Lawford BJ.
et al.
Challenges With Strengthening Exercises for Individuals With Knee Osteoarthritis
and Comorbid Obesity: A Qualitative Study With Patients and Physical
Therapists.
Arthritis Care Res (Hoboken) 2022;
74: 113-125
DOI:
10.1002/acr.24439
Ziel der qualitativen Studie war es, die Erfahrungen der Betroffenen und der
Behandelnden bei der Umsetzung von Übungsprogrammen abzubilden. Die
Untersuchung erfolgte im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie, welche die
Effektivität zweier Behandlungsstrategien miteinander verglich: Einer nicht
gewichtsorientierten Quadrizeps-Kräftigung sowie einem gewichtsorientierten
funktionellen Übungsprogramm. Alle 128 Studienteilnehmenden litten an einer
symptomatischen Gonarthrose sowie einer Adipositas
(Bodymassindex≥30 kg/m2). 7 erfahrene Physiotherapeutinnen
und Physiotherapeuten leiteten die Betroffenen bei den Übungen, welche im
häuslichen Umfeld regelmäßig durchgeführt werden
sollten, an. Innerhalb von 6 Monaten nach Abschluss der
zwölfwöchigen Studienintervention befragten die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler 22 Studienteilnehmende (59% Frauen, Durchschnittsalter
63 Jahre, durchschnittlicher Bodymassindex 35,9 kg/m2) sowie alle 7
Therapeutinnen und Therapeuten (86% Männer) mithilfe eines
semistrukturierten Telefoninterviews und analysierten die aufgezeichneten
Antworten.
Ergebnisse
Die randomisierte kontrollierte Studie kam zu dem Ergebnis, dass beide
Übungsprogramme Schmerzen und die Funktion besserten, allerdings traten bei
dem nicht gewichtsorientierten Programm häufiger leichte
unerwünschte Nebenwirkungen auf. Nach Auswertung der Befragungen
kristallisierten sich 3 Schwerpunktthemen heraus, welche die Betroffenen und die
Betreuenden beschäftigten: Psychologische Herausforderungen, physische
Herausforderungen sowie das Überwinden dieser Probleme. Zunächst
waren viele Patientinnen und Patienten den Übungen gegenüber im
Hinblick auf deren Effektivität und Sicherheit skeptisch eingestellt, viele
hatten Angst vor Schmerzen bei der Belastung und manche lehnten die Übungen
ab. Ferner zeigte sich, dass manche Übungen ein hohes Maß an
mentaler Anstrengung (Fokus und Konzentration) erforderten. Insgesamt
unterschätzten viele Studienteilnehmenden ihre Leistungsfähigkeit.
Als körperliche Herausforderung nannten die Befragten die
Komplexität des gewichtsorientierten funktionellen Übungsprogramms,
die Nutzung von Gewichtsmanschetten, einige Übungen des nicht
gewichtsorientierten Programms sowie die Belastung durch weitere
Komorbiditäten. Verschiedene Faktoren halfen den Studienteilnehmenden, die
genannten Herausforderungen zu meistern: Wahrgenommene Verbesserungen spornten sie
zum Fortführen des Übungsprogramms an. Auch ein
Verpflichtungsgefühl den Betreuenden gegenüber stellte eine
Motivation dar. Die wiederholte Aufklärung der Studienteilnehmenden
über die Sicherheit und den Nutzen der Übungen sowie die
individuelle Anpassung des Übungsprogramms an die Leistungsfähigkeit
der Probandinnen und Probanden trugen ebenfalls zur Studienadhärenz bei.
Adipöse Patientinnen und Patienten mit einer Kniegelenkarthrose, so das
Fazit der Forschenden, sind bei der Durchführung von Übungen zur
Muskelkräftigung mit zahlreichen psychischen und physischen
Hürden konfrontiert. Die betreuenden Physiotherapeutinnen und
-therapeuten sollten sich ihrer Einschätzung nach jedoch nicht davor
scheuen, die Betroffenen gezielt zu fordern: Bei entsprechender
Aufklärung und Unterstützung profitieren diese von dem
Training.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell