Martin K.. 
               
               et al. 
Use of direct oral anticoagulants in patients with obesity for treatment and prevention
               of venous thromboembolism: Updated communication from the ISTH SSC Subcommittee on
               Control of Anticoagulation. 
J Thromb Haemost 2021; 
19: 1874-1882 
DOI: 
10.1111/jth.15358  
         
         
            Im Jahr 2016 sagte das SSC Subcommittee der International Society of Thrombosis and
               Haemostasis noch, dass man bei Patienten mit einem Body-Mass-Index > 40 kg/m 2 bzw.
               einem Körpergewicht > 120 kg auf die Substanzen besser verzichten sollte. Und wenn
               sie eingesetzt werden müssten, dann nur unter strikter Kontrolle der Konzentrationen
               im Blut (Spitzen- und Talspiegel).
            Allerdings gab es für diese Empfehlungen kaum klinische Evidenz, da die meisten Zulassungsstudien
               der Medikamente derartige „Schwergewichte“ ausgeschlossen hatten. Nachdem mittlerweile
               mehr klinische Daten zur Verfügung stehen, hat die Fachgesellschaft ihre Ratschläge
               überarbeitet.
            Die Wissenschaftler des Scientific and Standardization Subcommittee on the Control
               of Anticoagulation haben dazu die einschlägigen medizinischen Datenbanken nach bis
               August 2020 veröffentlichten Arbeiten zu dem Thema durchsucht. Dabei berücksichtigten
               sie die Verwendung der direkten Antikoagulanzien sowohl zur VTE-Behandlung wie auch
               zur VTE-Prophylaxe (Daten hierzu stammen v. a. aus der orthopädischen Chirurgie).
               Allerdings fanden die Forscher heraus, dass die meisten Veröffentlichungen immer noch
               gepoolte Daten mehrerer oraler Antikoagulanzien verwenden. Daher sind randomisierte
               Studien mit direkten Vergleichen der Einzelsubstanzen überfällig.
            Insgesamt kommen die Autoren zu dem Schluss, dass für Patienten mit einem BMI bis
               zu 40 kg/m 2 bzw. einem Körpergewicht > 120 kg weiterhin die Aussagen aus dem Paper
               von 2016 gelten. Was stärker Adipöse betrifft:
            
               
               - 
                  
                  Zur Behandlung raten sie zu Standarddosen von Rivaroxaban oder Apixaban als eine –
                     unter mehreren – geeigneten Optionen, unabhängig vom BMI bzw. Körpergewicht. Dabei
                     gibt es zu Apixaban relativ wenige Informationen, während zu Rivaroxaban eine ganze
                     Reihe von Beobachtungsstudien vorliegt. Andere Therapiemöglichkeiten sollten aber
                     nicht aus dem Blickfeld geraten: gewichtsangepasste fraktionierte Heparine, Fondaparinux
                     und Vitamin-K-Antagonisten. 
- 
                  
                  Auch zur Primärprävention können Standarddosen von Rivaroxaban oder Apixaban gewichtsunabhängig
                     eingesetzt werden. Allerdings sind sie bislang in den meisten Ländern nur im Rahmen
                     der elektiven Implantation von Knie- und Hüftprothesen zugelassen. 
- 
                  
                  Die Verwendung von Dabigatran, Edoxaban und Betrixaban zur VTE-Behandlung oder Prävention
                     scheint nicht ratsam, da die Daten zu Dabigatran nicht überzeugen und zu Edoxaban
                     und Betrixaban zu wenige klinische oder Labordaten verfügbar sind. 
- 
                  
                  Das regelmäßige Messen von Tal- oder Spitzenspielen der Medikamente ist nicht zu anzuraten,
                     da es bislang keine Korrelationen der Blutspiegel zu irgendwelchen Outcomes gibt und
                     die Ergebnisse somit keine Hilfe bei klinischen Entscheidungen darstellen. 
- 
                  
                  Sonderfall bariatrische Chirurgie: Nicht selten unterziehen sich gerade krankhaft
                     Adipöse einem solchen Eingriff (Manschettengastrektomie, Roux-en-Y-Bypass u. a.).
                     Hier sollten in der akuten Situation keine direkte Antikoagulanzien eingesetzt werden:
                     Die Resorptionsfläche für die Medikamente ist in unvorhersehbarer Weise verändert,
                     sodass eine verminderte Aufnahme in den Körper möglich ist. Für 4 Wochen, besser noch
                     6 Monate nach einer solchen OP sollten parenterale Antikoagulanzien bevorzugt werden.
                     Nach (Wieder-)Ansetzen der oralen Antikoagulanzien ist in diesem Fall die Bestimmung
                     von Talspiegeln tatsächlich sinnvoll, um die Resorption der Medikamente und ihre Bioverfügbarkeit
                     nachzuweisen. 
               
               
                  
                     Anhand ihrer Daten stellen Apixaban und v. a. Rivaroxaban auch bei stark übergewichtigen
                        Patienten eine Option zur VTE-Behandlung bzw. -Prophylaxe dar, fassen die Autoren
                        zusammen. Die Blutspiegelmessung ist bislang wenig sinnvoll, da bestimmten Werten
                        keine zuverlässigen Outcomes zugeordnet werden können. Weitere Forschungen in diesem
                        Bereich wären aber wünschenswert, gerade wenn die Dosierung an besondere Umstände
                        (z. B. nach bariatrischer OP) angepasst werden muss.
                   
                
             
          
         
         
            Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim