Key words intensive care unit - mortality prediction - adrenal gland - spleen
Einleitung
Der CT-Hypoperfusionskomplex [1 ]
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[5 ] umfasst eine Vielzahl von Bildgebungsmerkmalen, die beim Vorliegen einer ausgeprägten
Hypoperfusion im Rahmen von meist lebensbedrohlichen Zuständen an Organen beobachtbar
sind. Ende der 80er Jahre wurde der CT-Hypoperfusionskomplex zunächst bei polytraumatisierten
Kindern beschrieben. Dabei zeigten sich im Rahmen eines hypovolämischen Schocks Perfusionsveränderungen
an Gastrointestinaltrakt, Pankreas und Milz [6 ]. Die klinischen Zeichen für einen Schock sind oftmals nicht verlässlich, sodass
besonders bei kritischen Patienten ohne das Vorliegen von Schocksymptomen ein bildmorphologischer
Indikator Aussagen über einen reduzierten hämodynamischen Gesamtzustand und eine radiologische
Identifikation von „patients at risk“ versprach. Es erschienen in der Folge vereinzelte
auf Intensivpatienten fokussierte Studien, die neben dem klassischen „Flat-cava“-Zeichen
der Vena cava inferior [7 ] weitere Organe untersuchten. Elst et al. konstatierten 2020, dass es trotz der langen
Zeitspanne seit der Erstbeobachtung der Zeichen bislang „keinen Konsens über die Häufigkeit
oder klinische Relevanz dieser Zeichen“ gebe [8 ]. Häufig zeigen sich beim CT-Hypoperfusionskomplex eine verminderte Anreicherung
der Milz [9 ], eine verstärkte Anreicherung der Nebennieren [10 ] sowie eine verstärkte Anreicherung der Aorta [11 ]
[12 ]. Qualitativen Beschreibungen folgten ROI (region of interest)-basierte Analysen
des Anreicherungsverhaltens einzelner Organe oder Messungen von Organ- und Gefäßdiametern,
die im Gruppenvergleich ein erhöhtes Mortalitätsrisiko ergaben. Das Über- oder Unterschreiten
arbiträrer Schwellenwerte [13 ]
[14 ] wurde vereinzelt für Klassifikationszwecke genutzt und ermöglichte in begrenztem
Maße individuelle Risikoaussagen [14 ].
Im Fokus der hier vorgestellten Studie stehen Intensivpatienten. Im klinisch-radiologischen
Alltag fielen uns bei einer Vielzahl dieser Patienten hyperdense Nebennieren in der
kontrastmittelgestützten CT auf, wobei einige Patienten in den Folgetagen verstarben.
Die unterschiedlichen Ansätze vorangegangener Studien bezüglich der Auswahl der Kontrastmittelphasen
und der Organe bewogen uns zunächst zu einem systematischen Vergleich des Anreicherungsverhaltens
in der arteriellen und portalvenösen Phase auf Grundlage ROI-basierter Messungen [15 ]
[16 ]. Wir fokussierten uns auf die Nebennieren und die Milz sowie die großen Abdominalgefäße.
Die portalvenöse Kontrastmittelphase zeigte in ROC (receiver operating characteristics)-Analysen
den stärksten Zusammenhang zwischen Organdichtewerten und Mortalität auf. In dieser
Phase besitzen schon die Organdichten für sich einen substanziellen Vorhersagewert,
innerhalb der ersten 3 Tage nach Bildgebung zu versterben [15 ]. Die Güte der Vorhersage wird jedoch entscheidend gesteigert, wenn die Organdichtewerte
entweder in Relation zueinander oder zu den großen Abdominalgefäßen gesetzt werden
[16 ]. Als aussagekräftigster Parameter für die kurzfristige Mortalitätsvorhersage bei
kritisch kranken Patienten stellte sich in einer Pilotstudie an 133 Patienten das
Verhältnis der Dichtewerte der Nebennieren zur Milz heraus. Bei Überschreiten eines
Schwellenwertes von 1,41 war die Wahrscheinlichkeit des Versterbens überaus hoch [16 ] mit den besten Prognoseergebnissen für die 72-Stunden-Mortalität.
Die Organparameter waren einfach und schnell messbar und zudem gut reproduzierbar.
Daher erschien uns das Nebennieren-Milz-Verhältnis als bildbasiertes Screening-Instrument
zur Identifikation kurzfristig lebensbedrohlicher Zustände bei kritisch Kranken gut
geeignet zu sein. Allerdings wurde dieser Prädiktor bislang nicht hinsichtlich seiner
Stabilität unter Zugrundelegung einer größeren und differenten Prüfkohorte untersucht.
Dies war das Ziel der vorgelegten Studie. Bei der neuen Kohorte fanden nicht nur vitale,
sondern jegliche Anlässe für eine Bildgebung Berücksichtigung, um so eine repräsentative
Gruppe von Intensivpatienten mit Bedarf an radiologischer Bildgebung zu rekrutieren.
Es sollte überprüft werden, ob der in der Pilotstudie ermittelte Schwellenwert aus
dem Organverhältnis von Nebennieren zur Milz bei Anwendung auf die neue Kohorte ebenfalls
eine gute Diskrimination zwischen Versterbenden und Überlebenden erlaubt. Zudem sollte
überprüft werden, ob der an der neuen Kohorte ermittelte neue Schwellenwert wesentlich
vom in der Pilotstudie ermittelten Schwellenwert differiert und eine etwaige Differenz
zu relevanten Unterschieden in der prognostischen Güte beider Schwellenwerte hinsichtlich
des kurzfristigen Überlebens führt.
Material und Methoden
Patienten und Studiendesign
Das Ethikkomitee genehmigte die retrospektive Studie (EK 414 092 019). Wir haben das
Radiologie-Informationssystem (RIS) unserer Einrichtung nach Patienten durchsucht,
die zwischen Juni und August 2020 während ihres intensivmedizinischen Aufenthalts
eine kontrastmittelverstärkte CT des Abdomens in der portalvenösen Phase erhalten
haben. Ausgeschlossen wurden Patienten mit Pathologien der Milz und Nebennieren, fehlender
Dokumentation und Tod durch Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen. Es erhielten
290 auf der Intensivstation betreute Patienten einen abdominalen CT-Scan. 371 CT von
203 Intensivpatienten (127 männlich, Alter: 68,1 ± 14,4 Jahre) erfüllten die Einschlusskriterien
([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Studienablaufplan mit Gründen/Anzahl der ausgeschlossenen/eingeschlossenen Patienten.
† = Anzahl der verstorbenen Patienten.
CT-Bildakquisition und Nachbearbeitung
Die Patienten wurden mit einem 128- oder einem 192-Schicht-Scanner (Somatom Definition
AS oder Edge bzw. Force, Siemens, Forchheim, Deutschland) untersucht. Alle Untersuchungen
erfolgten mit 110 kV und automatischer Röhrenstrommodulation (CAREDose 4 D, Siemens).
Die Kontrastmittelgabe erfolgte durch die Injektion von 1 ml/kg KG nichtionischem
iodiertem Kontrastmittel (Ultravist 370 mg/kg, Bayer Schering Pharma, Berlin, Deutschland
oder Solutrast 370 mg/kg, Bracco Imaging Deutschland GmbH, Konstanz, Deutschland)
mit einer Flussrate von 3–4 ml/s, gefolgt von 50 ml Kochsalzlösung. Die portalvenöse
Phase wurde 70 Sekunden nach Beginn der Kontrastmittelinjektion erhoben und in unserem
Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem (IMPAX Agfa HealthCare, Bonn, Deutschland)
hinterlegt.
Bildauswertung
Ein Radiologe mit 4,5 Jahren Erfahrung in der abdominalen CT beurteilte die CT-Untersuchungen.
Die Auswertung der Bilddaten erfolgte an einer PACS-Workstation (IMPAX Agfa HealthCare,
Bonn, Deutschland). Die Kontrastierung der Nebennieren und der Milz wurde auf Bildern
der portalvenösen Phase in 3 mm-Schichten analysiert. Für die quantitative Analyse
wurden die Hounsfield-Einheiten (HE) vorzugsweise in der Konfluenz beider Nebennierenschenkel
durch ROI-Messungen in axialen Schnitten bestimmt und gemittelt. Alle Messungen wurden
in stark vergrößerten Bildern durchgeführt, um angrenzendes Fett zu vermeiden. Die
HE der Milz wurde durch Platzierung von 3 kreisförmigen ROI (2,0 cm2 groß) auf 3 verschiedenen axialen Ebenen durch das kraniale, mittlere und kaudale
Drittel der Milz in der portalvenösen Phase ermittelt [9 ]. Durch kleine Milzinfarkte bedingte hypodense dreieckige Bereiche an der Milzperipherie
wurden nicht in die Messung einbezogen. Der gemittelte HE-Wert wurde für die Datenanalyse
verwendet. Das dimensionslose Nebennieren-Milz-Verhältnis wurde definiert durch die
mittlere HE der Nebennieren geteilt durch die mittlere HE der Milz.
Statistische Auswertung
Die Datenanalyse wurde mit MedCalc 19.6.1 (MedCalc Software bvba, Ostende, Belgien)
durchgeführt. Merkmale der Studienpopulation wurden durch Mittelwerte und Standardabweichungen
für kontinuierliche Variablen angegeben. Nach der Berechnung der Nebennieren-Milz-Verhältnisse
aus den Organdichtewerten wurden die Patienten anhand des in Pilotstudien definierten
Schwellwertes für die 72-Stunden (= Kurzzeit)-Mortalität klassifiziert. Zudem wurden
anhand der Datenpunkte und den zugeordneten binären Konfusionsmatrizen der aktuellen
ROC-Kurve für die 72-Stunden-Mortalität die zugehörigen Matthews-Korrelationskoeffizienten
(MCC) berechnet und für den maximalen MCC der aktuelle Schwellenwert für das Nebennieren-Milz-Verhältnis
sowie die Fläche unter der Kurve (AUC), Sensitivität, Spezifität, positiver (PPV)
und negativer prädiktiver Vorhersagewert (NPV) sowie positives und negatives Likelihood-Verhältnis
ermittelt [17 ]. Als Maximierungskriterium diente sowohl in der Pilot- als auch der aktuellen Studie
der MCC, da in balancierten und unbalancierten Datensätzen ein Prädiktor dann einen
hohen MCC erreicht, wenn er die meisten Fälle unter Berücksichtigung aller Kategorien
der Konfusionsmatrix richtig klassifiziert [18 ]
[19 ]. Es erfolgte zusätzlich die Berechnung der Fläche unter der Precision-Recall-Kurve
(PRC). Die PRC als Performance-Metrik sollte den Einfluss des Einschlusses von überlebenden
Patienten mit unterschwelligem Nebennieren-Milz-Verhältnis zur neuen Kohorte und der
dadurch potenziell relevanten Zunahme der Imbalance von versterbenden zu überlebenden
Patienten berücksichtigen. Diese kann durch die Erhöhung der Spezifität in einer ROC-Kurve
mit erhöhter Fläche unter der ROC-Kurve und damit einem vermeintlich besseren Testergebnis
resultieren. Der alleinig in der PCR adressierte positive Vorhersagewert (= Precision)
ist für die Einschätzung wichtig, ob Patienten mit einem überschwelligen Nebennieren-Milz-Verhältnis
tatsächlich versterben. Nur eine Verbesserung der PCR indiziert eine tatsächlich bessere
Test-Performance. Für den besten Mortalitätsprädiktor werden ROC, PRC, relative Chance
und relatives Risiko dargestellt [20 ]
[21 ]. Die statistische Signifikanz wurde als p < 0,05 definiert.
Ergebnisse
Patienten-Outcome
20 Intensivpatienten (9,9 %) verstarben innerhalb der ersten 24 Stunden, 38 Patienten
(18,7 %) innerhalb von 48 Stunden und 49 Patienten (24,1 %) innerhalb von 72 Stunden
nach der Bildgebung. Für alle Zeitintervalle gab es einen signifikanten Unterschied
im Gruppenvergleich von verstorbenen und überlebenden Patienten für sowohl die Dichte
von Milz und Nebennieren als auch dem Nebennieren-Milz-Verhältnis, wobei die Gruppe
der Überlebenden im Mittel ein Nebennieren-Milz-Verhältnis von kleiner oder gleich
1, die Verstorbenen dagegen von ca. 2,4 bis 2,6 aufwiesen ([Tab. 1 ]; [Abb. 2 ]).
Tab. 1
Ergebnisse des t-Tests für 2 Stichproben (gleiche Stichprobenvarianz)/Welchs t-Test
(ungleiche Stichprobenvarianz) für die 24-, 48- und 72-Stunden-Sterblichkeit.
Überlebende vs. Verstorbene
Nebennieren (HU)
Milz (HU)
Nebennieren-Milz-Verhältnis
24-Stunden-Sterblichkeit
84.95 ± 24.96 vs.
113.60 ± 34.42
(Welchs t -Test; p = 0.0016)
90.79 ± 29.42 vs. 54.61 ± 20.71
(t -Test; p < 0.0001)
1.00 ± 0.50 vs.
2.58 ± 1.47
(Welchs t -Test; p = 0.0001)
48-Stunden-Sterblichkeit
83.72 ± 22.88 vs.
109.70 ± 38.86
(Welchs t -Test; p = 0.0002)
93.07 ± 28.00 vs.
57.48 ± 26.70
(t -Test; p < 0.0001)
0.94 ± 0.36 vs.
2.34 ± 1.29
(Welchs t -Test; p < 0.0001)
72-Stunden-Sterblichkeit
82.92 ± 22.49 vs.
108.52 ± 35.95
(Welchs t -Test; p < 0.0001)
94.47 ± 27.23 vs. 57.03 ± 25.65
(t -Test; p < 0.0001)
0.89 ± 0.16 vs.
2.32 ± 1.24
(Welchs t -Test; p < 0.0001)
Abb. 2 a Initialer abdominaler portalvenöser CT-Scan eines 53-jährigen Patienten mit Z. n.
Gastrektomie. Der weiße Pfeil zeigt auf die Nebenniere (gemittelte Dichtewerte der
Nebennieren: ≈ 72); der weiße Kreis liegt in der Milz (gemittelte Dichtewerte der
Milz: ≈ 72; Nebennieren-Milz-Verhältnis: ≈ 1). Der Patient überlebte die auf die Bildgebung
folgenden 72 Stunden. b Erneuter abdominaler portalvenöser CT-Scan desselben Patienten zu einem späteren
Zeitpunkt, jetzt aufgrund vitaler Gefährdung. Der weiße Pfeil zeigt auf die Nebenniere
(gemittelte Dichtewerte der Nebennieren: ≈ 107); der weiße Kreis liegt in der Milz
(gemittelte Dichtewerte der Milz: ≈ 24; Nebennieren-Milz-Verhältnis: ≈ 4,46). Der
Patient verstarb innerhalb der nächsten 72 Stunden an septischem Multiorganversagen.
Validierung der Prognosegüte des in der Pilotstudie bestimmten ROC-basierten Nebennieren-Milz-Schwellenwert-Verhältnisses
hinsichtlich der 72-Stunden-Mortalitätsvorhersage
Nach der Klassifizierung der Daten auf Basis des in der Pilotstudie bestimmten Schwellenwertes
des Nebennieren-Milz-Verhältnisses von 1,41 wurden 96 % der Intensivpatienten (= Genauigkeit)
korrekt in der Konfusionsmatrix hinsichtlich der Zuweisung zu einem überschwelligen
bzw. unterschwelligen Nebennieren-Milz-Verhältnis als auch dem Überleben oder Versterben
innerhalb von 72 Stunden nach Bildgebung klassifiziert (Sensitivität = 81,63 %, Spezifität = 99,07 %,
PPV = 93,00 %, NPV = 97,30 %, +L = 87,62, – L = 0,19). Wie in der Pilotstudie zeigte
sich eine hohe Trennschärfe für die Mortalitätsvorhersage für das Nebennieren-Milz-Verhältnis
(AUC = 0,97) mit hohen Sensitivitäten und hohen Spezifitäten. Bei einem Schwellenwert
von 1,41 wurden 13 von 371 Datensätzen falsch klassifiziert (falsch positiv: 3, falsch
negativ: 10).
Prognosegüte der ROC-basierten aktuellen Organschwellenwerte von Nebenniere und Milz
hinsichtlich der 72-Stunden-Mortalitätsvorhersage
Mit einem niedrigen MCC und einer sehr geringen Sensitivität ist der Nebennierenschwellenwert
für sich genommen als Prognosefaktor nicht tauglich ([Tab. 2 ]). Die Milz weist generell deutlich bessere Werte für die einzelnen prognostischen
Parameter auf, hat jedoch eine unzureichende Sensitivität.
Tab. 2
Ergebnisse der ROC-Analyse der untersuchten Mortalitätsprädiktoren. Cut-off-Werte/Verhältnisse
für die 72-Stunden-Mortalitätsvorhersage in der portalvenösen Phase. AUC = Fläche
unter der Kurve. SENS = Sensitivität. SPEC = Spezifität. PPV = positiver prädiktiver
Wert. NPV = negativer prädiktiver Wert. +LR = positive Likelihood Ratio. -LR = negative
Likelihood Ratio. MCC = Matthews-Korrelationskoeffizient. PRAUC = Fläche unter der
Precision-Recall-Kurve.
ROC-Analyse für 72-Stunden-Mortalitätsprädiktoren
Prädiktor
Cut-off
AUC
SENS (%)
SPEC
(%)
PPV
(%)
NPV
(%)
+LR
-LR
p-Wert
MCC
Accuracy
PRAUC
Nebennieren
> 142 HU
0.730
16.33
98.76
66.70
88.60
13.14
0.85
< 0.0001
0.29
87.88 %
0.262
Milz
≤ 43 HU
0.870
44.9
99.69
95.70
92.20
144.57
0.55
< 0.0001
0.63
92.45 %
0.704
Nebennieren-Milz-Verhältnis
> 1.37
0.974
83.67
99.07
93.20
97.60
89.81
0.16
< 0.0001
0.86
97.03 %
0.922
Prognosegüte des ROC-basierten aktuellen Nebennieren-Milz-Schwellenwert-Verhältnisses
hinsichtlich der 72-Stunden-Mortalitätsvorhersage
Der an der aktuellen Kohorte ermittelte Schwellenwert für das Nebennieren-Milz-Verhältnis
von 1,37 weicht nur geringfügig vom in der Pilotstudie ermittelten Schwellenwert ab
und weist eine geringfügig höhere Sensitivität von 83,67 % (95 % CI:70,3–92,7) und
eine identische Spezifität von 99,07 % (95 % CI:97,3–99,8) für ein Versterben innerhalb
der ersten 3 Tage nach Bildgebung (AUC = 0,97, p < 0,0001, MCC = 0,87) auf ([Abb. 3, ]
[Tab. 2 ]).
Abb. 3 Vergleich der ROC-Kurven bezüglich der Kurzzeit-Mortalitätsvorhersage: Von den untersuchten
Prädiktoren eignet sich das Nebennieren-Milz-Verhältnis am besten für die Kurzzeit-Mortalitätsvorhersage
(AUC = 0,974). Die Fläche unter der Kurve als Maß für die diagnostische Güte ist für
das Nebennieren-Milz-Verhältnis signifikant größer als für die Organdichtewerte der
Nebennieren (ΔAUC = 0,244; p < 0,0001) und der Milz (ΔAUC = 0,104; p = 0,0013).
Der positive Likelihood-Quotient betrug 89,55 (95 % CI:28,9–278,9), der negative Likelihood-Quotient
betrug 0,16 (95 % CI:0,09–0,3) mit einer daraus resultierenden Nachtest-Wahrscheinlichkeit
von ca. 93 % bei einer Vortest-Wahrscheinlichkeit von 24,1 % (72-Stunden-Mortalität).
Die relative Chance betrug 544,95 (95 % CI: 139,01–2136,45); das relative Risiko 38,09
(95 % CI: 19,12–75,87).
Bei einem Schwellenwert von 1,37 wurden 11 von 371 Datensätzen (falsch positiv: 3,
falsch negativ: 8) falsch klassifiziert.
PRC-Analyse für die 72-Stunden-Mortalität
In der PRC ([Abb. 4 ]) ergab sich bei einem Schwellenwert des Nebennieren-Milz-Verhältnisses von 1,37
eine hohe Sensitivität und mit 93,2 % richtigen Vorhersagen ein hoher PPV (PRAUC = 0,922).
Abb. 4 Precision-Recall-Kurven (PRC) für das Nebennieren-Milz-Verhältnis (PRAUC = 0,922).
Für einen Schwellenwert von > 1,37 ergibt sich das beste Verhältnis von Präzision
(93,2 %) zur Sensitivität (83,67 %).
Diskussion
Ziel der Studie war die Bewertung der Eignung des Nebennieren-Milz-Verhältnisses als
bildbasierter Screening-Parameter zur Vorhersage der Kurzzeitmortalität. Dabei wurden
an einer neuen Kohorte von Intensivpatienten die Prognosegüte sowohl des in einer
Pilotstudie bestimmten als auch des neu bestimmten Schwellenwertes für das Organdichteverhältnis
von Nebennieren zur Milz ermittelt und verglichen. Im Unterschied zur Kohorte in der
Pilotstudie mit vitaler Indikation und triphasischem Notfall-CT wurden auch Intensivpatienten
ohne vitale Gefährdung eingeschlossen, da ein bildbasierter Prognoseparameter für
jeglichen Intensivpatienten anwendbar sein soll.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Schwellenwerte unterschiedlicher Kohorten nur gering
voneinander abweichen und das Nebennieren-Milz-Verhältnis die Kurzzeitmortalität auch
bei Einbezug nicht vital gefährdeter Patienten gut vorhersagen kann.
Die Diskrimination zwischen Versterbenden und Überlebenden unter Anwendung der Schwellenwerte
ist hoch, ungeachtet dessen, ob der Schwellenwert der eigenen oder der anderen Kohorte
entstammt. So kann der im Prüfkollektiv ermittelte Schwellenwert des Nebennieren-Milz-Verhältnisses
von 1,37 kritisch kranke Risikopatienten, die innerhalb von 3 Tagen nach der CT-Untersuchung
versterben, mit hoher Sensitivität (83 %) und Präzision (93 %) identifizieren. Die
Trennschärfe unter Anwendung des in der Pilotstudie ermittelten Schwellenwertes von
1,41 ergibt mit einer Sensitivität von 82 % und einer Präzision von 93 % nahezu identische
Werte.
Die Milz ist ein gut perfundiertes Organ, das als Reservoir für Thrombozyten und rote
Blutkörperchen gilt [15 ]. In lebensbedrohlichen Zuständen scheinen die Aktivierung des sympathischen Nervensystems
sowie humorale Effekte auf die Versorgungsgefäße und das milzeigene Bindegewebe den
arteriellen Zufluss zu vermindern und den venösen Abfluss zu erhöhen [6 ]. Diese Drainageeffekte können sich in einer Abnahme der Dichtewerte nach Kontrastmittelapplikation
widerspiegeln, wie unsere Ergebnisse aus Mittelwertvergleich und ROC-Analyse zeigen.
Die Patienten mit Sepsis oder septischem Organversagen nehmen mit 23 % den größten
Anteil ein, wobei jeder dritte dieser Patienten verstarb. Di Serafina et al. betonen,
dass bei vergleichbaren CT-Befunden die pathogenen Mechanismen, die dem hypotensiven
Schock und dem septischen Schock zugrunde liegen, recht unterschiedlich sind [22 ]. Erhöhte Dichtewerte der Nebennieren werden generell mit einer Aktivierung der Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
in Verbindung gebracht. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Hypothese einer verstärkten
Anreicherung der Nebennieren aufgrund einer vermehrten Ausschüttung von Katecholaminen
[10 ] in einer Stresssituation nicht hinreichend ist. So beobachteten Peng et al. in einem
Kollektiv von 194 kritisch kranken Patienten mit septischem Schock ein spezielles
Anreicherungsmuster der Nebennieren in der kontrastmittelverstärkten Zweiphasen-CT
[23 ]. Dabei zeigte die zentrale Zone der Nebenniere in der arteriellen Phase eine deutlich
geringere Abschwächung als die periphere Zone. Die Inzidenz dieses Zeichens lag bei
hoher Mortalität in beiden Gruppen in der septischen Schockgruppe mit fast 30 % deutlich
höher als in der hämorrhagischen Schockgruppe, in der kein Patient dieses Zeichen
aufwies. Die Autoren postulierten spezifische pathophysiologische Veränderungen während
eines septischen Schocks, bei denen in der arteriellen Phase eine gestörte Mikrozirkulation
der Nebenniere einen größeren Einfluss auf den zentralen Teil der Nebenniere habe
mit geringerem Enhancement als in der peripheren Zone. Eine Schwellung der Nebenniere
belege zudem eine funktionelle und strukturelle Schädigung. Zudem ist unklar, ob die
Nebennieren-Veränderungen Epiphänome kreislaufkritischer Situationen sind oder einen
direkten Zusammenhang zu diesen haben.
Einen nicht zu vernachlässigenden Mortalitäts-Faktor stellt die exogene Catecholamin-Gabe
bei Intensivpatienten dar, da diese aufgrund ihres vasokonstriktiven Effektes eine
bei einem relevanten Anteil der Intensivpatienten auftretende nicht okklusive mesenteriale
Ischämie begünstigen kann, die mit einer hohen Mortalität einhergeht.
Eine Limitation der Studie ist ihr retrospektives Design. Eine prospektive Studie
mit zusätzlicher Erfassung von Laborparametern, intensivmedizinischer Medikation sowie
von Organfunktions-Scores ist daher wünschenswert. Eine weitere Limitation kann in
Messungenauigkeiten begründet sein. Durch digitale Vergrößerung der relativ kleinen
Nebennieren wurde versucht, etwaige Ungenauigkeiten zu minimieren. Dennoch können
angrenzendes Fettgewebe und partielle Volumeneffekte die Messungen beeinflusst haben.
Die Kombination von Milz- und Nebennierenmessungen zur Organverhältnisbildung kann
zudem eine Fehlerfortpflanzung begünstigen, die wir durch Milzmessungen mit Mittelwertbildung
unter Ausschluss dreieckiger, keilförmiger oder inhomogener Bereiche zu begrenzen
versuchten. Die Messungen in dieser Studie wurden nur durch einen Radiologen vorgenommen,
da der Intraklassen-Korrelationskoeffizient der Vorstudien mit 0,90 [15 ]
[16 ] eine sehr hohe Übereinstimmung der Bewerter ergab.
Das Nebennieren-Milz-Verhältnis berücksichtigt die gegensätzlichen Anreicherungsphänomene
mit abnehmender Dichte der Milz und zunehmender Dichte der Nebennieren. Das Organverhältnis
weist eine ausgezeichnete Trennschärfe zur Unterscheidung zwischen Verstorbenen und
Überlebenden (AUC: 0,97) bezüglich der 3-Tage-Mortalität auf. Man kann annehmen, dass
für dieses kurze Intervall nach der Bildgebung eine voraussichtliche Ursache, d. h.
der Zustand des Intensivpatienten und Wirkung, d. h. das Versterben des Patienten,
erheblich enger zusammenhängen als zu späteren Zeitpunkten. Der MCC wurde als Klassifikator
gewählt, weil er eine adäquate Statistik in unausgewogenen Datensätzen mit einer deutlich
höheren Anzahl von Überlebenden als Verstorbenen liefert. Die Aufnahme von Patienten
mit Intensivstationsaufenthalt, aber ohne vitale Indikation und mit niedrigen Testergebnissen,
d. h. in unserem Fall einem geringem Nebennieren-Milz-Verhältnis, kann generell eine
ROC-Kurve erheblich verbessern, ohne die Sensitivität oder den positiven Vorhersagewert
des bewerteten Parameters zu erhöhen. Die Hinzunahme der PRC als weitere Performance-Metrik
ergab jedoch, dass das Nebennieren-Milz-Verhältnis in der aktuellen Kohorte ebenfalls
durch einen guten positiven Vorhersagewert charakterisiert ist.
Bei einem substanziellen Anteil von Intensivpatienten ist ein konträres Anreicherungsverhalten
von Nebennieren und Milz in der portalvenösen CT-Phase beobachtbar und mit einer erhöhten
kurzfristigen Mortalität assoziiert.
Die quantitative Analyse des Nebennieren-Milz-Verhältnisses bei kritisch kranken Patienten
ermöglicht retrospektiv eine Aussage über das Sterbe- bzw. Überlebensrisiko in der
Folgezeit, da bei Überschreiten eines Schwellenwertes von ca. 1,4 ein außergewöhnlich
hohes Risiko des Versterbens innerhalb der nächsten 72 Stunden gegeben ist.
Die Ermittlung des Nebennieren-Milz-Verhältnisses lässt sich einfach und schnell vornehmen
und ist gut reproduzierbar.
Dieser radiologische Parameter kann bei verlässlicher Reproduzierbarkeit in prospektiven
Studien zur Identifizierung von Patienten mit einem erhöhten Risiko des kurzfristigen
Versterbens verwendet und in therapeutische Überlegungen der Intensivmediziner einbezogen
werden.