Tierarztl Prax Ausg G Grosstiere Nutztiere 2022; 50(05): 297-302
DOI: 10.1055/a-1934-4335
Originalartikel

Befragung von Haltern von vom Aussterben bedrohten Schaf- und Ziegenrassen zum Einfluss des Wolfes auf die Tierhaltung

Survey among keepers of endangered sheep and goat breeds on the influence of wolves on animal husbandry
Megan Glatzle
1   Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere der Justus-Liebig-Universität Gießen
,
Henrik Wagner
1   Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere der Justus-Liebig-Universität Gießen
2   Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V., Witzenhausen
,
Antje Feldmann
2   Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V., Witzenhausen
,
Axel Wehrend
1   Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der Groß- und Kleintiere der Justus-Liebig-Universität Gießen
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Zusammenfassung

Gegenstand und Ziel Mit der weiteren Ausbreitung des Wolfes in Deutschland nehmen die Konflikte mit Tierhaltern zu. Es stellt sich zunehmend die Frage nach den Auswirkungen des Wolfsbestandes auf die Weidetierhaltung. Ziel der Studie war es daher, durch die Befragung von Tierhaltern den Einfluss des Wolfes speziell auf die Haltung von vom Aussterben bedrohter Schaf- und Ziegenrassen zu untersuchen und herauszufinden, welche Schutzmaßnahmen von den Tierhaltern gegen den Wolf ergriffen werden.

Material und Methoden Ein Fragebogen aus 11 Fragen wurde von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. (GEH) online gestellt und von 494 Schaf- und Ziegenhaltern aus ganz Deutschland anonym ausgefüllt und anschließend ausgewertet.

Ergebnisse 33 % der bedrohten Schaf- und 80 % der bedrohten Ziegenrassen werden von weniger als je 10 Tierhaltern gehalten, überwiegend in Hobbyhaltung oder zum Nebenerwerb. Die Aufgabe der Tierhaltung einzelner Tierhalter kann sich daher signifikant negativ auf den Fortbestand der jeweiligen Rasse auswirken. An den mittleren Herdengrößen der Herdbuchzuchten lässt sich in den letzten Jahren keine negative Auswirkung auf die Tierzahlen erkennen, obgleich die Mehrheit der Befragten ihre Weidetierhaltung durch den Wolf bedroht sieht. Beachtenswert ist, dass signifikant mehr Halter angeben, die Tiere abschaffen zu wollen (Halter außerhalb Wolfsgebiet), als dies bei konkreter Bedrohung der Fall ist (Halter im Wolfsgebiet). Genannte Präventionsmaßnahmen sind am häufigsten die Veränderung der Einfriedung und die Herausnahme bestimmter Flächen aus der Nutzung. Der Einsatz von Herdenschutzhunden spielt keine große Rolle.

Schlussfolgerungen Durch die Aufgabe der Tierhaltung einzelner Halter besteht die Gefahr der Verringerung der Rassendiversität bei kleinen Wiederkäuern. Daher benötigen diese einen besonderen Schutz, was bei der Planung und Festlegung von Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden muss.

Abstract

Objective As Germany’s wolf population is steadily becoming more widespread, conflicts with livestock owners are increasing. In this context, the wolves’ impact on grazing livestock is of particular interest. The study aimed to investigate the wolves’ influence on the husbandry of endangered sheep and goat breeds. Thus, livestock owners were interviewed about the types of measures taken to protect their herds against wolf predation.

Material and methods A questionnaire consisting of 11 questions was published online by the “Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e. V. (GEH)” and completed anonymously by 494 sheep and goat owners from all over Germany.

Results 33 % of the endangered sheep breeds and 80 % of the endangered goat breeds are owned by fewer than ten of the livestock owners, who predominantly keep these animals as a hobby or as a supplementary source of income. The cessation of livestock husbandry by any of these owners may therefore have a significant negative impact on the continued existence of the breed in question. However, the mean herd sizes of the studbook breeds do not indicate any negative impact on animal numbers in recent years, although the majority of respondents consider their grazing livestock to be threatened by wolves. It is noteworthy that significantly more livestock owners situated far away from wolf habitats expressed the wish to discontinue their husbandry as opposed to those within range of wolf habitats. Preventative measures mentioned most frequently are fencing and enclosures as well as avoiding certain areas entirely. The use of guard dogs does not seem to play a major role.

Conclusions The abandonment of animal husbandry by individual farmers poses the risk of reducing breed diversity in small ruminants. Therefore, they need special protection, which must be taken into account when planning and defining compensation measures.



Publication History

Received: 06 November 2021

Accepted: 13 June 2022

Article published online:
02 November 2022

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
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