Phlebologie 2022; 51(03): 153-158
DOI: 10.1055/a-1781-6589
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Wichtige Differentialdiagnosen des Beinödems – ein kurzer Praxisleitfaden

Important Differential Diagnosis of Leg Edema – a Short Practical Guideline
Anna Koller
1   Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Universitätsklinikum St. Pölten, St. Pölten, Österreich
2   Karl Landsteiner Institut für Dermatologische Forschung, St. Pölten, Österreich
,
Franz Trautinger
1   Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Universitätsklinikum St. Pölten, St. Pölten, Österreich
2   Karl Landsteiner Institut für Dermatologische Forschung, St. Pölten, Österreich
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Das differenzialdiagnostische Spektrum der Beinödeme ist vielfältig und umfasst sowohl phlebologische, entzündliche, traumatologische, medikamentöse und andere systemische und regionale Ursachen und Erkrankungen.

Um die Ursachen für Beinödeme bestmöglich abzuklären, sind eine ausführliche Anamnese und klinische Untersuchung entscheidend. Die Lokalisation der Beinschwellung, Beginn und Dauer der Beschwerden, Schmerzsymptomatik, Allgemeinsymptome, Vorerkrankungen und bestehende Hautveränderungen können wichtige Hinweise auf mögliche zugrunde liegende Ursachen liefern. Nach Eingrenzung der möglichen Differenzialdiagnosen können gezielte apparative und laborchemische Untersuchungen ergänzend angeschlossen werden, um die Diagnose zu sichern und die richtige Therapie einzuleiten.


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Abstract

There is a broad variety of differential diagnosis of leg edema including phlebological, inflammatory, traumatological, drug induced and other systemic and regional causes and conditions. To clarify the most likely cause of leg edema detailed medical history and clinical examination are crucial. Localization of the edema, onset, duration and quality of the symptoms, general medical condition, medical history as well as skin findings can be key to the etiology of leg edema. Additionally instrumental and laboratory examinations can be added to secure the diagnosis and start the correct treatment.


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Einleitung

Das Ödem im Allgemeinen bezeichnet eine palpable Schwellung durch vermehrte Flüssigkeitsansammlung im interstitiellen Gewebe [1]. Im physiologischen Zustand besteht ein Gleichgewicht zwischen Filtration und Resorption der interstitiellen Flüssigkeit und dem Lymphabfluss in der Mikrozirkulation [2].

Ödembildung kann durch erhöhten hydrostatischen Druck in den Kapillaren (Niereninsuffizienz, Rechtsherzinsuffizienz und venöse Abflussstörung), verminderten onkotischen Druck (alimentärer Proteinmangel, verminderte Albuminsynthese, Eiweißverlust), gesteigerte Permeabilität der Kapillaren (entzündliche, allergische oder posttraumatische Ursachen, Angioödeme), verminderte Lymphdrainage, medikamentös induziert, artifiziell und idiopathisch entstehen [3].

In folgendem Beitrag soll eine kurze Übersicht über die häufigsten Differenzialdiagnosen der Beinschwellungen mit typischen klinischen Bildern vorgestellt werden.


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Klinische Einteilung

Die Abklärung des „dicken Beins“ stellt eine häufige Aufgabe in der täglichen Praxis verschiedener medizinischer Fachbereiche dar.

Eine erste Einteilung der Differenzialdiagnosen der Beinödeme kann nach unilateralen ([Tab. 1]) oder bilateralen ([Tab. 2]) Beinschwellungen und dem Auftreten als akutes (<72h bestehend) oder chronisches Geschehen erfolgen [1] [4] [5] [6]. Eine weitere Einteilung unterscheidet zwischen „pitting edema“ (eindrückbare, epifasziale Ödeme) und „non-pitting edema“ (nicht eindrückbare, subfasziale Ödeme [1] [5].

Neben lokoregionären Differenzialdiagnosen müssen auch systemische Ursachen in Betracht gezogen werden. Anamnestisch sind daher neben Dauer und Beginn der Symptomatik, Lokalisation der Schwellung und bestehender Schmerzsymptomatik Allgemeinsymptome (wie z.B. Fieber, Dyspnoe, Oligurie), relevante Vorerkrankungen (wie kardiale, nephrogene, hepatale, endokrinologische, Tumorerkrankungen, operative Eingriffe im Abdomen- und Beckenbereich/Extremität) und Besserungstendenz der Ödeme in der Nacht/bei liegender Position zu erheben [1] [4]. Hautveränderungen geben immer zusätzlich wichtige Hinweise auf mögliche zugrunde liegende Ursachen.

Tab. 1 Differenzialdiagnosen des einseitigen Beinödems [1] [4] [5].

AKUT (<72h)

CHRONISCH

tiefe Beinvenenthrombose

chronisch-venöse Insuffizienz

rupturierte Synovialzyste (Bakerzyste)

venöses Kompressionssyndrom

Muskeleinriss/Muskelhämatom

Lymphödem

Begleitödem bei Erysipel/entzündlichen Erkrankungen

Acrodermatitis chronica atrophicans

Begleitödem bei Arthritis/aktivierte Arthrose

artifizielles Ödem

venöse/lymphatische Obstruktion durch Tumor

komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS)

Tab. 2 Differenzialdiagnosen des beidseitigen Beinödems [1] [4] [5].

AKUT (<72h)

CHRONISCH

tiefe Beinvenenthrombose beider Beine

Chronisch-venöse Insuffizienz

systemische Erkrankungen mit Ödembildung

venöses Kompressionssyndrom

Lymphödem

Acrodermatitis chronica atrophicans (sehr selten beidseitig)

Lipödem

Immobilitätsödem

systemisch und medikamentös bedingte Ödeme

Wichtige Differenzialdiagnosen und deren klinische Erscheinungsformen

A) Chronisch-venöse Insuffizienz (CVI)

Die häufigste Ursache für Beinödeme stellt die venöse Insuffizienz dar. Durch primäre oder postthrombotische Schädigung der Venenklappen kommt es zu einem erhöhten Druck in den venösen Gefäßen. Eine Schädigung des Lymphsystems kann sekundär erfolgen, weswegen in sehr fortgeschrittenen Stadien der CVI ein kombiniertes Phlebolymphödem vorliegen kann [2]. Die Ödementwicklung bei CVI ist langsam und progredient. Nach Widmer (1976) wurden 3 klinische Stadien der CVI unterschieden mit jeweils typischen klinischen Hautveränderungen: Stadium 1: Corona phlebectatica, Stadium 2: Atrophie blanche ([Abb. 1]), Purpura jaune d’ocre ([Abb. 2]) und Lipodermatosklerose, Stadium 3: Ulzera (meist an der medialseitigen Knöchelregion) [2] [7]. Heute werden venöse Erkrankungen nach der internationalen CEAP-Klassifikation eingeteilt, wobei ergänzend zur Klinik auch Ätiologie, anatomische Lokalisation der Veränderungen und pathophysiologische Faktoren klassifiziert werden [8] [9].

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Abb. 1 Atrophie blanche und Stauungsdermatitis bei CVI. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 2 Purpura jaune d’ocre bei CVI. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.

Die chronisch-venöse Insuffizienz kann sowohl unilateral, z.B. nach einer tiefen Beinvenenthrombose, als auch bilateral bestehen. Betroffene berichten oft über ein Gefühl der Schwere und Juckreiz im Bereich der Unterschenkel. Als Sonderform der CVI ohne echte Venenklappeninsuffizienz wird das „Dependency-Syndrom“, ein orthostatisch bedingtes Immobilitätsödem bei hemi-/paraplegischen oder insgesamt immobilen Patienten, in der Literatur genannt [1] [4]. Mittels farbkodierter Duplexsonografie können die klappeninsuffizienten venösen Gefäße bei der CVI am stehenden Patienten genau dargestellt und diagnostiziert werden.


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B) Tiefe Venenthrombose

Die akute tiefe Beinvenenthrombose (TBVT) präsentiert sich oft mit einem subfaszialen „non pitting“-Ödem, welches zu einer Seitenumfangsdifferenz führt, häufig aber mit unspezifischen Symptomen. Klinisch zeigt sich typischerweise bei proximalen Mehretagenthrombosen eine pralle, druckschmerzhafte Wade mit teilweise lividem Hautkolorit im Seitenvergleich. Eine distale Beinvenenthrombose kann klinisch sehr unscheinbar verlaufen, insbesondere bei immobilen Patienten [4].

Bei Verdacht auf eine tiefe Beinvenenthrombose müssen Risikofaktoren (rezente operative Eingriffe, Verletzungen, längere Immobilität, maligne Tumorerkrankungen, Langstreckenreisen, Gerinnungsstörungen, vorangegangene Thrombosen, Familienanamnese und bei Frauen Einnahme von oralen Kontrazeptiva) erhoben werden. In der Praxis hat sich das Heranziehen des Wells-Score etabliert ([Tab. 3]). Bei einem Wells-Score von <2 („niedrige Prätestwahrscheinlichkeit“) kann mit einer laborchemischen Serum-D-Dimer-Bestimmung eine TBVT mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Bei bestehenden vorbekannten Ursachen für falsch positive D-Dimer-Werte wie Schwangerschaft, rezenter operativer Eingriff, Entzündungen/Sepsis, fortgeschrittene Nieren- und Leberkrankungen, Herzinsuffizienz, Malignome und Trauma sollte kein D-Dimer erhoben werden [10]. Als diagnostischer Goldstandard der TBVT gilt die Kompressionssonografie, die bei hoher Prätestwahrscheinlichkeit ohne vorangehende D-Dimer-Bestimmung empfohlen wird.

Tab. 3 Wells-Score [11] [12].

WELLS-SCORE

klinische Charakteristika

Score

aktive Tumorerkrankung

1,0

Lähmung oder kürzliche Immobilisation der Beine

1,0

Bettruhe (>3 Tage); großer chirurgischer Eingriff (<12 Wochen)

1,0

Schmerz/Verhärtung entlang der tiefen Venen

1,0

Schwellung des ganzen Beins

1,0

Unterschenkelschwellung >3cm gegenüber Gegenseite

1,0

eindrückbares Ödem am symptomatischen Bein

1,0

Kollateralvenen

1,0

frühere dokumentierte TVT

1,0

alternative Diagnose mindestens ebenso wahrscheinlich wie Venenthrombose

-2,0

Score ≥2: Wahrscheinlichkeit für TVT hoch

Score <2: Wahrscheinlichkeit für TVT nicht hoch

Bei 18–49% der Patienten mit linksseitiger TBVT ohne erhebbare Risikofaktoren kann eine Kompression der linken Vena iliaca communis zwischen der rechten Arteria iliaca communis und der Lendenwirbelsäule mittels Abdomen/Becken-CT diagnostiziert werden. Das May-Thurner-Syndrom prädisponiert insbesondere junge Frauen für eine Vena iliaca communisThrombose links [13].


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C) Begleitödem bei entzündlichen Prozessen

Begleitödeme im Rahmen entzündlicher Erkrankungen präsentieren sich als weiches, eindrückbares Ödem mit Schmerzsymptomatik am Ausgangsort der Inflammation und beim Herabhängenlassen des Beins.

Eine unilaterale Beinschwellung mit ausgeprägter, scharf begrenzter Rötung und Allgemeinsymptomatik kann diagnostisch für ein Erysipel sein.

Bei beidseitiger Rötung, glänzender Haut, fehlenden Allgemeinsymptomen und relevanten Vorerkrankungen ist eher eine Stauungsdermatitis durch kardiale Dekompensation anzunehmen ([Abb. 3]).

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Abb. 3 Stauungsdermatitis beidseits bei CVI und Herzinsuffizienz. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.

Eine rupturierte oder inflammierte Poplitealzyste kann sich klinisch wie eine TBVT mit einseitigem Beinödem präsentieren. Die Diagnose wird meist duplexsonografisch gestellt.

Bei Arthritiden kann es zu Rötung und Schwellung sowie Druckschmerzen im Bereich des betroffenen Gelenks kommen. Bei Gonarthrosen kann ein deutliches Begleitödem des ganzen Unterschenkels bestehen. Bei der durch Hyperurikämie verursachten Podagra kommt es zu Rötung und Schwellung des Vorfußes, oft mit Begleitödem des distalen Unterschenkels.

Die Acrodermatitis chronica atrophicans ist eine stadienhaft verlaufende Spätmanifestation einer Borrelieninfektion und präsentiert sich klinisch zu Beginn mit lividen, meist einseitigen Erythemen und Ödemen an Bein oder Arm. Bei klinischem Verdacht sind hohe Serumtiter von IgG-Borrelienantikörpern und gegebenenfalls ein histologischer Befund beweisend [1] [4].

Pannikulitiden und Vaskulitiden können sich ebenso mit charakteristischen Hautveränderungen und Begleitödemen manifestieren ([Abb. 4]).

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Abb. 4 Pankreatische Pannikulitis. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.

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D) Begleitödem nach Trauma

Nach Prellungen, Stauchungen und Frakturen kommt es typischerweise zu Begleitödemen. Reflektorische Schwellungen in der Umgebung des verletzten Areals kommen nach Ruhigstellung vor. Im Falle von Muskelfaserrissen kommt es zu epifaszialen Ödemen, bei stärkerer Hämatomentwicklung auch zu subfaszialen Ödemen. Klinisch kann ein Sichelhämatom im Bereich der Malleolen hinweisend für einen Muskelfaserriss als Ursache für die Beinschwellung sein. Die Diagnosestellung erfolgt oft nebenbefundlich duplexsonografisch im Rahmen des TBVT-Ausschlusses [4].

Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) nach Frakturen, Operationen und unterschiedlichsten Verletzungen kann ebenfalls in der betroffenen Extremität zur Beinödembildung führen [14] [15].


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E) Beinödeme durch systemische Ursachen

Bei chronisch bilateralen Beinödemen sind internistische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, pulmonale Hypertonie, chronische Nieren- und Lebererkrankungen, Malabsorption und Malnutrition, endokrinologische Ursachen und Medikamente differenzialdiagnostisch zu erwägen [6]. Eine Anamnese bezüglich relevanter Vorerkrankungen und der aktuellen Dauermedikation kann erste Hinweise zu den möglichen systemischen Ursachen der Beinödeme liefern. Bei Patienten >45 Jahre und unklaren Beinödemen wird eine Echokardiografie zusätzlich zu Routinelaboruntersuchungen empfohlen [1].

Bei kardial bedingten Beinödemen entwickelt sich oft eine symmetrische, unscharf begrenzte Rötung im Sinne einer Stauungsdermatitis ([Abb. 3]). Auskultatorisch findet man feuchte Rasselgeräusche und klinisch gestaute Halsvenen [4] [6].

Auch bei pulmonaler Hypertonie können Beinödeme ein frühes wegweisendes Symptom sein [1].

Bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen kann klinisch Aszites, ikterische Haut und Skleren und Ruhetremor diagnostisch hinweisend sein [6]. Dermatologisch wird eine feinfleckige Pigmentierung der geschwollenen Unterschenkel und fehlendes Haarwachstum an den Beinen beschrieben [4].

Endokrinologisch kann sowohl eine Hypo- als auch Hyperthyreose sowie seltener Hyperkortisolismus Beinödeme verursachen. Bilaterale Beinödeme können auch durch eine Thyreotoxikose-induzierte Herzinsuffizienz verursacht sein. Bei Therapie mit Thiamazol bilden sich dann die Beinschwellungen typischerweise zurück [16].

Bei Frauen können auch zyklisch prämenstruell beidseitige, selbstlimitierende Ödeme im Knöchelbereich in der 2. Zyklushälfte auftreten. Ebenso werden in der Schwangerschaft und in der Perimenopause vermehrt Ödeme festgestellt [1] [5].

Idiopathische Ödeme sind eine Ausschlussdiagnose. Hier kommt es ohne erkennbaren Zusammenhang zu Ödembildung, Gewichtszunahme und geringer Harnproduktion untertags mit folgender Nykturie [5].


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F) Medikamentös induzierte Beinödeme

Die Einnahme gewisser Medikamente kann die Entwicklung von Beinödemen begünstigen.

In der Gruppe der antihypertensiven Medikation werden vor allem Kalziumkanalblocker, Betablocker, Clonidine, Hydralazin, Methyldopa und Minoxidil als medikamentöse Ursache von Beinödemen genannt. Zudem können Antidepressiva (MAO-Hemmer, Trazodone), Aciclovir, nichtsteroidale Antirheumatika (NSARs) wie Ibuprofen und Celecoxib, Chemotherapeutika (Cyclosporin, Cyclophosphamid), Zytokine (GCSF, Interferon-alpha, Interleukin 2 und 4) und hormonelle Therapien Beinödeme verursachen [6].

Eine besondere Form der medikamentös induzierten Beinödeme stellen Diuretika-induzierte Ödeme dar. Nach Absetzen der diuretischen Medikation kann es zu Aggravierung der Ödembildung über 3–4 Wochen kommen, bevor ein Rückgang zu bemerken ist [1] [5].


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G) Lymphödeme

Bei Lymphödemen kommt es durch einen eingeschränkten Lymphabfluss durch Obstruktion, Destruktion oder Hypoplasie der Lymphgefäße zu einer Ansammlung interstitieller Flüssigkeit mit einhergehender Schwellung des subkutanen Gewebes [3]. Durch die vermehrte Ansammlung proteinreicher extrazellulärer Flüssigkeit können weniger Sauerstoff und Nährstoffe ins Gewebe transportiert werden. Dadurch werden chronische Entzündung, reaktiver Gewebeschaden und Fettablagerungen begünstigt [17].

Unterschieden werden primäre und sekundäre Lymphödeme, wobei die sekundären Lymphödeme die Mehrzahl der Lymphödeme ausmachen. Zu primären Lymphödemen kann es durch eine angeborene Aplasie, Hypo- oder Hyperplasie der Lymphgefäße und/oder Lymphknoten kommen [17]. Die häufigste Form der primären Lymphödeme ist das Lymphedema praecox (ab 2.-35. Lebensjahr) mit einer einseitigen Schwellung des Fußes und des Unterschenkels [1] [2].

Die weltweit häufigste Ursache für sekundäre Lymphödeme sind Infektionen. In Entwicklungsländern ist die Filariose, eine durch Stechmücken übertragene parasitäre Erkrankung, die häufigste Ursache für Lymphödeme. In den Industrieländern verursachen am häufigsten maligne Tumoren und Tumortherapien wie regionale Lymphadenektomie, Bestrahlungen und Chemotherapien sekundäre Lymphödeme [18].

Das klinische Bild bei Lymphödemen umfasst quaderförmig deformierte, geschwollene Zehen („Kastenzehen“), einschneidende Querfurchen an den Zehen und warzig-raue hyperkeratotische Hautveränderungen (Papillomatosis cutis) ([Abb. 5]). Als besonderer diagnostischer Hinweis für ein Lymphödem gilt das Stemmer’sche Zeichen. Hierbei kann im Bereich der zweiten Zehe die Haut aufgrund der beginnenden Fibrose und starken Ödembildung nicht mehr abgehoben werden [3].

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Abb. 5 Lymphödem mit Kastenzehen, Querfurchen und Papillomatosis cutis. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.

Neben der klinischen Diagnose kommen bildgebende Verfahren wie die Lymphangioszintigrafie, die indirekte Lymphografie und neuere Methoden wie MRT-Lymphografie oder CT-SPECT zum Einsatz.

Bei neu und rasch entstehenden Lymphödemen muss nach malignen Lymphadenopathien im Abdomen-/Beckenbereich mittels CT-Abdomen/kleines Becken gesucht werden [19].


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H) Lipödeme

Als Lipödem wird eine disproportional unförmige Fettverteilung der unteren/oberen Extremität ohne Fuß-/Handbeteiligung bezeichnet. Das Lipödem betrifft vor allem Frauen. Die Erstmanifestation wird mit dem Beginn der Pubertät, in der Schwangerschaft oder Menopause mit familiärer Häufung beobachtet [20].

Die vermehrte Fettablagerung in den Extremitäten kann zu einer erhöhten Flüssigkeitseinlagerung führen und kann in ausgeprägten Fällen in ein kombiniertes Lipolymphödem übergehen ([Abb. 6]) [4].

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Abb. 6 Ausgeprägtes Lipolymphödem. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.

Klinisch präsentieren sich Patienten mit einem reinen Lipödem der unteren Extremität mit einem supramalleolären Fettmuff („Türkenbundhose“) und ödemfreien Vorfuß [4]. Meist besteht beim Lipödem eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit und Hämatomneigung [20].


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Fazit

Kenntnisse der häufigsten Differenzialdiagnosen bei Beinschwellungen und deren dermatologischen Manifestationen sind wesentlich für den klinischen Alltag. Die Unterscheidung von Beinödemen in ein- und beidseitige Schwellungen mit Einteilung nach akutem oder chronischem Verlauf ([Tab. 1] und [Tab. 2]) ist hilfreich, um die häufigsten Differenzialdiagnosen zu erwägen. Eine gezielte Anamnese und klinische Untersuchung müssen weiteren laborchemischen und apparativen Untersuchungen vorausgehen, um zu einer korrekten Diagnose und Therapie zu kommen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Anna Koller
Universitätsklinikum St. Pölten, Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten
Dunant Platz 1
3100 St. Pölten
Österreich   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
28. April 2022

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Abb. 1 Atrophie blanche und Stauungsdermatitis bei CVI. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 2 Purpura jaune d’ocre bei CVI. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 3 Stauungsdermatitis beidseits bei CVI und Herzinsuffizienz. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 4 Pankreatische Pannikulitis. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 5 Lymphödem mit Kastenzehen, Querfurchen und Papillomatosis cutis. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.
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Abb. 6 Ausgeprägtes Lipolymphödem. Quelle: Universitätsklinikum St. Pölten.