NOTARZT 2022; 38(06): 310-313
DOI: 10.1055/a-1921-6664
Aktuelles

Probleme bei der notärztlichen Versorgung

Peter Sefrin
,
Volker Dörges

Das Gesundheitswesen ist ein elementarer Kernbereich der Daseinsfürsorge. In den letzten 30 Jahren hat sich der Rettungsdienst zu einem eigenständigen lebenswichtigen Organ im Gesundheitswesen entwickelt [1]. Nicht nur im ambulanten und klinischen Bereich, sondern auch in der Präklinik hat der Patient einen Anspruch auf eine (not-)ärztliche Hilfe. Die notärztliche Versorgung im Rettungsdienst ist obligater Bestandteil des medizinischen Gesamtversorgungskonzeptes. Schon 1992 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass „der Bürger Anspruch auf flächendeckende, hilfsfristorientierte, qualifizierte notärztliche Hilfe im Rettungsdienst hat, die dem jeweiligen Stand des medizinischen Wissens und der Technik entspricht und rund um die Uhr an jedem Ort sicherzustellen ist“. Dies wurde im Jahr 2003 insoweit ergänzt, dass es „Hauptanliegen des Notarztdienstes sei, Notfallpatienten durch notfallmedizinisch ausgebildete Ärzte ärztliche Hilfe zukommen zu lassen. Ein funktionsfähiges Rettungswesen sei ohne Notärzte nicht denkbar“ (AZ III ZR 217/01). Ärztliche Fachkompetenz und ärztlicher Sachverstand werden sowohl im Einsatzgeschehen vor Ort und bei der zunehmend zum Einsatz kommenden telemedizinischen Unterstützung der Rettungsdienstmitarbeiter als auch bei der Planung, Kontrolle und Sicherung der notfallmedizinischen Versorgung benötigt und vorausgesetzt. Die notärztliche Versorgung von Patienten mit schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen und Verletzungen erfolgt mit den Mitteln und Methoden der präklinischen Intensivmedizin auf der Basis interdisziplinär erarbeiteter Leitlinien der in der Notfallmedizin tätigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften [2].

Schon das Gutachten des Sachverständigenrates (SVR) zur Entwicklung im Gesundheitswesen aus dem Jahr 2018 [3] konstatierte: „Viele Hinweise legen nahe, dass die Versorgung von Notfallpatienten nicht bedarfsgerecht erfolgt“.

Der Rettungsdienst ist in der Bevölkerung etabliert und damit auch die Tatsache, dass für jedermann schnell und auch im nicht wirklich indizierten Zweifelsfall bequem ärztliche Hilfe erreichbar ist. Der SVR stellt in seinem Gutachten im Jahr 2018 fest, dass „ambulant gut behandelbare Patienten vermehrt direkt den Rettungsdienst und die Kliniken in Anspruch nehmen und somit für vergleichsweise harmlose Beschwerden hochspezialisierte Behandlungskapazitäten blockieren“ [3].

Auch bedingt durch o. g. Feststellung des SVR hat sich die Anzahl der (Notfall-)Einsätze in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich erhöht. In der letzten Analyse der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2019 betrug der Anteil der Notfalleinsätze der Jahre 2016/2017 mehr als die Hälfte (7,3 Mio. = 52,5%) an der Gesamtzahl der 13,9 Mio. Rettungseinsätze. 2016/2017 wurden von den Notfalleinsätzen 41,3% mit und 58,7% ohne Notarzt durchgeführt. Die Notarztquote am Gesamteinsatzaufkommen des Rettungsdienstes hat von 1994/95 bis 2016/17 von 20,1% auf 35,3% zugenommen [4].

In den Medien wird gerade in den letzten Monaten immer wieder darauf verwiesen, dass es nicht mehr gelingt, die Notarztdienste im Rettungsdienst an allen Standorten durchgehend zu besetzen und damit die notärztliche Versorgung sicherzustellen. Ein genereller Grund – wenn auch nicht der einzige – ist ein allgemeiner Ärztemangel.



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Article published online:
30 November 2022

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