Kodierleitfaden Rheumatologie 2023 – 20. Version – Vorwort zur Version 2023
Eine Vielzahl von Themen bewegt die Krankenhauslandschaft und Rheumaklinken im Jahr
2023. Krankenhausplanung mit Leistungsgruppen, Vorhaltepauschalen, Hybrid-DRGs, Tagesbehandlung,
Ambulantisierung, Pflegepersonalbemessung und -untergrenzen sind nur einige Schlagworte
des politischen Gestaltungswillens. Parallel belasten steigende Kosten, Personalnot,
Fallzahlrückgang und nicht zuletzt die immer weiter steigende Administration, die
zur Umsetzung der politischen Ziele aufgebracht werden muss, die Krankenhäuser bei
der täglichen Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten.
Finanzielle Ausgangslage
2022 haben im Wesentlichen steigende Preise die finanzielle Lage und Liquidität der
Krankenhäuser belastet. Mit dem Gesetz zur Einführung von Preisbremsen für leitungsgebundenes
Erdgas und Wärme und zur Änderung weiterer Vorschriften wurde kurzfristig eine finanzielle
Kompensation für steigende direkte und indirekte Energiekosten geschaffen. Deutlich
kritischer erweist sich die Erlösseite für 2023. Die Landesbasisfallwerte dürfen für
2023 nur um bis zu 4,32 % (Veränderungswert) steigen. Dieser Wert liegt deutlich unter
der derzeitigen Inflationsrate. Zusätzlich wurden die Bewertungsrelationen des aG-DRG-Systems
im Rahmen der Ersatzvornahme des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) normativ
abgewertet und so 400 Millionen Euro aus der DRG-Vergütung ausgegliedert. Noch dramatischer
wird sich allerdings der Rückgang der stationären Leistungsmengen auf die Erlöse auswirken.
Bis 2022 wurden die durch den Coronapandemie bedingten Fallzahlrückgang ausgelösten
Erlöseinbußen noch über einen Ganzjahresausgleich abgemildert. Für 2023 ist kein Ganzjahresausgleich
mehr vorgesehen, sodass Erlösrückgänge in viel stärkerem Maße Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit
nehmen werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber kurzfristig noch
einmal finanziell nachbessern muss, um flächendeckende Insolvenzen zu vermeiden.
Krankenhausfinanzierung
Ende 2022 wurden die Empfehlungen der Regierungskommission zur grundlegenden Reform
der Krankenhausplanung und -vergütung vorgestellt. Demnach soll über die Zuordnung
von Versorgungsleveln und Leistungsgruppen in die Versorgungsstrukturen eingegriffen
werden. Orientiert an diesen Strukturveränderungen soll auch eine fallunabhängige
Finanzierung der Vorhaltung erfolgen. Der Einfluss der fallabhängigen DRG-Vergütung
soll damit deutlich sinken. Das Pflegebudget soll hingegen erhalten bleiben. Kleinere
Krankenhäuser, die keine G-BA-Notfallstufe aufweisen, sollen über Tagessätze finanziert
werden. Für Fachkliniken soll es besondere Vorgaben geben. Auch für die Rheumatologie
soll eine Leistungsgruppe entwickelt werden. Inwieweit die Empfehlungen der Regierungskommission
nun in konkrete Gesetzestexte einfließen werden, bleibt abzuwarten. Ob (und wenn inwieweit)
die Bundesländer einen so deutlichen Eingriff in die ihnen zustehende Krankenhausplanung
dulden werden, ist offen. Sicher ist, dass nicht mit einer kurzfristigen Umsetzung
gerechnet werden kann und eine Konvergenzphase für die Einführung der neuen Systematik
notwendig ist.
In der Übergangsphase spielen daher weitere gesetzgeberische Maßnahmen eine Rolle.
Seit Beginn des Jahres sollen Krankenhäuser „in medizinisch geeigneten Fällen, wenn
eine Indikation für eine stationäre somatische Behandlung vorliegt, mit Einwilligung
der Patientin oder des Patienten anstelle einer vollstationären Behandlung eine tagesstationäre
Behandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus erbringen“ dürfen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot
wurde nicht ausgesetzt, sodass weiterhin, wenn eine ambulante oder teilstationäre
Versorgung möglich wäre, keine tagesstationäre Behandlung durchgeführt werden darf.
Auch die weiteren Regelungen (z. B. Haftungsrisiken, Fahrkosten, Dokumentation eines
mindestens 6-stündigen Aufenthaltes, „währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische
Behandlung erbracht wird“) dürften diese Versorgungsform für Krankenhäuser wenig attraktiv
machen. Eine relevante Entlastung von Pflegepersonal ist dadurch nicht zu erwarten.
Für Rheumakliniken, die meist einen überregionalen Einzugsbereich haben, würde sich
diese Versorgungsform ohnehin nur bei wenigen Behandlungsfällen (z. B. wohnortnahe
Komplexbehandlung) anbieten. Eine medizinisch-inhaltliche Abgrenzung zur teilstationären
Versorgung dürfte sich allerdings schwierig gestalten.
Ein weiteres Projekt mit höherem Potenzial stellen die sogenannten „Hybrid-DRGs“ dar.
Bis zum 31. März 2023 sollen die Selbstverwaltungspartner eine spezielle sektorengleiche
Vergütung für eine Auswahl von Leistungen des AOP-Katalogs (nach § 115b SGB V) mit
besonders hohem Ambulantisierungspotenzial vereinbaren. Allerdings dürften hiervon
kaum rheumatologische Leistungen betroffen sein.
Kliniken der Kinder- und Jugendrheumatologie dürfen sich hingegen über vorübergehend
deutlich bessere Erlöse freuen. Für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen im
Alter von über 28 Tagen und unter 16 Jahren soll für die Jahre 2023 und 2024 ein erhöhtes
Erlösbudget bezahlt werden. Wird das erhöhte Erlösvolumen in der Echtabrechnung (bei
Leistungsreduktion) nicht um mehr als 20 % unterschritten, steht den Krankenhäusern
(dann leistungsmengenunabhängig) trotzdem das vollständige erhöhte Erlösbudget zu.
Des Weiteren sollen über das Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPflEG) unter anderem
auch noch Geburtshilfen finanziell entlastet, eine Pflegepersonalbedarfsbemessung
(basierend auf der PPR 2.0) eingeführt und Fristen zum Abschluss der Entgeltverhandlungen
gesetzt werden. Bereits mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurde
das Pflegebudget zukünftig auf qualifizierte Pflegekräfte (und Hebammen) eingeschränkt.
NUB-Vereinbarungen für Arzneimittel müssen zukünftig „mit Wirkung ab dem Zeitpunkt
der Geltung eines Erstattungsbetrags“ angepasst werden.
NRW macht ernst mit der neuen Krankenhausplanung
Mit Vorsprung vor den bundesweiten Maßnahmen hat NRW seine Krankenhausplanung von
Betten auf Leistungsgruppen umgestellt. Zum 17.11.2022 mussten alle Krankenhäuser
in NRW ihre Versorgungsaufträge neu beantragen. Krankenhäusern und Krankenkassen stehen
seitdem 6 Monate Zeit zur Verfügung, regionale Planungskonzepte für die 64 Leistungsgruppen
auf den zugeordneten Planungsebenen (Kreis, Versorgungsgebiet, Regierungsbezirk, Landesteil)
zu verhandeln. Auch für die („komplexe“) Rheumatologie existiert eine eigene Leistungsgruppe,
für die jedoch weder Fälle beantragt werden müssen noch Auswahlentscheidungen ergehen
werden. Krankenhausstandorte, die die Mindestvoraussetzungen (im Wesentlichen 3 Vollzeitäquivalente
mit fachärztlicher rheumatologischer/rheumaorthopädischer Qualifikation) erfüllen,
werden den Versorgungsauftrag auf Antrag zugewiesen bekommen.
Erste Feststellungsbescheide könnten bereits 2023 ergehen. Die genauen Auswirkungen
der neuen Krankenhausplanung auf die Versorgungslandschaft sind noch nicht abzusehen.
Es zeigt sich jedoch, dass viele Krankenhausträger den Anstoß nutzen, ihr Leistungsportfolio
an einzelnen Standorten sowie Kooperationen zu überprüfen.
Möglicherweise erzwingen die geplanten bundesweiten Vorgaben eine Weiterentwicklung
des Leistungsgruppensystems in NRW. Durch eine Einführung von Versorgungsleveln könnte
die bisherige Planungssystematik in NRW durchkreuzt werden. Die rheumatologische Versorgung
ist nicht selten in spezialisierten Fachkliniken angesiedelt. Eine auf Leistungsgruppen
basierte Krankenhausplanung kann fachklinische Versorgungsstrukturen vermutlich besser
berücksichtigen als eine Krankenhausplanung auf Basis von Versorgungsleveln.
Das neue aG-DRG-System 2023 – was ändert sich für die Rheumatologie?
Ein weiteres Mal konnten sich die gemeinsamen Partner der Selbstverwaltung nicht auf
ein neues DRG-System verständigen. Strittig war wie in den Vorjahren nur die Frage
der Normierung des Systems und damit der Justierung des Niveaus der Bewertungsrelationen
im Kontext der Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem G-DRG-System. Ende November
wurde daher das aG-DRG-System 2023 über eine Ersatzvornahme des BMG nach Ausgliederung
von 400 Millionen Euro über eine pauschale Abwertung der Bewertungsrelationen (ca.
–0,8 %) in Kraft gesetzt.
Die COVID-19-Pandemie hat großen Einfluss auf die Versorgung in den Krankenhäusern
genommen. Jetzt – mit etwas Zeitverzug – stellt sie hohe Herausforderungen an die
Kalkulation des aG-DRG-Systems. Nachdem das aG-DRG-System 2022 wie bereits das aG-DRG-System
2021 auf Kostendaten des Jahres 2019 kalkuliert wurde, wurden für 2023 nun wieder
aktuellere Kostendaten aus 2021 – und damit Daten aus der Pandemiezeit – verwendet.
Allerdings wurde die Kalkulationsmethodik angepasst, um Verwerfungen, die durch unterschiedliche
Fallzahlentwicklungen resultieren würden, zu begegnen. Ob die Kalkulation des aG-DRG-Systems
2023 wirklich sachgerecht ist und wie gut die prospektive Vorhersage der Aufwandsunterschiede
gelungen ist, wird sich herausstellen. Anders als in den Vorjahren plant der Gesetzgeber
für 2023 keine Absicherung mehr durch einen Ganzjahresausgleich, sodass 2023 eine
sachgerechte leistungsorientierte Vergütung wieder an Bedeutung gewinnt.
Klassifikatorische Änderungen an den „rheumatologischen“ DRGs gab es für 2023 kaum.
Betroffen ist nur die Basis-DRG I66; bei den DRGs I69A/B, I79Z, I97Z gab es keine
Neuerungen. Alle Veränderungen dienten der besseren Abbildung von Fällen mit COVID-19.
Dabei wurden Fälle mit der Hauptdiagnose U10.9 (Multisystemisches Entzündungssyndrom
in Verbindung mit COVID-19, nicht näher bezeichnet) in die Definitionen folgender
DRGs aufgenommen:
-
I66C (in Verbindung mit einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung im Kindesalter)
-
I66D (restliche Fälle mit einer Verweildauer > 1 Belegungstag)
-
I66G (für Fälle mit einem Belegungstag statt I66H)
Fälle mit dem Sekundärkode U07.1! (COVID-19, Virus nachgewiesen) und Komplexbehandlung
bei nicht multiresistenten Erregern ab 10 Behandlungstagen (OPS 8–98 g.02–04 und 8–98
g.12–14) wurden in die DRG I66C aufgenommen.
Die mittleren Verweildauern und Grenzverweildauern der häufig abgerechneten rheumatologischen
DRGs, die keinen klassifikatorischen Veränderungen unterlagen, (z. B. I69A, I79Z und
I97Z) sind nahezu konstant. Trotzdem sind die Bewertungsrelationen weiter gesunken.
Eine Abwertung von –0,8 % für alle DRGs resultiert dabei bereits aus der Neunormierung
im Rahmen der Ersatzvornahme und hat keinen Bezug zu einer vergleichsweise schwächeren
Kostenentwicklung in der Rheumatologie.
Trotz sinkender Bewertungsrelationen dürften die diesjährigen Änderungen des Fallpauschalenkatalogs
nur eine untergeordnete Bedeutung für die wirtschaftliche Situation der Rheumakliniken
haben. Im Vordergrund dürfte bei vielen Kliniken weiterhin der Rückgang in der Belegung
bei stark steigenden Kosten stehen.
Pflegepersonaluntergrenzen in der Rheumatologie
Für 2023 wurden nun auch Pflegepersonaluntergrenzen in der Rheumatologie eingeführt.
Demnach darf eine Pflegekraft in der „Tagschicht“ maximal 13 Patientinnen oder Patienten
und in der „Nachtschicht“ maximal 30 Patientinnen oder Patienten betreuen. Der Anteil
von Pflegehilfskräften wird in der „Tagschicht“ zu maximal 10 % und in der „Nachtschicht“
zu maximal 5 % auf die Anzahl der notwendigen Pflegekräfte angerechnet. Zur datengetriebenen
Ableitung der Patienten-zu-Personal-Ratios mussten alle rheumatologische Kliniken
Daten liefern. Die datengetriebene Ableitung darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass
Pflegepersonaluntergrenzen in der Rheumatologie weder notwendig noch sachgerecht sind.
Rheumatologische DRGs (I97Z, I96A/B, I66E/G, I79Z) weisen – zusammen mit den DRGs
der multimodalen Schmerztherapie – sowohl nach dem Katalog der Pflegebewertungsrelationen
als auch nach dem Pflegelastkatalog die mit Abstand niedrigsten Pflegepersonalkosten/-last
aller DRGs auf. Die Pflegepersonalkosten liegen bei nur 40–60 % des Durchschnitts
aller DRGs. Dies verwundert nicht, da die Rheumatologie eine Fachdisziplin ist, bei
der ärztliche bzw. therapeutische und nicht pflegerische Leistungen im Vordergrund
stehen. Innerhalb des Fachgebietes existieren wiederum unterschiedliche Spezialisierungen
mit deutlich unterschiedlichem Pflegebedarf. Analoges gilt für die Kinder- und Jugendrheumatologie,
für die die gleichen Pflegepersonaluntergrenzen gelten wie für andere pädiatrischen
Spezialsierungen, die einen deutlich höheren Pflegebedarf aufweisen. Die Nutzung einheitlicher
Pflegepersonaluntergrenzen führt hier zu einer Fehlallokation dringlich benötigter
pflegerischer Ressourcen und – über Bettensperrungen – zu einer Leistungsreduktion,
ohne dass eine Patientengefährdung aufgrund eines Pflegemangels im Spiel wäre. Zudem
leiden nun auch durchgängig alle rheumatologischen Kliniken unter dem hohen administrativen
Aufwand, den die Anwendung der Pflegepersonaluntergrenzen mit sich bringt. Es bleibt
nur zu hoffen, dass die Pflegepersonaluntergrenzen nach Erhebung eines realistischen
Pflegebedarfs über ein Pflegepersonalbemessungsinstrument abgelöst oder zumindest
weiterentwickelt wird.
Zusatzkodierung seltene Erkrankungen
Ab 1. April 2023 ist die zusätzliche Kodierung einer Orpha-Kennnummer beim Vorliegen
einer seltenen Erkrankung (Orphan Disease) verpflichtend. Beispielhaft wurden einzelne
Orpha-Kennnummern schon für 2021 in diesen Kodierleitfaden aufgenommen. Seit 2022
finden sich die Orpha-Kennnummern durchgängig im Kodierleitfaden und wurden für 2023
nochmals aktualisiert.
Der VRA hofft, Sie mit dieser Neuauflage des Kodierleitfadens erneut bei den gestiegenen
Anforderungen an die korrekte Klassifizierung und Kodierung in der Rheumatologie unterstützen
zu können.
Verantwortlich für den Inhalt
Prof. Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek
Geschäftsführer, Verband rheumatologischer Akutkliniken e. V. E-Mail: lakomek@vraev.de