteigen reicht die Kraft. Gerade so. Ich kann alles, aber mir fehlt die Kraft.“
Herr B.: „Durch den Schlaganfall ist meine Mobilität aktuell eingeschränkt, da dadurch bei mir die Weiterleitung von Information zwischen Gehirn und Beinen bzw. Armen fehlt. Beim Gehen kann ich eigentlich alle Gelenke bewegen, sie sind jedoch im Bewegungsausmaß noch eingeschränkt. Das Gehen ist bei mir erschwert, zum einen durch Wasseransammlung in meinen Beinen, zum anderen durch die reduzierte Kraft meiner Beinmuskulatur sowie die reduzierte Sensibilität an den Fußsohlen.“
Herr D.: „Zu Beginn habe ich meinen Fuß immer nur mitgeschleift und war somit beim Gehen eingeschränkt. Jetzt funktioniert das aber besser, und ich kann wieder gehen. In Hinblick auf meinen Arm und die Hand ist die Funktion im Alltag eingeschränkt. Mein Ziel ist es, die Bohrmaschine wieder halten zu können.“
Frau S.: „Ich kann meine Fußspitze momentan nicht heben, das erschwert mir das Gehen. Beim Aufrichten im Bett kann ich meine Hand zwar einsetzen und das Bettgitter greifen. Die Kraft ist aber noch stark reduziert.“

Was bedeuten Hilfsmittel wie Rollstuhl und Rollator für Sie?

Herr L.: „Hilfe auf Zeit. Die Hilfsmittel haben mir geholfen. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Hilfsmittel habe oder keine verwenden wollte. Besonders der Rollstuhl hat mir später geholfen, dass ich selbst zu den Therapien fahren konnte. Das ist super. Wenn ich vom Hol- und Bringdienst zu den Therapien gebracht wurde, hat das extrem viel Zeit gekostet, und ich musste oft auch lange warten. Durch das selbstständige Fahren habe ich viel Zeit gewonnen. Hier in der Klinik mit den breiten Türen ist die Verwendung von Hilfsmitteln okay, aber man bleibt leicht irgendwo hängen oder fährt sich fest. Daher ist es sehr wichtig für mich, zu Fuß gehen zu können.“
Herr R.: „Sie sind eine wichtige Station auf dem Weg, wieder selbstständig zu werden. Das erste wichtige Hilfsmittel war der Toilettenstuhl. Später kam der Rollstuhl. Ich habe den Transfer vom Bett auf den Toilettenstuhl und dann ins Bad sehr schnell gelernt, ich wollte möglichst schnell alles selbst machen und wieder allein zur Toilette gehen. Auch der Rollstuhl ist sehr wichtig. Allerdings hat mir im Krankenhaus niemand gezeigt, wie man den Rollstuhl benutzt. Wie man ihn z. B. nah ans Bett heranfährt und welcher Winkel günstig ist, damit man den Transfer leicht bewerkstelligen kann. Auch die Griffe im Bad helfen mir sehr viel.“
Frau P.: „Es sind zwiegespaltene Gefühle. Zum einen ist es eine Hürde, die ich für mich nehmen muss. Denn um überhaupt in den Rolli zu kommen, muss ich meinen inneren Schweinehund überwinden. Ich muss Übungen machen, damit ich stark genug werde, irgendwann selbst in den Rollstuhl zu kommen. Zum anderen: Ich bin in Symbiose mit dem Rollstuhl. Es war auch ein guter Start, dass ich erst einmal einen normalen Rollstuhl bekommen habe. Mit dem konnte ich mich gut auseinandersetzen. Man schätzt den Rollstuhl erst nach längerer Zeit, ich konnte ihn lange nicht als Freund betrachten. Die Hilfsmittel sind auch wichtig, damit man aktiv bleibt, man ist dann auch gezwungen, rauszugehen, damit man unter Leute kommt. Ich sehe den Rolli also als Freund, er ist unerlässlich, aber ich habe auch Respekt vor ihm. Für später weiß ich allerdings noch nicht, wie das Einkaufen mit dem Rolli klappen soll. Ich wüsste gar nicht, wohin mit den Einkäufen. Aber hier fürs Krankenhaus ist er optimal.“
Herr M.: „Den Rollator brauche ich, weil ich noch wackelig auf den Beinen bin. Viel Kraft habe ich noch nicht. Noch! Ohne Rollator geht der Puls zu schnell hoch, und die Sättigung sinkt zu schnell ab. Mit dem Rollator fühle ich mich sicherer. Ist also schon gut. Der Rollstuhl war bequemer, aber Fahren war schlechter. Der Rollstuhl fährt nicht so gut, oder ich habe nicht genug Kraft. Der Rollstuhl ist sicherer. Aber jetzt brauche ich ihn nicht mehr, und ich möchte ihn auch nicht mehr nutzen. Ohne meine Beinschienen kann ich nicht gehen. Die Schienen brauche ich, wahrscheinlich auch wenn ich entlassen werde. Wie lange, weiß man nicht. Die sind auch sehr gut; schwer zum Anziehen, aber das ist okay.“
Herr B.: „Im klinischen Alltag bewege ich mich im Rollstuhl fort. In Kombination mit dem Rollstuhl verwende ich die Handläufe an den Wänden: Ich ziehe mich mit der Hand entlang und kann dadurch beschleunigen und mich schneller fortbewegen. Ansonsten kann ich mich aber auch mit den Beinen abstoßen und komme dadurch vorwärts ([ Abb. 3 ]). Beim Üben des Gehens verwende ich entweder einen Stock oder die Hand des Therapeuten als Stütze.“
Herr D.: „Von Hilfsmitteln halte ich nichts. Gleich zu Beginn habe ich mir den Daumen beim Anschieben des Rollstuhls eingeklemmt. Aus Angst, das könne wieder passieren, möchte ich keinen Rollstuhl verwenden. Krücken als Hilfsmittel verwende ich auch nicht. Diese empfinde ich als unangenehm. Als einziges Hilfsmittel habe ich also den Handlauf verwendet, vor allem am Anfang, als das Gehen noch nicht so gut funktioniert hat. Jetzt brauche ich den Handlauf nur noch beim Treppensteigen.“
Frau S.: „Der Rollstuhl bedeutet für mich Fortbewegung. Zuerst hatte ich Schwierigkeiten, ihn zu bedienen, jetzt ist es mir aber durch den Rollstuhl möglich, mich in der Klinik fortzubewegen. Außerdem verwende ich einen Schuhanzieher. Das Anziehen der Schuhe zählt gewissermaßen auch zur Mobilität. Durch beide Hilfsmittel finde ich ein Stück zur Selbstständigkeit zurück.“

Wie empfanden Sie die ersten Schritte?

Herr L.: „Am Anfang waren es 1,5 m mit dem Unterarmgehwagen am Bett. Es war ein sehr schönes Gefühl, wieder aufzustehen und auf den eigenen Beinen zu stehen. Dann folgten eine Runde ums Bett, dann 3 Mal ums Bett, dann kurz auf den Gang raus. Das Wichtigste dafür war die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine. Sehr wichtig für mich war auch der Roboter VEMO. Der hat mir richtig viel gebracht. Es war wichtig, einfach wieder mehr auf den Beinen zu stehen.“ (Anmerkung: Mithilfe des neuen Roboters VEMO von Reactive Robotics, München, können Intensivpatienten direkt im Patientenbett vertikalisiert und gleichzeitig können deren Beine bewegt werden.)
Herr R.: „Ich habe hier (im Krankenhaus und in der Reha) täglich Aha-Erlebnisse. Das erste war, als ich plötzlich wieder die Zehen bewegen konnte. Das ging etwa 10 Tage nicht, und das war dann wirklich das Highlight des Tages. Es sind 1000 minimale Erfolge, aber jedes Mal freut man sich. Wenn man z. B. den Finger bewegen kann oder sich den Fuß anhaut und die Schmerzen spüren kann. Ich kam mir vor wie ein Baby. Ich konnte gar nichts mehr, musste alles wieder lernen – jede Bewegung. Und man muss sich entscheiden, lässt man sich passiv gesund machen oder hilft man mit, damit es möglichst schnell geht. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich mit meiner Frau zusammen auf dem Balkon war. Ich saß im Rollstuhl und dachte: Jetzt die Nase übers Geländer halten und runter in den Innenhof schauen. Mit viel Mühe habe ich mich also am Geländer hochgezogen und konnte mit meiner Frau zusammen übers Geländer schauen. Das war ein großer Erfolg!“
Frau P.: „Stehen und Gehen wäre das Größte. Ich habe seit Monaten nicht mehr geduscht. (Anmerkung: Pat. hat eine Kopfwunde mit Liquorleckage, daher ist Duschen nicht erlaubt.) Ein paar Schritte gehen zu können, wäre der Traum, zumindest in den Räumen, damit man sich selbst waschen kann und selbst zur Toilette gehen kann. Letztens in der Therapie konnte ich mithilfe des Therapeuten am Balkongeländer stehen. Das war ein Stück Freiheit!“
Herr M.: „Katastrophal! Das war noch in München. Oh Gott, oh Gott, oh Gott … das erste Stehen hat nur 3 Sekunden gedauert. Dann waren die Beine zu schwach, und ich bin wieder zurückgefallen. Aber ich habe mich gefreut, das erste Stehen nach fast 2 Monaten im Koma. Die erste Zeit war ich dann sowieso komplett gelähmt, ich konnte nicht einmal eine Fernbedienung verwenden. Mit Sitzen an der Bettkante habe ich angefangen, dann kamen irgendwann das Aufstehen und das Gehen. Die ersten Schritte haben mir gut gefallen. Die habe ich ohne Therapeut gemacht, nur mit meiner Frau. Beim ersten Mal waren es 3 Schritte, am nächsten Tag 10 Schritte. Dann hat es sich immer gesteigert, bei mir ging immer alles schnell, schnell, schnell. Aktuell klappt es schon besser, aber ich brauche noch Aufsicht, ich bin noch wackelig auf den Beinen. Besonders links, die Hüfte spielt nicht mit. Ich gehe wie ein Pinguin, wie die großen Königspinguine. Ich sehe sehr süß aus, wenn ich gehe.“

Haben die Arme eine Bedeutung für die Mobilität?

Frau P. (überlegt kurz): „Schon, doch. Aber ich habe ja gerade sowieso nur einen Arm zur Verfügung. (Anmerkung: Pat. hat eine schwere Armparese.) Für die Steuerung des Rollstuhls reicht mir derzeit der rechte Arm.“
Herr T.: „Absolut. Ich würde gerne wieder selbstständig essen und trinken können.“
Herr M.: „Die Arme sind noch sehr schwach. Ich kann gerade einmal seit 3 Tagen eine Flasche aufmachen. Das ist ein Fortschritt. Ich musste bisher immer auf die Krankenschwester warten, dafür wollte ich nicht klingeln. Mit rechts geht es allerdings immer noch nicht, obwohl ich Rechtshänder bin. Es ist insgesamt ein sehr tolles Gefühl, sich selbst zu bedienen. Niemandem sagen zu müssen, was man braucht. Ein sehr schönes Gefühl.“
Herr B.: „Ja, Mobilität kann man auch als Beweglichkeit im Allgemeinen verstehen, wozu auch die Beweglichkeit der oberen Extremität zählt.“
Herr D.: „Ja, im Sinne von Bewegungsfreiheit kann man Mobilität auch auf die obere Extremität beziehen. Die Bohrmaschine halten zu können, wäre sehr wichtig für mich.“
Frau S.: „Definitiv. Durch den Einsatz der Arme kann ich mich im Bett bewegen, die Schuhe anziehen und den Rollstuhl bedienen. Vor allem jetzt, da ich im Gehen eingeschränkt bin, steigt die Bedeutung des Armeinsatzes während der einzelnen Schritte der Fortbewegung.“

Schlussbetrachtung

Die Mobilität ist bei Patienten in der neurologischen Rehabilitation durch verschiedene Erkrankungen wie Schlaganfall, Guillain-Barré-Syndrom oder Critical-Illness-Polyneuropathie reduziert. Diese Einschränkungen zeigen sich durch Symptome wie Lähmungen, Sensibilitätsstörungen und Einschränkungen in Ausdauer und Balancefähigkeit. Aus den Patienteninterviews wurde ersichtlich, dass die Mobilität sehr individuell ist und je nach Patient und Einschränkung unterschiedlich definiert wird. Für den Großteil der Patienten war jedoch die Mobilität im Sinne der Fortbewegung und Selbstständigkeit am bedeutsamsten. Dies zeigte sich auch daran, dass die ersten Steh- und Gehversuche von vielen emotionalen Erinnerungen geprägt waren. Die Aussagen der Patientinnen und Patienten deuten zudem darauf hin, dass bei der Fortbewegung auch die Entscheidungsfreiheit, wann und auf welche Art und Weise man sich von einem Ort zum anderen bewegt, eine Rolle spielt. Deutlich wurde des Weiteren, dass Patienten mit niedrigem funktionellen Status die Mobilität auch auf die obere Extremität beziehen. Besonders für die Verwendung von Hilfsmitteln ist die Beweglichkeit der oberen Extremität von Bedeutung. Hilfsmittel werden nach einer gewissen Gewöhnungsphase größtenteils als eine positive Unterstützung wahrgenommen. Alltägliche Bedürfnisse wie der Gang zur Toilette, das selbstständige Waschen und das Essen haben einen hohen Stellenwert, und deren selbstständige Durchführung ist ein großes Ziel im Kontext der Mobilität für Patienten in der neurologischen Rehabilitation.

Auf Basis der Patienteninterviews kann zusammengefasst werden, dass die Ziele zur Wiedererreichung der Mobilität je nach funktionellem Status variieren. Entsprechend unterscheiden sich auch die Zielsetzungen in der Rehabilitation. Da es für die Erfolgswahrscheinlichkeit der Rehabilitation relevant ist, auf die Bedürfnisse und Meinungen der Patienten einzugehen, sollte man der gemeinsamen Zieldefinition mit den Patienten im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung einen hohen Stellenwert zuweisen [7].


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Marion Egger

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Studierte Physiotherapie (BSc) an der Hochschule Rosenheim und Public Health (MSc) an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie arbeitet seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Schön Klinik Bad Aibling und promoviert aktuell im Rahmen des PhD-Programms „Medical Research in Epidemiology & Public Health“ der LMU.

Chiara Höhler

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Ist seit Abschluss ihres Masterstudiums der Gesundheitswissenschaften an der Technischen Universität München als PhD-Studentin in der Wissenschaftsabteilung der Schön Klinik Bad Aibling tätig. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf der räumlichen Wahrnehmung sowie auf der Therapie der oberen Extremität nach einem Schlaganfall.


Korrespondenzadresse

Marion Egger, MSc
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Schön Klinik Bad Aibling SE & Co. KG
Kolbermoorer Str. 72
83043 Bad Aibling
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
14. März 2022

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Abb. 1 Wörterwolke zu den Aussagen „Was bedeutet Mobilität?“
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Abb. 2 Steckbriefe zu allen befragten Patienten. Die Namen sind verschlüsselt. Die nachfolgenden Aussagen der Patienten wurden während des Interviews mitgeschrieben und so originalgetreu wie möglich wiedergegeben.
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Abb. 3 Veranschaulichte Mobilität am Beispiel von Herrn B.