Schlüsselwörter
Vitrektomie - Silikonöl - Perfluorocarbone - Schwefelhexafluorid - intraokulare Tamponaden
- Netzhautablösung
Einleitung
Die moderne Netzhautchirurgie mittels Pars-plana-Vitrektomie (PPV) wäre ohne adäquate
intraokular verwendbare Agenzien und Tamponaden nicht denkbar. Im Rahmen der klassischen
Buckelchirurgie
bei Netzhautablösungen mittels Plombe oder Cerclage mit und ohne subretinale transsklerale
Drainage bedarf es nicht zwingend einer intraokularen Tamponade, um die Netzhaut erfolgreich
wieder
anzulegen. Durch die alleinige buckelbedingte Wiederanlage des Foramens an seine
Unterlage und entsprechende Kryokoagulation zur Vernarbung kommt es durch die Flüssigkeitsabsorption
über das
retinale Pigmentepithel (RPE) zur erfolgreichen Behandlung. Führt man dabei eine
externe Drainage der subretinalen Flüssigkeit durch, kann, je nach Ausmaß der Drainage,
die aufgetretene
Hypotonie des Bulbus über eine transsklerale Luft- oder Gasinjektion kompensiert
werden. Bei dem chirurgischen Vorgehen ohne subretinale Drainage ist der durch die
Buckelung vorher benötigte
Volumengewinn durch Parazentese der Vorderkammer und ggf. mehrfache Ablassung
von Flüssigkeit zu erreichen. Je nach Konsistenz der ggf. zähflüssigen subretinalen
Flüssigkeit und der
Pumpfähigkeit des RPE kann die vollständige Wiederanlage der Netzhaut bei dieser
Operationsmethode manchmal Tage und sogar Wochen andauern. Kommt es allerdings zur
Netzhautanlage, wurde mit
hoher Wahrscheinlichkeit kein Netzhautloch übersehen und der Befund bleibt stabil.
Dem gegenüber steht der Vorteil einer i. d. R. sehr schnellen Wiederanlage nach externer
Drainage. Allerdings
ist in der frühen postoperativen Phase nicht sicher, ob vielleicht ein Foramen
übersehen wurde, das zu einem Ablatiorezidiv führen könnte. Einen sehr guten Überblick
über die Buckelchirurgie
geben Faude et al. in einem Review aus dem Jahre 2002 [1] und Hoerauf et al. in 2008 [2], die beide an Aktualität nichts eingebüßt
haben.
Die Buckelchirurgie wurde in den letzten Jahren – insbesondere unter immer weiterer
Verbreitung der nahtlosen 23-G-, 25-G- und 27-G-Vitrektomietechniken – in den Hintergrund
gedrängt [3], [4]. Da die Augenlinse möglichst zu schonen ist, die nach Glaskörperchirurgie bei ca.
30% der Augen bereits innerhalb eines Jahres
eintrübt, wird die Buckelchirurgie i. d. R. derzeit zumeist bei jüngeren Patienten
durchgeführt. Bei diesen Patienten haftet der zumeist noch sehr kompakte Glaskörper
stark an der Netzhaut an
und eine „vollständige“ Separation des Glaskörpers kann entweder nur inkomplett
oder mit deutlich erhöhten Risiken der Netzhautverletzung durchgeführt werden. Weitere
mögliche Indikationen der
Buckelchirurgie sind deshalb inferiore Netzhautablösungen mit Foramen/Foramina
in der unteren Zirkumferenz bei jüngeren Patienten. Operateure sind heutzutage allerdings
viel geübter in der
häufiger und schneller durchzuführenden primären Vitrektomie, die Visualisierung
von Foramina ist einfacher und die Buckelchirurgie wird immer mehr „verlernt“. Ein
weiterer Vorteil der
Vitrektomie liegt darin, dass auch sehr komplexe vitreoretinale Pathologien beim
Ersteingriff erfolgreich behandelt werden können, allerdings sollten die Buckeltechniken
aus oben erwähnten
Gründen ebenfalls weiterhin zur Verfügung stehen und dafür die Ausbildung darin
gepflegt werden.
Auch die Pseudophakieablationes, die ursächlich häufiger präorale kleinere Foramina
anstatt äquatorial gelegene Hufeisenforamina aufweisen und deshalb lange Zeit kombiniert
mittels
Vitrektomie und Cerclage operiert wurden, können derzeit bei gleichen oder besseren
Ergebnissen für die dauerhafte Wiederanlage sehr gut mittels alleiniger Vitrektomie
(mit 20-G- oder
trokargeführter 23- bis 25-G-PPV) behandelt werden [5]. Für die erfolgreiche Operation werden, je nach Schwere der Ausgangssituation, intraoperative
Substanzen wie
Luft, Gas, flüssige Perfluorocarbone (PFCL) und ggf. Silikonöl benötigt. Ebenfalls
von Faude et al. existieren auch zu den Gasen und den Perfluorocarbonen ältere, aber
sehr detaillierte
Übersichtsarbeiten zur Chemie, Wirkweise und den entsprechenden klinischen Anwendungsgebieten
[6], [7], [8].
Zweck dieser Übersicht ist es, das chirurgische Vorgehen insbesondere beim Umgang
mit den intraokularen Tamponaden im Sinne eines chirurgischen Basiskurses detailliert
zu beschreiben.
Operatives Setup
Je nach Bauart der modernen Vitrektomiemaschinen variieren die Zuleitungen mehr oder
weniger stark. Prinzipiell führt der Infusions-Port, das sog. „Sternchen“, das bei
der klassischen
20-G-Vitrektomie nach Bindehauteröffnung i. d. R. 3,5 – 4 mm entfernt vom Limbus
temporal unten nach entsprechender Sklerostomie mit einem geeigneten Spieß transskleral,
in den Glaskörperraum
reichend, platziert und dann mittels Naht fixiert wird, Flüssigkeit (z. B. Balanced
Salt Solution [BSS]) von der Maschine zum Auge, wobei der Intraokulardruck maschinenseitig
individuell
eingestellt werden kann. Bei phaker Situation wird ein kürzeres 4-mm-Sternchen
präferiert, um die Linse nicht zu gefährden, bei pseudophaker oder aphaker Situation
kann auf das längere
6-mm-Sternchen zurückgegriffen werden. Gerade bei schwierigeren Ablationes mit
bspw. proliferativer Vitreoretinopathie (PVR), primärer Aderhautschwellung oder Aderhautblutung
und einer
wahrscheinlichen Ölfüllung wird häufig noch die 20-G-Vitrektomie präferiert, da
sie ggf. eine bessere subretinale Chirurgie mithilfe gebogener Instrumente sowie eine
einfachere Ölfüllung
zulässt. Allerdings sind auch mittels trokargeführter PPV prinzipiell Öleingaben
und subretinale Chirurgie möglich.
Das Sternchen wird immer bei geschlossener Infusion ins Auge platziert und vor Öffnung
der Infusion der sichere intravitreale Sitz überprüft, um definitiv eine mögliche
Infusion in die
Aderhaut auszuschließen (am einfachsten, indem an der Seite der Mikroskopoptiken
vorbei schräg in das Auge geblickt wird; Öffnen der Infusion bei leichtem Druck des
Sternchens in das Auge und
nach Öffnung leichtes Zurückgleitenlassen). Ein längeres Sternchen bietet mehr
Sicherheit für eine optimale intravitreale Platzierung, beinhaltet aber eben das Risiko,
bei Verkippung und
phakem Auge die Linse zu beschädigen. Daher kann eine Fixation des Schlauches
mittels eines Steristrips hilfreich sein. Bei der trokargeführten Vitrektomie gilt
dieses Prinzip gleichermaßen.
Parallel zum Wasserzulauf kann auf den Luftzulauf an der Maschine (wahlweise aber
auch über das Schlauchsystem) umgeschaltet werden. Zusätzlich ermöglicht ein (weiterer)
3-Wege-Hahn die
Gaseingabe über eine Spritze ([Abb. 1]). Nach Einsetzen der Infusion werden 2 weitere Sklerostomien nasal und temporal
oben, bspw. in der 1:30-Uhr- und der
10:30-Uhr-Position gesetzt (möglichst weit auseinander, damit sich die Daumen
nicht berühren). Das Aufbougieren der Öffnungen mittels einer konisch zulaufenden
Sonde erleichtert das Einführen
der Instrumente bei der 20-G-Vitrektomie. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden,
dass Bindehaut und Tenon sauber entfernt werden, um mögliche Epithelinvasion zu vermeiden
und am Ende der
Operation adäquate Wundverhältnisse zur Readaptation (vornehmlich mittels Kreuzstichnaht
eines geflochtenen Vicryl- oder eines monofilen PDS-7.0-Fadens) zu gewährleisten.
Auch bei
trokargeführter Vitrektomie können Wundinsuffizienzen vorhanden sein, wobei dann
ebenfalls (transkonjunktival) genäht werden muss.
Abb. 1 Mögliches Setup des Zulaufes von BSS, Luft und Gas im Rahmen der Pars-plana-Vitrektomie.
In der Regel sollte bei trokargeführter Operationstechnik das Auge mit Luft oder Gas
zumindest im anterioren Bereich bei Operationsende verlassen werden, um eine bessere
Wunddichtigkeit zu
erreichen. Milde postoperative Hypotonien stellen zumeist kein Problem dar und
adaptieren sich von selbst, können aber natürlich doch das Risiko für Glaskörperblutungen
oder Aderhautamotiones
sowie Einblutungen auch aus den Sklerostomiezugängen erhöhen.
Wasser-Luft-Austausch
Luft hat eine Halbwertszeit von etwa 1 – 1,5 Tagen und verbleibt i. d. R. nach vollständiger
Füllung etwa 5 – 7 Tage im Auge ([Abb. 2]; adaptiert nach [6], [9]). Patienten müssen über das Verbot aufgeklärt werden, Flugreisen oder Ausflüge in
höhere Berglagen zu unternehmen bis die Luft- bzw.
Gastamponade vollständig resorbiert ist, da die Luft- bzw. Gasexpansion im Auge
eine Druckerhöhung bis zur Durchblutungsstörung der Zentralarterie mit entsprechender
Erblindungsgefahr bewirken
kann. Eine definitive Höhenangabe kann dabei nicht angegeben werden. Erfahrungen
variieren zwischen Druckproblemen ab einigen 100 m Höhe bis hin zu keinen Problemen
bei über 2000 m Höhe,
wahrscheinlich individuell abhängig auch von der Gasmenge. Vom Tauchen wird mit
Gasfüllung ebenfalls abgeraten, da hier gerade der erhöhte Außendruck des Wassers
mit möglicher Kompression von
Gewebe problematisch sein kann. Bei der Benutzung von Gasen ist es intraoperativ
wichtig, die nicht expansiven Mischungsverhältnisse von Gas und Luft zu kennen ([Abb. 2]).
Abb. 2 Merkmale der Verweildauer von Luft und Gasen im Auge (adaptiert nach [6], [9]).
Der einfache komplette Wasser-Luft-Austausch ist in [Abb. 3] dargestellt und kann bei anliegender Netzhaut einfach über die maschinenseitig eingestellte
Luftzufuhr erreicht werden, wenn die sog. Flötennadel über die Sklerostomie bis
zum hinteren Pol eingesteckt wird, über die das intraokulare Wasser dann durch den
Luftdruck hinausgedrückt wird
([Abb. 3]/[Video 1] [Zusatzmaterial A] und [Abb. 4]/[Video 2]
[Zusatzmaterial B]). Ebenfalls besteht die Möglichkeit, die Wasserphase aktiv mit dem Cutter bzw. Vitrektom
abzusaugen. Bei den Animationen ist anzumerken, dass entgegen der nicht
optimalen Darstellung der Flötennadel über der Fovea, diese zumeist über den tiefsten
Punkt des Auges, nämlich der Papille, gehalten werden sollte.
Abb. 3 Einfacher Wasser-Luft-Austausch bei anliegender Netzhaut. Über den Infusionsschlauch
wird maschinenseitig Luft in das Auge injiziert (Air/Gas). Durch die Flötennadel wird
das Wasser (H2O) aus dem Auge herausgedrückt (siehe [Video 1] [Zusatzmaterial A]).
Video 1
Zusatzmaterial A.
Abb. 4 Einfacher Wasser-Luft-Austausch intraoperativ. Die Flötennadel wird dem Wasserspiegel
folgend immer weiter bis zur Papille bewegt (siehe [Video 2]
[Zusatzmaterial B]).
Video 2
Zusatzmaterial B.
Ein solcher 3- bis 4-maliger Luft-Wasser-Austausch wird bspw. regulär bei der Silikonölentfernung
(s. u.) empfohlen, um möglichst sämtliche z. T. emulsifizierten Restölbläschen entfernen
zu
können, die sich zumeist an der Grenzfläche sammeln, an der die Öffnung der Flötennadel
bei der Luftbefüllung gehalten werden sollte. Wenn nach kompletter Luftfüllung wieder
auf „Wasser“
zurückgestellt wird, kann eine kurzfristige Bulbushypotonie entstehen, die durch
Justieren über die Flötennadel reguliert werden kann. Am Ende der Operation kann als
Hypotonieprophylaxe Luft
im Auge belassen werden, um das Nachblutungsrisiko zu mindern. Dies ist aber bei
anliegender Netzhaut ohne weitere Pathologien nicht zwingend nötig, wenn die Sklerostomien
vernäht werden. Am
Ende des Eingriffs wird der Infusions-Port herausgezogen und die i. d. R. vorgelegte
Naht zugezogen und verknotet. Bei der trokargeführten Vitrektomie werden die Trokare
einfach herausgezogen.
Aufgrund ihrer eingebauten Ventile stellen sie kein offenes System am Auge dar.
Dies ist der Grund, warum einige der Autoren zur chirurgischen Behandlung der Endophthalmitis
weiterhin die
20-G-Vitrektomie präferieren, da sie einen weitlumigen Durchfluss erlaubt, über
den die Keime möglicherweise besser herausgespült werden können. Allerdings kann dies
trokargeführt durch
aktives Saugen oder Entfernung der Ventile von den Trokaren ebenfalls erreicht
werden. Bei luftgefülltem Auge ist zu beachten, dass die periphere Netzhaut großflächiger
(„man sieht
peripherer“) abgebildet wird, wobei allerdings die Sichtbarkeit der retinalen
Strukturen selber schlechter wird. Problematisch kann das Beschlagen der Rückseite
einer Intraokularlinse nach
frisch erfolgter hinterer Kapsulotomie während der Vitrektomie sein, was dazu
führt, dass der hintere Pol nicht mehr klar erkennbar ist. Hier kann eine Injektion
von BSS oder Viskoelastikum
auf die Hinterseite der Linse die Sichtbarkeit verbessern.
Anwendung von Gasen
Indikationen
Gase werden zur Behandlung rhegmatogener und traktiver Netzhautablösungen bis zum
PVR-Stadium A/B [10], bei einfacheren Traktionsablationes im Rahmen
proliferativer Retinopathien bei vaskulären Netzhauterkrankungen und in der Makulachirurgie
angewendet ([Abb. 5]), wobei es durch die postoperative Kopflagerung
zu einem mechanischen Andrücken der Netzhaut kommen soll. Die Chance, bspw. Makulaforamina
somit verschließen zu können, wird mit etwa 90% und höher in der Literatur angegeben
[11]. Gerade auch bei subretinalen Makulablutungen, die häufiger im Rahmen einer neovaskulären
altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) auftreten, bietet sich im
Rahmen einer Vitrektomie die zusätzliche subretinale Injektion von „recombinant
tissue-plasminogen-activator (r – tPA)“ mit oder ohne „VEGF-Inhibitor“ zur Verflüssigung
der Blutung und
anschließender Gasfüllung sowie Kopftieflagerung zur mechanischen Verdrängung
des Blutes in die Peripherie an [12]. Eine epiretinale Gliose oder ein
vitreomakuläres Traktionssyndrom erfordern i. d. R. keine Gasendotamponade.
Abb. 5 Auflistung der möglichen Indikationen für intraoperative Gasfüllungen.
Vorgehen bei Gasfüllung
Verschiedene Techniken existieren zur Gasfüllung des Auges. Gas kann in den luftgefüllten
Bulbus anterograd über den Infusions-Port (3-Wege-Hahn) bei noch zumindest einer oberen
offenen
Sklerostomie eingegeben werden, die dann kurz vor Leerung der Gasspritze mittels
vorgelegter Naht verknotet wird (20 G). Beim Ziehen des Infusions-Ports und des bei
20-G-Chirurgie
idealerweise sofortigen Zuziehens der Naht kann das Auge mit entsprechender Gasfüllung
und adäquatem Intraokulardruck i. d. R. gut geschlossen werden. Sollte es hierbei
allerdings zu einem
Druckverlust gekommen sein, kann mittels Re-Injektion transskleral über eine
30-G-Kanüle der probate Intraokulardruck wieder erreicht werden. Daher sollte immer
eine Restmenge Gas in der
Spritze belassen werden, den man für dieses Manöver verwenden kann. Bei trokargeführter
Vitrektomie wird so vorgegangen, dass zunächst die beiden oberen Trokare gezogen werden
und die
Sklerostomien auf Dichtigkeit überprüft werden (bei luftgefülltem Auge erscheinen
Luftblasen, wenn Wasser auf die Oberfläche geträufelt wird). Bei Insuffizienz wird
transkonjunktival
nachgenäht. Danach wird der maschinenseitige Luftdruck sehr niedrig eingestellt
und retrograd das Gas mittels 30-G-Kanüle über die Pars plana injiziert. Arbeitet
man mit einer Maschine, bei
der nicht gegen den maschinenseitigen Luftdruck injiziert werden kann, empfiehlt
es sich, eine 2. 30-G-Kanüle gleichzeitig leer zu benutzen, über die beim langsamen
Injizieren des Gases der
Überdruck abgeleitet werden kann. Bei einer anderen Technik wird das Gasgemisch
in einer 20-ml-Spritze an den 25-G-Port angeschlossen (Luer Lock) und via Kanüle dann
über einen der oberen
25-G-Ports der Druckausgleich (Ablassen) gewährleistet. Alternativ dazu kann
auch über den 3-Wege-Hahn der Infusionsleitung das Gasgemisch injiziert werden. Die
Größe der Spritze kann bei
Beibehaltung der korrekten Luft-Gas-Konzentrationen variabel gewählt werden.
Wichtig ist, dass der Augeninhalt jeweils mehrfach mit dem Gasgemisch durchflutet
wird, damit schließlich die
gewünschte Gaskonzentration intraokular vorhanden ist.
Auswahl des Gases
Bei einfachen Ablationes mit „Loch-oben“-Situation wird i. d. R. Schwefelhexafluorid
(SF6) verwendet, das als 20%iges Gas-Luft-Gemisch nicht expansiv ist und bei einer
Halbwertszeit von ca. 2,5 Tagen etwa 10 – 14 Tage im Auge verbleibt ([Abb. 2]). Bei Netzhautablösungen mit inferioren Löchern kann Hexafluorethan
(C2F6) 16% benutzt werden, da es eine deutlich höhere Halbwertszeit besitzt und nach Vitrektomie
etwa 4 Wochen im Auge verbleibt. Sinnvollerweise müssen bei der
Ablatiochirurgie alle Foramina, nachdem sie adäquat mittels Endolaser und/oder
Kryoretinopexie versorgt wurden, über die Gastamponade solange an ihre Unterlage angedrückt
bleiben, bis die
durch die Pexie induzierte Vernarbung nach einigen Tagen soweit abgeschlossen
ist, dass sich die Verklebungen nicht mehr lösen und somit auch kein Wasser mehr aus
dem Glaskörperraum durch
das Foramen nach subretinal gelangen kann. Durch das länger wirkende Gas kann
dies insbesondere im unteren Bereich besser gewährleistet werden. Octafluorpropan
(C3F8)
hat eine noch deutlich längere Halbwertszeit und kann in geeigneten Situationen
eine sinnvolle Alternative zu C2F6 darstellen. Überlegungen, dieses im Rahmen der
Ablatiochirurgie verwenden zu wollen (z. B. bei PVR), müssen gegenüber einer
möglicherweise sichereren Silikonölfüllung abgewogen werden.
Anwendung von flüssigen Perfluorocarbonen (PFCL)
Anwendung von flüssigen Perfluorocarbonen (PFCL)
Perfluorocarbone (PFCL) werden intraoperativ unterstützend zur Wiederanlage der Netzhaut
verwendet und sind keine Dauertamponade. Zwingend werden sie zumeist bei schwierigeren
Fällen
gebraucht. Bei einfachen rhegmatogenen Netzhautablösungen kann sehr häufig auf
eine Eingabe von PFCL verzichtet werden. Bei der Vitrektomie bedarf es einer sicheren
hinteren Glaskörperabhebung
(HGA) gefolgt von einem Zurückschneiden des Glaskörpers mittels Cutter soweit
in die Peripherie wie möglich (cave bei phaker Situation bez. möglichem Linsen-Touch).
Nach entsprechender
Lochsuche (möglichst auch unter peripherer Indentation!) und ggf. Markierung der
Foramina am zentralen Rand mittels Endodiathermie (bessere Sichtbarkeit unter Luft!)
kann dann über eine
subretinale Drainage (bei ungünstiger Position oder Größe der Foramina ggf. Anlegen
eines iatrogenen Drainageforamens ebenfalls mittels Endodiathermie) und sukzessiver
Luftfüllung die Netzhaut
zumeist faltenfrei wieder angelegt werden. Etwas subretinal verbleibendes „shifting
fluid“ ist dabei, sofern keine Falte direkt im Foveabereich resultiert, unproblematisch
und am nächsten Tag
unter Gasfüllung verschwunden. Der postoperativen Lagerung kommt zur Vermeidung
von zentralen Netzhautfalten aber besondere Bedeutung zu. Intraoperativ kann am luftgefüllten
Bulbus die
adäquate Koagulation der markierten Foramina mittels Kryo- oder Endolaserkoagulation
durchgeführt und schließlich, wie oben skizziert, Luft gegen Gas ausgetauscht werden.
Eine schwierige HGA
kann mittels Demarkierung der hinteren Glaskörpergrenzmembran durch intravitreal
injiziertes Triamcinolon leichter erfolgen.
Bei schwierigeren Ablatiosituationen sind PFCL aus der vitreoretinalen Chirurgie als
intraoperatives Hilfsmittel („3. Hand“) nicht mehr wegzudenken und ihre Anwendung
hat die
Operationsergebnisse nachhaltig verbessert [13]. Es besteht allerdings das Risiko, dass PFCL einerseits zum Ende der Operation hin
nicht komplett entfernt werden
und andererseits auch nach subretinal gelangen können. Letzteres passiert unter
Affektion der Fovea gar nicht so selten und kann dann mit einem postoperativen Makulaödem
verwechselt werden,
was durch Fehlinterpretation fälschlicherweise bis hin zu einer IVOM-Therapie
führen kann [14]. Es sollte bei mit PFCL gefülltem Bulbus unbedingt intraoperativ
vermieden werden, mit der Flötennadel an den Rändern der Foramina zu manipulieren,
da dadurch eine erhöhte Gefahr für einen subretinalen PFCL-Zugang besteht. Gleichermaßen
sollte vermieden
werden, eine durch zu hohen Irrigationsdurchfluss bedingte Bläschenbildung von
PFCL an den Lochrändern zu produzieren [8].
Perfluorocarbone wurden erstmals 1976 von Chang beschrieben und intraokular angewendet
[15], [16]. Sie sind optisch klar und haben ein
höheres spezifisches Gewicht als Wasser, wodurch sie sich, wie oben beschrieben,
ideal zum Glätten und Wiederanlegen der Netzhaut eignen ([Abb. 6]).
Abb. 6 Charakteristika von intraoperativ zu verwendenden flüssigen Perfluorocarbonen, von
denen im klinischen Alltag zumeist das Dekalin zum Einsatz kommt (adaptiert nach [8]).
Intraoperatives Management
Bezüglich des intraoperativen Managements von PFCL zeigen die folgenden Abbildungen
die wichtigsten Grundregeln. Bei anliegender Netzhaut und vitrektomiertem Glaskörperraum
wird die
Injektionsnadel mit PFCL über die obere Sklerostomie bis hin zum hinteren Pol
gebracht und sodann langsam injiziert. Dabei kann eine doppelläufige Nadel verwendet
werden, bei der ein 2.
Lumen etwas höher angebracht ist, durch welches das verdrängte Wasser hinausgedrückt
wird. Sicher sind Luer-Lock-Spritzen, damit bei ggf. erhöhtem Pressdruck die doppelläufige
Kanüle nicht
diskonnektiert. Wichtig ist es, mit der Nadelspitze während der Eingabe in der
PFCL-Blase zu verbleiben, um eine Bläschenbildung und eine damit verbundene erschwerte
Visualisierung und
schließlich womöglich inkomplette Entfernung zu verhindern ([Abb. 7]/[Video 3] [Zusatzmaterial C]). Die Eingabe von PFCL bei
anliegender Netzhaut kann z. B. bei in den Glaskörper luxierten Linsen sinnvoll
sein, um die Makula bei der chirurgischen Extraktion zu schützen.
Abb. 7 Eingabe von PFCL in den vitrektomierten Glaskörperraum bei anliegender Netzhaut.
Die Injektionsnadel wird über die Sklerostomie bis zum hinteren Pol geführt und PFCL
möglichst ohne Blasenbildung (Nadelspitze muss in der PFCL-Blase verbleiben)
injiziert (siehe [Video 3] [Zusatzmaterial C]).
Video 3
Zusatzmaterial C.
Bei abgehobener Netzhaut müssen die Foramenränder adäquat freigeschnitten sein. Durch
die Eingabe von PFCL am hinteren Pol wird die subretinale Flüssigkeit nach anterior
verdrängt und
gelangt über das Foramen in den Glaskörperraum. Die Netzhaut hat sich unter diesem
Manöver oft bereits angelegt und die somit auch anliegenden Foramina können nun gut
z. B. mittels
Kryokoagulation behandelt werden ([Abb. 8]/[Video 4] [Zusatzmaterial D]). Durch die hohe Oberflächenspannung läuft der
PFCL-Spiegel i. d. R. unproblematisch über die Foramina hinweg, ohne nach subretinal
zu gelangen.
Abb. 8 Eingabe von PFCL in den vitrektomierten Glaskörperraum bei abgehobener Netzhaut.
PFCL wird dicht über dem hinteren Pol eingegeben und verdrängt subretinale Flüssigkeit
nach anterior über das vorher adäquat freigeschnittene Foramen (siehe [Video 4] [Zusatzmaterial D]).
Video 4
Zusatzmaterial D.
Vorsicht ist allerdings bei sehr zentralen Foramina – ob präexistent oder z. B. bei
Entfernung von Proliferationsmembranen iatrogen entstanden – geboten. Hierüber kann
PFCL nach subretinal
gelangen. Auch die fehlende Entlastung einer vitrealen Traktion am Lochrand kann
beim weiteren Auffüllen von PFCL durch Ausreißen des Lochrandes zu einem größeren
Netzhautriss führen, über
den große Mengen PFCL nach subretinal gelangen können. Gleichgültig gegen welche
Endotamponade später ausgetauscht werden soll, vorab ist eine traktionsfrei anliegende
Netzhaut anzustreben.
Lässt sich dies wegen intraretinaler Verkürzung oder nicht entlastbaren epi-
oder subretinalen Traktionen bei PVR nicht erreichen, muss eine Retinektomie zur Entlastung
durchgeführt werden,
bevor weiter PFCL aufgefüllt, eine Koagulation und ein sicherer Austausch durchgeführt
werden kann. Subretinales PFCL muss in jedem Fall wieder entfernt werden.
„Shifting fluid“
Bei der primären rhegmatogenen Ablatio kommt es, je nach Füllungsgrad des Auges mit
PFCL und der Position des Foramens oder der Foramina, zu einem regulären „shifting
fluid“ von
subretinaler Flüssigkeit nach anterior. Diese Flüssigkeit ist sozusagen in diesem
Bereich subretinal „gefangen“, da die Foramina ab einem gewissen Punkt mit PFCL angelegt
und verdeckt sind
und somit subretinale Flüssigkeit nicht weiter entweichen kann. Somit entsteht
manchmal eine anteriore persistierende „Ablatiowalze“, die sich bspw. nur durch Absaugung
der subretinalen
Flüssigkeit über die Netzhautdefekte entfernen lässt, bevor eine Koagulation
der Netzhautforamina möglich ist. Wenig „shifting fluid“ kann dabei i. d. R., wie
oben beschrieben, problemlos
belassen werden. Es gelangt dann bei dem zumeist durchgeführten „PFCL-Luft“-Austausch
zwar wieder nach zentral, ist am Folgetag aber komplett unter der Gastamponade resorbiert
(s. o.).
Größere Mengen sollten hingegen vermieden werden (mögliche zentrale Faltenbildung
der Netzhaut!), sodass es bei zentraleren Foramina durchaus angebracht sein kann,
nach partieller
PFCL-Füllung weiter anterior nochmals ein iatrogenes Drainageforamen zu schneiden,
um die restliche subretinale Flüssigkeit dann unter weiterer PFCL-Eingabe (oder auch
unter Luft) soweit wie
möglich zu entfernen ([Abb. 9]/[Video 5] [Zusatzmaterial E]).
Abb. 9 Eingabe von PFCL in den vitrektomierten Glaskörperraum bei abgehobener Netzhaut und
zentralem Foramen. Nach Netzhautwiederanlage im posterioren Bereich und Ansammlung
von
viel „shifting fluid“ im anterioren Bereich, kann über ein peripheres iatrogenes
Drainageforamen sukzessive weitere subretinale Flüssigkeit mittels Flötennadel (oder
auch ohne
Flötennadel bei weiterer Eingabe von PFCL) abdrainiert werden (siehe [Video 5] [Zusatzmaterial E]).
Video 5
Zusatzmaterial E.
Entfernung von PFCL
Nachdem unter PFCL und damit einhergehender Wiederanlage der Netzhaut die Versorgung
der Foramina mittels Laser- und/oder Kryopexie adäquat beendet wurde, muss PFCL wieder
entfernt werden.
Angestrebt wird in vielen Fällen am Ende der Operation eine Endotamponade mit
Gas. Dazu muss PFCL im 1. Schritt gegen Luft ausgetauscht werden. [Abb. 10]
verdeutlicht das entsprechende Management, bei dem die Flötennadel bis zum hinteren
Pol geführt wird und unter der maschinenbedingten Druckeingabe von Luft das PFCL über
die Nadel
hinausgedrückt wird ([Abb. 10]/[Video 6] [Zusatzmaterial F]). Bei trokargeführter Vitrektomie wird aus Gründen der
Schnelligkeit bei geringeren Durchmessern der Instrumente häufig der Cutter mit
aktivem Sog und erst am hinteren Pol schließlich die Flötennadel zum genauen Absaugen
der PFCL-Reste genutzt.
Die Schwierigkeit besteht darin, dass es unter diesem Manöver nicht wieder zu
einer Ablösung der Netzhaut kommen sollte, was durchaus dann passieren kann, wenn
bspw. zwischen der PFCL-Phase
und der beim Wechsel über den Infusions-Port eingebrachten Luft (analog zu dem
oben beschriebenen Wasser-Luft-Austausch) noch eine zu große Wasserphase existiert.
Sobald diese durch das
„Absaugen“ des PFCL über die Flötennadel nach posterior über den Bereich des
Foramens „wandert“, kann es zur Reablatio kommen, sodass eventuell eine erneute Füllung
mit PFCL und eine
Wiederholung des Austauschmanövers erforderlich ist.
Abb. 10 Eingabe von Luft über den Infusions-Port bei PFCL-gefülltem Auge. Durch die bis zum
hinteren Pol platzierte Flötennadel (ggf. bei trokargeführter Vitrektomie auch mittels
Cutter und aktivem Sog) kann das PFCL sicher aus dem Glaskörperraum entfernt
werden (siehe [Video 6] [Zusatzmaterial F]).
Video 6
Zusatzmaterial F.
Wie bereits in [Abb. 6] angegeben, kann PFCL unter Luft auf der Netzhautoberfläche breitflächig spreiten,
sodass eine komplette Entfernung erschwert sein kann.
Um zu verhindern, dass PFCL-Reste im Auge verbleiben, kann und sollte der hintere
Pol dann nochmals mit etwas Wasser gefüllt werden, z. B. kurz über den Infusions-Port
oder über eine
Sklerostomie. Der Wasserspiegel darf dabei sinnvollerweise natürlich nicht höher
sein als das zentralste Foramen. Nun kann sich das PFCL in der Wasserphase wieder
sammeln und schließlich
PFCL und Wasser zusammen „abgesaugt“ werden ([Abb. 11]/[Video 7] [Zusatzmaterial G]). PFCL-Reste sollten im Gegensatz zur
Abbildung am besten so „manövriert“ werden, dass sie nicht von der Fovea abzusaugen
sind, sondern über der Papille. Danach erfolgt, wie oben beschrieben, der Austausch
gegen das gewünschte
Gas, wobei länger wirkendes Gas bei inferior lokalisierten Foramina bevorzugt
werden sollte.
Abb. 11 Unter Luft auf der Netzhautoberfläche spreitendes „Rest-PFCL“ kann entfernt werden,
indem über Infusions-Port oder Sklerostomie Wasser auf den hinteren Pol gegeben wird
(zentral der Foramina!), in dem sich PFCL als wieder zusammenhängende Flüssigkeitsblase
sammeln kann. Diese kann dann leichter unter konsekutiver Luftzufuhr zusammen entfernt
werden
(siehe [Video 7] [Zusatzmaterial G]).
Video 7
Zusatzmaterial G.
Schwerwiegende Komplikationen mit Luft und PFCL
Manchmal besteht bei schwierigen (aber traktionsfreien) Situationen die Möglichkeit,
die Netzhaut auch ohne PFCL unter Luftfüllung (oder direkter Öleingabe; s. u.) wieder
anzulegen und die
Foramina mittels Laser oder Kryo unter Luft oder auch nach Silikonölfüllung (s. u.)
zu behandeln. Bei Versorgung von stark intraokular blutenden Verletzungen kann bspw.
eine frühe
Luftfüllung eine Visualisierung der retinalen Strukturen ermöglichen. Vorsicht
ist allerdings bei einem solchen luftgeführten Manöver bei offenen Augenverletzungen
mit großflächiger
Aderhautbeteiligung geboten, da Fallberichte über Luftembolien mit letalem Ausgang
existieren [17], [18]. Ob das Risiko dafür durch
die heute eher übliche trokargeführte Vitrektomie statt der 20-G-Vitrektomie
mit offenen Sklerostomien und ggf. niedrigeren intraokularen Luftdrücken erhöht sein
könnte, ist spekulativ.
Auch muss hier erwähnt werden, dass größere Mengen von PFCL bei erhöhtem Intraokulardruck
durch freigeschnittene innere Öffnungen der Vortexvenen, z. B. bei Traumachirurgie
oder
onkologischen Chorioidektomien (Endoresektion) in den systemischen Blutkreislauf
gelangen können [19]. Durch den geringeren Dampfdruck von Dekalin ist dies
wahrscheinlich weniger problematisch als bei Octan, das einen deutlich höheren
Dampfdruck besitzt und durch die Erwärmung im systemischen Kreislauf bereits zu signifikanter
Evaporation mit
Luftembolie und konsekutiven fatalen Folgen führen kann [20]. Diese Problematik kann grundsätzlich durch Kauterisation und Durchtrennung der
betroffenen
Vortexvenen unterbunden werden [21].
Weiterhin gab es in den vergangenen Jahren Berichte über toxische Reaktionen beim
Einsatz von Perfluorocarbonen [22]. Diese waren allesamt auf
herstellungsbedingte Verunreinigung zurückzuführen [23]. Als Konsequenz sollte auf eine möglichst maximale Reinheit der Flüssigkeiten geachtet
werden. Als
Orientierung wurde der sog. H-Wert definiert, der als Maß für die Reinheit der
Substanzen gilt und beim Hersteller erfragt werden kann [24]. Reguläre,
hochgereinigte Perfluorocarbone intraoperativ verwendet sind nicht toxisch.
Anwendung von Silikonöl und Silikonölgemischen bei der chirurgischen Versorgung von
Netzhautablösungen
Anwendung von Silikonöl und Silikonölgemischen bei der chirurgischen Versorgung von
Netzhautablösungen
Allgemeines zur Silikonöltamponade
Die erste intraokulare Verwendung von Silikonöl (Polydimethylsiloxane) fand bereits
in den frühen 60er-Jahren – weit vor der Möglichkeit, regelhaft zu vitrektomieren
– statt [25]. Scott und Zivojnović leisteten ab 1971 Pionierarbeit bei der Verbindung von Vitrektomie
und der Anwendung von Silikonöl, was es insbesondere ermöglichte,
schwere Augenverletzungen und/oder Netzhautablösungen zu behandeln [26], [27]. Ein sehr detaillierter Beitrag über klassische
Silikonöle in der vitreoretinalen Chirurgie liegt von Szurman und Bartz-Schmidt
vor [28]. [Abb. 12] zeigt die Charakteristika der
Silikonöle auch im Vergleich zu den PFCLs ([Abb. 12]); [29], [30].
Abb. 12 Charakteristika von Silikonöl und sog. „schweren Silikonöl“ als Mischung von Ölen
mit teilfluorierten Perfluorocarbonen (adaptiert nach [8], [29], [30]).
Interessant sind die Charakteristika der teilfluorierten PFCLs, die eine niedrigere
Dichte als die klassischen PFCLs besitzen und als Bestandteile von Silikonölgemischen
genutzt werden, um
Silikonöl mit seinem eigentlichen spezifischen Gewicht von 0,97 g/cm3 schwerer zu machen, um insbesondere inferiore PVR-Ablationes besser behandeln zu
können [31].
Das Problem bei einer Silikonöltamponade besteht nämlich generell darin, dass selbst
bei der i. d. R. angestrebten kompletten Tamponade immer eine Wassersichel im unteren
Bereich bestehen
bleibt, in der sich Promotor-Stoffe zur PVR-Bildung ansammeln [32]. Dies ist der Grund, warum sich eine PVR-Reablatio regelmäßig unten ausbildet und
in
Folgeoperationen, neben ausgeprägtem Peeling epiretinaler Membranen, häufig auch
mit inferioren Retinektomien behandelt werden muss. Somit hatte man gehofft, dass
dieses Problem mit den sog.
schweren Silikonölen gelöst werden könnte. Die Hochphase der Anwendung von schweren
Silikonölen war etwa 2002 und Folgejahre. Eigene Auswertungen eines größeren klinischen
Kollektivs
entsprechend behandelter PVR-Ablationes an der Augen-Universitätsklinik in Regensburg
ergaben allerdings keine verbesserte Wiederanlagerate gegenüber Studienergebnissen
„konventioneller“
Chirurgie, die zumeist aus Vitrektomie, Cerclage, Retinektomie und regulärer
Ölfüllung bestand [33]. Auch die multizentrisch prospektive HSO-Studie fand keinen
Vorteil schwerer Öle gegenüber der Nutzung konventioneller Öle [34], genauso wie eine US-amerikanische Metaanalyse keinen Vorteil erkennen ließ, sodass
in den USA
schwere Öle nicht zugelassen wurden [35]. Zudem wird den schweren Ölen auch eine höhere Potenz für intraokulare Inflammation
zugesprochen [36].
Somit kommen heute hauptsächlich nur noch reguläre leichte Silikonöle zur Anwendung.
Präferiert wird eher eine hohe Viskosität von 5000 mPas, da diese eine geringere Emulsifizierungsneigung
aufweist, die – je nach Dauer der Tamponade – schließlich zu einem Sekundärglaukom
führen kann [37]. Bei der trokargeführten Vitrektomie werden aber auch
Silikonöle mit niedriger Viskosität eingesetzt, da sie mutmaßlich leichter durch
die niedrigvolumigeren Instrumente injiziert werden können. Doch auch 5000er-Silikonöl
lässt sich mit
niedrigeren Pumpdrücken relativ gut durch die 25-G-Trokare über die Maschine
eingeben, wobei zum Entfernen eine Sklerostomie aufgemacht werden muss.
Indikationen für die Silikonölfüllung
Ein Teil der Anwendungsgebiete für Silikonöl ist in [Abb. 13] detailliert aufgelistet. Demnach werden alle PVR-C-Stadien und Retinektomien mit
einer
Silikonölfüllung behandelt, genauso wie Traktionsablationes, insbesondere, wenn
Traktionen nicht adäquat entlastet werden können. Eine klassische Indikation für Silikonöl
ist die
Riesenrissablatio (Netzhautriss ≥ 3 Uhrzeiten), da bei Verwendung von Gas das
Reablatio- und PVR-Risiko deutlich erhöht ist. Ebenfalls sei hier auch das erhöhte
Ablatiorisiko für das
Partnerauge erwähnt, sodass bspw. eine prophylaktische Laser-Cerclage im Verlauf
durchgeführt werden kann [38]. Weitere mögliche Anwendungsgebiete von Silikonöl
sind die Traumachirurgie, komplizierte Lochkonfigurationen, die Notwendigkeit
einer schnellen Visusrehabilitation bei Unicussituation und fehlender Lagerungsfähigkeit
des Patienten sowie
Reoperationen bei nicht verschlossenen Makulaforamina (hier kann auch C2F6 oder C3F8 genutzt werden), die Versorgung von subretinalen
Massenblutungen (bei bspw. neovaskulärer AMD), und die Versorgung von Bulbushypotonien
unterschiedlicher Genese.
Abb. 13 Indikationen zur Anwendung von Silikonölen in der Ablatiochirurgie.
Effekte einer Silikonöltamponade im Auge/Ando-Iridektomie bei Aphakie
Eine Silikonöltamponade hat wesentliche Effekte im Auge, die sowohl dem Operateur
als auch dem Nachbehandler bekannt sein sollten. In der Regel wird das Silikonöl durch
ein intaktes
Iris-Linsen-Diaphragma im Hinterabschnitt gehalten ([Abb. 14]). Bei phaker Situation führt das zu einer Hyperopisierung von etwa 5 – 6 dpt, über
die der
Patient aufgeklärt sein sollte. Sollte es bspw. durch Zonulolyse nach Trauma
oder nach komplizierter Kataraktoperation (Sulcusimplantation, sklerafixierte Intraokularlinse
[IOL] oder
Iris-Clip-Linse) zu Insuffizienzen des Iris-Linsen-Diaphragmas gekommen sein,
so kann Silikonöl in die Vorderkammer übertreten und bei länger dauerndem Hornhaut-Endothel-Kontakt
zur
Hornhautdekompensation führen. Dies muss möglichst vermieden und das Silikonöl
in einem solchen Fall zügig zumindest aus der Vorderkammer entfernt werden. Sollte
der Augendruck allerdings
nicht zu hoch sein, kann auch bei komplett gefüllter Vorderkammer eine kürzere
Zeit zugewartet werden (Wochen), bis die Netzhaut soweit stabilisiert ist, dass auch
eine komplette
Silikonölentfernung angestrebt werden kann. Kann für eine längere Zeit nicht
auf die Silikonöltamponade verzichtet werden, so ist die Entfernung der Intraokularlinse
inkl. Kapselsack
(Aphakie) notwendig und eine inferiore Iridektomie bei 6 Uhr nach Ando durchzuführen
[39], um so einen Silikonölprolaps bei aphaker Situation mit der Gefahr eines
Pupillarblockes zu vermeiden ([Abb. 15]). Durch die inferiore Iridektomie bei 6 Uhr nach Ando kann das Kammerwasser, dessen
transpupillärer Weg durch das
Silikonöl blockiert ist, über diesen „Bypass“ in die Vorderkammer gelangen und
somit das Öl hinter der Pupillarebene halten. Manche Operateure legen 2 weitere periphere
Iridektomien nasal
und temporal an, in der Vorstellung, auch in Seitenlage den Kammerwasserstrom
aufrechtzuerhalten. Liegt aber eine Bulbushypotonie infolge Ziliarkörperinsuffizienz
vor, kann auch eine offene
Ando-Iridektomie das Silikonöl nicht hinter der Pupillarebene halten. Dies sind
dann sehr schwierige Situationen, in denen das Silikonöl nur zur Phthisis-Prophylaxe
belassen und nicht selten
eine Keratopathie in Kauf genommen wird. Ein ölgefülltes aphakes Auge kann i. d. R.
zu einer deutlichen Myopisierung bis ca. − 7 dpt führen ([Abb. 14]).
Abb. 14 Refraktionsänderung durch Silikonölfüllung bei phakem und aphakem Auge.
Abb. 15 Problematik der Silikonölfüllung bei aphakem Auge und Notwendigkeit der Anlage einer
Ando-Iridektomie bei 6 Uhr.
Bezüglich der z. T. erheblichen postoperativen Refraktionsänderungen nach Silikonölfüllung
muss insbesondere bei noch gutem Visus die Anisometropie- und Aniseikonieproblematik
berücksichtigt und der Patient entsprechend aufgeklärt werden. Gegebenenfalls
kann für den Zeitraum der Öltamponade ein Ausgleich über eine Kontaktlinse erreicht
werden oder es muss eine
frühe Ölentfernung angestrebt werden, die dann nach etwa 6 Wochen erfolgen kann,
da alle notwendigen Vernarbungen netzhautseitig zu diesem Zeitpunkt gewährleistet
sein sollten. In
unkomplizierten Fällen kann eine Silikonölentfernung zu jedem beliebigen späteren
Zeitpunkt erfolgen.
Visusverlust durch Silikonöl
Als wichtiger Punkt ist bei der Silikonöltamponade immer auch das zwar geringe, aber
dennoch vorhandene Risiko eines irreversiblen starken Visusabfalls zu beachten, dessen
Ursachen nach wie
vor ungeklärt sind [40]. Insbesondere bei primärer „Makula-on-Situation“ und relativ gutem Ausgangsvisus
ist dieses Risiko nicht zu vernachlässigen und bei
stabilen Netzhautverhältnissen eine zeitnahe Silikonölentfernung anzustreben.
Allerdings kann auch die Silikonölentfernung – bei noch gutem Visus unter Silikonöl
– zu einem entsprechenden
Visusabfall führen. Daher sollte die Indikation für Silikonöl in jedem Fall,
aber insbesondere bei Augen mit hohem Visuspotenzial, sorgfältig abgewogen werden.
Der Patient sollte über diesen
Umstand aufgeklärt sein.
Chirurgisches Vorgehen zur Silikonölfüllung
Die folgenden Zusatzmaterialien illustrieren die Anwendung von Silikonöl im Rahmen
der Vitrektomie. Die einfache Füllung des wassergefüllten Auges mit Silikonöl ist
über den Infusions-Port
möglich. Die Ölspritze wird an den 3-Wege-Hahn angesetzt ([Abb. 1]) und dieser dann von der Wasserinfusion auf die Ölinstillation umgestellt. Die heutigen
Maschinen können das Öl mit variabler Geschwindigkeit in das Auge hineinpumpen.
Natürlich muss – wie oben auch bei den vorherigen Techniken erläutert – die Flötennadel
in der Wasserphase
platziert sein, um zum Ende der Ölfüllung hin direkt am hinteren Pol den Rest
Wasser „absaugen“ zu können und somit eine möglichst komplette Ölfüllung zu gewährleisten
([Abb. 16]/[Video 8] [Zusatzmaterial H]). Denkbar wäre ein solcher direkter Wasser-Öl-Austausch bspw. bei der Behandlung
eines
Hypotoniesyndroms, im Rahmen einer schweren proliferativen Retinopathie mit anliegender
Netzhaut, einer Versorgung mit Aderhaut-Patch oder eines schweren Bulbustraumas. Bei
Ablatiosituationen muss die Netzhaut sinnvollerweise, wie oben beschrieben, vorher
unter PFCL oder Luft angelegt sein, sodass das in [Abb. 16] dargestellte
einfachere Prozedere nur sehr selten im klinischen Alltag benötigt wird, aber
das grundlegende Prinzip der Ölinjektion verdeutlicht.
Abb. 16 Silikonöl wird über den Infusions-Port maschinenseitig in den Glaskörperraum gedrückt,
das Öl ist leichter als Wasser, bewegt sich somit von oben nach unten und drückt
Wasser über die am hinteren Pol positionierte Flötennadel nach extern (siehe
[Video 8] [Zusatzmaterial H]).
Video 8
Zusatzmaterial H.
Gleichsam wie in [Abb. 16] kann auch ein direkter Öl-PFCL-Austausch durchgeführt werden, indem Silikonöl über
den Infusions-Port in den PFCL-gefüllten Bulbus
eingegeben wird und die Flötennadel in der PFCL-Phase bis zum kompletten Austausch
platziert bleibt ([Abb. 17]/[Video 9]
[Zusatzmaterial I]). In den bisherigen Vitrektomiekursen haben wir dabei regelmäßig diskutiert, wie
groß die in dieser Abbildung und Animation dargestellte Wasserphase zwischen
Silikonöl und PFCL sein darf oder sein sollte. Prinzipiell kann sich PFCL mit
Öl an der Grenzfläche mischen, was verhindert werden soll. Andererseits kann es beim
Austausch – wie bereits
oben beschrieben – zu einer Reablatio kommen, wenn die Wasserphase zu groß ist
und im Bereich der noch nicht vernarbten Foramina dieses Wasser dann wieder nach subretinal
tritt.
Abb. 17 Gleichsam wie in [Abb. 16] kann ein direkter Öl-PFCL-Austausch durchgeführt werden, indem Silikonöl über das
Sternchen eingegeben wird und
die Flötennadel in der PFCL-Phase bis zum kompletten Austausch platziert ist
(siehe [Video 9] [Zusatzmaterial I]). Wie im Text diskutiert, sollte
entgegen der Abbildung die Wasserphase so klein wie möglich gehalten werden.
Video 9
Zusatzmaterial I.
Es ist daher sinnvoll, die Wasserphase so klein wie möglich zu halten, sodass im Rahmen
der häufig in solchen Situationen zum Einsatz kommenden 20-G-Vitrektomie zunächst
über den
Infusions-Port das Öl eingegeben wird, das im anterioren Bereich das über dem
PFCL stehende Wasser über die offene Sklerostomie verdrängt. Entweder lässt man eine
Sklerostomie offen (in der
anderen steckt der Lichtleiter!) oder positioniert die Flötennadel solange in
der Wasserphase. Sobald das Wasser komplett verdrängt ist, kommt es zu einer intraokularen
Druckerhöhung, was
sich durch das beginnende Pulsieren der Zentralarterie bemerkbar machen kann.
In diesem Moment muss die Flötennadel spätestens in die PFCL-Phase eingetaucht sein
und der Austausch kann nun
unter weiterer Injektion von Silikonöl bei regulären Druckverhältnissen erfolgen.
Zum Ende hin kann der PFCL-Spiegel unter Öl i. d. R. relativ gut visualisiert werden,
sodass PFCL-Reste gut
und im idealen Fall über der Papille vorsichtig „abgesaugt“ werden können. Absaugen
ist hier natürlich nicht der richtige Terminus, da die Verdrängung des PFCL „passiv“
durch den Öldruck
erfolgt. Da die silikonölführenden Schläuche elastisch sind, darf gerade zum
Ende hin nur noch vorsichtig injiziert werden, da Öl noch länger „nachläuft“ und es
zum akzidentellen Ansaugen
der zentralen Netzhaut in die Öffnung der Flötennadel kommen kann – eine extrem
heikle Situation, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Es kann sein, dass eventuell
mehrmals mit der
Flötennadel einzugehen ist, um sämtliche Reste des PFCL entfernen zu können.
Zwischendurch sollte die Nadel dann allerdings aktiv durchgespült werden, da die Öffnung
durch das Öl verstopfen
kann und ein weiterer Austausch damit nicht mehr möglich wäre.
Durchaus häufiger – da deutlich einfacher – wird heute ein indirekter Austausch von
PFCL gegen Silikonöl über den Zwischenschritt einer Luftfüllung (s. o.) durchgeführt,
der allerdings bei
schwierigeren Situationen ein höheres Risiko von „Slippage“ subretinaler Flüssigkeit
aufweist, was es zu vermeiden gilt.
Der Vorteil des indirekten Austausches liegt darin, dass das Silikonöl relativ einfach
in den komplett luftgefüllten Bulbus bei idealerweise anliegender Netzhaut über die
Arbeitssklerostomie „von unten nach oben“ in den Bulbus eingefüllt werden kann.
Dies geschieht regelhaft je nach Ölfüllungsgrad während der Injektion unter sukzessivem
Reduzieren des
intraokularen Luftdruckes maschinenseitig. Die Luft wird während der Befüllung
nach oben über die Sklerostomien verdrängt und es kann die Restluftblase zum Ende
hin über die 2. Sklerostomie
einfach mittels der Flötennadel entfernt werden. Da der Infusions-Port während
dieses Prozesses lediglich Luft führt, kann zum Ende hin ein Eintreten des Öles in
den Infusions-Port
(maschinenseitiger Luftdruck sollte dann „Null“ betragen und/oder der 3-Wege-Hahn
für Luftzufuhr geschlossen sein) beobachtet werden, was sicher anzeigt, dass das Hintersegment
des Auges
komplett mit Öl gefüllt ist.
Intraoperative Probleme bei der Silikonölfüllung
Ein direkter Austausch von Wasser gegen Silikonöl ist seit Einführung von PFCL selten
geworden. Wie bereits oben angedeutet, kann es aber Situationen geben, in denen sich
eine intraokulare
Wiederanlage der Netzhaut mittels PFCL oder Luft, z. B. bei sehr zentralen und
großen Foramina und Traktionsablationes oder in schwierigen Situationen bei Trauma,
nicht bewerkstelligen
lässt. In solchen Fällen kann nach bestmöglicher Traktionsentlastung auch eine
direkte Ölfüllung über den Infusions-Port und eine direkte Drainage subretinaler Flüssigkeit
mittels
Flötennadel durch zentrale Foramina erfolgen ([Abb. 18]/[Video 10] [Zusatzmaterial J]). Dieses Vorgehen ist sicherlich nicht
ideal und beinhaltet ein hohes PVR-Reablatio-Risiko. In entsprechenden Fällen
kann es aber eine zunächst unübersichtliche Ausgangssituation insoweit stabilisieren,
dass eine eventuelle
Revisionsoperation sorgsam geplant werden kann.
Abb. 18 Direkte Öleingabe über den Infusions-Port bei abgelöster Netzhaut und Drainage subretinaler
Flüssigkeit mittels Flötennadel über zentrale Foramina (eher ungünstige, aber
mögliche Situation bei schwierigen PVR-Ablationes oder komplexen Traumafällen;
siehe [Video 10] [Zusatzmaterial J]).
Video 10
Zusatzmaterial J.
Auch wird es bei einem direkten PFCL-Silikonöl-Austausch schwieriger, wenn sich die
Netzhaut während der Ölfüllung bei zuvor unter PFCL anliegender Netzhaut wieder abhebt.
Dann kann ggf.
eine iatrogene Retinotomie an geeigneter Stelle mit anschließender subretinaler
Drainage unter Silikonöl helfen, subretinale Restflüssigkeit zu entfernen. In noch
schwierigeren Fällen kann
es sein, dass das Öl nochmals komplett entfernt werden muss und bspw. über ausgedehntere
Retinektomien nachgearbeitet werden muss. In solchen Fällen wird dann ein frischer
Infusions-Port
benötigt, da der 1. Port mit Öl verstopft ist und i. d. R. danach keine weitere
Wasserinfusion mehr möglich ist.
Intraoperativ kann es – wie ebenfalls oben bereits angedeutet – bei aphaker Situation
und notwendiger Ölfüllung zu einem Kammerwinkelblock aufgrund des Öldruckes kommen.
Daher kann vor
einer Ölfüllung die Vorderkammer mittels Viskoelastikum „gestellt“ werden, um
so den Kammerwinkel anatomisch offen zu halten und somit in der Rückenlage einen Pupillarblock
durch das von
hinten drückende Silikonöl zu vermeiden. Alternativ kann das gesamte Auge inkl.
Vorderkammer mit Öl gefüllt werden (Kammerwinkel muss dann unter Öl ausgestrichen
werden), wenn das Auge am
Ende der Operation mit einem sehr niedrigen Intraokulardruck verlassen wird (hier
kann ggf. die Schiötz-Tonometrie helfen). Durch den niedrigen Druck (cave: Risiko
von Nachblutungen!) hat
man quasi im Vorfeld Volumen geschaffen, sodass sich die Vorderkammer nach der
OP und bei Bauchlage selbstständig wieder mit Wasser füllen und das Öl aus der Vorderkammer
in das
Hintersegment – bei Normotension – fließen kann. Eine weitere Möglichkeit stellt
die Engstellung der Pupille mittels intrakameralem Acetylcholin vor Öleingabe unter
Belassung von Wasser oder
Luft in der Vorderkammer dar. Diese Maßnahmen setzen eine offene Ando-Iridektomie
voraus, wobei darauf geachtet werden muss, dass sie definitiv gut durchgängig ist
und auch sämtliche
Kapselbestandteile im unteren Bereich nicht mehr vorhanden sind. Postoperativ
sollte eine frühmögliche Bauchlage und anschließende Druckkontrolle auf Station indiziert
werden. Bei möglicher
Druckerhöhung unter Nutzung von intrakameralem Viskoelastikum kann dieses postoperativ
relativ einfach über eine Parazentese an der Spaltlampe zur Druckentlastung abgelassen
werden.
Entfernung von Silikonöl
Eingebrachtes Silikonöl sollte bei stabiler Netzhautsituation i. d. R. – es sei denn,
die Prognose quoad visum ist schlecht oder der retinale Befund entsprechend desolat,
dass sich eine
Entfernung verbietet – wieder entfernt werden. Als Dauertamponade sollte es bei
persistierender Bulbushypotonie oder Phthisis belassen werden. Daneben kann das Belassen
des Silikonöls auch
bei Zustand nach mehrfachen Operationen bei Reablatio sinnvoll sein. Auch können
unter Silikonöl selten mal inferior periphere Ablatiosituationen dauerhaft stabil
bleiben, sodass keine
weiteren Operationen angestrebt werden müssen. Verbleibt Silikonöl allerdings
lange Zeiträume wie bspw. über Jahre im Auge, kann es, wie bereits oben erwähnt, zur
Ölemulsifikation in
unterschiedlicher Ausprägung und zu einem Sekundärglaukom kommen.
Die chirurgische Ölentfernung sollte klassisch gleichermaßen über eine 3-Port-Vitrektomie
stattfinden, bei der nach Anlegen der Sklerostomien oben zunächst idealerweise mit
einer bspw.
großvolumigen Vigo-Kanüle das Öl aktiv manuell oder mittels Maschine abgesaugt
wird. Je nach Infusionsdruck kann es während des Manövers zu „Turbulenzen“ im Glaskörperraum
kommen, sodass
durch den Wassereinstrom verdrängte tiefer schwimmende Ölblasen sich erst langsam
nach oben bewegen. Auch kann der in das Silikonöl tauchende Infusions-Port zu Beginn
der Operation bereits
verstopft sein, sodass einmal der Intraokulardruck maschinenseitig kurzzeitig
deutlich erhöht werden muss, um die Öffnung freizudrücken. Nach erfolgreicher Ölentfernung
sollte definitiv
nochmals vitrektomiert werden, um ggf. peripher noch vorhandene Glaskörperreste
zu entfernen (häufiger noch anterior vorhanden, wenn bei der Ölentfernung gleichzeitig
die Katarakt mit
entfernt wird), zu überprüfen, ob die Netzhaut sicher anliegt und schließlich
– wie bereits oben beschrieben – über einen etwa 3-maligen Wasser-Luft-Austausch die
restlichen Ölbläschen
sicher zu entfernen. Es wird davor gewarnt, den Vitrektomieteil zu übergehen
und lediglich Öl „abzulassen“, da somit relevante mögliche Probleme nicht erkannt
werden können.
Schweres Silikonöl
Die Autoren dieses Manuskriptes sehen heutzutage – aufgrund eigener Erfahrungen und
auf Basis der dargestellten Studienergebnisse (s. o.) – keine zwingend notwendige
Indikation mehr für
schweres Silikonöl. Da es aber dennoch erhältlich ist, wahrscheinlich auch benutzt
wird und zumindest immer auch noch Entfernungen von schwerem Silikonöl durchgeführt
werden müssen, soll das
Vorgehen mit schwerem Silikonöl ebenfalls kurz dargestellt werden.
Das Einbringen von schwerem Silikonöl funktioniert prinzipiell gleichermaßen wie bereits
in [Abb. 16] dargestellt. Da es allerdings schwerer als Wasser ist,
bewegt sich die Ölmasse in Wasser deutlich schneller nach unten, sodass im Gesamtprozess
der Füllung die Flötennadel im Verlauf nach oben gezogen werden muss, da sich das
Restvolumen Wasser
zum Ende hin eher im oberen Bereich befindet ([Abb. 19]/[Video 11] [Zusatzmaterial K]).
Abb. 19 Eingabe von schwerem Silikonöl in Wasser: Das Öl verdrängt im mittleren Verlauf der
Füllung eher den unteren Teil des Wassers, sodass die Flötennadel zum Ende hin eher
Restwasser im anterioren Augenbereich „absaugen“ muss (siehe [Video 11] [Zusatzmaterial K]).
Video 11
Zusatzmaterial K.
[Abb. 20] und [21] zeigen das Vorgehen bei der Eingabe von schwerem Silikonöl über PFCL. Auch hier
muss – wie bereits für [Abb. 17] diskutiert – zunächst das Wasser oberhalb der PFCL-Phase während des Austausches
verdrängt werden. Dies kann mit oder ohne eingebrachte Flötennadel
geschehen ([Abb. 20]/[Video 12] [Zusatzmaterial L]). Sobald das Wasser allerdings verdrängt ist, kommt es über die
Flötenkanüle zur weiteren Verdrängung des PFCL, allerdings mit dem potenziellen
Risiko, dass sich beide Stoffe aufgrund ihrer ähnlichen Eigenschaften (hoher Anteil
von teilfluoriertem PFCL
im schweren Silikonöl; [Abb. 12]) insbesondere bei den Verwirbelungen im Bereich der Absaugkanüle mischen und somit
entsprechende Reste mit veränderten
Eigenschaften im Auge verbleiben ([Abb. 21]/[Video 12] [Zusatzmaterial L]).
Abb. 20 Eingabe von schwerem Silikonöl auf PFCL. Nach Verdrängung des Wassers (auch ohne
Flötennadel möglich) wird schließlich PFCL über die Flötennadel verdrängt (siehe [Video 12] [Zusatzmaterial L]).
Abb. 21 Eingabe von schwerem Silikonöl auf PFCL. Nach der Wasserverdrängung kann es aufgrund
der ähnlichen Eigenschaften von PFCL und den teilfluorierten Ölen zu Vermischungen
an
der Grenzfläche kommen, sodass ein höheres Risiko für entsprechende Rückstände
beider vermischten Agenzien besteht (siehe [Video 12] [Zusatzmaterial
L]).
Video 12
Zusatzmaterial L.
Dies führt dazu, dass eine Ölentfernung von schwerem Silikonöl sich aus zweierlei
Gründen schwieriger gestaltet als bei der regulären Entfernung. Erstens benötigt man
eine lange
Absaugkanüle, die idealerweise bis zum hinteren Pol reichen muss und die das
Risiko der Anwendung von hohem Sog nah an der Netzhaut beinhaltet. Zweitens entsteht
manchmal die unschöne
Situation von „sticky oil“ auf der Netzhautoberfläche, die es erschwert, das
Öl komplett und ohne iatrogene Schäden nah von der Netzhautoberfläche zu entfernen
([Abb. 22]/[Video 13] [Zusatzmaterial M]). Kirchhof empfiehlt bei entsprechenden Problemen die Eingabe von PFCL am hinteren
Pol, womit sich durch
Mischung die Entfernung einfacher gestalten lassen soll [31].
Abb. 22 Entfernung von schwerem Öl am hinteren Pol. Die Ölreste können auf der Netzhautoberfläche
als „sticky oil“ kleben und teilweise kaum zu entfernen sein. Die Flötennadel
muss lang genug sein, um dicht am hinteren Pol arbeiten zu können (siehe [Video 13] [Zusatzmaterial M]).
Video 13
Zusatzmaterial M.
Fazit
Ziel dieses Manuskriptes war es, das grundlegende Basiswissen im Bereich der vitrektomiebasierten
Ablatiochirurgie und weiterer Pathologien mit besonderer Fokussierung auf das Handling
der
zur Verfügung stehenden intraokularen Tamponaden zu vermitteln. Diese Arbeit erhebt
keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit und auch nicht den Anspruch, die besonderen
Tipps aller
Operateure korrekt abzubilden. Das Erlernen der Vitrektomie gerade bei Ablatio
retinae ist weniger standardisiert als bspw. das Erlernen der klassischen Kataraktoperation
und der chirurgische
Weg ist weniger klar vorhersehbar und kann erheblich variieren. Je nachdem, in
welcher „Schule“ man die Netzhaut- und Glaskörperchirurgie erlernt hat, variieren
in gleicher Weise das
individuelle Vorgehen oder auch entsprechende individuelle Vorlieben verschiedener
Operateure. Die hier dargestellten Grundlagen entsprechen grundsätzlich den Vorgaben
ihres geschätzten
Lehrers Herrn Prof. Dr. V.-P. Gabel, München und Regensburg (für HGS und CF),
der die Vitrektomie seit Beginn der 70er-Jahre mitbegleitet und die auch heute noch
immer geltenden Prinzipien in
den als Online-Zusatzmaterialien eingefügten Animationen kreiert hat. Auch die
Co-Autoren der „erweiterten Essener Vitrektomie-Schule“ als Schüler von Michael H.
Foerster (JW, NEB) und Horst
Laqua (HH) schließen sich den Ausführungen und den Diskussionen im Laufe der letzten
Jahrzehnte mit V.-P. Gabel an. Dieses Manuskript ist ihm gewidmet.
Zusatzmaterial
Die entsprechend markierten Abbildungen sind hauptsächlich mit Videoanimationen hinterlegt,
die das beschriebene operative Vorgehen nochmals anschaulich verdeutlichen sollen,
wodurch ein
bestmöglicher Lerneffekt erreicht werden kann.