I. Einleitung
Gemäß § 95 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB V kann nicht nur ein einzelner Arzt eine vertragsärztliche
Zulassung erwerben, sondern auch ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), welches
als juristische Person des Zivilrechts insofern gleichberechtigt mit den Vertragsärzten
ist. Dabei können sowohl arztgruppengleiche als auch fachübergreifende MVZ gegründet
werden (vgl. dazu Schaks NZS 2016, 761 (762)). Bei dem MVZ handelt es sich um eine ärztlich geleitete Einrichtung,
in der Vertragsärzte und/oder angestellte Ärzte tätig werden können. Voraussetzung
für das Tätigwerden von angestellten Ärzten ist, dass diese wie die Vertragsärzte,
über eine Arztregistereintragung verfügen (§ 95 Abs. 1 SGB V). Der jeweils örtlich
zuständige Zulassungsausschuss der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) entscheidet
über die Zulassung des MVZ zu der vertragsärztlichen Versorgung.
Bei der Betrachtung eines MVZ existieren drei Ebenen, nämlich die Gründerebene (die
Gesellschafter), die Betreiberebene (der Träger bzw. die Trägergesellschaft) und die
Arztebene (die in dem MVZ tätigen Ärzten und Psychotherapeuten). Zwischen den verschiedenen
Beteiligten ist klar zu differenzieren. Zwar werden auch die in dem MVZ angestellten
Ärzte mit der Zulassung des MVZ zur vertragsärztlichen Versorgung Mitglieder der zuständigen
KV. Zugelassen i. S.v. § 95 Abs. 1 SGB V wird aber das MVZ selbst, nicht sein Träger
bzw. Gründer (NK-MedizinR/Steinmeyer SGB V § 95 Rn. 29). Das führt dazu, dass auch nur das – rechtsfähige – MVZ selbst
Träger von Rechten und Pflichten und im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig
ist (vgl. Becker/Kingreen/Joussen, 8. Aufl. 2022, SGB V § 95 Rn. 2–16; LSG Berlin-Brandenburg 27.01.2010
– L 7 KA 139/09 B ER; dazu auch Schäfer GesR 2010, 351).
Für die Gründung einer MVZ-Trägergesellschaft kommen als Gesellschaftsformen eine
Personengesellschaft – insbesondere die Gesellschaft bürgerlichen Rechts –, eine eingetragene
Genossenschaft, eine GmbH (jedoch nicht als Aktiengesellschaft) oder eine öffentlich
rechtliche Rechtsform (insoweit zulässig Eigenbetrieb, Regiebetrieb, Kommunalunternehmen
oder Anstalt des öffentlichen Rechts und Gemeinsames Kommunalunternehmen) in Betracht,
§ 95 Abs. 1a S. 3 SGB V. Gegründet werden kann ein MVZ von zugelassenen Ärzten und
Psychotherapeuten, von zugelassenen Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen
(nur fachbezogen), von anerkannten Praxisnetzen, gemeinnützigen Trägern, die aufgrund
von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen oder
von Kommunen, § 95 Abs. 1a S. 1 f. SGB V. Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft
können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein – dies auch gemischt.
Jedoch können an einer Trägergesellschaft eines MVZ nur solche natürlichen oder juristischen
Personen als Gesellschafter beteiligt werden, die dem genannten Gründerkreis aus § 95
Abs. 1a S. 1 f. SGB V angehören. Der jeweilige Gesellschafter selbst – unabhängig
davon ob natürliche oder juristische Person – muss somit die Gründereigenschaft erfüllen.
Mit der Zunahme von Gesellschaftsbeteiligungen durch sog. Investoren, erfreut sich
die Rechtsform der GmbH für MVZ-Trägergesellschaften immer größerer Beliebtheit. Dies
ist den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) deutschlandweit im Generellen und in
Bayern im Besonderen ein Dorn im Auge. Denn die KVen befürchten eine Gefährdung des
Patientenwohls durch vermeintlich gesteigerte wirtschaftliche Interessen, welche durch
die Beteiligung von Investoren an den Trägergesellschaften entstünden.
Insofern legen die KVen, welche als Körperschaften des öffentlichen Rechts einen erheblichen
Selbstverwaltungsspielraum besitzen, gesetzliche Regelungen sowie eigene Bestimmungen
dahingehend aus, dass die Gründung und das Betreiben der vermeintlich rein gewinnorientierten
MVZs durch Trägergesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche
Personen sind, erschwert wird.
Ein Werkzeug stellt insoweit das Stellen einer in den Augen der jeweiligen KV geeigneten
Sicherheit durch die MVZ-Trägergesellschaften dar. Denn eine der Gründungsvoraussetzungen
für ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH ist neben einem geeigneten Gründer, dass
die Gesellschafter eines Versorgungszentrums selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen
oder andere Sicherheiten gem. § 232 BGB für Forderungen der KV und Krankenkassen gegen
das MVZ aus dessen vertraglicher Tätigkeit abgegeben haben, § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V.
Zusätzlich wurde seitens der KV Bayern auch eine von dem MVZ selbst gestellte Bürgschaft
zur Absicherung sämtlicher Forderungen der KV gegenüber dem MVZ nach dessen Gründung
gefordert.
II. Voraussetzungen gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V
II. Voraussetzungen gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V
Zulässige Sicherheiten im Sinne des SGB V sind selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen
oder andere Sicherheiten, welche abschließend in § 232 BGB aufgeführt sind.
Durch einen Bürgschaftsvertrag gem. § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge gegenüber
dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.
Die Bürgschaft besteht damit als vertraglich begründetes Rechtsverhältnis allein zwischen
Gläubiger und Bürgen, dient der Sicherung einer Forderung des Gläubigers gegen den
Hauptschuldner, den „Dritten“, und findet ihren Anlass zumeist in einer Rechtsbeziehung
zwischen dem Bürgen und dem Hauptschuldner. Diese Dreiecksbeziehung stellt eine Form
der Personalsicherheit dar, d. h. eine persönliche Verpflichtung des Bürgen, für deren
Erfüllung dieser nach Maßgabe der §§ 767 ff. BGB mit seinem gesamten Vermögen einzustehen
hat. Dabei kann die Bürgschaft auch für eine künftige oder bedingte Verbindlichkeit
übernommen werden, § 765 Abs. 2 BGB.
Die sog. selbstschuldnerische Bürgschaft stellt noch eine Verschärfung dar. Denn eine
solche liegt vor, wenn der Bürge auf die ihm grundsätzlich nach § 771 BGB zustehende
Einrede der Vorausklage verzichtet oder er kraft Gesetzes als Selbstschuldner haftet.
In diesem Fall kann der Gläubiger ohne weiteres direkt den Bürgen in Anspruch nehmen.
Das Erfordernis einer zusätzlichen Sicherheit zur Gründung einer MVZ-Trägergesellschaft
in Form einer GmbH ist dem Umstand geschuldet, dass bei in der Rechtsform einer Personengesellschaft
betriebenen MVZs eine Haftung der Gesellschafter mit dem Privatvermögen besteht, während
die Haftung bei der Rechtsform einer GmbH auf das Gesellschaftsvermögen derselben
beschränkt ist. Mit der Voraussetzung gem. § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V beabsichtigte der
Gesetzgeber insofern die haftungsrechtliche Gleichstellung zwischen den in der Rechtsform
der GmbH organisierten Versorgungszentren und den als Personengesellschaft betriebenen
Kooperationsformen vertragsärztlicher Tätigkeit (vgl. Dahm MedR 2008, 257 (259)).
Gesetzlich nicht näher geregelt ist die Höhe der beizubringenden Bürgschaft. Entgegen
der Auffassung einiger KVen bedeutet dies jedoch nicht, dass sie in unbegrenzter Höhe
oder für einen unbegrenzten Zeitraum zu erbringen ist. Dies widerspräche dem Gesetzeszweck,
dem es um die Gleichstellung mit den Personengesellschaften geht und nicht um eine
Schlechterstellung der GmbH. Somit stellt sich auch die Frage, wann eine KV eine entsprechende
Bürgschaft zurückzugeben hat, da damit keine endlose und unbegrenzte Haftungsabsicherung
verbunden sein kann. Eine Bürgschaft kann lediglich für diejenigen Forderungen notwendig
sein, welche während der Zugehörigkeit des jeweiligen MVZ an der vertragsärztlichen
Versorgung begründet worden sind (vgl. auch NK-MedizinR/Steinmeyer SGB V § 95 Rn. 32). Sind sämtliche Verbindlichkeiten erfüllt, welche im Zusammenhang
mit der Teilhabe des MVZ an der vertragsärztlichen Versorgung stehen, ist die Bürgschaft
unverzüglich zurückzugeben.
III. Absicherungsmöglichkeiten gem. § 232 BGB
III. Absicherungsmöglichkeiten gem. § 232 BGB
Zudem ist – was seitens der KVen ebenfalls gern übersehen wird – gesetzlich ausdrücklich
geregelt, dass anstelle einer Bürgschaft auch andere Sicherheitsleistungen erbracht
werden können, welche sich aus § 232 BGB ergeben. Diese spielen in der Praxis jedoch
eine untergeordnete Rolle.
Demnach kann eine Sicherheit durch Hinterlegung von Geld oder Wertpapieren, durch
Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder in das Landesschuldbuch
eines Landes eingetragen sind, durch Verpfändung beweglicher Sachen, durch Bestellung
von Schiffshypotheken an Schiffen oder Schiffsbauwerken, die in einem deutschen Schiffsregister
oder Schiffsbauregister eingetragen sind, durch Bestellung von Hypotheken an inländischen
Grundstücken, durch Verpfändung von Forderungen, für die eine Hypothek an einem inländischen
Grundstück besteht, oder durch Verpfändung von Grundschulden oder Rentenschulden an
inländischen Grundstücken geleistet werden, § 232 Abs. 1 BGB. Absatz 2 regelt, dass
dann, wenn die Sicherheit nicht in dieser Weise geleistet werden kann, die Stellung
eines tauglichen Bürgen zulässig ist.
Die Arten der Sicherheiten sind vielfältig und teilweise mit einem geringeren finanziellen
Aufwand verbunden, als das Stellen einer Bankbürgschaft. Denn die Kosten für eine
solche Bankbürgschaft liegen in der Regel bei etwa zwei Prozent der gesicherten Summe
pro Jahr, was bei der Absicherung des Gesellschaftsvermögens und von Verbindlichkeiten
einer größeren MVZ GmbH gegenüber der zuständigen KV und/oder den Krankenkassen sicherlich
einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Darüber hinaus wird eine solche Bankbürgschaft
selbstverständlich nur bei Vorliegen einer entsprechenden Bonität bewilligt. Auch
dies senkt die Hürden – gerade für neu gegründete Trägergesellschaften – offensichtlich
nicht.
IV. BSG Urteil zur Ungleichbehandlung von MVZ-Trägergesellschaften
IV. BSG Urteil zur Ungleichbehandlung von MVZ-Trägergesellschaften
Demnach stellt die Beibringung einer Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen
Bürgschaftserklärung oder einer anderen Absicherungsmöglichkeit bereits eine zwingende
Gründungsvoraussetzung bei Gründung eines MVZ dar.
In den Abrechnungsbestimmungen der KVen, den Honorarverteilungsmaßstäben (HVM), welche
diese aufgrund ihrer Selbstverwaltungskompetenz eigenständig ausgestalten können,
verlangen einige KVen jedoch auch nach der Gründung zusätzliche Sicherheiten von bestimmten
MVZ-Trägergesellschaften. Über den HVM wird die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung
(MGV) an die Ärzte und Psychotherapeuten verteilt. Das MGV ist ein festes Geldvolumen,
das die jeweilige KV von den Krankenkassen erhält. Die Berechnung der MGV richtet
sich nach Empfehlungen und Vorgaben der Bundesebene, wird jedoch in den weiteren Details
mit den Krankenkassen auf Landesebene im sogenannten Honorarvertrag mit der KV vereinbart.
Die Verteilung der MGV an die Vertragsärzte und Psychotherapeuten wird sodann im HVM
geregelt, welcher von der Vertreterversammlung der jeweiligen KV beschlossen wird.
Die KV Bayern verlangte in einem nun von dem Bundessozialgericht (BSG) entschiedenen
Fall von einer MVZ GmbH, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen
waren, die Vorlage einer das Risiko vollständig absichernden Bankbürgschaft zur Sicherung
von Abschlagszahlungen der KV Bayern an die MVZ GmbH (BSG, Urt. v. 07.09.2022, Az.:
B 6 KA 10/21 R; Entscheidungsgründe des Urteils noch nicht veröffentlicht). Eine Auszahlung
von Abschlagszahlungen wurde davon abhängig gemacht, dass das MVZ selbst eine selbstschuldnerische
Bankbürgschaft beibringe.
Das BSG entschied insoweit, dass die Gewährung von Abschlagszahlungen an die MVZ GmbH
nicht von der Vorlage einer solchen Bankbürgschaft abhängig gemacht werden durfte,
da die KV Bayern die MVZ GmbH ungerechtfertigt gegenüber MVZ-Trägergesellschaften
benachteiligte, deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind.
In dem Merkblatt der KV Bayern (KVB) „Allgemeine Informationen zum Thema Medizinische Versorgungszentren (MVZ) Kassenärztliche
Vereinigung Bayerns Stand: 10.05.2021“ heißt es zur Zulassung eines MVZ in der Rechtsform einer GmbH noch gesetzestextkonform:
„Für die Zulassung von MVZ, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung (GmbH) gegründet werden, ist ferner Voraussetzung, dass jeder Gesellschafter
jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung abgibt, mit welcher die Forderungen
der KVen und Krankenkassen gegen das MVZ aus der vertragsärztlichen Tätigkeit des
MVZ gesichert werden (z. B. Regressforderungen). Alternativ ist die Abgabe gleichwertiger
anderer Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB möglich. Die Möglichkeit der Abgabe anderer
Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB wurde insbesondere für die Kommunen/öffentlich-rechtlichen
Träger geschaffen, die zur Gründung von MVZ berechtigt sind. Mit der Erweiterung der
Sicherheitsleistungen auch auf solche des § 232 BGB werden Schwierigkeiten vermieden,
welche sich in der Praxis aus einer Beschränkung der nach § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V
geforderten Sicherheitsleistung auf die Abgabe einer selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärung
für Kommunen wie öffentlich-rechtliche Träger durch den Gesellschafter ergeben könnten.“
Als weitere Voraussetzungen wurde jedoch konstatiert:
„Für ein MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts
betrieben wird, werden Abschlagszahlungen gemäß den Abrechnungsbestimmungen der KVB
nur dann geleistet, wenn deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und diese zur Sicherung von Forderungen der Krankenkassen und der KVB selbstschuldnerische
Bürgschaftserklärungen abgegeben haben. Sind bei einem MVZ, das in der Organisationsform
einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird, die Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen, leistet die KVB Abschlagszahlungen nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen aus dessen vertragsärztlicher
Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank, die im Gebiet der Europäischen
Union ansässig ist, in Höhe von fünf Abschlagszahlungen beigebracht hat. Die Beibringung
dieser selbstschuldnerischen Bankbürgschaft durch das MVZ stellt – im Unterschied
zu den selbstschuldnerischen Bürgschaften der Gesellschafter – keine Zulassungsvoraussetzung
dar, sondern ist Voraussetzung für die Leistung der Abschlagszahlungen der KVB. Die
Abschlagszahlungen können in den Fällen, in denen nicht ausschließlich natürliche
Personen Gesellschafter des MVZ in Trägerschaft einer juristischen Person des Privatrechts
sind, nicht unter Verweis darauf eingefordert werden, dass die Gesellschafter ihrerseits
bereits selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens
abgegeben haben.“
Grundlage dieses Hinweises ist § 5 Abs. 1a S. 1 der Abrechnungsbestimmungen der KVB,
wonach Abschlagszahlungen für ein MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen
Person des Privatrechts betrieben wird, nach § 5 Abs. 1 nur dann geleistet werden,
wenn deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind und diese zur Sicherung
von Forderungen der Krankenkassen und der KVB selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen
abgegeben haben. Sind bei einem MVZ, das in der Organisationsform einer juristischen
Person des Privatrechts betrieben wird, die Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche
Personen, leistet die KVB Abschlagszahlungen gem. § 5 Abs. 1a S. 2 der Abrechnungsbestimmungen
nur dann, wenn das MVZ zur Sicherung von Forderungen der KVB und der Krankenkassen
aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer
Bank, die im Gebiet der Europäischen Union ansässig ist, in Höhe von fünf Abschlagszahlungen
beigebracht hat.
Die KVB differenziert somit zwischen Gesellschaften, deren Gesellschafter ausschließlich
natürliche Personen sind und solchen, die auch juristische Personen unter ihren Gesellschaftern
besitzen. Bei Gesellschaften, deren Gesellschafter (auch) juristische Personen sind,
wird die Zahlung von Abschlagszahlungen davon abhängig gemacht, dass eine selbstschuldnerische
Bankbürgschaft durch das MVZ selbst gestellt wird – und zwar unabhängig von der Stellung
einer Sicherheit zur Gründung des MVZ, nämlich zusätzlich dazu zur Absicherung möglicher
Forderungen der KVB gegen das MVZ aufgrund geleisteter Abschlagszahlungen. Der Verweis
darauf, dass die Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft ihrerseits bereits selbstschuldnerische
Bürgschaftserklärungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens abgegeben haben, soll nicht
ausreichend sein.
Im Gegensatz dazu ist nach Auffassung der KVB bei Gesellschaften mit ausschließlich
natürlichen Personen als Gesellschaftern eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft
durch die Gesellschafter der MVZ-Trägergesellschaft ausreichend, was bereits Zulassungsvoraussetzung
ist.
Das mit dem Sachverhalt vorhergehend befasste Sozialgericht München (Urt. v. 21.05.2019,
Az.: S 20 KA 1091/13) und auch das Bayerische Landessozialgericht (Urt. v. 07.10.2020,
Az.: L 12 KA 37/19) sahen diese Praxis der KVB als zulässig an. Ein Anspruch auf Abschlagszahlungen
bestehe grundsätzlich nur dann, wenn die KV in ihren Honorarregelungen solche Abschlagszahlungen
vorsehe. Die KV habe für die Regelung von Abschlagszahlungen einen weiten Gestaltungsspielraum.
Insofern sei auch die Differenzierung zwischen Personengesellschaften mit rein natürlichen
Personen als Gesellschaftern und solchen mit Gesellschaftern in Form von juristischen
Personen wirksam. Denn die KVB habe kraft ihrer bestehenden körperschaftlichen Normsetzungsbefugnis
im Rahmen ihres weiten Gestaltungsspielraums den grundsätzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen
und dessen Modifikationen in § 5 ihrer Abrechnungsbestimmungen geregelt (Bayerisches
Landessozialgericht, Urt. v. 07.10.2020, Az.: L 12 KA 37/19). Im Kern erhalte ein
MVZ, das in den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a S. 2 der Abrechnungsbestimmungen
falle und keine selbstschuldnerische Bankbürgschaft beibringe, mit Erlass des Honorarbescheides
trotzdem das vollständige Honorar für die im Quartal erbrachten Leistungen. Es gehe
nur um die von der KVB im Rahmen ihrer autonomen satzungsrechtlichen Rechtsetzung
eingeräumte Möglichkeit für die zugelassenen Leistungserbringer, Abschlagszahlungen
auf das zu erwartende Honorar zu erhalten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die
Abschlagszahlungen zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die KVB noch keinerlei Prüfung
vorgenommen habe, ob die zu erwartenden vertragsärztlichen Leistungen überhaupt bzw.
in Übereinstimmung mit den vertragsärztlichen Vorschriften erfolgt seien oder erfolgen.
Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung i. S. d. Art 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) liege
nicht vor, da die unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung der Abschlagszahlungen
nicht an personenbezogene Merkmale anknüpfe, sondern überwiegend verhaltensbezogene
Umstände aufgreife, die zudem von den Betroffenen beeinflusst werden können. Von daher
rechtfertige bereits ein sachlich einleuchtender Grund die Ungleichbehandlung.
Das BSG dagegen hat einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen, welcher gebietet,
alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Nach Auffassung der Bundessozialrichter
fehlt es für die Ungleichbehandlung an einem erforderlichen sachlichen Grund. Die
Überzeugung der KVB, dass eine Ungleichbehandlung dadurch gerechtfertigt sei, dass
die Haftung einer GmbH auf das Stammkapital iHv. 25.000,00 Euro begrenzt sei, während
natürliche Personen unbegrenzt haften, sei unzutreffend. Denn auch die GmbH hafte
mit ihrem gesamten Gesellschaftsvermögen, auch wenn die GmbH Gesellschafter nicht
persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Dabei habe die KVB jedoch
nicht dargelegt, dass Rückforderungen gegenüber MVZ-Trägergesellschaften, deren Gesellschafter
(auch) GmbHs seien, häufiger fruchtlos verliefen als gegenüber anderen Gesellschaften.
Nach Auffassung der KVB kam es auf diesen Punkt nicht an, was jedoch dazu führt, dass
es gerade an einem sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung fehlt. Die KVB hat
somit durch die eigenen Abrechnungsbestimmungen von den bundesgesetzlich bestehenden
Zulassungsvoraussetzungen für MVZs in der Rechtsform einer GmbH gem. § 95 Abs. 2 S. 6
SGB V abweichende untergesetzliche Vorgaben geschaffen. Denn das Bundesgesetz, wonach
die in der Rechtsform einer GmbH geführten MVZ nur zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen werden können, wenn die Gesellschafter selbstschuldnerische Bürgschaften
oder gleichwertige andere Sicherheitsleistungen nach § 232 BGB abgeben, verlangt gerade
nicht die Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft und differenziert auch
nicht danach, ob die Gesellschafter einer MVZ-Träger-GmbH natürliche oder juristische
Personen sind.
V. Fazit
Den KVen steht bereits ein weitgehender Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Richtlinien
und Bestimmungen für die Abrechnung aufgrund ihrer Stellung als Körperschaften des
öffentlichen Rechts zu. Dennoch sind die gesetzlichen Vorgaben zu beachten.
Die KV Bayern beabsichtigte oder schaffte zwangsläufig eine Schlechterstellung von
GmbH Trägergesellschaften, deren Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen
sind. Damit sollte offenbar eine Abschreckung von Investoren erreicht werden. Eine
sachliche Rechtfertigung für die Schlechterstellung von MVZ mit Beteiligten in Form
von juristischen Personen bestand und besteht nicht. Selbstverständlich hätte den
betreffenden MVZ GmbHs nach den Abrechnungsbestimmungen der KVB eine Honorarzahlung
unabhängig von der Vorlage einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zugestanden.
Jedoch keine Abschlagszahlung auf die zu erwartenden Honorarzahlungen der Gesamtvergütung,
was bekanntlich einen erheblichen finanziellen Nachteil bedeutet, da sämtliche Betriebskosten
vollständig seitens der GmbH hätten vorfinanziert werden müssen. Eine solche Vorfinanzierung
dürfte für die wenigsten MVZ-Trägergesellschaften finanziell zu stemmen sein, was
somit zu einer erheblichen Benachteiligung der MVZ-Trägergesellschaften mit Beteiligung
juristischer Personen sowie teilweise faktisch deren Verdrängung aus der vertragsärztlichen
Versorgung bedeutet hätte.
Nach diesseitiger Auffassung dürfte die rechtswidrige Praxis der in diesem Sinne vorgegangenen
KVen dazu führen, dass diese nicht nur unverzüglich betreffende selbstschuldnerische
Bankbürgschaften an die betroffenen MVZ-Trägergesellschaften herauszugeben haben,
sondern darüber hinaus für den finanziellen Aufwand nachträglich aufkommen müssen.
Voraussetzung des Rückgabeanspruchs ist ein Erlöschen der Forderung. Doch auch ein
Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung reicht für eine Rückgabe der Bürgschaftsurkunde
aus (BSG BeckRS 2019, 35523 Rn 39; LG Kiel WM 1984, 805; Gerth Kreditwesen 1980, 1110).
Da vorliegend kein Recht der betreffenden KVen bestand und besteht, eine selbstschuldnerische
Bürgschaft anzufordern, ist die – rechtswidrige – Bürgschaftsverpflichtung ex tunc
weggefallen.
In Betracht kommen neben dem Herausgabeanspruch betreffend die Bürgschaftsurkunde
wohl Ansprüche der betroffenen MVZ-Trägergesellschaften auf Zahlung der für das Stellen
der selbstschuldnerischen Bankbürgschaft für jeweils fünf Abschlagszahlungen angefallenen
Kosten von durchschnittlich 2 Prozent der abgesicherten Summe pro Jahr. Da es sich
insoweit um nicht zu vernachlässigende Beträge handelt, sollte das Stellen einer entsprechenden
Forderung von betroffenen MVZs bzw. deren Trägergesellschaften ernsthaft erwogen werden.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Christina Feldmeier-Budelmann
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