Zum Zeitpunkt der Diagnose „rheumatoide Arthritis“ (RA) leiden
die Betroffenen häufig bereits unter ausgeprägten Beschwerden:
Gelenke im ganzen Körper sind schmerzhaft entzündet, die
Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt. Weil die Wirkung der
Basistherapie mit sog. konventionellen, synthetisch hergestellten DMARDs
(Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs) wie z. B. Methotrexat nur
verzögert einsetzt, werden diese zunächst mit Glukokortikoiden
(Kortison-Präparate) kombiniert. Diese unterdrücken die
Entzündung rasch, lindern die Krankheitssymptome sofort und
überbrücken somit die Zeit bis zur Wirkung der Basismedikamente.
„Glukokortikoide haben jedoch ein breites Spektrum an möglichen
unerwünschten Wirkungen, vor allem wenn sie über eine
längere Zeit oder in hoher Gesamtmenge eingenommen werden“, sagt
Prof. Andreas Krause, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin und
Präsident der DGRh. „Im Hinblick auf kardiovaskuläre
– also das Herz und Gefäßsystem betreffende –
Ereignisse zählen u. a. Herzinfarkt, Schlaganfall, entgleister
Bluthochdruck und Thrombosen dazu“. „Daher achten
Rheumatolog:innen sehr darauf, Glukokortikoide nur so kurz wie möglich
und so niedrig wie nötig zu dosieren. Dies wird in den
EULAR-Empfehlungen nun noch einmal konkretisiert. Die aktuelle Empfehlung der
EULAR (2022) zum Ausschleichen der begonnenen Glukokortikoid-Therapie wurde
gegenüber der vorherigen Empfehlung aus dem Jahr 2019 insofern
verschärft, als dass Glukokortikoide nicht nur so schnell wie
möglich reduziert, sondern reduziert und dann abgesetzt werden sollen.
Diese überarbeitete Empfehlung stimmt mit der Leitlinie der DGRh
überein, welche bereits 2018 empfahl, dass die Glukokortikoid-Therapie
auf drei bis sechs Monate beschränkt werden soll. „Dies
impliziert, dass auch sehr geringe Dosen von weniger als fünf Milligramm
pro Tag demnach nicht als Dauertherapie gegeben, sondern weiter reduziert und
abgesetzt werden sollen“, so Krause. Denn für das
kardiovaskuläre Risiko sei nicht nur die tägliche, sondern auch
die im Laufe der Zeit eingenommene Gesamtmenge an Glukokortikoiden
ausschlaggebend.
Aktualisiert hat die EULAR auch die Empfehlungen zu den so genannten
Januskinase-Inhibitoren (JAK-Hemmer). Diese noch junge Gruppe von synthetisch
hergestellten DMARDs (tsDMARDs) blockiert die für
Entzündungsprozesse wichtigen Enzyme der Familie der Januskinasen.
„Zu diesen Wirkstoffen sind in den vergangenen Monaten teils
widersprüchliche Studienergebnisse publiziert worden“, sagt
Krause. Vor allem die von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA in
Auftrag gegebene ORAL Surveillance Studie habe Fragen zur Sicherheit des
JAK-Hemmers Tofacitinib bei Patienten mit einem erhöhten
kardiovaskulären Risiko aufgeworfen. An der Studie hatten über
4300 Patienten, die an einer RA erkrankt waren und das 50. Lebensjahr
überschritten hatten, teilgenommen. Bei den Studienteilnehmer:innen, die
Tofacitinib erhielten, traten geringfügig häufiger
schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse auf – etwa
Herzinfarkte oder Schlaganfälle – als in einer Vergleichsgruppe
von Patient:innen, die mit einem TNF-Blocker behandelt wurde. Auch
Lungenkrebserkrankungen waren unter Tofacitinib etwas häufiger.
„Diese Effekte sehen wir in Registerdaten allerdings nicht“,
betont Krause und verweist auf eine kürzlich publizierte Auswertung des
deutschen RABBIT-Registers. Hier war die Einnahme von JAK-Hemmern nicht mit
einem höheren Herz-Kreislauf-Risiko verbunden.
Auch die EULAR-Empfehlung rät von JAK-Inhibitoren daher nicht generell
ab. In ihrem angestammten Einsatzgebiet – als Zweitlinientherapie, wenn
konventionelle DMARDs nicht ausreichend ansprechen – können sie
weiterhin gegeben werden, so die EULAR. In der Abwägung
gegenüber dem Einsatz von Biologika müssen dabei die
einschlägigen Risikofaktoren (u. a. die kardiovaskulären
und infektiologischen Risikofaktoren) besonders berücksichtigt
werden.
„Solche individuellen Risikofaktoren spielen bei jeder
Therapieentscheidung eine wichtige Rolle“, sagt PD Dr. med. Jan Leipe,
Sektionsleiter Rheumatologie am Universitätsklinikum Mannheim. Das gelte
auch für andere Risiken und Begleiterkrankungen, die bei RA-Patienten
vermehrt auftreten, wie etwa Osteoporose, Infektionen, Krebs oder Depressionen,
so Leipe, der die Entwicklung der neuen DGRh-Leitlinie zu
kardiovaskulären Komorbiditäten bei
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen koordiniert. Generell gelte es,
individuelle Risikofaktoren zu identifizieren, die Patient:innen über
deren Bedeutung für die RA-Therapie aufzuklären und gemeinsam zu
einer Therapieentscheidung zu kommen. „Patienten sprechen
unterschiedlich auf medikamentöse Therapien an, und auch die
Nebenwirkungen unterscheiden sich“, ergänzt
DGRh-Präsident Krause. Daraus ergäben sich persönliche
Präferenzen, die bei der Wahl der Behandlung berücksichtigt
werden sollten – denn nicht zuletzt sei auch die Therapietreue
entscheidend dafür, wie gut die Erkrankung und mögliche
Komplikationen beherrscht werden könnten. Es sei daher sehr zu
begrüßen, dass auch die neuen EULAR-Empfehlungen die
Therapiefreiheit im Wesentlichen aufrechterhielten.
Nach einer Pressemeldung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie
(DGRh)