Ultraschallversorgung in der Schwangerschaft: DEGUM bemängelt fehlende flächendeckende
Expertise
Ultraschallversorgung in der Schwangerschaft: DEGUM bemängelt fehlende flächendeckende
Expertise
In Deutschland hat jede Schwangere das Anrecht auf 3 Ultraschalluntersuchungen, die
im ersten, zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel stattfinden. „Diese Untersuchungen
haben sich seit über 25 Jahren bewährt und sind fest im Bewusstsein der Bevölkerung
verankert. Allerdings haben sich die Anforderungen an diese Diagnostik in den vergangenen
Jahrzehnten potenziert und damit auch die Möglichkeiten der Prävention“, sagte Professor
Dr. med. Christoph Berg, Leiter des Schwerpunktes Pränatale Medizin, Gynäkologische
Sonografie und Fetalchirurgie an der Universitätsfrauenklinik Köln und DEGUM-Vorstandsmitglied.
Im Rahmen der 3 Ultraschalluntersuchungen werden neben der Anzahl der Feten und der
Position der Plazenta auch Auffälligkeiten des fetalen Wachstums und der Fruchtwassermenge
festgestellt. Seit 2010 bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen zudem in der 20. Schwangerschaftswoche
eine systematische anatomische Untersuchung des Ungeborenen. „Diese sogenannte 2b-Untersuchung
dürfen alle Frauenärzte durchführen, die eine Onlineprüfung bei der kassenärztlichen
Bundesvereinigung bestanden haben“, erklärte Berg. Das sei in den Augen des Ultraschallexperten
keine ausreichende Expertise für diese anspruchsvolle Diagnostik. Hinzu komme, dass
der Untersuchende auch über ein ausgezeichnetes Ultraschallgerät verfügen sollte,
um Fehlbildungen erkennen zu können. Das müsse, so Berg, zwingend eine weitere Voraussetzung
für die 2b-Untersuchung sein.
Die DEGUM bietet in Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen für Ultraschallanwender
ein mehrstufiges Zertifizierungssystem, um damit eine flächendeckende und in ihrer
Qualität gesicherte Ultraschalldiagnostik zu gewährleisten. „Im Sinne der Schwangeren
wäre eine bessere pränatale Sonografie-Ausbildung sehr wünschenswert“, so Berg. Gerade
mal 1090 der insgesamt 19 000 Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland haben
eine DEGUM-I-Zertifizierung, die – so Berg – ausreichend für die 2b-Untersuchung qualifiziere.
769 Frauenärzte und -ärztinnen haben die Stufe II, 60 die Stufe III. Zu ihnen werden
diejenigen Patientinnen überwiesen, bei denen Auffälligkeiten in der 2b-Untersuchung
festgestellt wurden, oder die ein besonderes Risiko aufweisen. Damit wird deutlich,
dass nur ein Bruchteil der Schwangeren in Deutschland eine Ultraschalluntersuchung
durch einen speziell qualifizierten Pränataldiagnostiker erhält.
Zusätzlich zu den in den Mutterschaftsrichtlinien verankerten Ultraschalluntersuchungen
nehmen viele Schwangere in Deutschland das Angebot eines speziellen Ersttrimesterscreenings
wahr, das allerdings nach wie vor selbst bezahlt werden muss. Die Kosten hierfür betragen
bis zu 300 Euro. Das Screening kann zwischen Anfang der 12. und Ende der 14. Schwangerschaftswoche
durchgeführt werden und besteht aus einer differenzierten sonografischen Untersuchung
des Ungeborenen und einem optionalen Bluttest bei der Schwangeren. „Diese Ultraschalluntersuchung
hat sich heute international zur wichtigsten Screeninguntersuchung in der Schwangerschaft
weiterentwickelt“, sagt Berg. Speziell ausgebildete Ultraschallexperten könnten dabei
eine Vielzahl chromosomal und nicht chromosomal bedingter Anomalien diagnostizieren,
insbesondere Trisomien, syndromale Krankheitsbilder und Neuralrohrdefekte, aber auch
einen Großteil der Herzfehler. „Wird diese frühe Ultraschallfeindiagnostik durch eine
Blutentnahme und Blutdruckmessung bei der Mutter ergänzt, kann zusätzlich das Risiko
für eine Mutterkuchenschwäche, wie auch für eine Schwangerschaftsvergiftung, abgeschätzt
werden und eine entsprechende Prophylaxe initiiert werden“, erklärte der Experte.
Da das Ersttrimesterscreening aber nur von einem Teil der 600 000 gesetzlich versicherten
Schwangeren pro Jahr in Anspruch genommen wird, fallen die meisten Entwicklungsstörungen
und Fehlbildungen erst bei der zweiten oder dritten routinemäßigen Ultraschalluntersuchung
auf. Zu spät, findet Berg. Dies sei umso bedauerlicher, als dass es für viele fetale
Erkrankungen sehr gute vorgeburtliche Behandlungsmethoden gebe und die Wahl eines
entsprechend erfahrenen und ausgestatteten Perinatalzentrums die Prognose des Neugeborenen
entscheidend verbessern könne, so der Experte. „Es wäre sehr wünschenswert, zumindest
eine der 3 Ultraschalluntersuchungen in die Hand der am besten ausgebildeten und ausgerüsteten
Untersucher zu geben, präferentiell die Untersuchung im ersten oder zweiten Trimester“,
so Berg abschließend.
NIPT kann den genauen Blick auf das Ungeborene nicht ersetzen
NIPT kann den genauen Blick auf das Ungeborene nicht ersetzen
Für eine vorgeburtliche Erbgutanalyse war lange Zeit ein invasiver Eingriff notwendig,
bei dem das notwendige Probenmaterial aus dem Fruchtwasser oder aus der Zottenhaut
innerhalb der Gebärmutter gewonnen werden musste. Der NIPT dagegen macht sich die
Tatsache zunutze, dass kindliche Erbgutstücke auch frei im Blut der Mutter treiben.
Diese sogenannte zellfreie DNA kann risikolos gewonnen und auf Unregelmäßigkeiten
hin untersucht werden. Erkennungsraten von 95 bis 99 Prozent für die genannten Trisomien
und eine Falsch-Positiv-Rate von nur 0,1 Prozent suggerieren leicht, der NIPT stelle
eine umfassende vorgeburtliche Gesundheitsprüfung dar. „Die Blutuntersuchung sollte
aber keinesfalls als Universaltest für ein gesundes Kind betrachtet werden“, sagte
Professor Dr. med. Karl Oliver Kagan, Leiter der Pränatalen Medizin an der Frauenklinik
des Universitätsklinikums Tübingen und Leiter der DEGUM-Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe.
„Das Testspektrum ist bislang zuverlässig auf die 3 gängigen Trisomien 21, 18 und
13 beschränkt, die je nach Alter der Mutter nur rund ein Achtel bis die Hälfte der
Chromosomenstörungen ausmachen.“ Für alle weiteren Chromosomenstörungen sei weiterhin
eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Chorionzottenbiopsie notwendig. Und auch ein
positiver NIPT müsse unbedingt mit einem dieser invasiven Verfahren bestätigt werden.
Verglichen mit dem NIPT deckt die Ultraschallfeindiagnostik ein wesentlich breiteres
Spektrum an kindlichen Gesundheitsstörungen ab. Als Bestandteil des Ersttrimesterscreenings
wird sie zwischen dem Anfang der 12. und dem Ende der 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt.
Die Untersuchung kann Hinweiszeichen, sowohl für die häufigen als auch für seltenere
Chromosomenstörungen, sichtbar machen. „Der frühe Ultraschall ermöglicht es, das Risiko
für genetische Störungen genauer einzuschätzen und sollte daher immer vor einem NIPT
oder einer invasiven Diagnostik durchgeführt werden“, so Kagan.
Anders als die genetischen Testverfahren nimmt die Ultraschallfeindiagnostik zudem
das ganze Kind in den Blick und erlaubt so auch Aussagen zu Fehlbildungen und Entwicklungsstörungen,
die keine genetische Ursache haben. „Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Spina
bifida, der sogenannte offene Rücken“, sagte Kagan. Aber auch Herzfehler – von diesen
sind rund 1 Prozent der Ungeborenen betroffen – und eine Vielzahl anderer strukturellerFehlbildungen
ließen sich per Ultraschall entdecken. In der Regel ist dies im Rahmen der Organdiagnostik
um die 20. Schwangerschaftswoche herum der Fall. In geübter Hand kann aber bereits
die Hälfte der schwerwiegenden Fehlbildungen bei der frühen Ultraschalldiagnostik
im Rahmen des Ersttrimesterscreenings erkannt werden. Neben einer umfassenden Fehlbildungsdiagnostik
erlaubt der frühe Ultraschall auch Aussagen darüber, wie hoch das Risiko für bestimmte
Schwangerschaftskomplikationen ist. „Bereits in der 12. bis 14. Schwangerschaftswoche
kann mithilfe des Präeklampsie-Screenings das individuelle Risiko für diese Komplikation
eingeschätzt werden“, so Kagan. Bei auffälligem Befund kann mit einer täglichen Gabe
von Aspirin 150 gegengesteuert und das Risiko der für Mutter und Kind gefährlichen
Komplikation halbiert werden. Eine Einschätzung des individuellen Frühgeburtsrisikos
wiederum ist durch die sonografische Messung der Gebärmutterhalslänge möglich. Auch
hier stehen präventive Maßnahmen zur Verfügung – ein weiterer Grund, so Kagan, weshalb
die detaillierte Ultraschalldiagnostik auf keinen Fall aus der Schwangerenvorsorge
verdrängt werden dürfe.
Ungewollt kinderlos – wie Ultraschall bei der Ursachensuche helfen kann
Ungewollt kinderlos – wie Ultraschall bei der Ursachensuche helfen kann
Ungewollte Kinderlosigkeit kann viele Ursachen haben. Diese können sowohl beim Mann
als auch bei der Frau liegen und reichen von organischen über hormonelle und psychische
Ursachen bis hin zu Lebensstilfaktoren. Entsprechend schwierig gestaltet sich oft
die Suche nach der einen, im individuellen Fall maßgeblichen Ursache. „Gerade im gynäkologischen
Bereich steht uns jedoch mit dem Ultraschall ein einfaches und schonendes diagnostisches
Verfahren zur Verfügung“, sagte Professor Dr. med. Markus Hoopmann, Leiter der gynäkologischen
Sonografie an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen. Angeborene oder
neu entstandene Auffälligkeiten an der Gebärmutter oder an den Eierstöcken, die einer
Schwangerschaft im Wege stehen, lassen sich mithilfe der sonografischen Bildgebung
meist zuverlässig feststellen. Dennoch werde die Rolle des Ultraschalls nach wie vor
unterschätzt, so Hoopmann. Die Technik werde häufig erst sehr spät eingesetzt, der
Leidensweg der Paare damit unnötig verlängert.
Beispiel Endometriose
Als Beispiel für eine gynäkologische Erkrankung, bei der der Mangel an gezielter Diagnostik
besonders deutlich werde, nannte Hoopmann die Endometriose. Diese Erkrankung, die
8 bis 15 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter betrifft, ist durch Absiedelungen
der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter gekennzeichnet. Je nach Lage
und Ausmaß dieser Endometrioseherde leiden die betroffenen Frauen unter mehr oder
weniger starken chronischen Schmerzen und häufig auch unter ungewollter Kinderlosigkeit.
„Ab dem Beginn der Beschwerden vergehen im Durchschnitt 6 bis 10 Jahre, bis eine Endometriose
diagnostiziert wird“, so der Tübinger Gynäkologe. Bei ausgeprägten Beschwerden oder
unerfülltem Kinderwunsch könne es sinnvoll sein, die Endometrioseherde operativ zu
entfernen. Nicht nur bei der Diagnose, auch bei der Planung einer solchen Operation
komme dem Ultraschall eine wichtige Rolle zu. Sowohl die Lage der Herde als auch ihre
Ausdehnung lasse sich recht zuverlässig per Ultraschall bestimmen, sodass die Technik
die Entscheidung zwischen einem minimalinvasiven Eingriff oder einer aufwendigeren
offenen Operation effektiv unterstützen könne.
Beispiel Gebärmutter- und Eierstockerkrankungen
Auch angeborene Fehlbildungen der Gebärmutter können eine Schwangerschaft erschweren.
Häufig liegen sogenannte Septen – also Trennwände – in der Gebärmutterhöhle vor, oder
die Gebärmutter ist im oberen Bereich doppelt angelegt. „Vor Beginn der Familienplanung
bleiben diese Besonderheiten meist unbemerkt“, sagte Hoopmann. Bei unerfülltem Kinderwunsch
fänden sie sich jedoch bei bis zu 7 Prozent, bei wiederholten Fehlgeburten sogar bei
bis zu 17 Prozent der betroffenen Frauen. Auch hier könnten mithilfe einer einfachen
und nicht invasiven Ultraschalluntersuchung Klarheit gewonnen und die Möglichkeiten
einer operativen Behandlung ausgelotet werden.
Nicht zuletzt wird das Thema Fruchtbarkeit auch bei Wucherungen an den Eierstöcken
tangiert, obwohl diese den Kinderwunsch nicht direkt betreffen müssen. „Raumforderungen
an den Eierstöcken, die nicht mit den normalen zyklischen Veränderungen erklärt werden
können, sollten immer diagnostisch abgeklärt werden“, betont Hoopmann. Der erste Schritt
hierbei sei idealerweise eine nicht invasive transvaginale Ultraschalluntersuchung.
Diese sei extrem hilfreich, um eine potenziell bösartige Wucherung vorab zu bestimmen
und daraufhin die Operation planen zu können. Während eine kanzeröse Veränderung großzügig
entfernt werden müsse, könne eine gutartige Wucherung deutlich schonender angegangen
werden. Sollte sich eine schonend operierte Wucherung jedoch im Nachgang als bösartig
herausstellen, sei die Gefahr groß, dass durch den Eingriff Tumorzellen in die Bauchhöhle
verschleppt wurden. Auf der anderen Seite sei die Entfernung größerer Teile oder eines
ganzen Eierstocks bei Frauen im gebärfähigen Alter immer kritisch abzuwägen. Die Art
der Wucherung per Ultraschall zuverlässig einschätzen zu können, erleichtere somit
die Abwägung zwischen dem Erhalt des Eierstocks aus Gründen des Kinderwunsches und
der Entfernung desselben, um onkologische Sicherheit zu erzielen. „In den Händen eines
erfahrenen Experten können hier Erkennungsraten von 97 Prozent erreicht werden“, sagte
Hoopmann – ein besonders beeindruckendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit der modernen
Ultraschalldiagnostik.
Die Pressemitteilungen (inkl. Quellennachweise) finden Sie online unter https://www.degum.de/presse/pressemitteilungen