MSK – Muskuloskelettale Physiotherapie 2022; 26(02): 61
DOI: 10.1055/a-1731-6917
Editorial

Training: mehr als Bewegen!

Sebastian Klien
 

    Training ist mittlerweile ein wichtiger und anerkannter Bestandteil der Physiotherapie. Sowohl innerhalb unserer Berufsgruppe als auch interdisziplinär werden jedoch unter diesem Begriff unterschiedliche Inhalte erwartet. Wenn wir z. B. die Rückmeldung von Ärztinnen und Ärzten erhalten, dass Training postoperativ „noch zu früh“ sei, so erfahren wir auf Nachfrage, dass mit dem Begriff „Training“ hohe Belastungen assoziiert werden. Meistens wird eine Vorgehensweise erwartet, die durch die Sportwissenschaft geprägt ist und zum Ziel hat, mit einer bestimmten Intensität in einer bestimmten Satz- und Wiederholungszahl in einem bestimmten Zeitraum eine Ermüdung zu generieren. Und selbst innerhalb dieses Paradigmas wird häufig nicht zwischen einzelnen Belastungsintensitäten differenziert, sondern die Notwendigkeit eines überschwelligen Reizes oft als Grundvoraussetzung angenommen.

    Es gibt zahlreiche weitere Trainingsparadigmen, mit denen wir verschiedene Dimensionen und differenzierte Ziele betonen können, z. B. das Paradigma der medizinischen Trainingstherapie, das kognitiv-behavioristische Paradigma, das Paradigma von „Graded Exposure“, das Paradigma der spezifischen Stabilisation oder unterschiedliche Rehabilitationsideologien wie MedEX oder David Back Clinic und viele mehr.

    Grundsätzlich können wir das Training auf einzelne Aspekte fokussieren. Generelles Ziel ist immer der positive Nebeneffekt der neurophysiologischen und neurochemischen Beeinflussung des Körpers und damit der positive Einfluss nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die mentale Situation. Aus der Metaebene betrachtet haben alle Trainingsphilosophien einen gemeinsamen Nenner und damit einen Punkt gemeinsam: Die Methode ist die Bewegung! Und generell sollten wir festhalten:

    Es gibt keine schlechte Bewegung oder Übung, es gibt nur eine schlechte Dosierung!

    Wenn wir Bewegung mit einem Medikament vergleichen, so bedeutet dies : Es gibt keine Kontraindikation für das Medikament „Training“, es kommt immer nur auf die richtige Dosierung an.

    Was unterscheidet aber Training von einem einfachen unspezifischen Bewegen im Alltag? Erzählen Patient*innen in der Anamnese doch öfters, dass sie sich genügend bewegen und damit ausreichend trainieren würden. Sie schätzen also ihre regelmäßigen Einkaufs- oder Spaziergänge als ausreichend ein. Wie wenig oder wieviel und wie strukturiert oder unstrukturiert muss Bewegung denn sein, damit Bewegung zu Training wird?

    Um Licht ins Dunkle zu bringen, haben wir 4 Teams für diese Ausgabe eingeladen, die Aspekte des Trainings aus ihrer Sicht zu beschreiben. Dr. Christiane Wilke und Kolleg*innen führen in das Thema ein und schildern die Notwendigkeit, Training in einem aktuellen biopsychosozialen Verständnis von Gesundheit und Krankheit zu betrachten, und welche Herausforderungen dies mit sich bringt. Vertieft wird das Thema Training diesmal sogar in 2 Artikeln. Im ersten der Vertiefungsartikel stellen Dr. Katharina Eckert und Team die Dimensionen der Bewegungstherapie und das Modell der „Bewegungsbezogenen Gesundheitskompetenz“ vor. Im zweiten Artikel tauchen Dr. Lars Donath und Dr. Oliver Faude tief in die primären und sekundären Trainingsprinzipien ein. Zum Schluss wird es praktisch. Dr. Marco Herbsleb und Kollegen beschreiben Prinzipien zur Prävention von Funktionsstörungen und stellen dazu per Bild und Video geeignete Übungen vor.

    Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre, viel Anregung für das Training und immer die richtige Dosierung!

    Ihr Sebastian Klien


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    Sebastian Klien

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    Sebastian Klien

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    Artikel online veröffentlicht:
    18. Mai 2022

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