Schlüsselwörter
Beugesehnenchirurgie - Kernnahttechnik - Zone 2 Verletzung - 4-Strang-Naht - M-Tang
Naht - Kirchmayr-Kessler
Key words
flexor tendon - core strand - technique - zone 2 injury - 4-strand suture
Einleitung
Die Häufigkeit von Beugesehnenverletzungen wird auf 30–42 pro 100.000
Personen geschätzt [1]. Verletzungen
in Zone 2 sind mit einer Inzidenz von 35% mit am häufigsten [2]. Meist sind sie Folge einer auf den ersten
Blick banalen Schnitt- oder Stichverletzung [1]
[3]. Die Mehrheit dieser
Verletzungen betrifft die nicht dominante Hand [4]. Die Zone 2 galt lange Zeit als „no man‘s
land“, später als „not everyone’s land“, was
impliziert, dass eine qualitativ hochwertige Versorgung einer Verletzung der Sehne
in dieser anatomischen Situation eine nicht unerhebliche Herausforderung darstellt
[5]. Ursächlich hierfür
ist die räumliche Nähe der oberflächlichen und tiefen
Beugesehnen, der Sehnenscheiden und der Ringbänder, aber auch der
Gefäße und Nerven.
Die Grundlage der über 50 Jahre führenden 2-Strang-Nahttechnik stammt
aus dem Jahr 1917 von Kirchmayr, diese wurde während der vergangenen 5
Jahrzehnte mehrfach modifiziert [6]
[7]. Den bedeutendsten Einfluss zum Erfolg der
Naht brachte die Einführung der passiv-dynamischen Nachbehandlung durch
Kleinert Ende der 1960iger Jahre [8].
Schließlich wurde durch eine stete Verbesserung der chirurgischen Techniken,
Nahtmaterialien und anatomischen Kenntnisse die Beugesehnennaht einem breiteren Feld
handchirurgisch tätiger Kollegen zugänglich. Lange Jahre galt in
Deutschland die Kirchmayr-Kessler oder wahlweise die Kirchmayr-Zechner Modifikation
mit Adaptationsnaht – durchgeführt mit nicht-resorbierbarem
Nahtmaterial – als Goldstandard der Beugesehnennahttechnik ([Abb. 1]).
Abb. 1
a) Mod. Kirchmayr-Naht nach Kleinert 1967, b) Modifizierte
Kirchmayr-Naht nach Zechner 1985 und Ringnaht c) Die Kessler-Naht
1973, d) Die Tsuge-Naht 1975 (Quelle: Strolla, J. (2022).
Beugesehnenverletzungen der Hand in Zone 2: Implementation eines
Behandlungs-Algorithmus und deutschlandweite Online-Umfrage, Seite 15,
Dissertation, Medizin.).
Zuletzt wurden zunehmend mehrsträngige Kernnähte aufgrund ihrer in
unzähligen wissenschaftlichen Studien nachgewiesenen erhöhten
Primärstabilität empfohlen [9]
[10] . Besonders reizvoll
erschient hier die Möglichkeit, auch aktive Nachbehandlungsschemata
durchführen zu können, was möglicherweise das Ergebnis nach
Beugesehnennaht weiter verbessern könnte [8].
Die stetige Verbesserung der Nahttechniken und Materialien führte in den
letzten Jahren zu einem ausgesprochen lebhaften wissenschaftlichen Diskurs [11]
[12]
[13]. Hier wurde deutlich, dass
eine nicht unerhebliche, im Ausmaß aber unbekannte Anzahl an handchirurgisch
tätigen Kollegen ihre Nahttechnik unlängst angepasst haben. Neben
einer 4-Strang-Modifikation der Kirchmayr-Technik wurden vor allem andere
Mehrstrang-Techniken mit und ohne „Loop“ sowie die Techniken von Jin
Bo Tang diskutiert. Seine zuletzt vorgestellte 6-Strang-Technik (M-Tang) sei der
modifizierten 4-Strang-Nahttechnik nach Kirchmayr überlegen [14]. Aber auch die Tsuge-Naht, die
Lim-Tsai-Naht und die Bunnell-Naht werden offensichtlich häufig
eingesetzt.
Vor dem Hintergrund dieser sehr lebhaften und fruchtbaren Diskussion über
alte und neue Naht- und Therapiekonzepte, welche auch am nationalen Kongress im Jahr
2021 wieder auflebte, führten wir eine internetbasierte Umfrage unter den
Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie durch, um die
aktuelle Versorgungsrealität der Behandlungstechnik von
Beugesehnenverletzungen in Zone 2 zu erhalten. Ziel der vorliegenden Studie war es
einerseits, aktuelle Versorgungskonzepte in Deutschland zu erfragen und andererseits
neue Trends in der Behandlung von Beugesehnenverletzungen aufzuzeigen.
Material und Methoden
Eine internetbasierte Umfrage mittels eines Online Fragebogens erfolgte von Mitte
Januar 2022 bis Ende März 2022. Die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft
für Handchirurgie (DGH) wurden mithilfe des E-Mail-Verteilers der DGH
angeschrieben und eingeladen an der Umfrage teilzunehmen. Die E-Mail beinhaltete
einen Link zu einer Plattform für online-Umfragen (www.Q-Set.de). Dieser
Link war vom 10. Januar bis 28. März 2022 frei geschaltet. Die Umfrage
erfolgte auf deutsch und anonymisiert. Der Online Fragebogen (supplemental file)
wurde in 3 Themenbereiche unterteilt und umfasste insgesamt 7 zumeist
standardisierte, geschlossene Fragen mit zum Teil vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten. Bei einigen Fragen konnte bei Abweichungen von den
aufgeführten Antwortmöglichkeiten ein Freitext eingegeben werden.
Des Weiteren waren bei den Fragen 1, 4 und 6 Mehrfachnennungen möglich. Die
Themengebiete beinhalteten zum einen Fragen zur Versorgungsrealität von
Beugesehnenverletzungen in Zone 2 basierend auf grundlegenden Publikationen
über die operative Versorgung und anschließende Therapie. Zum
anderen bezogen Sie sich auf die Wirkungsstätte und persönliche
Qualifikation des Teilnehmers. Die Fragen des ersten Themenbereiches befassten sich
mit der Nahttechnik und Anzahl der verwendeten Stränge (Frage 1), dem
Nahtmaterial für die Kernnaht (Frage 2) und dem verwendeten Nahtmaterial
für die Feinadaptionsnaht (Frage 3). Antwortmöglichkeiten waren bei
Frage 1 die Techniken nach Kirchmayr-Kessler (oder Modifikation), nach Tang, nach
Bunnell oder andere [6], die Stranganzahl (2,
4, 6 oder 8) und die Resorbierbarkeit und Struktur
(monofil/geflochten/resorbierbar/nichtresorbierbar) des
verwendeten Nahtmaterials (Frage 2 und 3). Des Weiteren wurde das
Nachbehandlungsschema (Frage 4) abgefragt und ob innerhalb der letzten Jahre eine
Änderung der Nahttechnik erfolgt war (Fragen 5). Als
Antwortmöglichkeiten für die Frage 4 wurden die gängigsten
Protokolle aufgeführt. Alternativ konnte ein Freitext eingeben werden. Frage
5 konnte lediglich mit „ja“ oder „nein“ beantwortet
werden. Zum Abschluss wurden die Teilnehmer befragt, in welcher Fachrichtung und
Institution sie tätig seien (Frage 6) und welche medizinische Qualifikation
(Facharzt, Assistenzarzt oder Zusatzbezeichnung) sie haben (Frage 7). Hier konnte
eine Mehrfachauswahl bezüglich Art der Klinik oder Praxis, der Abteilung und
ob eine FESSH Zertifizierung als Hand Trauma Zentrum vorliegt, angegeben werden. Die
Auswertung der Fragen erfolgte online. Dabei konnte jeder Fragebogen für
sich betrachtet werden, um Kombinationen zum Beispiel von Nahttechnik und
Strangzahlen aufzuführen. Für die statistische Auswertung und
Erstellung der Grafiken wurden die Daten aus dem Online Fragebogen exportiert und
mit Hilfe der Programme Excel, SPSS und Word weiterverarbeitet.
Ergebnisse
Die Mitgliederanzahl der DGH belief sich Anfang 2022 auf 1054 zahlende Personen und
190 Studenten. Der Email Verteiler enthält demnach insgesamt 1244 Personen
mit einer aktuell gültigen Emailadresse. Insgesamt haben 298 Personen den
Onlinefragebogen aufgerufen. Der Aufruf des Fragebogens erfolgte 143mal ohne
jegliche Beantwortung. 155 Bögen wurden vollständig beantwortet,
welche sämtlich in die Auswertung eingeschlossen wurden.
Über 50% aller Teilnehmer führen eine 4-Strang-Naht
durch
Die erste Frage bezog sich auf die Anzahl der Stränge der
Kernnähte und die verwendete Nahttechnik. 21% (n=32) der
155 Teilnehmer (TN) gaben an, eine 2-Strang-Naht, 53% (n=82)
eine 4-Strang-Naht und 10% eine 6-Strang-Naht zu verwenden. 81 TN
verwenden die Technik nach Kirchmayr-Kessler (K-K) oder eine Modifikation davon,
9 TN die Technik nach Jin Bo Tang (M-Tang-Technik), und 15 TN gaben eine
„andere Technik“ an. Hierbei kam es 3-mal zur Nennung der
Lim-Tsai Technik (4-Strang), 6-mal Tsuge-Naht (6-Strang), 2-mal Sandow-McMahan
Technik (4-Strang) und jeweils eine Nennung der modifizierten Christen
(8-Strang) Technik, Massachusetts General Hospital (4-Strang)-Technik und der
Savage-Nahttechnik (6-Strang; [Abb.
2]
[3])
Abb. 2 Graphische Darstellung der Auswertung zu Frage 1 (Teil 1):
„Gehen Sie bitte von einer isolierten Verletzung der tiefen
Beugesehne der Zone 2 an einem Finger aus. Welche Nahttechnik verwenden
Sie für die Kernnaht?“.
Abb. 3 Graphische Darstellung der Auswertung zu Frage 1 (Teil 2):
„Welche Nahttechnik verwenden Sie für die
Kernnaht?“.
Der favorisierte Faden für die Kernnaht ist monofil und
resorbierbar
Die zweite Frage bezog sich auf das verwendete Nahtmaterial. Hier benutzte die
Mehrheit mit 41% (n=64) einen resorbierbaren monofilen Faden
(genannt wurde meist PDS von Ethicon), 23% (n=36) der TN
benutzen den 4.0 FiberWire (Arthrex Inc, Naples, FL, USA) welcher aus einem
mehrsträngigen, langkettigen Kern aus ultrahochmolekulargewichtigem
Polyethylen (UHMWPE) und einer geflochtenen Hülle aus Polyester und
UHMWPE besteht. 17% der Chirurgen nutzten einen nicht resorbierbaren,
geflochtenen Faden (meist Ethibond von Ethicon), 16% der Chirurgen einen
nicht resorbierbaren, monofilen Faden (meist Prolene von Ethicon) und nur zwei
Teilnehmer einen resorbierbaren, geflochtenen Faden (genannt wurde hier von
Ethicon). Die Fadenstärke war nicht Teil der Umfrage. ([Abb.4])
Abb. 4 Graphische Darstellung der Antworten zu Frage 2:
„Welches Nahtmaterial verwenden Sie für die
Kernnaht?“.
Fast alle Chirurgen führen eine Feinadaptationsnaht durch
[Abb. 5] zeigt die Ergebnisse der Frage 3
bezüglich der Wahl der Feinadaptationsnaht. Hier zeigte sich ein
deutlicher Trend mit 68% (n=106) hin zu einem resorbierbaren,
monofilen Faden (meistgenannt wurde PDS). Knapp ein Viertel (23%,
n=36) nutzen einen nicht resorbierbaren monofilen Faden (z. B.
Prolene). Lediglich 3 Teilnehmer verzichten gänzlich auf eine
Adaptationsnaht. Eine Minderheit von 7 Teilnehmern nutzen einen resorbierbaren
geflochtenen Faden und 3 einen nicht resorbierbaren geflochtenen Faden.
Abb. 5 Graphische Darstellung der Antworten zu Frage 3:
„Welches Nahtmaterial verwenden Sie bei der
Feinadaptationsnaht?“.
Lediglich ein Drittel wenden aktuell die neuere aktiv kontrollierte
Nachbehandlung an
In Frage 4 wurde das Nachbehandlungsschema abgefragt. Mit einer deutlichen
Mehrheit von 67 Prozent (N=104) wird unter den deutschen Chirurgen die
kontrolliert passive Nachbehandlung nach Kleinert angewandt. Das
zweithäufigst durchgeführte Protokoll ist die aktive
kontrollierte Nachbehandlung (controlled active mobilisation, CAM). Mit noch
15% (n=24) ist die Kombination aus kontrolliert aktiver und
passiver Nachbehandlung (Chow-Washington-Regime) angegeben worden. 11 Chirurgen
favorisieren die passive Nachbehandlung nach Duran und Houser. Weitere 10
Teilnehmer gaben eine andere Methode an, darunter 3 das Manchester Protokoll.
([Abb. 6])
Abb. 6 Graphische Darstellung der Antworten zu Frage 4:
„Welches Nachbehandlungsschema wird bei Ihnen
angewandt?“ (Mehrfachnennungen waren möglich,
Teilnehmer: 155).
60% der Befragten haben ihre Nahttechnik in den letzten 7 Jahren
nicht geändert
In Frage 5 wurde nachgefragt, ob sich die Nahttechnik aufgrund aktueller
Literatur und Einführung neuer Techniken in der jeweiligen Institution
innerhalb der letzten 7 Jahre geändert hat. Hier zeigte sich mit
59,4% ein Trend zum Beibehalten der Technik, wobei 40% ihre
Nahttechnik innerhalb des angegebenen Zeitraums veränderten.
Die letzten beiden Fragen (Frage 6 und 7) bezogen sich auf das
Teilnehmerfeld.
Es wurde nach Institution (Frage 6), Ausbildungsstand und Facharztbezeichnung
(Frage 7) gefragt. 30% (n=47) der Teilnehmer sind in einem FESSH
zertifizierten Hand Trauma Zentrum angestellt. 19% arbeiten in einem
Universitätsklinikum, 25% in einem städtischen Klinikum
und ebenfalls 25% in einem privaten Träger. Ein Viertel der TN
sind ausschließlich in der Handchirurgie tätig, 24%
arbeiten in einer Abteilung für Plastische Chirurgie und 17% in
einer Unfallchirurgischen Abteilung. Die Zusatzbezeichnung für
Handchirurgie konnten 59% nachweisen, und 13% haben das
europäische EBHS Exam erfolgreich absolviert (Frage 7). ([Abb. 7])
Abb. 7 Ergebnisse der Frage 7: „Welche Weiterbildung haben
Sie?“.
Diskussion
Das Dauerthema „Technik der Beugesehnennaht“ wird immer wieder auf
wissenschaftlichen Tagungen diskutiert. So auch 2008, 2014 und 2021 im Rahmen der
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie.
Beugesehnenverletzungen stellten den Chirurgen lange Zeit vor eine komplexe Aufgabe.
Bis in die 60iger Jahre wurde propagiert, eine Verletzung in der Zone 2 („no
man’s land“) nicht zu rekonstruieren. Nach ersten Publikationen von
Kleinert et al., Kessler und Nissim und Verdan wurde das Konzept der Behandlung
hinsichtlich einer primären Rekonstruktion empfohlen [8]
[15]
[16]. Seither gibt es zahlreiche
Modifikationen und Variationen der Nahttechnik. Lange galt die 2-Strang-Naht nach
Kirchmayr mit verschiedenen Modifikationen und zusätzlicher
zirkulärer Adaptationsnaht als Goldstandard in Deutschland. Bisher konnte
allerdings eine tatsächliche Überlegenheit in biomechanischen
Studien hinsichtlich einer Nahttechnik nicht gezeigt werden [17]
[18]
[19]. Bis dato gibt es auch kein
einheitliches Behandlungsschema im Sinne einer Leitlinie, sondern
ausschließlich Empfehlungen [20]
[21]. Die Wahl der Technik und des Materials
hängt vielmehr von der Schule und der Vorliebe des Operateurs ab. Daher war
der Anlass dieser Studie, die aktuelle Versorgungsrealität hinsichtlich
Beugesehnenverletzungen der Zone 2 zu analysieren und zu evaluieren, ob im
nationalen Kreis der deutschen Handchirurgen eine Trendwende zugunsten der
6-Strang-Technik stattgefunden hat.
Unsere Umfrage zeigte, dass im Jahr 2022 die Mehrheit der befragten deutschen
Handchirurgen (63%; n=82) eine 4-Strang Technik anwenden. Die eher
neuere Technik, z. B. nach Jin Bo Tang, mittels 6-Strang-Technik, setzen
bisher nur 12% der Befragten ein. Sowohl nationale als auch internationale
Spezialisten argumentieren heute, dass 2-Strang-Nähte aufgrund der
mangelnden Stabilität im Vergleich zu 4- und 6-Strang-Nähten nicht
mehr empfohlen werden [13]
[22]
[23]
[24]. Somit hat sich die
4-Strang-Technik zum Favoriten entwickelt, obgleich noch nicht klar ist, ob sie sich
noch von der 6-Strang-Naht überflügeln wird lassen [25]
[26]
[27]
[28]. Einer der wenigen Kritikpunkte an
Mehrstrangtechniken, ist die potenzielle Kompromittierung der Durchblutung [29], jedoch konnte dieser Aspekt in aktuellen
Publikationen nicht mehr bestätigt werden [30]
[31]
[32]. Allerdings führt mehr Nahtmaterial
auch zu einer Verdickung der Sehne und aufgrund der räumlichen Enge kann
nicht unbegrenzt Nahtmaterial eingebracht werden. Und natürlich
führt jede zusätzliche Kernnaht zu einer Verlängerung der
Op-Zeit.
Ein weiterer, eminent wichtiger Teil der Behandlung von Beugesehnenverletzungen ist
die Nachbehandlung. Auch hier zeigten sich binnen der letzten 50 Jahre erhebliche
Änderungen. Die vor 50 Jahren publizierte Nachbehandlung nach Kleinert
konnte die Ergebnisse der Behandlung deutlich verbessern [8]. 1994 wurde dann aber von Elliott et al.
nachgewiesen, dass mit einer aktiv kontrollierten Nachbehandlung das Outcome nach
Naht sogar noch verbessert werden konnte [33].
Laut Literatur haben sich die Rupturraten nach Mehrstrangnaht und aktive
kontrollierten (CAM) Nachbehandlung maßgeblich verringert [34]. Studien haben gezeigt, dass die
frühe aktive Bewegung die Sehnenheilung durch Aktivierung des intrinsischen
Reparatursystems stimuliert und Adhäsionen verringert [35]
[36].
Interessanterweise favorisieren die von uns befragten Chirurgen mit deutlicher
Mehrheit noch immer die von Kleinert eingeführte passive Nachbehandlung.
Immerhin ein Drittel der Chirurgen haben das Protokoll zugunsten der neueren aktiv
kontrollierten Methode (CAM) geändert. Dies kann man zum einen aufgrund
einer eher konservativen Einstellung vieler Chirurgen zurückführen
und begründet mit den zufriedenstellenden Ergebnissen und zum anderen ist
anzunehmen, dass häufig zu peripheren und somit dem Chirurgen unbekannten
Therapeuten verwiesen wird und daher das altbekannte Protokoll bevorzugt wird. Je
enger die Zusammenarbeit mit den Therapeuten ist, desto erfolgreicher ist meistens
auch das finale Behandlungsergebnis.
Die aktiven Techniken bedürfen allerdings einer hohen Zugfestigkeit. Mit
einer Strangzahl von mindesten 4 sei diese frühzeitige aktive Nachbehandlung
gewährleistet [37]. Die Anzahl der
Kernnähte ist proportional zur Stärke der Naht [38]. Daher ist das Ziel, eine relativ hohe
Anzahl an Strängen zu produzieren [31]. Ein weiteres relevantes Detail zur Unterstützung der
Reißfestigkeit ist die Verblockungstechnik der Kernnaht [39]
[40].
Als relativ unumstritten galt lange, dass zusätzlich zur Kernnaht eine
epitendinöse Adaptationsnaht erfolgen sollte, um Lücken im Bereich
der Sehnenenden zu verschließen und Spaltbildungen (gapping) zu
minimieren, was die Stabilität der Kernnaht um bis zu 30% steigert
[24]
[41]. Auch in der Publikation von Tang et al. wird die
Durchführung einer epitendinöse Adaptationsnaht ab einem
Sehnendurchmesser von minimal 2 mm empfohlen [21].
Bezüglich der Nahtmaterialien gab es ebenso ganz erhebliche Entwicklungen. So
wurden monofile, resorbierbare Nähte mit ausreichender Stabilität
entwickelt, die von vielen Chirurgen bevorzugt werden [42]
[43].
Aber auch polyfile, nichtresorbierbare Fäden, zum Teil als sogenannte
„Loops“ fanden aufgrund ihrer erstaunlichen Reißfestigkeit
Einzug in das Behandlungsregime vieler Chirurgen [44]
[45]
[46]. Eigenschaften des idealen Nahtmaterials
sind eine hohe Zugfestigkeit, hohe Resistenz gegenüber Spaltbildungen,
geringe Bindegewebsreaktion und ein einfaches Knoten [47]. Obwohl unsere Ergebnisse zeigen, dass die
Mehrheit (42%; n=64) einen monofilen Polydioxanon (PDS) Faden
anwendet, findet sich hinsichtlich des zu verwendenden Nahtmaterials in der
Literatur noch kein Konsens. In den Vergleichsumfragen war sowohl 2008 als auch 2014
der Anteil von PDS, Prolene und Ethibond ähnlich groß [48]
[49].
Generell wird einem geflochtenen Faden eine bessere Knoteneigenschaft zugesprochen.
Nicht-resorbierbares Nahtmaterial hat prinzipiell den Vorteil keine
Fremdkörperreaktion, im Sinne einer lokalen Entzündungsreaktion,
auszulösen. Dass resorbierbares Nahtmaterial nicht genügend
Sicherheit in Bezug auf eine Ruptur bietet, konnte durch Studien widerlegt werden.
Hier zeigte sich eine gute Reißfestigkeit nach Abbau und abgeschlossenerer
Narbenbildung der Sehne [50]
[51]
[52].
Es ist also ein Trend in Richtung einer PDS-Naht zu erkennen, welche auch Langer et
al. bereits 2015 empfohlen wurde [24]. Weitere
nationale Empfehlungen hinsichtlich Stranganzahl, Fadenverlauf, und
Feinadaptationsnaht publizierten außerdem Pillukat und Schonhooven 2017
[22]. Die aktuellsten Empfehlungen aus
2022 stammen aus dem internationalen Manuskript von Jin Bo Tang et al.[21] Die Autoren publizierten neben dem
individuellen Standard an ihrer Klinik eine generelle Empfehlung beginnend von der
Inzision, über die Nahttechnik bis hin zur Nachbehandlung.
Ein klarer Konsens innerhalb unserer Umfrage (98,1%) besteht in Hinblick auf
die Anwendung einer epitendinösen Adaptationsnaht. Sie wird zur
zusätzlichen Kraftsteigerung, als auch zur Verringerung der Spaltbildung und
somit schnelleren Heilung seit Jahren empfohlen [53]
[54]. Interessanterweise
änderte sich das Verhalten bei dieser Thematik nicht, denn sowohl 2014 als
auch 2022 gaben 68% an, einen resorbierbaren monofilen Faden für die
zirkuläre Naht zu verwenden [49].
Zusammenfassung
In Übereinstimmung mit der Literatur kann man zusammenfassen, dass der
aktuelle Trend der Beugesehnenversorgung innerhalb Deutschlands sich in den letzten
14 Jahre in Richtung Mehrstrang Technik entwickelt hat und somit das international
empfohlene Procedere repräsentiert. Wichtig ist jedoch nochmal zu betonen,
dass die Qualität der Versorgung letztendlich ein Zusammenspiel mehrerer
Faktoren ist: einer mechanisch stabilen Kernnaht- und Adaptationsnaht, einer guten
Durchblutung, die die Heilung unterstützt, der Garantie der
Gleitfähigkeit innerhalb der Ringbänder und zu guter Letzt einer
frühen aktiven Nachbehandlung (early active motion protocol). Unsere
Ergebnisse zeigen, dass 75% aller befragten Handchirurgen eine 4-Strang-Naht
nutzen und dass auch innerhalb Deutschlands ein Trend zu einer 6-Strang-Technik
besteht. Interessanterweise vertraut die überwiegende Mehrheit noch immer
auf die altwährte passiv kontrollierte Nachbehandlung nach Kleinert, und das
obwohl dank 4-Strang-Naht kein erhöhtes Risiko für Ruptur besteht
und zudem das funktionelle Outcome mit einer aktiven Nachbehandlung besser sei.
Schlussfolgerung
Die Mehrheit der teilnehmenden deutschen Handchirurgen führen mittlerweile
eine 4-Strang-Naht durch, immerhin 12% haben die 6-Strang-Technik als
Standard im klinischen Alltag eingeführt. Unsere Daten zeigen, dass im
Bereich der Beugesehnenchirurgie bezüglich der Nahttechnik in den letzten
Jahren ein Paradigmenwechsel – von der klassischen 2-Strang-Naht zur 4- und
6-Strang-Naht stattgefunden hat. Eventuell motiviert die dargestellte Arbeit
außerdem die Handchirurgen zukünftig die Zusammenarbeit mit den
Physiotherapeuten zu intensivieren um so auch zur aktiven Nachbehandlung
überzugehen.