Schlüsselwörter fortgeschrittener Brustkrebs - Chemotherapie - Therapiestandard
Einleitung
Mit den CDK4/6-Inhibitoren ist in der ersten fortgeschrittenen bzw. metastasierten
Therapielinie der Patientin mit einem hormonrezeptorpositiven Tumor der neue Standard
bei der Behandlung etabliert worden. Sukzessiv mehren sich die Daten, die helfen,
die Resistenz- und Effektivitätsmechanismen zu verstehen. Umfangreiche genomische
Analysen geben neue Einblicke in die Heterogenität der Krankheitsverläufe von Patientinnen,
die mit CDK4/6-Inhibitoren behandelt werden. Es sind genau diese Erkenntnisse, die
in den nächsten Jahren die Therapiesequenzen für Patientinnen mit einer fortgeschrittenen
Mammakarzinomerkrankung definieren könnten. Zusätzlich bestimmen die neuen Antikörper-Medikament-Konjugate
die aktuellsten Innovationen bei Patientinnen mit einer fortgeschrittenen Mammakarzinomerkrankung.
Sowohl für Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) als auch für Sacituzumab Govitecan wurden
eine Reihe neuer Ergebnisse veröffentlicht.
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und CDK4/6-Inhibitoren
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und CDK4/6-Inhibitoren
Monarch 3
Die Monarch-3-Studie zur Erstlinientherapie mit Abemaciclib ist die einzige Studie
unter den großen, randomisierten Phase-III-Studien mit Palbociclib, Ribociclib, und
Abemaciclib in der metastasierten Situation [1 ], [2 ], [3 ], [4 ], [5 ], [6 ], [7 ], [8 ], [9 ], [10 ], [11 ], [12 ], [13 ], [14 ], [15 ], [16 ], von der noch keine finale Gesamt-Überlebensanalyse vorliegt. Dieses hat sich auch
durch den diesjährigen Kongress ESMO 2022 nicht geändert, jedoch ist dort eine umfangreiche
und geplante Interimsanalyse der Monarch-3-Studie vorgestellt worden [17 ], nachdem Teile dieser Daten bereits in der Fachinformation Anfang 2022 veröffentlicht
worden waren [18 ]. Die vorgestellte Interimsanalyse bezog sich auf das Gesamtüberleben und erfolgte
mit einem Datenbankschluss im Juli 2021 und einem medianen Nachbeobachtungszeitraum
von 5,8 Jahren. Eine statistische Signifikanz konnte mit einem p-Wert von 0,0301 noch
nicht erreicht werden. Das mediane Gesamtüberleben wurde numerisch von 54,5 auf 67,1
Monate verlängert. Dies entsprach einer Hazard Ratio (HR) von 0,754 (95%-KI: 0,584 – 0,974)
[17 ]. Bei der Subgruppenanalyse zeigte sich lediglich bei einer Subgruppe kein durchweg
konsistenter Effekt. In der Gruppe der Patientinnen mit einem negativen Progesteronrezeptorstatus
war der Effekt am größten (HR = 0,425; 95%-KI: 0,368 – 0,702), während in der Gruppe
der progesteronrezeptorpositiven Tumoren
der Effekt nur eine Hazard Ratio von 0,919 (95%-KI: 0,682 – 1,238) erzielte. Diese
Unterschiede sind hypothesengenerierend und könnten in zukünftigen Studien weiter
untersucht werden. Es bleibt anzumerken, dass die Wertigkeit der Progesteronrezeptorbestimmung
zurzeit in der Diskussion steht, ob sie eher als ein Prognosefaktor für Patientinnen
mit positivem Östrogenrezeptor genutzt werden sollte [19 ]. Mit demselben Datenbankschluss wurde auch ein Update für die progressionsfreie
Überlebenszeit vorgestellt. Hier betrug die HR 0,518 (95%-KI: 0,415 – 0,648), welches
einer Verlängerung der medianen Progression-free-Survival-(PFS-)Zeit von 14,8 Monaten
auf 29,0 Monate entsprach. Nach 5 Jahren waren immerhin noch 26,7% der Patientinnen
unter Abemaciclib-Therapie progressionsfrei, während dieser Anteil bei den Patientinnen
mit der Aromatasehemmer-Monotherapie nur 9,6% betrug [17 ]. Eine weitere klinisch relevante Information dieser Analyse mit langer Nachbeobachtungszeit
war, dass auch bei Langzeitexposition keine zusätzlichen Sicherheitssignale gesehen
werden konnten. Die finale Analyse wird für das Jahr 2023 erwartet.
DAWNA-2
Dalpiciclib ist ein im europäischen Markt nicht zugelassener CDK4/6-Inhibitor, der
verglichen mit den anderen CDK4/6-Inhibitoren über eine CDK4 : CDK6 IC50-Ratio von
0,8 CDK4 ähnlich stark wie Palbociclib inhibiert. In präklinischen Experimenten wurde
eine potente Inhibition des Zellwachstums nachgewiesen [20 ], [21 ]. In der bereits zuvor veröffentlichten DAWNA-1-Studie wurden Patientinnen mit Fulvestrant
oder Fulvestrant + Dalpiciclib behandelt, die eine gewisse endokrine Resistenz aufweisen
[22 ]. Die DAWNA-1-Studie konnte eine Verbesserung des PFS zeigen. Nun wurde die DAWNA-2-Studie
vorgestellt, die sich ähnlich wie die Patientinnen der Monaleesa-2, Paloma-2 und Monarch-3
auf Patientinnen in der ersten fortgeschrittenen Therapielinie fokussierte [23 ]. Die Patientinnen wurden 1 : 2 zu einer Therapie mit Letrozol oder Anastrozol oder
zu einer Therapie mit einem der Aromatasehemmer plus Dalpiciclib randomisiert. Das
primäre Studienziel war das progressionsfreie Überleben.
In dieser Studie konnte das mediane progressionsfreie Überleben unter der endokrinen
Monotherapie von 18,2 Monaten auf 30,6 Monate verlängert werden. Dies entsprach eine
Hazard Ratio von 0,51 (95%-KI: 0,38 – 0,69) [23 ]. Keine der ausreichend großen Subgruppen zeigte einen diesbezüglich inkonsistenten
Effekt. Ebenso wie in der DAWNA-1-Studie waren sowohl prä- als auch postmenopausale
Patientinnen zugelassen. Bei der Präsentation der DAWNA-2-Studie mit dem Aromatasehemmer
als endokrine Therapie wurde jedoch nicht spezifiziert, ob die prämenopausalen Patientinnen
eine ovarielle Funktionssuppression erhalten hatten [22 ]. Die berichteten Therapieeffekte unterschieden sich nicht bei prämenopausalen Patientinnen
(HR = 0,53; 95%-KI: 0,33 – 0,85) verglichen mit postmenopausalen Patientinnen (HR = 0,52;
95%-KI: 0,36 – 0,75) [22 ]. In Bezug auf die Nebenwirkungen standen die hämatologischen Effekte wie Neutropenie
(Grad 4: 21,2%) im Vordergrund. Wie schon erwähnt ist Dalpicilib weder in den USA
noch in Europa zugelassen.
ELAINE 1
Mutationen im Östrogen-Rezeptorgen (ESR1) waren in der PADA-1-Studie mit einer besseren Wirksamkeit des Wechselns auf den Kombinationspartner
Fulvestrant mit Palbociclib, verglichen mit einer Fortführung einer Therapie mit Aromatasehemmer
assoziiert [24 ]. Vor diesem Hintergrund stellt sich für diese Patientinnen mit einer somatischen
ESR1 -Mutation (sESR1) die Frage nach dem optimalen Kombinationspartner für eine Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor.
Eine der Substanzen, die in dem Zusammenhang momentan untersucht wird, ist Lasofoxifen,
das in präklinischen Studien der Tumorwirkung von Fulvestrant überlegen war [25 ], [26 ]. Diese Substanz wurde nun an einer Population untersucht, bei welcher beim Progress
unter einer Therapie mit Aromatasehemmer und CDK4/6-Inhibitor eine sESR1-Mutation
detektiert worden war. Mit einer kleinen Fallzahl von 103 randomisierten Patientinnen
war die Hazard Ratio mit 0,699 (95%-KI: 0,445 – 1,125; p = 0,138) zwar nicht statistisch
signifikant, aber vielversprechend. Das mediane PFS wurde in dieser therapieresistenten
Situation von 4,04 Monate auf 6,04 Monate verlängert [27 ].
MSK Impact
Bereits bei der San-Antonio-Brustkrebskonferenz 2021 wurden Daten der MSK-IMPACT-Kohorte
in Bezug auf die Prognose von mit CDK4/6-Inhibitoren behandelten Patientinnen vorgestellt.
Dort wurden Daten präsentiert, dass bei Patientinnen, die mit einem CDK4/6-Inhibitor
behandelt werden, eine Keimbahnmutation in BRCA2 einen ungünstigen prognostischen Effekt hat. Verglichen mit Patientinnen mit einem
Wildtyp-Genotyp hatten Patientinnen mit einer Mutation ein höheres Risiko für einen
Progress (HR = 2,32; 95%-KI: 1,38 – 3,91) [28 ].
Nun sind neue, umfangreiche Biomarkeranalysen dieser Kohorte, ebenfalls mit Bezug
zu den mit CDK4/6-Inhibitoren behandelten Patientinnen, vorgestellt worden [29 ]. Hierfür wurden die Tumoren der Brustkrebspatientinnen auf komplexe Mutationssignaturen
untersucht. Die Einteilung in Tumoren nach komplexen Mutationssignaturen ist der Versuch,
Tumoren basierend auf den Mustern ihrer somatischen Mutationen in Kategorien einzuteilen.
In der Pathogenese von Tumoren können unterschiedliche Reize und Umstände zu Mutationen
führen, die alle ein charakteristisches Mutationsprofil aufweisen [30 ]. Ein Beispiel für das Entstehen eines solchen Mutationsprofils ist in [Abb. 1 ] dargestellt. Diese Mutationsprofile können für unterschiedliche Arten der Mutationen
(Single Base Pair, Doublet Base Pair und InDels) entwickelt werden. Die Arbeit der
MSK-Impact-Kohorte fokussierte sich auf Single-Base-Pair-Mutationen (SBS) [29 ], von denen in einer kürzlich veröffentlichten Arbeit 96 verschiedene Klassen beschrieben
worden sind [31 ]. Aktuelle Klassifikationen der Tumorgenome können von COSMIC (Catalogue of Somatic
Mutations in Cancer) zur Verfügung gestellt werden [32 ].
Abb. 1 Modellbeispiel für das Entstehen von Mutationsprofilen (Daten aus [30 ], creative commons lizenz CC BY, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/). Jeder
Reiz führt zu unterschiedlich häufigen spezifischen Mutationen. Über die Lebenszeit
führen unterschiedliche Reize einzeln oder in Kombination zu einem typischen Mutationsprofil.
In dem unten angegebenen Beispiel bestimmen 4 Mutationsprofile das Muster, das im
Tumor gefunden werden kann. Zunächst überwiegen die Mutationsmuster, die durch kontinuierliche
Effekte wie das Alter zustande kommen können (Mutationsprozess 1), dann übernehmen
die Effekte anderer Mutationsprozesse, zunächst Mutationsprozess 4, dann Prozess 2,
dann Prozess 3.
Einige dieser SBS-Signaturen kommen gehäuft beim Mammakarzinom vor und können in folgende
ätiologische Gruppen eingeteilt werden: zeitabhängig (clock-like), APOBEC, HRD, rauchenassoziiert,
Mismatch-Repair-assoziiert. Einen Überblick gibt [Tab. 1 ].
Tab. 1 Mutationsprofile gruppiert nach Ätiologie, basierend auf den Single Base Substitutions
(SBS), welche in der MSK-IMPACT-Kohorte analysiert wurden (Daten aus [29 ]).
ätiologische Gruppe
SBS-Gruppen
Beschreibung
klinische Implikationen
zeitabhängig (clock-like)
SBS1, SBS5
Diese Mutationsprofile treten mit zunehmendem Alter in normalen und entarteten Zellen
gleichermaßen auf.
noch keine
APOBEC
SBS2, SBS13
Mutationsmuster, die von Proteinen der AID/APOBEC-Familie hervorgerufen werden. AID/APOBEC-Proteine
können Mutationen in DNA und RNA hervorrufen, und APOBEC3A ist wahrscheinlich für
die Mehrzahl der Mutationen in Krebszellen verantwortlich.
noch keine
Homologous Recombination Deficient (HRD)
SBS3, SBS8
Dieses Mutationsmuster ist die Folge von Defekten in Genen der homologen Rekombination,
hauptsächlich Mutationen in BRCA1 und BRCA2 oder Methylierung des BRCA1-Promoters.
PARP-Inhibitoren, platinbasierte Chemotherapien
rauchenassoziiert (Smoking)
SBS4
Mutationsprofil, das mit Rauchen assoziiert wurde, z. B. als Folge einer Benzopyren-Exposition.
keine
Mismatch-Repair-Deficiency-assoziiert
SBS6, SBS15, SBS20, SBS26
Diese Mutationsprofile werden in Tumoren mit einer Mikrosatelliten-Instabilität gefunden.
Immuncheckpoint-Inhibition
Die klinischen Daten, die vorgestellt wurden, bezogen sich zum einen auf die Veränderung
des Mutationsprofils von Primärtumor zu Metastase und zum anderen auf den Einfluss
der Mutationsprofile auf die Prognose von Patientinnen, die mit CDK4/6-Inhibitoren
in der ersten Therapielinie behandelt worden sind. Die beiden Mutationsprofile, die
bei Progression von frühen HRpos/HER2neg Krankheitsstadien zur fortgeschrittenen Krankheitssituation
am meisten zugenommen hatten, waren APOBEC und HRD [29 ]. Bei der Untersuchung der Mutationsprofile in Bezug auf ihren Einfluss auf die Prognose
unter Erstlinien-CDK4/6-Therapie zeigten sich deutliche Unterschiede. Bei Patientinnen
mit wenig Mutationen lag das mediane progressionsfreie Überleben bei 17,8 Monaten,
während es bei Patientinnen mit einer APOBEC-Signatur 12,3 Monate betrug. Konnte eine
HRD-Signatur festgestellt werden, lag das mediane PFS nur bei 7,6 Monaten ([Tab. 2 ]) [29 ].
Tab. 2 Progressionsfreies Überleben in der MSK-Impact-Kohorte unter Erstlinientherapie mit
einem CDK4/6-Inhibitor in Abhängigkeit von den Gruppen nach Mutationsprofilen (Daten
aus [29 ]).
Gruppe
medianes PFS (95%-KI)
HR (95%-KI)
p-Wert
weniger als 5 Mutationen
17,8 (15,3 – 25,7)
1 (Referenz)
zeitabhängig und andere
14,5 (11,0 – 21,0)
1,23 (0,9 – 1,7)
0,185
APOBEC
12,3 (8,8 – 14,9)
1,47 (1,1 – 1,9)
0,012
HRD
7,6 (5,3 – 12,3)
1,71 (1,2 – 2,5)
0,006
Mit dieser Arbeit konnten weitere relevante Aspekte der endokrinen Resistenz beleuchtet
werden. Inwieweit diese Erkenntnisse genutzt werden können, um Therapien oder Therapiesequenzen
festzulegen, muss in zukünftigen Studien erarbeitet werden. Bislang ist und bleibt
die Behandlung mit einem CDK4/6-Inhibitor der Standard in der ersten Therapielinie
bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen HRpos/HER2neg Mammakarzinom. Bei dem
kurzen medianen PFS bei Patientinnen mit HRD-Mutationsprofil könnte z. B. die Frage
gestellt werden, ob diese Patientinnen eher mit einem PARP-Inhibitor behandelt werden
könnten. Mit 10,5% der CDK4/6-Patientinnen in der MSK-IMPACT-Kohorte stellt diese
HRD-Gruppe nur einen kleinen Teil der Patientinnen dar, sodass ggf. eine spezifische
Studie durchgeführt werden müsste oder Real-World-Daten weitere Einblicke in den Sachverhalt
geben könnten.
CAPTOR und MINERVA
Zwei Studien, die helfen werden, in diesem Zusammenhang Daten beizutragen, sind die
beiden Studien CAPTOR und MINERVA [33 ], [34 ].
Die MINERVA-Studie [34 ] untersucht die Effektivität von Abemaciclib bei Patientinnen mit einem fortgeschrittenen
HRpos/HER2neg Mammakarzinom. Im Rahmen der Studie können Biomaterialien für translationale
Forschungsprogramme abgenommen werden, insbesondere zirkulierende DNA (ctDNA) und
Keimbahn-DNA. Zusätzlich wird die Lebensqualität mit der elektronischen Gesundheits-Software
CANKADO erfasst. Das Studiendesign ist in [Abb. 2 ] dargestellt.
Abb. 2 Studiendesign der MINERVA-Studie (AI: Aromatasehemmer; HR: Hormonrezeptor, eCRF:
electronic case report form, PD: progressive disease; LPI: last patient in; EORTC-QLQ
und EQ-VAS: Lebensqualitätsfragebögen; EOS: End of Study).
Im Rahmen der CAPTOR-BC-Studie steht die Erforschung von Effektivitäts- und Resistenzmechanismen
mit neuesten Methoden im Mittelpunkt. Die Visitenzeitpunkte sind optimiert, um umfangreiche
Erkenntnisse über die Wirkweise von Ribociclib zu gewinnen. Hierfür werden Untersuchungen
an verschiedenen Biomaterialien angestrebt: ctDNA, Keimbahn-DNA, Tumorgewebe, Serum,
Plasma, Leukozyten-RNA. Des Weiteren sollen Bilddaten ebenfalls mit der Effektivität
von Ribociclib assoziiert werden. Das Studiendesign ist in [Abb. 3 ] dargestellt. Wie die Mutationsprofile in der MSK-IMPACT-Kohorte gezeigt haben, müssen
oft Tausende von Genen und Mutationen untersucht werden. Deswegen werden die Fallzahlen
von Patientinnen, die benötigt werden, um die Aspekte der Resistenz und Effektivität
zu erforschen, sehr groß sein. Das Netzwerk der CAPTOR-BC-Studie ist spezifisch darauf
vorbereitet, Algorithmen und Daten mit anderen Forschergruppen zu teilen und so die
Chancen auf substanzielle Forschung zu erhöhen.
Abb. 3 Studiendesign der CAPTOR-BC-Studie.
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und SERDs
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und SERDs
Die neuen, oralen selektiven Östrogen-Degradierer (SERDs) befinden sich zurzeit in
der klinischen Entwicklung. Sie werden in einer Vielzahl von klinischen Studien in
den verschiedensten klinischen Szenarien getestet. Mittlerweile haben 2 randomisierte
Studien ihr primäres Studienziel erreicht, die EMERALD-Studie und die SERENA-2-Studie.
Während die EMERALD-Studie bereits voll publiziert ist [35 ], liegt von der SERENA-2-Studie bislang nur eine Pressemeldung vor [36 ]. Trotz dieser beiden Studien müssen die oralen SERDS erst noch ihren Stellenwert
bei der Behandlung von HRpos/HER2neg Brustkrebspatientinnen finden. Die Verbesserung
des medianen PFS in der EMERALD-Studie war klinisch nur marginal bedeutsam. Das mediane
progressionsfreie Überleben wurde von 1,9 Monate auf 2,8 Monate in der Gesamtpopulation
verlängert [35 ]. Nun sind zusätzlich noch 2 ähnliche Studien veröffentlicht worden, bei denen das
primäre Studienziel nicht erreicht wurde, die acelERA-Studie und die AMEERA-3-Studie
[37 ], [38 ].
acelERA
In die acelERA-Studie wurden Patientinnen eingeschleust, die entweder 1 oder 2 vorherige
Systemtherapien für die Behandlung eines fortgeschrittenen HRpos/HER2neg Mammakarzinoms
erhalten hatten. Eine der Therapien musste dabei eine endokrine Therapie gewesen sein.
Die 303 Patientinnen wurden zu einer endokrinen Monotherapie nach Wahl der Ärztin
bzw. des Arztes (entweder Aromatasehemmer [AI] oder Fulvestrant [FUL]) oder zu einer
Therapie mit Giredestrant randomisiert. Im Vergleichsarm wurden 75% der Patientinnen
mit Fulvestrant und 25% mit Aromatasehemmer behandelt. Bei der Analyse der Gesamtpopulation
konnte kein Unterschied in Bezug auf das progressionsfreie Überleben festgestellt
werden. Das mediane PFS in der Gruppe der Patientinnen mit Giredestrant war 5,6 Monate
und in der Gruppe der FUL/AI-Gruppe lag das mediane PFS bei 5,4 Monate. Dieses entsprach
einer Hazard Ratio von 0,81 (95%-KI: 0,60 – 1,10) [38 ]. Bei insgesamt 90 Patientinnen konnte eine ESR1 -Mutation festgestellt werden. Bei diesen Patientinnen war der Unterschied zugunsten
des Giredestrants größer mit einer HR von 0,60 (95%-KI: 0,35 – 1,03) mit medianen
PFS-Zeiten für Giredestrant von 5,3 Monaten und für die Patientinnen, die mit FUL/AI
behandelt worden waren, von 3,5 Monaten [38 ].
Ameera-3
Patientinnen in der Ameera-3-Studie mussten unter einer endokrinen Therapie in der
adjuvanten Situation oder in der metastasierten Behandlung einen Progress gezeigt
haben und durften bis zu 2 endokrine Therapien und bis zu einer Chemotherapie für
die Behandlung in der fortgeschrittenen Situation erhalten haben. Die 290 Patientinnen
wurden zu einer Therapie mit Fulvestrant, Aromatasehemmer oder Tamoxifen (TAM) oder
zu einer Therapie mit Amcenestrant randomisiert. Im Vergleichsarm erhielten 89,8%
der Patientinnen Fulvestrant, 6,8% Aromatasehemmer und 3,4% Tamoxifen. Auch in dieser
Studie zeigte sich in der Gesamtpopulation kein Unterschied im progressionsfreien
Überleben mit einer HR von 1,05 (95%-KI: 0,79 – 1,4). Die medianen PFS-Zeiten waren
mit Amcenestrant 3,6 Monate und mit FUL/AI/TAM 3,7 Monate. Auch in der Ameera-3-Studie
wurde eine Analyse in der Subgruppe der 120 ESR1 -mutierten Patientinnen durchgeführt. Hier lag die HR zugunsten des Amcenestrants
bei 0,9 (95%-KI: 0,57 – 1,44).
Ausblick zu den SERD-Studien
Inklusive der Serena-2-Studie sind nunmehr 2 positive und 2 negative Studien veröffentlicht
worden. Alle Studien sind in einer Therapiesituation mit einer großen Zahl von hormontherapieresistenten
Patientinnen durchgeführt worden. In solchen Populationen ist es in der Regel schwierig,
einen Therapiebenefit nachzuweisen. Auch waren die Anteile der Patientinnen in den
Vergleichsarmen, die den SERD Fulvestrant erhalten hatten, relativ hoch. In der Ameera-3-Studie
betrug dieser Anteil 90%. Somit kann in der Studie davon ausgegangen werden, dass
de facto ein SERD mit einem anderen SERD verglichen worden ist. Im August war durch
eine Pressemeldung zusätzlich bekannt gegeben worden, dass auch die Ameera-5-Studie
abgebrochen werden musste. In der Ameera-5-Studie wurde in der ersten Therapielinie
Palbociclib plus Letrozol mit Palbociclib plus Amcenestrant verglichen. Die Studie
war nach einer Bewertung durch das Data Monitoring Safety Board abgebrochen worden
[39 ]. Vor dem Hintergrund der PARSIFAL-Studie kamen diese Studienergebnisse nicht ganz
überraschend [40 ].
Derzeit ist unklar, ob die Unterschiede in den Studien durch unterschiedliche Wirksamkeit
oder durch die Wahl der Patientinnenpopulation zustande kommt. Selbst wenn von einer
ähnlichen Wirksamkeit der oralen SERDs im Vergleich zu Fulvestrant ausgegangen werden
kann, so liegt eine der großen Chancen darin, dass diese Substanzen auch in der adjvuanten
Situation entwickelt werden. Mit der lidERA-Studie, der EMBER-4-Studie und der CAMBRIA-1-Studie
sind in diesem Setting einige Studien begonnen worden. Fulvestrant ist, abgesehen
von einer Studie, die wegen fehlender Ressourcen abgebrochen wurde, nie in der adjuvanten
Situation untersucht worden [41 ].
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und ADCs und Chemotherapie
Hormonrezeptorpositive Erkrankung und ADCs und Chemotherapie
TROPICs 02
Bereits beim ASCO-Kongress 2022 wurden Ergebnisse der Tropics-02-Studie mit dem Anti-Trop2-Antikörper-Medikament-Konjugat
Sacituzumab Govitecan vorgestellt. In die Tropics-02-Studie wurden HR-positive, HER2-negative
Patientinnen eingeschlossen, die bereits mehrere Vortherapien gehabt haben mussten.
Diese beinhalteten mindestens eine endokrine Therapie, eine taxanhaltige Therapie
und eine Therapie mit einem CDK4/6-Inhibitor. Es mussten mindestens 2 und nicht mehr
als 4 Chemotherapielinien für die metastasierte Erkrankung abgeschlossen sein. Somit
wurden nur deutlich vortherapierte, HR-positive/HER2-negative Patientinnen in diese
Studie eingeschlossen [42 ].
Die Patientinnen wurden 1 : 1 randomisiert zu einer Therapie mit Sacituzumab Govitecan
oder zu einer Chemotherapie nach Wahl der Ärztin bzw. des Arztes (Capecitabin, Vinorelin,
Gemcitabin, Eribulin). Das Ziel einer solchen Studie sollte die Verbesserung der Effektivität
bei einem günstigeren Nebenwirkungsprofil sein.
Erste Ergebnisse zeigten eine Verbesserung des PFS, jedoch war der Unterschied im
Gesamtüberleben noch nicht statistisch signifikant. Nun wurde kurz nach der Veröffentlichung
dieser Ergebnisse eine weitere Interimsanalyse vorgestellt [43 ].
Während in der 1. Analyse des Gesamtüberlebens 293 Todesfälle analysiert worden waren,
konnten in diese 2. Interimsanalyse nun 390 Todesfälle einfließen [43 ]. Das mediane Gesamtüberleben wurde von 11,2 Monaten (95%-KI: 10,1 – 12,7) unter
Chemotherapie auf 14,4 Monate (95%-KI: 13,0 – 15,7) unter Sacituzumab Govitecan verlängert.
Dieses entsprach einer HR von 0,79 (95%-KI: 0,65 – 0,96; p = 0,020). Diese Verbesserung
war statistisch signifikant [43 ].
Somit wurde nach den CDK4/6-Inhibitoren und dem T-DXd innerhalb kurzer Zeit eine weitere
Studie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem, HRpos/HER2neg Mammakarzinom vorgestellt,
die das Gesamtüberleben dieser Patientinnengruppe verbessert.
Meteora II
Auch wenn Chemotherapien bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HRpos/HER2neg Mammakarzinom
nicht die Therapie der Wahl sind, so ist insbesondere nach einer CDK4/6-Inhibitor-Therapie
in der ersten Therapielinie [44 ] die Chemotherapie in den folgenden Therapielinien eine häufige Therapieoption [45 ]. Jedoch sind viele dieser Therapien von einem kurzen medianen progressionsfreien
Überleben gekennzeichnet [46 ], [47 ]. Es wird vermutet, dass einige der Chemotherapie-Regime, wie z. B. metronomische
Therapien, auch immunmodulatorische Effekte haben können [48 ], [49 ]. Vor diesem Hintergrund sind Studien bei HRpos/HER2neg Patientinnen, die solche
Chemotherapie-Regime miteinander vergleichen, immer noch sinnvoll bzw. klinisch relevant.
In die kürzlich vorgestellte METEORA-II-Studie wurden Patientinnen eingeschlossen,
die höchstens eine Chemotherapie und nicht mehr als 2 endokrine Therapien zur Behandlung
der fortgeschrittenen HRpos/HER2neg Erkrankung erhalten hatten [50 ]. Die 140 Patientinnen wurden entweder zu einer Therapie mit wöchentlichem Paclitaxel
oder zu einer metronomischen Therapie mit Vinorelbin (Tag 1, 3 und 5), Cyclophosphamid
(oral, täglich) und Capecitabin (täglich) randomisiert. Das mediane progressionsfreie
Überleben belief sich im Paclitaxel-Arm auf 6,9 Monate und konnte durch die metronomische
Therapie auf 11,1 Monate (HR = 0,67; 95%-KI: 0,46 – 0,96) verlängert werden. Es zeigten
sich keine Unterschiede in Bezug auf das Gesamtüberleben [50 ].
Studien wie die METEORA-II-Studie zeigen auf, dass es bei den in den späteren Therapielinien
immer noch populären Chemotherapien ggf. deutliche Unterschiede in Bezug auf die Effektivität
gibt. Eine Studie, die von der AGO-B in dem Kontext durchgeführt wird, ist die AIRE-Studie
[51 ], die den immunmodulatorischen Effekt von Eribulin verglichen mit einer Chemotherapie
nach Wahl der Ärztin bzw. des Arztes bei HER2-negativen Patientinnen mit fortgeschrittenem
Mammakarzinom untersucht.
Interessante Forschungsdaten zu Kombinationstherapien bei HER2-positiver Erkrankung
Interessante Forschungsdaten zu Kombinationstherapien bei HER2-positiver Erkrankung
PHILA-Studie
In Bezug auf Resistenzursachen sind bei der Behandlung von Patientinnen mit HER2-positivem
Mammakarzinom einige Mechanismen beschrieben worden [52 ]. Insbesondere Mutationen im PI3K-Signalweg standen bei einigen dieser Arbeiten im
Fokus [53 ], [54 ], [55 ]. Das Vorhandensein oder Anhäufen von aktivierenden PI3K-Mutationen war als Grundlage
für einen Teil der HER2-Resistenz postuliert worden. Vor diesem Hintergrund stellt
sich die Frage, ob die Hinzunahme eines PI3K-Inhibitors bei Patientinnen mit einer
HER2-positiven Erkrankung die Prognose verbessern kann. Diese Frage wurde in der PHILA-Studie
untersucht [56 ].
Patientinnen, die in der metastasierten Situation noch keine Therapie erhalten hatten,
wurden zu einer Therapie mit Trastuzumab und Docetaxel versus Trastuzumab, Docetaxel
und Pyrotinib randomisiert. Pyrotinib ist ein oral bioverfügbarer, irreversibler,
pan-HER-Rezeptortyrosinkinaseinhibitor. Das mediane progressionsfreie Überleben konnte
von 10,4 Monate auf 24,3 Monate verlängert werden. Dies entsprach einer Hazard Ratio
von 0,41 (95%-KI: 0,32 – 0,53) [56 ].
Auch wenn die Ergebnisse beeindruckend erscheinen, ist der Therapiestandard in der
ersten Therapielinie zurzeit die Kombination von Trastuzumab, Pertuzumab und Chemotherapie
entsprechend den Daten der CLEOPATRA-Studie [57 ], [58 ]. In dieser Studie konnte das mediane progressionsfreie Überleben von 12,4 Monate
auf 18,5 Monate verlängert werden. Zusätzlich zur Therapie durch monoklonale Antikörper
wäre die Inhibition des PI3K-Signalwegs durch ein zielgerichtetes Molekül auf der
Basis dieser Daten mit Sicherheit eine interessante Herangehensweise, um in zukünftigen
Studien zielgerichtete Therapien zur Überwindung von Resistenzen zu testen.
MonarchHER
Für Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom sind in den letzten Jahren mit einigen
neuen Substanzen wie Pertuzumab, Trastuzumab-Emtasin (T-DM1), Margetuximab, Neratinib,
Tucatinib und T-DXd deutliche Fortschritte in der Behandlung erzielt worden [16 ], [59 ], [60 ], [61 ], [62 ]. Abgesehen von Neratinib enthalten alle Therapien entweder eine Chemotherapie oder
werden mit einer Chemotherapie kombiniert. Eine Studie, die Einblicke in chemotherapiefreie
Therapie-Regime gibt, ist die MonarchHER-Studie [63 ]. In diese Studie wurden Patientinnen mit HRpos/HER2pos, fortgeschrittenem Mammakarzinom
eingeschlossen und in 3 Therapiearme randomisiert:
Abemaciclib + Trastuzumab + Fulvestrant,
Abemaciclib + Trastuzumab,
Chemotherapie + Trastuzumab.
Nun wurden die finalen Gesamtüberlebensdaten vorgestellt [63 ]. Bei den insgesamt 237 randomisierten Patientinnen wurden insgesamt 157 Todesfälle
registriert. Es zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede, auch wenn
der Chemotherapiearm numerisch das kürzeste Gesamtüberleben mit 20,7 Monaten, und
der Abemaciclib + Trastuzumab + Fulvestrant-Arm das längste mediane Gesamtüberleben
mit 31,1 Monaten hatte (HR = 0,71; 95%-KI: 0,48 – 1,05; p = 0,086) [63 ].
Mit diesen Ergebnissen konnte verdeutlicht werden, dass bei einer konfirmatorischen
Studie die Hypothese lauten müsste, ob eine Therapie, bei der die Chemotherapie durch
einen CDK4/6-Inhibitor ersetzt wird, das Überleben verbessert. In diesen Zusammenhang
sind auch die Daten der DETECT-V-Studie von Interesse, bei der eine ähnliche Fragestellung
mit der Kombination Ribociclib/endokrine Therapie/Trastuzumab/Pertuzumab untersucht
worden ist. Erste Daten wurden auf der San Antonio Breast Cancer Conference 2022 vorgestellt.
Ausblick
Mit der Weiterentwicklung der endokrinen Therapieoptionen und der Kenntnis von molekularen
Mechanismen, die mit einer Wirkung und Resistenz der endokrin basierten Therapien
verbunden sind, rücken die Fragen nach individuellen Biomarkern für spezielle Therapiesequenzen
immer mehr in den Mittelpunkt. Die Frage nach dem besten Kombinationspartner für die
CDK4/6-Inhibitoren ist dabei genauso wichtig wie die Frage, welche weiteren Therapien
wie Chemotherapie, T-DXd oder Sacitzumab Govitecan in welcher Reihenfolge gegeben
werden sollten. Insbesondere die Kenntnis von HRD-Mechanismen, die zu einer endokrinen
Resistenz führen können, rücken die PARP-Inhibitoren bei den HRpos/HER2neg Patientinnen
noch einmal in den Fokus der Erkrankung. Bei den HER2-positiven Patientinnen sind
zahlreiche Studien noch aktiv und in der Auswertung, die den Stellenwert der neuen
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate untersuchen. Hier werden die zukünftigen Daten von
Studien, die T-DXd in früheren Therapiesituationen untersuchen, ggf. die Therapielandschaft
erneut verändern.