Luftverschmutzung ist einer der Umweltfaktoren, die das Risiko für
Krankheitsentstehung mit am meisten erhöhen. Laut der WHO-Studieninitiative
„Global Burden of Disease“ lag die Zahl vorzeitiger
Todesfälle durch Luftverschmutzung 2016 bei rund 5 Millionen Fällen
pro Jahr weltweit. „Diese Tendenz ist in den vergangenen 30 Jahren klar
gestiegen und wird laut Prognosen in den kommenden 20 Jahren noch weiter steigen,
falls keine entsprechenden Maßnahmen getroffen werden“, sagt Prof.
Hendrik Schulze-Koops, 2. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft
für Rheumatologie e.V. (DGRh) und Leiter der Sektion Rheumatologie und
Klinische Immunologie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität
München.
Auch auf die Entstehung und den Verlauf entzündlich-rheumatischer
Erkrankungen wirken sich Umweltfaktoren aus. Luftverschmutzung kann etwa eine
Antwort des Immunsystems gegen bestimmte Fremdkörper und
Entzündungsreaktionen auslösen. Zudem ist aus früheren
Studien bekannt, dass die Entstehung von rheumatoider Arthritis mit dem Rauchen,
aber auch mit der Nähe zu Straßen und verschmutzter Luft in
Verbindung steht. Der allgemeine Zusammenhang zwischen einer langanhaltenden
Einwirkung von schadstoffbelasteter Luft und dem Risiko, eine Autoimmunerkrankung
zu
entwickeln, war jedoch bislang unklar.
Analyse von Wohnort und Krankengeschichte zeigt klares Bild
Eine aktuelle Studie der Autor:innen um Giovanni Adami, die in der Fachzeitschrift
RMD Open erschien, fand nun einen eindeutigen Zusammenhang zwischen
luftverschmutzenden Partikeln und dem Auftreten von Autoimmunerkrankungen. Zu diesen
Krankheiten gehören etwa die rheumatoide Arthritis, aber auch Lupus,
Sklerose und Bindegewebserkrankungen sowie Krankheiten des Magen-Darm-Trakts oder
immunvermittelte neurologische Krankheiten wie Multiple Sklerose.
In der Studie werteten die Forschenden retrospektiv die Daten von 80000 Einwohnern
aus ganz Italien aus, die im Zeitraum zwischen 2016 und 2020 erfasst worden waren.
Sie analysierten die Luftqualität an verschiedenen Punkten und verglichen
sie mit den Krankenakten der Bewohner in diesen Gegenden. Zu den gemessenen
Komponenten zählen feste Partikel und gasförmige Substanzen, die vor
allem aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe in Industrie und Verkehr hervorgehen.
In den Messungen war vor allem feste Partikelmaterie (PM) enthalten, die sich aus
Schwermetallen, kohlenstoffhaltigen Substanzen, Gasen wie Kohlenmonoxid oder
Stickoxid und anderen chemischen Komponenten zusammensetzt.
Es zeigte sich eine sehr deutliche Verbindung zwischen der Menge an
Schadstoffpartikeln der definierten Größe PM10, und dem Auftreten
von Autoimmunerkrankungen. „Mit jedem Anstieg der PM10-Konzentration um
10 µg/m3 stieg das Risiko einer rheumatoiden
Arthritis um sieben Prozent”, erklärt Prof. Schulze-Koops. Mit einem
erhöhten Risiko für andere Autoimmunerkrankungen stand PM10 nicht in
Verbindung. Personen, die hohen Mengen von kleineren Partikeln ausgesetzt waren
(PM2.5) wiesen jedoch sowohl ein erhöhtes Risiko für rheumatoide
Arthritis als auch für Bindegewebserkrankungen und
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen auf.
Umweltschutzmaßnahmen zur Verhinderung von Krankheiten notwendig
„Es zeichnet sich ab, dass die Häufigkeit von vor allem
entzündlich-rheumatischen Autoimmunerkrankungen durch Umweltverschmutzung
gefördert werden kann“, so Prof. Schulze-Koops.
Autoimmunerkrankungen traten in den vergangenen zehn Jahren häufiger auf als
zuvor. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig
entschlüsselt, aber grundlegend gehen Forschende von einem Zusammenspiel
zwischen genetischer Veranlagung und Umwelteinflüssen, wie etwa
Luftverschmutzung, aus. „Auch wenn ein Verifizieren der Daten durch weitere
Studien notwendig ist, sollten die Erkenntnisse Einzug in aktuelle Debatten finden.
Es braucht dringend nachhaltige Maßnahmen zur Verhinderung von
Luftverschmutzung. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zur Vorbeugung
chronischer Krankheiten.”
Nach einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für
Rheumatologie