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Plazenta - Ultraschall - Schwangerschaft - Geburtseinleitung
Einleitung
Mehr als ein Drittel aller Schwangeren werden in Deutschland nach ihrem errechneten
Geburtstermin entbunden [1]. Entscheidend für die adäquate Versorgung des
Fetus am Termin ist die plazentare Reserve. Neben dem intrauterinen Fruchttod
(IUFT) ist eine plazentare Dysfunktion (PD) häufig ursächlich für eine intrapartale
fetale Hypoxie, die mit
schwerwiegenden Komplikationen wie Asphyxie und hypoxischer Enzephalopathie vergesellschaftet
ist [2]. Die uterine Kontraktion und damit Kompression der
Uteringefäße während des Geburtsvorgangs reduziert physiologischerweise die uteroplazentare
Perfusion um bis zu 60% [3]. Die antenatale Plazentafunktion ist
deshalb entscheidend, wenn es um die adäquate Reaktion des Fetus in dieser natürlichen
Stresssituation geht. Oder anders ausgedrückt: Die PD erhöht das Risiko der neonatalen
(5-min-Apgar
< 7, niedriger Nabelschnurarterien-pH-Wert) und mütterlichen (operative Entbindung
bedingt durch fetalen Disstress in Form eines pathologischen CTG bzw. einer pathologischen
Fetalblutanalyse) Morbidität.
Bei einigen Schwangerschaften am Termin kommt es als Folge von unvorhersehbaren akuten
Ereignissen wie Uterusruptur, Nabelschnurvorfall oder vorzeitiger Plazentalösung zur
intrapartalen
Hypoxie. Die meisten Fälle treten jedoch aufgrund einer allmählichen Abnahme der
Fähigkeit des Fetus auf, den Geburtsprozess zu tolerieren [4]. Bis zu 60% der
Feten, die unter Wehen ein Sauerstoffdefizit entwickeln, hatten zuvor keine offensichtlichen
pränatalen Risikofaktoren [5]. Es ist wahrscheinlich, dass bei
diesen Schwangerschaften vor dem Einsetzen der Uteruskontraktionen eine subklinische
PD vorliegt, wenngleich der zugrunde liegende Prozess noch nicht vollständig verstanden
ist [4].
Angesichts des technischen Fortschritts im Bereich der fetalen Überwachung sind die
bislang routinemäßig eingesetzten Untersuchungstechniken und „klassischen“ Marker
der PD wie die
Fruchtwassermenge, das fetale Schätzgewicht (SG) und das fetale Herzfrequenzmuster
(FHF) am Termin womöglich unzureichend, wenn es um die adäquate Beurteilung der Plazentafunktion
geht. Zwar
sind Oligohydramnion (single deepest pocket < 2 cm [6]), niedriges Schätzgewicht (SG) bzw. Abdomenumfang (AU) im Bereich der 3. – 10. (SGA:
small for
gestational age [7]) bzw. < 3. Perzentile (P.) (FGR: fetal growth restriction [7]) sowie pathologische Veränderungen des
fetalen Herzfrequenzmusters (nach FIGO [8], [9]) wegweisend für die Diagnosestellung einer PD, jedoch birgt die alleinige
Konzentration auf diese Parameter das Risiko der Nichterkennung einer „inapparenten“
PD mit möglicher Auswirkung auf das perinatale Outcome. Hinzu kommen theoretische
Limitierungen in der
pathophysiologischen Klimax der PD (Oligohydramnion – aufgrund der fetalen renalen
Minderdurchblutung – als typischerweise spätes Zeichen der PD) [10], [11], technische Limitierungen aufgrund der eingeschränkten Reproduzierbarkeit und prognostischen
Vorhersagekraft der Kardiotokografie (CTG) [8], [12], [13], [14] sowie – bezogen auf das SG – eine
Cut-off-unabhängige Neuinterpretation der FGR-Situation (d. h. eine FGR und damit
PD kann auch bei einem SG > 10. P. vorliegen) [7] und „idealen“
Geburtsgewichtsperzentile [15].
Ziel dieser Arbeit ist es, eine aktuelle narrative Literaturübersicht im Kontext der
PD-Detektion am Termin mittels komplementärer Marker zu geben. Zu diesen potenziellen
PD-Markern zählen
Parameter der fetomaternalen Doppler-Sonografie, (anti-)angiogene Faktoren im
Serum der Mutter sowie Parameter der kardialen Funktion des Fetus. Die Parameter sollen
vor dem Hintergrund ihres
diagnostisch-prädiktiven Mehrwerts, insbesondere wenn es um den idealen Zeitpunkt
der Geburtseinleitung im Niedrig-Risiko-Kollektiv geht, beleuchtet werden. Dabei gilt
es, das Potenzial
herauszuarbeiten in Bezug auf eine verbesserte Selektion des Kollektivs an Schwangeren
am Termin, bei denen eine elektive Geburtseinleitung womöglich zur Reduktion der perinatalen
Morbidität
und Mortalität führen könnte.
Idealer Zeitpunkt der Geburtseinleitung?
Idealer Zeitpunkt der Geburtseinleitung?
Die Ergebnisse einer großen randomisiert-kontrollierten Studie zur Frage des klinischen
Nutzen einer Geburtseinleitung am Entbindungstermin (ARRIVE-Studie: A Randomized Trial
of Induction
Versus Expectant Management) deuten darauf hin, dass bei Erstgebärenden ohne bedeutsame
Risikofaktoren durch die elektive Geburtseinleitung ab 39 + 0 SSW die Sectiorate gesenkt
werden kann
ohne Negativbeeinflussung des perinatalen Outcomes [16]. Hinzu kommt, dass die elektive Geburtseinleitung ab 39 + 0 keinen Einfluss auf
die Schulleistung im
Alter von 8 Lebensjahren zu haben scheint, wie eine aktuelle Studie mit großer
Fallzahl (n = 53 843) belegen konnte [17]. In der Phase der Terminüberschreitung
konnte kürzlich eine erhöhte IUFT-Rate bei Prolongation über 41 + 0 SSW hinaus
beobachtet werden (SWEPIS-Studie: SWEdish Post-term Induction Study), wenngleich methodische
Schwächen –
insbesondere, was die Heterogenität des Studienkollektivs betrifft – berücksichtigt
werden müssen [18]. Zudem konnte eine im selben Jahr veröffentlichte
Non-Inferiority-Studie die Ergebnisse hinsichtlich des Vorteils der Einleitung
in 41 + 0 SSW bezogen auf die perinatale Mortalität nicht stützen (INDEX-Studie: Induction
of labour at 41 weeks
versus expectant management until 42 weeks) [19]. Zwar lässt sich aus den Ergebnissen nicht unmittelbar der Schluss ziehen, dass
generell die
Terminüberschreitung vermieden und auf Basis der ARRIVE-Studie eine Geburtseinleitung
ab 39 + 0 SSW favorisiert werden sollte. Allerdings wirft es die Frage auf, inwieweit
es sich bei dem in
den nationalen Leitlinien empfohlenen „Angebot“ der Geburtseinleitung in 41 + 0 SSW
an die Schwangere [20] auf Basis dieser Daten nicht nur um ein Angebot,
sondern um eine medizinische Empfehlung handeln sollte. Hinzu kommt, dass eine
aktuelle Cochrane-Analyse zur Frage der Geburtseinleitung ab 37 + 0 SSW im Low-Risk-Kollektiv
(insgesamt n = 34
randomisiert-kontrollierte Studien mit > 21 000 Schwangeren) zu dem Ergebnis kommt,
dass eine signifikante Verringerung der perinatalen Mortalität (0,4 gegenüber 3 Todesfällen
pro 1000)
durch eine Geburtseinleitung ab 37 + 0 SSW im Vergleich zum exspektativen Vorgehen
erreicht werden kann. Zudem zeigten sich im eingeleiteten Kollektiv eine niedrigere
Kaiserschnittrate ohne
steigende Raten an vaginal-operativen Entbindungen sowie weniger Verlegungen auf
die neonatale Intensivstation (NICU) [21]. Demgegenüber steht eine aktuelle
epidemiologische Studie von 39 199 lebendgeborenen Kindern (Einlingsschwangerschaften)
zwischen 37 + 0 – 41 + 0 SSW, bei denen – stratifiziert nach SSW bei Entbindung –
die neurokognitive
Entwicklung im Alter von 8 Monaten, 4 und 7 Jahren untersucht wurde. Hier zeigte
sich mit fortschreitender SSW eine signifikante Verbesserung in den neurokognitiven
Entwicklungs-Scores bis zur
41 + 0 SSW [22].
Definition „am Termin“
Eine zeitliche Unterteilung von engl. „term“ bzw. „am Termin“ in Early (37 + 0 – 38 + 6 SSW),
Full (39 + 0 – 40 + 6 SSW) und Late Term (41 + 0 – 41 + 6 SSW), wie sie von Spong
und Kollegen
vorgeschlagen wird, erscheint essenziell, da insbesondere die perinatale Mortalität
in diesen Zeitabschnitten variiert [23]. Zwei bedeutsame epidemiologische
Studien, welche die perinatale Mortalität (prä-, intra- und postpartal) am Termin
untersuchten, sind hier zu nennen: Smith et al. konnte an einem Kollektiv von 700 878
Einlingsschwangerschaften zwischen 37 + 0 und 43 + 0 SSW das niedrigste statistische
Risiko für einen perinatalen Tod in 38 + 0 SSW (1,8/1000) mit kontinuierlichen Anstieg
bis 41 + 0
(3,8/1000) beobachten. Danach stieg das Mortalitätsrisiko für den Fetus deutlich
auf 5,4/1000 (42 + 0) und 9,3/1000 (43 + 0) an [24]. In Abgrenzung dazu stieg
in einer aktuellen Metaanalyse von Muglu et al. (n = 15 000 000 Schwangerschaften)
das Risiko erst jenseits der 41 + 0 SSW (3,18/1000) signifikant an, wohingegen es
zwischen 37 + 0 (0,11/1000)
und 41 + 0 SSW konstant blieb [25].
[Abb. 1] zeigt schematisch und vereinfacht dargestellt das Term-abhängige Morbiditäts- und
Mortalitätsrisiko (early, full und late) in Form einer Ampel. Mit
Blick auf die perinatologischen „Klassiker“ der PD wie die Late-Onset SGA/FGR-Situation
bzw. Präeklampsie (PE)/hypertensive Schwangerschaftserkrankung und den insulinpflichtigen
(Gestations-)diabetes scheinen die Gestationsaltergrenzen, ab welchen eine Entbindung
anzustreben ist, evident (Late-Onset FGR: 37 + 0 SSW, Late-Onset SGA: 38 + 0 – 40 + 0 SSW,
Late-Onset PE:
37 + 0 SSW, iGDM: 40 + 0 SSW) [20]. Die – bezogen auf perinatale Morbidität und Mortalität – sensible Phase des Late-Term
(„rote Ampel“) wird in den
Hoch-Risiko-Kollektiven naturgemäß nicht erreicht bzw. Gestationsaltergrenzen
werden nicht überschritten.
Abb. 1 Schematische Darstellung des Term-abhängigen Morbiditäts- und Mortalitätsrisikos
(Early, Full und Late Term). Ein potenzielles „Term-Screening“ (fetomaternale Doppler,
fetale kardiale Funktion, antiangiogene Faktoren) könnte dabei helfen, das APO-Risiko
von Low-Risk-Schwangeren besser einschätzen zu können und eine rechtzeitige Geburtseinleitung
zu
veranlassen.
Doch was ist mit den „Niedrig“-Risiko-Schwangeren, bei denen womöglich eine SG, CTG
und FW-Mengen unabhängige PD vorliegt? Während im Early-Term-Bereich ein exspektatives
Vorgehen nach
aktuellem Kenntnisstand gewählt werden sollte, erlaubt die Full-Term-Phase spätestens
seit der ARRIVE-Studie mehr Handlungsspielraum mit den Möglichkeiten der Geburtseinleitung
vs. einem
exspektativem Vorgehen. Um das perinatale Risiko besagter Low-Risk-Schwangerschaften
besser einschätzen zu können und um eine Terminüberschreitung auf Basis verlässlicher,
prädiktiver Marker
für ein PD-assoziiertes adverses perinatales Outcome (APO) zu vermeiden, wäre
ein „Term-Screening“ ideal, welches es ermöglicht, Fälle mit inapparenter PD zu selektieren
und eine
Geburtseinleitung am Full-Term bzw. ab 39 + 0 SSW zu veranlassen. Auf die Rolle
und Evidenz der fetomaternalen Doppler-Sonografie, fetaler kardialer Funktionsindizes
und (anti-)angiogener
plazentarer Faktoren (sFlt-1, PlGF) als mögliche „Screening-Instrumente“ der Zukunft
soll im Folgenden eingegangen werden.
Fetomaternale Doppler-Sonografie
Fetomaternale Doppler-Sonografie
Untersuchungen zur Rolle der uterinen Doppler-Sonografie im 3. Trimenon im Low-Risk-Kollektiv
(appropriate for gestational age – AGA: SG ≥ 10. P.) zeigen eine klare Assoziation
aus
uteroplazentarer Dysfunktion im Sinne der uterinen Widerstandserhöhung (mittlerer
uteriner Pulsatilitätsindex: mUtA-PI > 95. P.) und zerebraler Blutflussumverteilung
beim Fetus i. S. des
Brain Sparing [26]. Hinzu kommt, dass ein erhöhter mUtA-PI unabhängig vom SG mit einer erhöhten perinatalen
Mortalität assoziiert zu sein scheint und damit
neben dem SG und der zerebroplazentaren Ratio (CPR: PI der mittleren Zerebralarterie
[ACM]/PI der Umbilikalarterie [UA]) ([Abb. 2]) eine nicht von der Hand zu
weisende Rolle in der perinatalen Mortalitätsprädiktion spielt [27].
Abb. 2 Übersicht über fetomaternale Doppler-Indices, deren Quotienten (CPR, UCR, CPUR) und
pathophysiologische Bedeutung im Falle der Auffälligkeit. CPR: zerebroplazentare Ratio,
UCR: umbilikozerebrale Ratio, CPUR: zerebroplazentar-uterine Ratio, UA: Umbilikalarterie,
ACM: A. cerebri media, UtA: Uterinarterie
In retro- und prospektiven Studien mit großen Fallzahlen wurde ein Zusammenhang zwischen
niedriger CPR und einem APO – unabhängig vom SG – beschrieben [28] – [35]. Systematische Metaanalysen bestätigen den Zusammenhang zwischen niedriger CPR und
APO im Low-Risk-Kollektiv, wenngleich die prädiktive
Power der CPR gering ausfiel mit einer insgesamt niedrigen APO-Vorhersagerate
[36], [37]. Zudem scheint der ideale
CPR-Schwellenwert in Richtung Pathologie unklar (< 5. P., < 10. P., < 20. P.,
Multiple of the Median [MoM], < 1,1) und die Resultate bisheriger Studien sind als
abhängig vom
Zeitpunkt der CPR-Messung und Studienpopulation zu sehen [36], [38]. Ortiz et al. konnten hier kürzlich an einem Kollektiv von
n = 2052 Patientinnen zeigen, dass im Falle der Terminüberschreitung erst ab 41 + 0
eine signifikante Risikoerhöhung für eine notfallmäßige operative Entbindung bei einer
CPR < 10. P. im
AGA-Kollektiv zu verzeichnen war (39% vs. 20%; p = 0,001) [39]. Auf die vielfach diskutierte Verwendung der inversen CPR (umbilikozerebrale Ratio:
UCR = UA-PI/ACM-PI) ([Abb. 2]) anstelle der CPR soll hier im Detail nicht eingegangen werden. Die Umkehrung der
CPR hat nachweislich einen signifikanten
Einfluss auf die Verteilung und Interpretation der resultierenden UCR-Variablen
[40]. Zwar erscheint die Verwendung der UCR anstelle von der CPR angesichts der
umfangreich vorhandenen Literatur zur CPR teilweise schwierig. Dennoch haben die
Daten der TRUFFLE2-Feasibility-Studie im Late-Onset FGR-Kollektiv gezeigt, dass die
UCR signifikant mit einem
APO korreliert und rein mathematisch betrachtet ihre Verwendung (anstelle der
CPR) aufgrund der Tatsache gerechtfertigt ist, als dass pathologische UCR-Werte ins
Unendliche reichen, während
die CPR-Pathologie sich asymptotisch der 0 annähert [41].
Aus der Überlegung heraus, die mütterliche Seite der Plazenta in die Doppler-Sonografie-basierende
APO-Risikoabschätzung und fetale Zustandsbeschreibung zu integrieren, gehen erste
Studien
hervor, welche die Rolle der zerebroplazentar-uterinen Ratio (CPUR = CPR/mUtA-PI)
([Abb. 2]) im High- und Low-Risk-Kollektiv beleuchten [42], [43], [44]. Macdonald et al. konnten erstmalig an einem Kollektiv von n = 347 Patientinnen
zeigen, dass die CPUR die stärkste Assoziation mit Indikatoren für eine späte,
milde Plazentainsuffizienz aufwies und im Vergleich zur CPR und/oder mUtA-PI allein
mehr Fälle von FGR (BW
< 3. P.) prädizierte [42]. Auch im Niedrig-Risiko-Kollektiv (n = 804) am Termin zeigte sich in einer multizentrischen
prospektiven Studie eine 6-fach höhere
Rate an notfallmäßigen operativen Entbindungen aufgrund von fetalem Disstress
sub partu sowie eine höhere APO-Rate bei Fällen mit einer CPUR < 10. P., wenngleich
die prädiktive Power der
CPUR nur moderat ausfiel [43]. Morales-Rosello et al. hingegen konnte keinen prädiktiven Mehrwert der CPUR im
Vergleich zur CPR im Low-Risk-Kollektiv zwischen
34 + 0 – 41 + 0 SSW (n = 891) bezogen auf die APO-Prädiktion feststellen [44].
Die vorliegenden Ergebnisse zur fetomaternalen Doppler-Sonografie im Low-Risk-Kollektiv
(AGA-Feten) werfen die Frage auf, ob aufgrund der Assoziation mit einem APO insbesondere
in der
Terminüberschreitung eine klinische Konsequenz aus auffälligen Doppler-Indices
abgeleitet werden kann bzw. sollte (selbst bei unauffälliger FW-Menge und unauffälligem
CTG). Vor dem Hintergrund
aktueller Daten zum Mehrwert der Geburtseinleitung im Low-Risk-Kollektiv in Terminnähe
bzw. in der Terminüberschreitung [16], [17], [18] ist bei Auffälligkeit von etablierten fetomaternalen Doppler-Indices zu überdenken,
inwieweit es sich bei dem in der S3-Leitlinie empfohlenen
Angebot der Geburtseinleitung in 41 + 0 [20] nicht um ein Angebot, sondern um eine Empfehlung handeln sollte. Zumindest verlangt
es nach Einschätzung der
Autoren – sofern die fetomaternale Doppler-Sonografie regelhaft angewandt wird
in der fetalen Überwachung im Low-Risk-Kollektiv – eine adäquate Aufklärung der Patientin
und partizipative
Entscheidungsfindung, wenn es um die Frage des Zeitpunkts der Geburtseinleitung
in der Terminüberschreitung geht.
Biomarker – (anti-)angiogene Faktoren
Biomarker – (anti-)angiogene Faktoren
Im Rahmen der PE-Diagnostik ist die sFlt-1/PlGF-Ratio fester Bestandteil in der Diagnosestellung
der PE geworden und hat Einzug in nationale und internationale Leitlinien gehalten
[45], [46], [47], [48]. Bislang existiert jedoch keine
randomisiert-kontrollierte Studie zur Frage der perinatalen Outcome-Prädiktion
(und -Verbesserung) im Kollektiv der Schwangerschaften mit PD (PE, FGR) anhand der
sFlt-1/PlGF-Ratio. Die
zunehmende Tendenz, plazentare Biomarker im PD-Kollektiv für die APO-Prädiktion
zu verwenden, zeigt sich in aktuellen Arbeiten, die eine Korrelation aus stark erhöhten
sFlt-1/PlGF-Werten
(> 655 in < 34 + 0 SSW, > 201 in ≥ 34 + 0 SSW) und einem APO bzw. verkürzten Zeitintervall
bis zur Entbindung aufgrund von perinatalen Komplikationen beobachten konnten [49].
Erste Arbeiten zum Stellenwert (anti-)angiogener Faktoren im unselektierten und Low-Risk-Kollektiv
in Terminnähe zeigen ein Potenzial der plazentaren Biomarker, wenn es um die APO-Prädiktion
geht. Fiolna et al. untersuchten in einer prospektiven (nicht verblindeten) Studie
(n = 795) den Stellenwert der sFlt-1/PlGF-Bestimmung (zusammen mit der CPR und anamnestischen
mütterlichen
Risikofaktoren) 24 h vor Geburtseinleitung in ≥ 37 + 0 SSW. Die Autoren fanden
keinen Mehrwert von sFlt-1/PlGF bezogen auf die APO-Prädiktion im Vergleich zur alleinigen
Verwendung von
mütterlichen Risikofaktoren (+/− CPR). Dennoch zeigte sich ein erniedrigter PlGF-Serumspiegel
signifikant assoziiert mit einem APO [50]. In einer
prospektiv-verblindeten Studie (n = 207) im Low-Risk-Kollektiv wurde ab 36 + 0 SSW
wöchentlich PlGF bestimmt sowie die CPR gemessen. Untersucht werden sollte die prädiktive
Power beider
PD-Marker bezogen auf die Notwendigkeit der notfallmäßigen operativen Entbindung
aufgrund von fetalem Disstress sub partu. Hier konnten Bligh et al. zeigen, dass die
Kombination aus CPR und
PlGF mit einem hohen prädiktiven Nutzen bezogen auf die Prädiktion der notfallmäßigen
operativen Entbindung (Sensitivität 100%, Spezifität 86%, Falsch-positiv-Rate von
14%) verbunden war.
Allerdings zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Prädiktionsstärke
CPR allein vs. Kombination CPR + PlGF [51]. In der Terminüberschreitung zeigte sich
in einer prospektiven Studie
(n = 426), im Rahmen derer Referenzwerte und Perzentilen-Cut-offs für sFlt-1 und
PlGF im Low-Risk-Kollektiv in > 40 + 0 SSW generiert wurden, dass PlGF < 5. P. und
sFlt-1/PlGF > 95.
P. mit einem signifikant kürzeren Zeitintervall bis zur Geburt verbunden war (1,4
vs. 2,2 Tage) [52]. Aus derselben Arbeitsgruppe folgte eine
prospektiv-verblindete Studie, in der das Auftreten eines PD-assoziierten APO
in Abhängigkeit vom sFlt-1/PlGF-Level untersucht wurde. Die Autoren berichteten von
signifikant niedrigeren
PlGF-Serumlevels in der APO-Gruppe [53]. Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass PlGF als ein genereller Marker
der plazentaren Gesundheit auch im
Low-Risk-Kollektiv gesehen werden kann, dessen Rolle in der Vorhersage und Reduktion
eines PD-assoziierten APO aufgrund synzitiotrophoblastären Stresses in randomisiert-kontrollierten
Studien
geklärt werden sollte [51], [53].
Fetale kardiale Funktion
Der fetale Kreislauf zeichnet sich durch eine bedarfsgerechte Anpassung des Blutvolumens
in Phasen der Hypoxämie aufgrund einer uteroplazentaren Malperfusion aus. So kommt
es regulatorisch zu
einer Blutflusszunahme im Bereich der Nebennieren, des Gehirns und des Myokards
[11]. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die fetale Herzfunktion – und
Hirnperfusion bei einer vorliegenden PD (sonografisch messbar) zusammenhängen
([Abb. 3]). Die Umverteilung des kardialen Auswurfvolumens (CO) ist unter
anderem (neben Chemorezeptoren) für den Brain-Sparing-Effekt verantwortlich, der
in Zeiten der fetalen Hypoxie beobachtet wird [54], [55]. Echokardiografische Untersuchungen an hypoxischen Feten haben gezeigt, dass bei
einer erhöhten zerebralen Durchblutung ein Shift im CO zugunsten des linken Ventrikels
(LV) zu
beobachten ist [56], [57]. Die zerebrale Blutflussumverteilung und Vasodilatation führt zu einer Verringerung
der LV-Nachlast,
während die arterielle Vasokonstriktion der Gefäße der unteren Körperhälfte die
rechtsventrikuläre (RV) Nachlast erhöht [58], [59]. Mit steigendem Grad der intrauterinen Hypoxie erschöpfen sich jedoch diese kardialen
Schutzmechanismen im Sinne einer Verringerung des CO [60].
Abb. 3 Schematische Darstellung des Zusammenhangs aus myokardialer und zerebraler Perfusionszunahme
im Rahmen der plazentaren Dysfunktion ausgedrückt durch sonografisch
nachweisbare Veränderungen der kardialen Funktion (linksventrikuläre systolische
Myokarddeformation = LV Strain) und des zerebroplazentaren Dopplers (Brain Sparing).
Alsolai et al. untersuchten erstmalig in einer prospektiven Beobachtungsstudie (n = 270)
in > 36 + 0 SSW den Stellenwert der fetalen kardialen Funktion im Low-Risk-Kollektiv
bezogen auf
die APO-Prädiktion. AGA-Feten, bei denen aufgrund von intrapartalem Disstress
eine notfallmäßige operative Entbindung erforderlich war, wiesen pränatal (innerhalb
von 2 Wochen vor der Geburt
gemessen) ein niedrigeres LVCO, ein höheres RVCO und eine niedrigere CPR auf.
Zudem zeigten sich die CPR und das LVCO signifikant niedriger in Fällen mit einem
APO und es konnte eine positive
Korrelation zwischen LVCO und CPR beobachtet werden [54].
In einer Folgestudie aus derselben Arbeitsgruppe, im Rahmen derer weitere kardiale
Funktionsindizes und deren Assoziation mit APO bzw. deren Korrelation mit zerebroplazentaren
Doppler-Indices
untersucht wurde, zeigte sich unter anderem eine Korrelation aus CPR bzw. MCA-PI
und der mittels 2-dimensionaler Speckle-Tracking-Echokardiografie (2-D-STE) gemessenen
globalen links- (GLVPSS)
und rechtsventrikulären (GRVPSS) Myokarddeformation in der Systole [55]. 2-D-STE ist eine winkelunabhängige Technik zur Messung der fetalen Myokardfunktion.
Hintergründig steht eine Bild-zu-Bild-Analyse, im Rahmen derer die Bewegung von
sogenannten „Speckles“ innerhalb des Myokards nachverfolgt wird (Tracking). Dadurch
kann die systolische
Myokarddeformation (Strain) innerhalb des Herzzyklus beurteilt werden. Die Analyse
erfolgt auf Basis eines 4-Kammer-Blicks in der Regel offline im Sinne eines Post-Processing-Verfahrens
[61] ([Abb. 3]). In der o. g. Studie von Alsolai et al. korrelierten GLVPSS- und GRVPSS-Werte positiv
mit CPR- und MCA-PI-Werten.
Da die Strain-Messung die Mechanik der Myokardbewegung widerspiegelt, legt die
Korrelation aus zerebroplazentarem Doppler und Strain das Vorhandensein einer subtilen
kardialen Dysfunktion des
Fetus zum Zeitpunkt der zerebralen Blutflussumverteilung nahe. Allerdings konnte
diese Korrelation in Assoziation mit der Notwendigkeit einer notfallmäßigen operativen
Entbindung nur für
GLVPSS und der CPR beobachtet werden [55].
Die Ergebnisse lassen vermuten, dass die sonografisch messbare Herzfunktion und zerebrale
Perfusion des Fetus im Rahmen einer PD zusammenhängen ([Abb. 3]).
Zudem scheint es eine Assoziation aus subklinischer kardialer Dysfunktion des
Fetus und einem APO zu geben. Hier kann ein Potenzial der kardialen Funktionsmessung
im Low-Risk-Kollektiv gesehen
werden, wenn es um die prä- und intrapartale Risikostratifizierung geht. Allerdings
sorgen technische Limitierungen der kardialen Funktionsanalyse durch Faktoren wie
beispielsweise der fetalen
Herzgröße und höheren Herzfrequenz sowie Bewegungsartefakten nach wie vor für
eine eingeschränkte Reproduzierbarkeit. Dies erfordert einen kritischen Blick auf
gewonnene Ergebnisse und deren
klinische Interpretation [61]. Hier muss auch einschränkend die Variabilität im Vorhandensein einer Strain-„Abnormalität“
berücksichtigt werden: So wurden
longitudinale Strain-Werte bei SGA/FGR-Feten mit manifester PD als vergleichbar,
erhöht und > 95. Perzentile im Vergleich zu AGA-Feten beschrieben [62], [63]. Hinzu kommt, dass der Beleg für einen prädiktiven Mehrwert der kardialen Funktionsanalyse
gegenüber der etablierten fetalen
Doppler-Sonografie bezogen auf die APO-Prädiktion bislang fehlt. Auch bleibt die
Frage offen, inwieweit die beobachteten kardialen Phänomene bei vermuteter PD im Sinner
einer kompensierten
Anpassung oder drohenden Dekompensation des Fetus zu werten sind.
Laufende randomisiert-kontrollierte Studien
Laufende randomisiert-kontrollierte Studien
Eine derzeit laufende randomisiert-kontrollierte Studie, welche die Rolle des PD-Screening
(Early-Term) im Low-Risk-Kollektiv untersucht, ist die PROMISE-Studie. In der PROMISE-Studie
(Predicting intrapartum fetal compromise at term using the cerebroplacental ratio
and placental growth factor levels) findet eine Randomisierung von Low-Risk-Schwangeren
zwischen 34 + 0 und
36 + 6 SSW statt. Es werden 2 Gruppen gebildet: Gruppe 1 (Interventionsgruppe)
erhält ein PD-Screening (CPR und PlGF) zwischen 37 + 0 – 38 + 0 SSW. Positiv gescreente
Patientinnen (und damit
High-Risk: CPR < 20. P. und PlGF < 33. P.) erhalten binnen 7 Tagen eine Geburtseinleitung,
die negativ gescreenten Patientinnen erhalten die Standardbetreuung. Gruppe 2 (Kontrollgruppe)
erhält kein PD-„Screening“ und ebenfalls die Standardbetreuung. Primäres Ziel
der Studie ist es, den Effekt der Einführung eines Early-Term PD-Screening-Tests (CPR
+ PlGF) auf eine
intrapartale fetale Beeinträchtigung i. S. der APO-Reduktion (Notkaiserschnitt,
schwere Azidose oder 5-min-Apgar-Score ≤ 5 oder perinataler Tod) zu untersuchen [4]. Auch die RATIO37-Studie aus der Figueras-Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit dem
PD-Screening im Bereich des Early-Term. Sie soll unter anderem untersuchen, ob die
Geburtseinleitung ab 37 + 0 SSW auf Basis der CPR als alleiniger Indikator einer
PD das perinatale Outcome im Low-Risk-Kollektiv verbessern kann [62]. Bevor auf
Basis dopplersonografischer und/oder (anti-)angiogener PD-Marker klinische Entscheidungen
(insbesondere in der sensiblen Early-Term-Phase) abgeleitet werden, sollten die Ergebnisse
der o. g.
randomisiert-kontrollierten Studien abgewartet werden.
Zusammenfassung
Die verbleibende plazentare Reserve am Termin ist entscheidend für die perinatale
Morbidität von Kind und Mutter. Angesichts des Fortschritts im Bereich der fetalen
Überwachung sind die
bislang routinemäßig eingesetzten Untersuchungstechniken am Termin bzw. in der
Terminüberschreitung (CTG/FW-Menge) womöglich unzureichend, wenn es um die Detektion
der PD geht. Bewährte und
neue fetomaternale US-Parameter sowie (anti-)angiogene Faktoren können womöglich
bei der Detektion der subklinischen (SG > 10. P., CTG/FW-Menge normal) PD hilfreich
sein. Im Falle eines
gedachten „Term-Screenings“ müssen neben allgemeingültigen medizinisch-inhaltlichen
Anforderungen an eine Screening-Untersuchung (Prävalenz, Sensitivität/Spezifität,
Interventionsmöglichkeiten) insbesondere auch gesundheitspolitische/-ökonomische
Aspekte (allgemeine Verfügbarkeit, effiziente Kosten-Nutzen-Analyse, geringes Risiko)
geprüft werden. Vorerst
sollte jedoch der Stellenwert der PD-Marker im Low-Risk-Kollektiv bezogen auf
die Frage des idealen Entbindungszeitpunkts in randomisiert-kontrollierten Studien
mit großer Fallzahl geklärt
werden.