Empfehlung 3.6
Prof. T. Kersting: „Aufgrund von jahrelangen, nachhaltigen Auseinandersetzungen des
Medizinischen Dienstes (Bund) mit einer Vielzahl von Krankenhäusern, welche die magnetische
Sphinkteraugmentation (MSA) mit dem LINX-System als Behandlungsalternative zur Fundoplikatio
einsetzen, habe ich 2021 zu einem seit 2012 (!) gefertigten (und 2014 leicht überarbeiteten)
Gutachten des MD ein Gegengutachten verfertigt, welches ich dieser Mail beifüge. Seither
hat sich die Evidenzlage weiter verfestigt. Daher übersende ich Ihnen heute meine
Stellungnahme.
Schon in dem o.g. Gutachten wurde belegt, dass die bestehende Studienlage und daraus
gewonnene Evidenz aus der Auswertung von tausenden von Fällen ausreichend ist, um
der Magnetischen Sprinter Augmentation MSA mittels LINX-Reflux Management-System –
gegenüber der Fundoplikatio weniger invasiven und schonenderen Methode – den Status
einer Behandlungsalternative (im deutschen sozialrechtlichen Bewertungs-System) zuzuordnen.
Immer wieder hat demgegenüber der MD versucht, die Methode als „experimentell“ zu
kennzeichnen und sie damit aus dem Vergütungskanon der Gesetzlichen Krankenversicherung
herauszuhalten.
Auch der G-BA hat inzwischen dieser Methode im Rahmen einer Methodenbewertung nach
§ 137e SGB V als alternative Behandlungsmethode gekennzeichnet [https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2905/VerfO_2022-05-19_iK_2022-08-17.pdf] :
„Insgesamt lässt sich auf Basis der eingereichten Unterlagen für die MSA bei nachgewiesener
GERD und unzureichend wirksamer maximaler konservativ-medikamentöser Refluxtherapie
ein Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative ableiten. Dieses Potenzial
beruht auf den Erkenntnissen zur Reduktion postoperativer Komplikationen hinsichtlich
der post-operativen Unfähigkeit, aufzustoßen und zu erbrechen sowie auf einer Reduktion
der postoperativen Morbidität, gemessen an der Krankenhausverweildauer.“
Die jetzt von der LL-Kommission vorgeschlagene Fassung der LL würde der „alten“ Position
des MD ohne sachlichen Grund in die Hände arbeiten und eine international bereits
gut etablierte und in amerikanischen und britischen Leitlinien aufgenommene Behandlung
im deutschen Gesundheitswesen exkludieren.
Ich bitte die Kommission um Berücksichtigung meiner Vorschläge.“
(Weitere Informationen im Anhang)
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Stellungnahme zur laparoskopischen Implantation einer magnetischen Sphinkteraugmentation
Folgende Stellungnahmen liegen zur Beantwortung vor:
1. Prof. Dr. Thomas Kersting
Die Einschränkung der jetzigen Empfehlung der LL-Kommission für die magnetische Sphinkteraugmentation
(MSA) bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD) auf Behandlungen im Rahmen klinischer
Studien wird der tatsächlichen Studien- und Evidenzlage sowie der bereits weltweit
hohen Eingriffszahlen mit guten Ergebnissen bei Verwendung dieser Methode nicht gerecht
– weder in Abgrenzung zur als Goldstandard definierten Fundoplikatio noch zur Begründung
der Fortführung einer insuffizienten PPI-Behandlung.
2. Prof. Dr. Thomas Horbach
Mit der Einschränkung der Empfehlung für die magnetische Sphinkteraugmentation auf
Behandlungen im Rahmen klinischer Studien hinkt diese Bewertung anderer internationaler
Fachgesellschaften hinterher.
3. Johnson & Johnson Medical GmbH
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat damit in seiner Sitzung am 18. März d. J. unmissverständlich
weiter ausgeführt: „Insgesamt lässt sich auf Basis der eingereichten Unterlagen für
die MSA bei nachgewiesener GERD und unzureichend wirksamer maximaler konservativ-medikamentöser
Refluxtherapie ein Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative ableiten.“
4. Dr. med. Moustafa Elshafei
Die Verwendung von MSA oder eines anderen Verfahrens innerhalb der vom Hersteller
angegebenen Indikation zu erwähnen ist wichtig. Die in den S2k-Leitlinien beschriebene
MSA sollte daher bei Patientinnen und Patienten mit bestehender Refluxkrankheit und
nur kleiner Hiatushernie durchgeführt werden. Dennoch wird im Kommentar darauf hingewiesen,
dass der Einsatz im Rahmen von Studien und/oder an ausgewählten Zentren durchgeführt
werden soll.
Antwort Leitlinienkommission zum Statement 3.6:
Zunächst einmal bedanken wir uns über die intensive Auseinandersetzung mit diesem
Statement zur laparoskopischen Implantation einer Magnetaugmentation. Unter Berücksichtigung
aller Kommentare und Studien zeigt sich, dass sowohl die Leitlinie als auch die angebrachten
Kritikpunkte nicht weit auseinanderliegen und gut zueinander gebracht werden können.
Dazu im Einzelnen:
Herr Prof. Dr. Kersting führt dankenswerter Weise alle bislang veröffentlichten Studien
auf. Darunter befinden sich:
-
Einarmige MSA-Studien
-
Randomisierte kontrollierte Studien zum Vergleich MSA und PPI Therapie
-
Kohortenstudien zum Vergleich von MSA und laparoskopischer Fundoplikatio
-
Prospektive Registerstudie (3-Jahres-Nachbeobachtung von 465 MSA- und 166 LF-Patienten aus einer prospektiven,
multizentrischen, beobachtenden Registerstudie)
-
Propensity-Score gematchte Studien
-
Meta-Analysen zum Vergleich von MSA und laparoskopischer Fundoplikatio
Die guten Ergebnisse sind beeindruckend, daher haben wir sie in den Leitlinien entsprechend
aufgenommen. Das resultiert in eine Empfehlung zur Möglichkeit der Implantation bei
exakter Indikationsstellung. Im Vergleich zur letzten Leitlinienfassung ist dies eine
wesentliche Änderung im Sinne der MSA Implantation.
Um aber die LINX Implantation als gleichwertige Alternative zur seit mehr als 70 Jahren
durchgeführten Fundoplicatio anzuwenden, fehlen aus unserer Sicht Daten aus prospektiv
randomisierten Studien der Therapieoptionen laparoskopische Fundoplicatio und der
magnetischen Sphinkteraugmentation. Dies zeigt sich auch in den international angeführten
Leitlinien und Empfehlungen, denn hier gibt es eine „starke Empfehlungen auf der Grundlage
eines moderaten Evidenzniveaus“ (Zitat ACG Empfehlung). Bei der Erstellung dieser
deutschen Leitlinien zur Behandlung der GERD ist das hohe Evidenzniveau für alle Beteiligten
entscheidend gewesen und ein moderates Evidenzniveau nicht ausreichend für eine uneingeschränkte
Empfehlung.
Ein Beispiel für die unterschiedliche Sichtweise der Dateninterpretation soll das
Statement der Registeranalyse von Bonovina et al. dienen. Hier wird von Herrn Prof.
Kersting folgendes zu gesagt:
„Bonavina et al. 2021 [25] berichteten über die endgültigen Daten und die 3-Jahres-Nachbeobachtung
von 465 MSA- und 166 LF-Patienten aus einer prospektiven, multizentrischen, beobachtenden
Registerstudie, in der zwischen 2010 und 2014 Patienten in 22 Zentren aus vier Ländern
in Europa behandelt wurden. … Zum Zeitpunkt der Studie war die MSA noch nicht umfassend
untersucht worden und erlaubte nur enge Einschlusskriterien. Infolgedessen wurden
Patienten mit einem schwereren Krankheitsstatus der LF-Kohorte zugeordnet. Trotz dieser
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen waren die mittleren GERD-HRQL-Basisscores
ähnlich (22,0 in der MSA-Gruppe und 23,0 in der LF-Gruppe, p = 0,062) [25]. Das Register
zeigte eine ähnliche Wirksamkeit für MSA und LF. Beide Verfahren führten zu einer
signifikanten Verbesserung des GERD-HRQL-Gesamtscores und zu einem signifikanten Rückgang
des PPI-Einsatzes vom Ausgangswert bis drei Jahre nach dem Eingriff, wie in Tabelle 3
dargestellt. Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden
Gruppen bei diesen Ergebnisgrößen. MSA ermöglichte es einem signifikant höheren Prozentsatz
der Patienten, sich bei Bedarf zu jedem postoperativen Zeitpunkt zu erbrechen, wobei
91,2 % der Patienten auch nach 36 Monaten noch die Fähigkeit zum Erbrechen angaben.
Zum gleichen Zeitpunkt waren nur 68 % der LF-Patienten in der Lage, bei Bedarf zu
erbrechen.“
Aus wissenschaftlicher Sicht sollen 2 Aspekte erwähnt sein. Die GERD führt zu einer
erheblichen Einschränkung der Lebensqualität (gemessen am HRQL). Der Schweregrad der
Erkrankung hinsichtlich anatomischer Veränderungen ist in der LF Gruppe signifikant
schlechter. Fast 50 % der LF Patienten haben eine Hiatushernie > 3 cm, in der MSA
Gruppe nur 1,4 %. Eine Barrettmetaplasie weisen 13 % der Patienten in der LF Gruppe
auf, nur 2 % in der MSA Gruppe. Zudem sind die Patienten in der LF Gruppe signifikant
älter und weisen ein höheres Körpergewicht auf. All diese Aspekte sind wesentliche
Faktoren, die den Erfolg der Antirefluxoperation einschränken können. Und doch ergeben
sich keine statistisch signifikanten Unterschiede beim Outcome der Patienten, was
durchaus für die Fundoplicatio spricht. Wie oben im Zitat erwähnt, ist die LF Gruppe
aufgrund der Einschlusskriterien der einem schwererem Krankheitsstatus zugeordnet,
und darf daher nicht zum Vergleich dieser Operationsmethoden herangezogen werden.
Übrigens bleibt im Outcome nur die Fähigkeit zu Erbrechen in der MSA Gruppe überlegen.
Allerdings können das nur weniger als 50 % der Patienten der LF Gruppe nach 1 Jahr
überhaupt beurteilen (52 von 125). Die anderen konnten das scheinbar gar nicht beantworten.
Diese unterschiedliche Bewertung der Studien am Beispiel der Registerstudie unterstreicht
die zwingende Notwendigkeit der prospektiv randomisierten Studien.
Als positives Beispiel, wie ein neues Therapieverfahren bereits zu Anfang unter hervorragender
wissenschaftlicher Begleitung eingeführt werden kann, ist die POEM (perorale endoskopische
Myotomie) bei der Behandlung der Achalasie zu nennen. Obwohl die Achalasie zu den
seltenen Erkrankungen zählt, wurde hier schon zu Beginn der klinischen Einführung
an Zentren mehrere prospektiv randomisierte Studien durchgeführt (1–5). Unter anderem
eine große und vielzitierte Studie, die in Deutschland initiiert wurde (5). Auch für
die chirurgische Behandlung der GERD sollten valide prospektive Daten der Goldstandard
sein und in Zukunft erhoben werden.
Nicht in Betracht gezogen wurden zudem die Limitationen der laparoskopischen Implantation
der MSA wie z. B. die Motilitätsstörung des Ösophagus und die großen Hiatushernien.
Hier kann die MSA keine Alternative zur Fundoplicatio bieten, ebenfalls bei Kindern
und Jugendlichen ist das Verfahren nicht zugelassen.
Die meisten Publikationen zur MSA Implantation wurde in der Vergangenheit von einer
Handvoll anerkannter Zentren in Europa und den USA durchgeführt und zeigen vielversprechende
Ergebnisse. Allerdings sollte auch ein Augenmerk auf die möglichen Risiken dieses
OP Verfahrens gerichtet werden. Die Daten dazu sind aus den obengenannten Zentren
mit einer hohen Fallzahl. Aber auch dort wird von einer Dysphagierate von 15,5 % gesprochen,
die ein Jahr postoperativ die Patienten (n = 370) noch beeinträchtigt (12 Monate follow-up)
(6).
In einer Serie von John Lipham, einer der Entwickler und Chirurg der ersten Stunde
dieser Technik, berichtet an der eigenen Serie von 435 MSA Implantation eine Explantationsrate
von 5,5 %. (7).
Ein wesentlicher Aspekt der Implantation eines Fremdkörpers am Ösophagus bleibt die
Erosion und Migration. Hierzu gibt es erst eine Studie aus den Daten der Registerstudie,
wo 29 Erosionen gemeldet wurden. Diese traten nach frühestens einem Jahr auf, wobei
der Nachbeobachtungszeitraum zu dem Zeitpunkt nur 4 Jahre einschloss, so dass die
schwerwiegende Komplikation der Ösophagusperforation und -erosion bei einem Risiko
von 0,3 % nach 4 Jahren liegt (8). Diese Zahl kann sich noch erhöhen, wenn der Nachbeobachtungszeitraum
länger wird.
Aus diesen Gründen haben wir uns als AG chirurgische Therapie und anschließend auch
als interdisziplinäre Leitlinienkommission für die eingeschränkte Empfehlung der laparoskopischen
magnetischen Sphinkteraugmentation entschlossen. Das Potenzial dieser Therapie ist
damit definitiv in den Leitlinien zur Behandlung der GERD aufgenommen. Wir konnten
in allen chirurgischen Statements entsprechend einen sehr hohen Konsens finden, der
für die weitere chirurgische Therapie sicher wegweisend ist. Sollten neue Daten -bestenfalls
prospektiv randomisierte Studiendaten-hinzukommen, wird die Sachlage in Zukunft sicherlich
neu diskutiert.
Literatur
1. Gupta S, Sidhu M, Banh X, Bradbear J, Byth K, Hourigan LF, Raftopoulos S, Bourke
MJ. A prospective multicentre study of per-oral endoscopic myotomy (POEM) for achalasia
in Australia. Med J Aust. 2021 Mar;214(4):173–178. doi: 10.5694/mja2.50 941. Epub
2021 Feb 21. PMID: 33 611 796
2. Grimes KL, Inoue H, Onimaru M, Ikeda H, Tansawet A, Bechara R, Tanaka S. Double-scope
per oral endoscopic myotomy (POEM): a prospective randomized controlled trial. Surg
Endosc. 2016 Apr;30(4):1344–51. doi: 10.1007/s00 464–015–4396–2. Epub 2015 Jul 15.
PMID: 26 173 548
3. Shiwaku H, Inoue H, Sato H, Onimaru M, Minami H, Tanaka S, Sato C, Ogawa R, Okushima
N, Yokomichi H. Peroral endoscopic myotomy for achalasia: a prospective multicenter
study in Japan. Gastrointest Endosc. 2020 May;91(5):1037–1044.e2. doi: 10.1016/j.gie.2019.11.020.
Epub 2019 Nov 21. PMID: 31 759 035
4. Gu L, Ouyang Z, Lv L, Liang C, Zhu H, Liu D. Safety and efficacy of peroral endoscopic
myotomy with standard myotomy versus short myotomy for treatment-naïve patients with
type II achalasia: a prospective randomized trial. Gastrointest Endosc. 2021 Jun;93(6):1304–1312.
doi: 10.1016/j.gie.2020.10.006. Epub 2020 Oct 13. PMID: 33 058 884
5. von Renteln D, Inoue H, Minami H, Werner YB, Pace A, Kersten JF, Much CC, Schachschal
G, Mann O, Keller J, Fuchs KH, Rösch T. Peroral endoscopic myotomy for the treatment
of achalasia: a prospective single center study. Am J Gastroenterol. 2012 Mar;107(3):411–7.
doi:10.1038/ajg.2011.388. Epub 2011 Nov 8. PMID: 22 068 665
6. Ayazi S, Zheng P, Zaidi AH, Chovanec K, Chowdhury N, Salvitti M, Komatsu Y, Omstead
AN, Hoppo T, Jobe BA. Magnetic Sphincter Augmentation and Postoperative Dysphagia:
Characterization, Clinical Risk Factors, and Management. J Gastrointest Surg. 2020
Jan;24(1):39–49. doi: 10.1007/s11 605–019–04 331–9. Epub 2019 Aug 6. PMID: 31 388 888
7. Tatum JM, Alicuben E, Bildzukewicz N, Samakar K, Houghton CC, Lipham JC. Removing
the magnetic sphincter augmentation device: operative management and outcomes. Surg
Endosc. 2019 Aug;33(8):2663–2669. doi: 10.1007/s00 464–018–6544-y. Epub 2018 Nov 1.
PMID: 30 386 987
8. Alicuben ET, Bell RCW, Jobe BA, Buckley FP 3 rd, Daniel Smith C, Graybeal CJ, Lipham
JC. Worldwide Experience with Erosion of the Magnetic Sphincter Augmentation Device.
J Gastrointest Surg. 2018 Aug;22(8):1442–1447. doi: 10.1007/s11 605–018–3775–0. Epub
2018 Apr 17. PMID: 29 667 094
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Empfehlung 3.6
Prof. T. Horbach: „Seit über 10 Jahren sind in unserem Haus (Viszera Chirurgie Zentrum
München, auch durch Herrn Dr. R. Merkle) und am Stadtkrankenhaus Schwabach bzw. an
der Schön Klinik Nürnberg-Fürth, an denen ich vorher tätig war, mehrere hundert Patienten
mit dem LINX-Implantat für die magnetische Sphinkteraugmentation mit sehr guten Ergebnissen
behandelt worden. Ich war bereits bei ersten europäische Studien zu LINX involviert
und habe auch selbst als Principal Investigator eine Studie zu LINX nach adipositaschirurgischen
Schlauchmagenresektionen durchgeführt. Als Proctor habe ich viele Dutzend Kollegen
in Deutschland und Europa in der Operationstechnik von LINX unterwiesen.
Aus diesem Grund gebe ich hier meine Kommentare zur Konsultationsfassung der S2k-Leitlinie
Gastroösophageale Refluxkrankheit und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft
für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und hier im
Speziellen zur Empfehlung 3.6 ab:
Mit der Einschränkung der Empfehlung für die magnetische Sphinkteraugmentation auf
Behandlungen im Rahmen klinischer Studien hinkt diese Bewertung anderer internationaler
Fachgesellschaften hinterher.
Das American College of Gastroenterology veröffentlichte Ende letzten Jahres die Clinical
Guideline for the Diagnosis and Management of Gastroesophageal Reflux Disease (Katz
et al., 2022). Diese Richtlinien wurden im American Journal of Gastroenterology veröffentlicht
und die Autoren entwickelten klinisch wichtige Empfehlungen für die Bewertung und
Behandlung von GERD. Sie führten eine Literaturrecherche für jede PICO-Frage durch
und bewerteten die Qualität der Evidenz für jede Aussage mithilfe des Grading of Recommendations,
Assessment and Evaluation Process. Die ACG-Empfehlungen zur Antirefluxchirurgie und
magnetischer Sphinkteraugmentation (MSA) gelten beide als starke Empfehlungen auf
der Grundlage eines moderaten Evidenzniveaus. Die ACG-Leitlinien lauten:
„We recommend consideration of MSA as an alternative to laparoscopic fundoplication
for patients with regurgitation who fail medical management (strong recommendation,
moderate level of evidence)”
Oder in Deutsch: Wir empfehlen die Erwägung von MSA als Alternative zur laparoskopischen
Fundoplicatio für Patienten mit Regurgitation, bei denen die medizinische Behandlung
versagt (starke Empfehlung, moderates Evidenzniveau).
Zudem hat die American Gastroenterological Association (AGA) kürzlich das AGA Clinical
Practice Update on the Personalized Approach to the Evaluation and Management of GERD:
Expert Review publiziert (Yadlapati et al., 2022). Das Thema dieses Clinical Practice
Update (CPU) wurde von vom AGA Center for GI Innovation and Technology (CGIT) ausgewählten
Experten, Industrievertretern und Patientenvertretern auf der von AGA CGIT organisierten
und veranstalteten Konferenz gründlich diskutiert. Der Inhalt dieser Expertenbewertung
wurde von den Sachverständigen bei einem Treffen während der AGA CGIT-Konferenz erstellt,
diskutiert und abgestimmt. Dieser Expertenbericht enthält die folgenden Best-Practice-Ratschläge:
„In patients with proven GERD, laparoscopic fundoplication and magnetic sphincter
augmentation are effective surgical options, and transoral incisionless fundoplication
is an effective endoscopic option in carefully selected patients.”
Oder in Deutsch: Bei Patienten mit nachgewiesener GERD sind die laparoskopische Fundoplikatio
und die magnetische Schließmuskelaugmentation wirksame chirurgische Optionen, und
die transorale inzisionslose Fundoplicatio ist eine wirksame endoskopische Option
bei sorgfältig ausgewählten Patienten.
Außerdem möchte ich auf die Publikation von Bonavina et al. 2021 zu einer vergleichenden
Registerstudie an 22 Zentren in Europa mit n = 631 Patienten (MSA, n = 465; Fundoplicatio,
n = 166) hinweisen. Zu den Endpunkten Sicherheit und Effektivität konnten keine Unterschiede
für die beiden Methoden festgestellt werden. Hingegen war die MSA gegenüber der Fundoplicatio
statistisch signifikant im Vorteil hinsichtlich der post-operativen Unfähigkeit, aufzustoßen
und zu erbrechen sowie einer Reduktion der postoperativen Morbidität, gemessen an
der Krankenhausverweildauer. Dies sind wesentliche Aspekte, die bei der Auswahl der
geeigneten chirurgischen Therapie Berücksichtigung finden müssen. Auch wenn die europäische
Registerstudie nicht den höchsten Anforderungen an klinische Evidenz entspricht (sie
ist kein RCT) so gibt sie doch ein wichtiges Bild der klinischen Praxis wieder.
Im Übrigen bin nicht nur ich der Auffassung, dass die für statistisch signifikante
Schlussfolgerungen in Vergleichsstudien zwischen laparoskopischen Antirefluxchirurgietechniken
erforderliche Stichprobengröße selbst bei einem no-inferiority-Design einer solchen
Studie aufgrund ähnlicher Ergebnisse zwischen diesen unpraktikabel hoch werden. Dies
kann dazu führen, dass aufgrund mangelnder Rekrutierung keine aussagekräftigen statistischen
Schlussfolgerungen gezogen werden, und wegen des unausweichlich langen Rekrutierungsprozesses
Finanzierungsprobleme entstehen können (Yadlapati und Pandolfino, 2020, Spechler et
al., 2019). Ein RCT zur Voraussetzung einer positiven Empfehlung zu machen geht m. E. –
wie so oft bei medizinprodukte-bezogenen klinisch-chirurgischen Evaluierungen – an
der klinischen Realität vorbei.
Es würde mich freuen, wenn dies in der Neufassung der S2k-Leitlinien berücksichtigt
werden könnte und die magnetische Sphinkteraugmentation als vollwertige Alternative
zur Fundoplicatio auch von der DGVS anerkannt wird.“
(Weitere Informationen im Anhang)
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Empfehlung 3.6.
L. Gador: „Als Hersteller des LINX-Implantats für die magnetische Sphinkteraugmentation,
möchten wir die Konsultationsfassung der S2k-Leitlinie Gastroösophageale Refluxkrankheit
und eosinophile Ösophagitis der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-
und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), und hier im Speziellen die Empfehlung 3.6 kommentieren;
dort heißt es:
Empfehlung 3.6 (neu 2022)
Operative Alternativen zur Fundoplicatio wie z. B. die magnetische Sphinkteraugmentation
zeigen in aktuellen Studien vielversprechende Ergebnisse und können bei exakter Indikationsstellung
in Erwägung gezogen werden. [Empfehlung offen, Starker Konsens]
Der Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) hat im Rahmen eines von uns als Hersteller
des LINX Reflux-Managementsystem betriebenen Antragsverfahrens nach § 137e Absatz
7 SGB V Abschnitte I bis VI einen Beschluss gefasst, dem die in der jetzigen Konsultationsfassung
gefundene Formulierung nicht sachgerecht Rechnung trägt [1]:
„Im Rahmen der Bescheidung eines Antrags auf Erprobung gemäß § 137e Absatz 7 des Fünften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zu der Auffassung
gelangt, dass ….. die Methode (magnetische Ösophagus-Sphinkter-Augmentation zur Behandlung
von Patientinnen und Patienten mit Gastroösophagealer Refluxkrankheit; d. V.) ….
das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.“
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat damit in seiner Sitzung am 18. März d. J. unmissverständlich
weiter ausgeführt:
„Insgesamt lässt sich auf Basis der eingereichten Unterlagen für die MSA bei nachgewiesener
GERD und unzureichend wirksamer maximaler konservativ-medikamentöser Refluxtherapie
ein Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative ableiten. Dieses Potenzial beruht auf den Erkenntnissen zur Reduktion postoperativer Komplikationen
hinsichtlich der post-operativen Unfähigkeit, aufzustoßen und zu erbrechen sowie auf
einer Reduktion der postoperativen Morbidität, gemessen an der Krankenhausverweildauer.“
Das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative ergibt sich gemäß der Verfahrensordnung
des G-BA [2]:
„wenn sie aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse mit
der Erwartung verbunden ist, dass andere aufwändigere, für den Patienten invasivere
oder bei bestimmten Patienten nicht erfolgreich einsetzbare Methoden ersetzt werden
können, die Methode weniger Nebenwirkungen hat, sie eine Optimierung der Behandlung
bedeutet oder die Methode in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung ermöglichen
kann ... insbesondere dann, wenn zumindest so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen
vorliegen, dass auf dieser Grundlage eine Studie geplant werden kann, die eine Bewertung
des Nutzens der Methode auf einem ausreichend sicheren Erkenntnisniveau erlaubt.“
Damit ist die MSA gemäß § 137c Abs.3 SGB V und § 39 SGB V Abs.1 als vergütungsfähige
Methode in Leistungskanon der Regelversorgung aufgenommen – ohne Einschränkung oder
Bezug auf klinische Studien, denn in den entsprechenden Paragraphen des SGB V heißt
es:
§ 39 SGB V
„Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, teilstationär,
vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung
nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative
bieten.“
§ 137c Abs.3 SGB V
„….(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss
bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht
werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre
Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch
indiziert und notwendig ist."
Im Übrigen entspricht dies auch internationalen (europäischen) Bewertungsstatus: In
England kommt deren nationales Institut für Exzellenz im Gesundheitswesen NICE (National
Institute for Health and Care Excellence) nach ausführlicher Begutachtung der vorliegenden
Evidenz [3] in seiner vorläufigen Leitlinie zu einem ähnlichen Ergebnis [4]:
„Evidence on the safety and efficacy of laparoscopic insertion of a magnetic ring
for gastro-oesophageal reflux disease (GORD) is adequate to support using this procedure
provided that standard arrangements are in place for clinical governance, consent
and audit.“
Wir bitten daher, diesen aktuellen Stand der Evidenzbeurteilung in der deutschen Selbstverwaltung
sowie den internationalen Stand in der Neufassung der S2k-Leitlinien zu berücksichtigen
und die magnetische Sphinkteraugmentation als vollwertige Alternative zur Fundoplicatio
in die Leitlinie aufzunehmen.“
[1] https://www.g-ba.de/bewertungsverfahren/methodenbewertung/263/#einleitung-des-beratungsverfahrens
[2] https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2905/VerfO_2022-05-19_iK_2022-08-17.pdf
[3] https://www.nice.org.uk/consultations/1797/4/the-evidence-assessed
[4] https://www.nice.org.uk/guidance/GID-IPG10209/documents/321
(Weitere Informationen im Anhang)
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Hintergrundtext zur Empfehlung 4.14
Dr. S. Raible: „Nach Durchsicht bitten wir herzlich darum zu prüfen, ob noch eine
wichtige Studie zum Verfahren der (Hybrid) APC berücksichtigt werden kann, die bisher
keinen Eingang in die Leitlinie gefunden hat. Es handelt sich um folgende Studie,
die beispielsweise im Abschnitt 4.14 berücksichtigt werden könnte:
Knabe, Mate; Beyna, Torsten; Rösch, Thomas; Bergman, Jacques; Manner, Hendrik; May,
Andrea et al. (2021): Hybrid APC in Combination With Resection for the Endoscopic
Treatment of Neoplastic Barrett's Esophagus: A Prospective, Multicenter Study. In:
The American Journal of Gastroenterology. DOI: 10.14 309/ajg.0000000 000 001 539.
Inwieweit und wie konkret Stellungnahmen in dem Verfahren gewünscht und möglich sind,
ist mir leider nicht bekannt. Sollten konkrete Vorschläge für den Einbezug der genannten
Studie erwünscht und möglich sein, haben wir hierzu einen Vorschlag (nachfolgend)
ausgearbeitet.
Ergänzungsvorschlag zur Empfehlung 4.14 (neu 2022) aus Konsultationsversion der S2k-Leitlinie
GERD
Textauszug aus Konsultationsversion der S2k-Leitlinie GERD:
„Als weiteres Ablationsverfahren steht die Argon-Plasma-Coagulation (APC) zur Verfügung.
Die APC kann konventionell ohne vorherige Unterspritzung der Mukosa oder als Hybrid-APC
mit Unterspritzung eingesetzt werden 456 *. In einer multizentrischen prospektiven
randomisierten Studie aus den UK waren RFA und APC gleich effektiv und wiesen eine
vergleichbare Komplikationsrate auf (Stenosen 8 %). Die RFA war patientenbezogen mit
27 500US$ Mehrkosten im Vergleich zur APC deutlich teurer 457.“
*Weitere Referenz:
Knabe, Mate; Beyna, Torsten; Rösch, Thomas; Bergman, Jacques; Manner, Hendrik; May,
Andrea et al. (2021): Hybrid APC in Combination With Resection for the Endoscopic
Treatment of Neoplastic Barrett's Esophagus: A Prospective, Multicenter Study. In:
The American Journal of Gastroenterology. DOI: 10.14 309/ajg.0000000 000 001 539.
Textvorschlag zur Ergänzung:
In einer prospektiven Hybrid-APC-Multicenterstudie wurde das primäre Studienziel der
kompletten Eradikation der Barrett-Schleimhaut (CE-IM) bei 88,4 % der Patienten erzielt.
Nach 24 Monaten waren 70,8 % der untersuchten Patienten frei von Barrettschleimhaut.
Die Komplikationsrate zeigte 0,6 % Perforationen und 3,9 % Strikturen. Die Ergebnisse
sind bezüglich des Therapieerfolgs und der Komplikationen mit der etablierten BarrX-RFA
Therapie vergleichbar.“
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Verfahren wurde in der Konsensuskonferenz noch nicht behandelt. Würdigung wird bei
einem Update erfolgen.
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