Key words
breast imaging - e-learning - medical education - curriculum radiology - blended learning
- training in breast radiology
Rationale
Bildgebung und interventionelle Verfahren nehmen seit Jahrzehnten eine herausragende
Rolle in der Früherkennung, Therapieplanung und Nachsorge des Mammakarzinoms, des
häufigsten malignen Tumors der Frau ein.
Das mammografiebasierte Screening hat sich für Frauen mit einem normalen Risiko, ein
Mammakarzinom zu entwickeln, in den Industrieländern mit einer in Studien nachgewiesenen
Mortalitätsreduktion von über 20 % etabliert [1]
[2]. In Deutschland wird das Mammografiescreening flächendeckend seit 2005 durchgeführt.
Sowohl für die präzise Diagnostik als auch im Hinblick auf die Therapieplanung ist
die multimodale Befunderhebung mit Berücksichtigung verschiedener bildgebender Verfahren
(Mammografie, Sonografie, MRT) unter Einschluss bildgestützter Biopsie- und Markierungsverfahren
entscheidend und muss durch Expert:innen mit Kenntnissen und Fertigkeiten in allen
diesen Verfahren zusammengeführt werden. Außerhalb des Screenings werden diese Verfahren
im kurativen Setting insbesondere bei symptomatischen Frauen, in der intensivierten
Früherkennung bei Hochrisikokollektiven und in der Nachsorge nach Therapie eines Mammakarzinoms
eingesetzt. Somit stellt die Mammadiagnostik einen integralen Bestandteil des Fachgebiets
der Radiologie dar.
Um den Anforderungen an ein bevölkerungsbasiertes Screening ebenso wie an die kurative
Mammadiagnostik und an die Versorgungsqualität in den Brustzentren gerecht zu werden,
unterliegt die moderne Mammadiagnostik strengen Standards zur Struktur-, Prozess-
und Ergebnisqualität. In Bezug auf die kurative Mammografie in zertifizierten Brustzentren
beinhaltet die Qualitätssicherung unter anderem die Teilnahme an Fallsammlungsprüfungen
der kassenärztlichen Vereinigungen und/oder die Befundung von mind. 500 Mammografien
pro Befundendem pro Jahr. Dies gewährleistet sowohl einen hohen Qualitätsstandard
als auch über die Zeit der Weiterbildung hinaus eine kontinuierliche Wissensentwicklung.
Die Verortung des Screenings im ambulanten Sektor in radiologische Praxen und MVZs
mit Mamma-Schwerpunkt hat zu einem zunehmenden Kompetenzaufbau in diesen Einrichtungen
geführt. Die hohen Qualifikationsanforderungen mit regelmäßiger Schulung und Überprüfung
für am Mammografiescreening beteiligte Radiolog:innen sowie die im Screening und in
der Abklärungsdiagnostik hohen Untersuchungszahlen in Mammografie, Sonografie und
Intervention haben in den letzten ca. 15 Jahren zu einer zunehmenden Konzentration
der Fachkompetenz im Umfeld der Screening-Einheiten geführt. Viele Screening-Radiolog:innen
beschäftigen sich nahezu ausschließlich mit Mammadiagnostik. Zudem ist es für viele
Patientinnen mit einer Brustkrebserkrankung durchaus folgerichtig, nach durchlaufener
Therapie auch die Nachsorgediagnostik in der Einrichtung bzw. angekoppelt an die Institution
durchführen zu lassen, in der die eigene Erkrankung entdeckt bzw. therapiert wurde.
Dadurch haben sich die Patientinnenströme zunehmend von nicht am Screening beteiligten
Praxen und Krankenhäusern ohne zertifizierte Brustkrebszentren wegentwickelt.
Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass im stationären und ambulanten, kurativen
Bereich im Rahmen der Weiterbildung geringere Fallzahlen generiert werden. Dies gilt
insbesondere für Krankenhäuser ohne Brustkrebszentrum. Auch können die Anforderungen
an zertifizierte Brustkrebszentren bezüglich Untersuchungszahlen in der Mammografie
häufig nur durch zusätzliche Qualifizierungs- bzw. Qualitätssicherungsmaßnahmen und/oder
Kooperationen erreicht werden. Auch einige Großkrankenhäuser weisen inzwischen abnehmende
Untersuchungszahlen in der Mammadiagnostik auf, was zur Folge haben kann, dass die
Richtzahlen der Weiterbildungsordnung (WBO) ggf. nicht mehr erfüllt werden können.
Dies steht unweigerlich mit dem Ziel einer in der Breite hochqualitativen Weiterbildung
in Konflikt und gefährdet perspektivisch sogar die langfristige Sicherstellung der
bisher hohen Qualität in den Screening-Einheiten, da der fachliche Nachwuchs seine
Weiterbildung weiterhin überwiegend in Krankenhäusern absolviert. Die aufgezeigten
Herausforderungen können nur durch geeignete Konzepte zur kontinuierlichen Sicherstellung
der Weiterbildung bewältigt werden.
Das vorgelegte Whitepaper fasst zunächst die Rahmenbedingungen der Weiterbildung in
der bildgebenden und interventionellen Mammadiagnostik zusammen. Anschließend werden
Positionen der deutschen Radiologie aus Sicht der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG)
und des Berufsverbandes der Radiologen (BDR) zu mammadiagnostischen Fallsammlungen,
Kursen und Hospitationen im Rahmen der Weiterbildung formuliert. Schließlich werden
Perspektiven aufgezeigt, die in Zukunft für die Weiterbildung in der Mammadiagnostik
bedeutend sein werden.
Die Erarbeitung des Whitepapers erfolgte durch die AG Mammadiagnostik der DRG, das
CAFRAD (Chefarztforum Radiologie), die KLR (Konferenz der Lehrstuhlinhaber für Radiologie
e. V.), das Forum Junge Radiologie (FJR) der DRG und den Berufsverband der Deutschen
Radiologen e. V. (BDR).
Mammadiagnostik im Weiterbildungscurriculum der DRG
Mammadiagnostik im Weiterbildungscurriculum der DRG
Neben der Muster-Weiterbildungsordnung (M-WBO) konnte im Jahr 2021 erstmalig ein Weiterbildungscurriculum
Radiologie etabliert werden, welches durch den Vorstand des Forum Junge Radiologie
(FJR) und die Task Force Weiterbildung des FJR in Kooperation mit Arbeitsgemeinschaften
der Deutschen Röntgengesellschaft, Deutschen Gesellschaft für Interventionelle Radiologie,
Gesellschaft für Pädiatrische Radiologie, Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie,
Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie und den Vorstand der Deutschen
Röntgengesellschaft entwickelt wurde [3]. Das Weiterbildungscurriculum wurde in Anlehnung an das europäische Weiterbildungscurriculum
[4] sowie die bestehende M-WBO der Bundesärztekammer [5] zur Vorbereitung auf die Facharzttätigkeit entwickelt und fasst fachspezifische
Lernziele zur bildgebenden Differenzialdiagnostik, zur interventionellen Radiologie
sowie Lernziele in Bezug auf Zusammenarbeit und Kommunikation zusammen. Im Gegensatz
zur WBO ist das Weiterbildungscurriculum des FJR nicht verpflichtend. Es soll sowohl
Weiterzubildenden als auch möglichen Prüfenden eine Orientierungshilfe in der Weiterbildung
sein und Anforderungen an Facharztkenntnisse definieren. Dabei werden ausdrücklich
„die Inhalte der Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern durch dieses Curriculum
weder berührt noch ergänzt“ [3].
Inhaltlich ist das Weiterbildungscurriculum Radiologie nach Organsystemen gegliedert
und entspricht den Vorgaben der M-WBO. Das Curriculum thematisiert zusätzlich separate
Module zu den Themen Wissenschaftliches Arbeiten und Lehren, Informatik, Kommunikation
und interdisziplinäre Zusammenarbeit, Strahlenschutz und Technik. Die Lernziele wurden
in “Kognitive und Methodenkompetenz” (Kenntnisse) und “Handlungskompetenz” (Erfahrungen
und Fertigkeiten) unterteilt. Jedes Organsystem stellt ein Modul dar, dessen Lernziele
in Zusammenarbeit mit den entsprechenden AGs der Deutschen Röntgengesellschaft erarbeitet
wurden. Querverweise auf andere, themenübergreifende Module sollen das organsystemübergreifende
sowie vernetzte Lernen optimieren und sind ggf. hinter dem einzelnen Lernziel angegeben.
Das Modul 12 thematisiert die Mammadiagnostik. Die Lernziele wurden durch die „Task
Force Weiterbildungscurriculum“ des FJR in Zusammenarbeit mit dem Vorstand der AG
Mammadiagnostik der DRG formuliert und überarbeitet. Unter dem Überbegriff „Kognitive
und Methodenkompetenz“ wurden Lernziele im Teilgebiet der Mammadiagnostik zusammengestellt,
welche für die Erreichung eines Facharztniveaus vorausgesetzt werden können. Diese
umfassen neben Basiskenntnissen der Anatomie und Physiologie der Mamma auch Kenntnisse
in der bildgebenden, modalitätenübergreifenden Mammadiagnostik inklusive der Indikationsstellung
zu Bildgebung und minimalinvasiver Diagnostik, zur Aufnahmetechnik, zur ärztlichen
Überwachung der Qualität bei Delegation an nichtärztliches Personal sowie zu den Themen
Mammakarzinom und Brustkrebsscreening, zum klinischen Management in der Mammadiagnostik
und Basiskenntnisse in der Mammaintervention.
Unter dem Überbegriff „Handlungskompetenz“ werden Lernziele zusammengefasst, die Erfahrungen
und Fertigkeiten thematisieren. Hierunter fallen Lernziele mit Fokus auf Patientenmanagement,
Basisfertigkeiten in der Mammabefundung sowie in der interventionellen Mammadiagnostik.
Die zu erwartenden Fertigkeiten sollen zumindest unter Supervision durch die Weiterzubildenden
eigenständig durchgeführt werden können.
In jedem Fall gilt, dass in Abhängigkeit der Schwerpunkte einzelner Weiterbildungsstätten
auch Vertiefungen in einzelnen Modulen erfolgen können und die vorgeschlagenen Lernziele
lediglich als fakultative Orientierungshilfe dienen.
Organisation der Weiterbildung in der bildgebenden und interventionellen Mammadiagnostik
Organisation der Weiterbildung in der bildgebenden und interventionellen Mammadiagnostik
Die radiologisch-mammadiagnostische Weiterbildung ist über 2 separate Rechtsrahmen
geregelt. In föderaler Kammerhoheit werden die formalen Voraussetzungen zur Erlangung
der Gebietsbezeichnung „Facharzt/Fachärztin für Radiologie“ über die Weiterbildungsordnungen
(WBO) der jeweiligen Landesärztekammern geregelt. Die landesärztekammerspezifischen
WBO orientieren sich im Wesentlichen an der Muster-Weiterbildungsordnung (M-WBO),
die der Vorstand der Bundesärztekammer auf der Basis der Beschlüsse der Deutschen
Ärztetage beschließt und den Landesärztekammern zur Übernahme empfiehlt. Ein weiterer
Rechtsrahmen betrifft den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen. Die Regelungen
basieren auf der Strahlenschutzgesetzgebung (aktuell: Strahlenschutzgesetz [6]; früher: Atomgesetz mit dem untergesetzlichen Regelwerk der aktuellen Strahlenschutzverordnung
(StrSchV) bzw. der früheren Röntgenverordnung [RöV]) und den daraus abgeleiteten Fachkunderichtlinien.
Dieser Rechtsrahmen ist im Gegensatz zur WBO bundeseinheitlich, wird jedoch ebenfalls
in föderaler Aufsicht umgesetzt.
Die M-WBO von 2018 in der zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Publikation aktuellen
Fassung vom 25.06.2022 [5] erwartet von Radiolog:innen in der Rubrik „Bildgebung der Mamma“ die Handlungskompetenz „Indikation, Durchführung und Befunderstellung von allen bildgebenden und bildgestützten
interventionellen (…) Verfahren an der Mamma“ und gibt eine Richtzahl von 1500 Untersuchungen vor, wobei wie schon in der früheren
WBO keine Spezifizierung bzgl. der Modalität vorgegeben wird. Die Richtzahl wurde
ggü. früheren M-WBO um 500 Untersuchungen reduziert. Eine Zusatz-Weiterbildung für
nichtradiologische Disziplinen (d. h.: Frauenheilkunde) wie in den früheren M-WBO
(Röntgendiagnostik fachgebunden: Mamma) ist in der neuen M-WBO nicht mehr vorgesehen.
Sämtliche 17 Landesärztekammern haben die M-WBO bzgl. der Richtzahlen kammerspezifisch
umgesetzt. In 3 WBO sind landesspezifische Zusatz-Weiterbildungen im Sinne einer „Fachgebundenen
Röntgendiagnostik der Mamma“ (für das Gebiet Frauenheilkunde) verankert. Dies betrifft
die Bundesländer Baden-Württemberg und Berlin sowie als Besonderheit das Bundesland
Niedersachsen, dort gilt befristet die Zusatz-Weiterbildung Mammografie der alten
WBO fort. Die Richtzahlen für die Zusatz-Weiterbildung in Mammografie schwanken zwischen
0 (!) und 500 Untersuchungen.
Die zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Publikation gültige „Richtlinie Fachkunde
und Kenntnisse im Strahlenschutz bei dem Betrieb von Röntgeneinrichtungen in der Medizin
oder Zahnmedizin“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit
(BMU) [7] definiert die Mindestanforderungen zum Sachkundeerwerb im Gebiet Rö3.4 Mamma mit 500 dokumentierten Untersuchungen in einer Mindestzeit von 12 Monaten. Das Gebiet
Rö3.4 Mamma ist während der Weiterbildung im Gebiet Radiologie mit den oben angegebenen
Mindestzahlen Bestandteil der Sachkunde im Gebiet Rö1 Gesamtbereich der Röntgendiagnostik einschließlich Computertomografie (CT). Üblicherweise setzen die Landesärztekammern die Erlangung der Fachkunde im Gebiet
Rö1 voraus, bevor dem Antrag auf Erteilung der Gebietsbezeichnung stattgegeben wird.
Die Umsetzung der Vorgaben der kammerspezifischen WBO und der bundeseinheitlichen
Strahlenschutz-Fachkunderichtlinie erfolgt in Krankenhäusern, Praxen und MVZs, in
denen speziell benannte Personen zur Weiterbildung sowie zur Vermittlung der Sachkunde
im Strahlenschutz befugt bzw. ermächtigt sind. Bezüglich der mammaspezifischen Vermittlung
der Inhalte der WBO und der Fachkunde-Richtlinie werden je nach Struktur und Leistungsvolumen
diverse Optionen umgesetzt:
-
Weiterbildung in Mammadiagnostik alleine an der primären Weiterbildungsstätte
-
Weiterbildung durch Rotation oder befristeten Stellenwechsel oder Hospitation in einen
Bereich mit ausreichendem Leistungsvolumen in der Mammadiagnostik, also in eine andere
Klinikabteilung (Beispiel: Sonografie-Weiterbildung in Frauenklinik bei entsprechender
Arbeitsteilung Radiologie/Gynäkologie), ein anderes Krankenhaus, eine andere Praxis/MVZ
oder im Rahmen der Abklärungsdiagnostik in einer Mammografiescreening-Einheit. Im
Rahmen des Screenings dürfen jedoch ausschließlich speziell ausgebildete und regelmäßig
zertifizierte Ärzt:innen die Befunde erheben.
-
Mischmodelle (teils Weiterbildung in der primären Weiterbildungsstätte, teils in anderer
Institution)
-
Auffüllung von Leistungszahlen durch angeleitete und betreute Absolvierung von Fallsammlungen
(intern an der Weiterbildungsstätte oder im Rahmen von Kursen)
Die WBO gibt für die Weiterbildung eine gewisse Flexibilität, da die Richtzahlen über
einen freien Modalitätenmix erreicht werden können. Leistungszahlen werden auch dadurch
erreicht, dass Weiterzubildende aktiv in die dokumentierte Doppelbefundung eingebunden
werden. Durch aktive Einbindung von Weiterzubildenden in die Vorbereitung und Durchführung
von interdisziplinären Besprechungen zur Mammadiagnostik, in denen meist relevante
Volumina an einrichtungsfremder Bildgebung einbezogen werden, kann in zertifizierten
Brustzentren eine weitere Aufstockung der Leistungszahlen erreicht werden, wenn die
externe Bildgebung unter Supervision dokumentiert zweitbefundet wird.
Mammadiagnostische Fallsammlungen
Mammadiagnostische Fallsammlungen
Bislang bereits verfügbare Fallsammlungen sind zumeist auf das Engagement einzelner
Weiterbildungseinheiten zurückzuführen und somit lokal beschränkt verfügbar. Sie unterliegen
keiner übergeordneten Qualitätskontrolle und die Anerkennung im Rahmen der Weiterbildung
wird zumeist durch persönliche Absprachen gewährleistet. So können beispielsweise
nach individueller Rücksprache auch Fallsammlungen i. R. der Weiterbildung bei den
Referenzzentren des Mammografiescreenings bearbeitet werden.
Hauptsächlich ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie hat sich eine zunehmende Digitalisierung
in der Radiologie nicht nur im Hinblick auf diagnostische Möglichkeiten gezeigt, sondern
spielt auch in der Weiterbildung eine immer größere Rolle. Diese Entwicklung setzt
sich auch nach Aufhebung der Infektionsschutzmaßnahmen fort mit hoher Akzeptanz von
sowohl reinen Online- aber auch Hybrid-Formaten in der Fort- und Weiterbildung. Während
die Veranstaltungen für Studierende unter Pandemie-Umständen bereits früh auf ein
Online-Angebot umgestellt wurden und dies teilweise beibehalten wurde, können die
Vorteile der Digitalisierung im Sinne der Kontinuität auch auf die Weiterbildung von
Assistenzärzt:innen übertragen werden. Dadurch lassen sich unabhängig von Ort und
Zeit standardisierte Weiterbildungskonzepte auf hohem Qualitätsniveau realisieren,
beispielsweise auch in Form von Fallsammlungen. Diese können zu verschiedenen Zeitpunkten
während der Weiterbildung unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Bei frühzeitigem Einsatz
erlauben sie zunächst ein problemorientiertes, selbstständiges Lernen. Indem Fehler
in eigenem Tempo reflektiert und aufgearbeitet werden, erhalten Weiterzubildende die
Chance zur eigenständigen Entwicklung einer klinischen Herangehensweise. Zu einem
fortgeschrittenen Zeitpunkt in der Weiterbildung bieten Fallsammlungen die Möglichkeit
zur Festigung der vorhandenen Kenntnisse und insbesondere bei onlinebasierten Formen
eine parallele Bearbeitung zum klinischen Einsatz [8]
[9]. Außerdem bieten Fallsammlungen eine kontrollierte Exposition mit eher seltenen,
aber relevanten Differenzialdiagnosen, was zur Erweiterung der fachlichen Kompetenzen
beiträgt.
Sobald eine derartige Fallsammlung erstellt und fachlich geprüft wurde, stellt sie
insbesondere bei zentraler Verfügbarkeit via Online-Zugang eine verhältnismäßig zeit-
und personaleffiziente sowie qualitätsgesicherte Weiterbildungs-Ergänzung dar, bei
onlinebasierten Formen auch überregional. Dabei sollte ein Drittel der benötigten
Fallzahlen nach WBO anhand einer zertifizierten Fallsammlung nicht überschritten werden.
Die erschwerte Interaktion mit den Lehrenden sowie die fehlende praktisch-interventionelle
Erfahrung sollte durch die Weiterbildung vor Ort bzw. in Kombination mit ergänzenden
Präsenzkursen erfolgen. Grundsätzlich wird eine derartige Kombination von Weiterbildungsmethoden
als „Blended-learning“-Konzept bezeichnet [10].
Ebenso können ergänzende Hands-On-Kurse zu einer weiteren Vertiefung beitragen.
Die AG Mammadiagnostik der DRG hat für derartige Fallsammlungen folgende Kriterien
zur Qualitätssicherung definiert:
Fachliche Anforderungen:
-
Die Fälle sind so aufbereitet, dass sie von radiologischen Assistenzärzt:innen eigenständig
bearbeitet werden können. Falls nötig, werden an den Weiterbildungsstand angepasste
Erklärungen hinzugefügt.
-
Alle Fälle beinhalten eine Anamnese unter Angabe des Alters, der Beschwerdesymptomatik,
ggf. auch des klinischen Untersuchungsbefundes und der Eigen- bzw. Risikoanamnese.
-
Die Fälle stammen aus der kurativen Mammografie und dem Screening (inklusive Hochrisiko-Screening)
und werden nach Facharztstandard erstellt.
-
Hinsichtlich der erwünschten Pathologien sollen auch seltene Fälle vorkommen.
-
Als Basis der strukturierten Befundung dient der aktuell gültige BI-RADS-Katalog (aktuell:
5. Auflage), dessen Spektrum abgedeckt werden sollte.
-
Multimodalität ist gewünscht.
Technische Anforderungen:
-
Das Bildmaterial zu den Fällen sollte im DICOM-Format zur Verfügung gestellt werden.
Sofern bei Ultraschalluntersuchungen aus technischen Gründen keine Pseudonymisierung
im DICOM-Format möglich ist, werden diese aus Gründen des Datenschutzes im JPEG-Format
unter Ausblendung der Patientendaten in die Plattform eingestellt.
-
Ein Fall beschäftigt sich lediglich mit einem/r Patient:in, kann aber mehrere Untersuchungen
enthalten.
-
Die Urheberrechte des Erstellers/der Erstellerin zur Veröffentlichung müssen für jeden
Fall nachgewiesen werden.
Anforderungen in Bezug auf die Qualitätssicherung:
-
Für alle erhobenen Befunde liegen stets eine histologische Sicherung oder ein mindestens
2-jähriges Follow-up vor.
-
Es wird in der Fallsammlung angegeben, wie sich die Fälle auf die einzelnen Kategorien
des BI‑RADS-Kataloges aufteilen.
-
Die Fallsammlung wird durch die DRG nach offen gelegten Kriterien zertifiziert.
-
Nach dem Absolvieren der Fallsammlung wird ein Zertifikat ausgestellt. Die Zahl der
tatsächlich bearbeiteten Patientinnenfälle wird durch sog. „digitales footprinting“
erfasst und auf dem Zertifikat bescheinigt.
-
Es wird empfohlen, die Fallsammlung durch eine Präsentation zu den Grundlagen des
aktuell geltenden BI-RADS-Katalogs zu ergänzen.
Eine Fallsammlung mit 500 Fällen und einem integrierten Modul zu den Grundlagen der
multimodalen Mammadiagnostik ist unter fachlicher Gestaltung durch das Institut für
Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikum Würzburg seit
November 2021 auf der DRG-Lehr- und Lernplattform „conrad“ verfügbar [11]. Die Bearbeitung dieser Fallsammlung wird durch die Bayerische Landesärztekammer
als Teil der ärztlichen Weiterbildung im Institut für Diagnostische und Interventionelle
Radiologie des Universitätsklinikum Würzburg und auf Anfrage auch darüber hinaus anerkannt.
Eine überregionale Ausweitung der Anerkennung ist Bestandteil fortgesetzter Bemühungen.
Ein Kernpunkt der Anforderungen der Bayerischen Landesärztekammer ist, dass für die
Weiterzubildenden keine persönlich zu tragenden Gebühren aufgrund der Teilnahme an
dem Programm entstehen sowie dass ein relevanter Anteil der Weiterbildung weiterhin
durch die Weiterbildungsstätte vor Ort im persönlichen Kontakt erfolgt. Darüber hinaus
besteht die Möglichkeit zur unmittelbaren Interaktion mit den Referierenden im Rahmen
einer Präsenzveranstaltung im Sinne eines „Blended-learning“-Konzeptes.
Weiterbildungskooperationen
Weiterbildungskooperationen
Der BDR fordert seit langem Kooperationsmöglichkeiten in der WBO zu definieren, um
Inhalte, die im Einzelfall in einer Weiterbildungseinrichtung nicht oder nicht in
ausreichendem Umfang angeboten werden können, abzudecken (Verbundweiterbildung) und
die Weiterbildungsbefugnis darauf zu erstrecken. Die LÄK Schleswig-Holstein akzeptiert
solche Kooperationen und hat dazu in einem Merkblatt Vorgaben festgelegt [12]. Sie unterscheidet dabei zwischen Hospitation und Rotation. Bei der Hospitation
werden Weiterzubildende für einen Zeitraum von höchstens 3 Monaten in einer anderen
Einrichtung tätig, ohne dass diese dabei zwingend über einen eigenen Weiterbildungsbefugten
verfügen muss. So kann die Vermittlung von Kenntnissen in der Mammografie z. B. auch
im Rahmen der Abklärungsdiagnostik in Screening-Einheiten oder Referenzzentren erfolgen,
wenn diese selbst nicht über die Weiterbildungsbefugnis für das gesamte Fachgebiet
verfügen. Die Weiterbildung wird bei der Hospitation durch den „entsendenden“ Weiterbildenden
verantwortet und wird von diesem auf Grundlage eines Hospitationszeugnisses bestätigt.
Bei der Rotation dagegen erfolgt die Weiterbildung über einen Zeitraum von mehr als
3 Monaten in einer kooperierenden Weiterbildungsstätte, die dafür selbst über weiterbildungsbefugte
Ärzt:innen verfügen muss.
In beiden Fällen müssen hierfür Kooperationsverträge abgeschlossen und der Landesärztekammer
vorgelegt werden, damit die Zeiten und Leistungszahlen bei Beantragung der Zulassung
zur Facharztprüfung akzeptiert werden. In diesen Kooperationsverträgen ist insbesondere
zu regeln, mit welcher Einrichtung während der Hospitation bzw. Rotation das Arbeitsverhältnis
mit den Weiterzubildenden besteht und sicherzustellen, dass für diesen Zeitraum und
die Tätigkeit in der Weiterbildung eine ausreichende Haftpflichtversicherung besteht.
Der BDR bietet Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern und
Gestaltung der Kooperation an. Auch über die DRG sind Vorschläge zur Gestaltung der
dazu erforderlichen Kooperationsverträge verfügbar (z. B. Mustervertrag der DeGIR).
In DRG und BDR konsentierte Kriterien für Weiterbildungs-Hospitationen in der Mammadiagnostik
sind im Folgenden aufgelistet.
Kriterien für Weiterbildungs-Hospitationen in der Mammadiagnostik:
-
Abschluss einer Hospitations-/Kooperationsvereinbarung
-
Empfohlene Dauer: 3 Monate
-
Hospitationsstätten mit Weiterbildungsbefugnis[*], entweder
-
bei Hospitation in Screening-Struktur: Teilnahme an Abklärungsdiagnostik mit Dokumentation
der Fallzahlen
-
bei Hospitation in Screening-Struktur und in Brustzentren: Teilnahme und aktive dokumentierte
Befundung an interdisziplinären Fallkonferenzen mit Dokumentation der Zahlen der besprochenen
Fälle
-
wenn konkrete Fallzahlen gemäß WBO bzw. Fachkunderichtlinie bescheinigt werden, ist
sicherzustellen, dass durch die Hospitierenden eine persönliche, supervidierte Befundung
(und im Falle der Sonografie auch Untersuchung) erfolgt
Weiterbildungs- und Fortbildungskurse
Weiterbildungs- und Fortbildungskurse
Klassische Mammadiagnostik-Kurse ergänzen auf regionaler und überregionaler Basis
die Weiterbildung vor Ort sowie die zertifizierten Fallsammlungen. Sie werden von
den wissenschaftlichen Fachgesellschaften oder über einen professionellen Veranstalter
organisiert. Auch in diesem Bereich wurden in den letzten Jahren zunehmend Online-basierte
Konzepte entworfen, die häufig eine räumlich und zeitlich flexible Gestaltung durch
die Teilnehmenden zulassen. Mammadiagnostische Weiterbildungs-Kurse dienen je nach
Weiterbildungsfortschritt im Wesentlichen den folgenden Zwecken:
-
Vermittlung der Propädeutik und Systematik der bildgebenden und interventionellen,
senologischen Diagnostik
-
interaktives Training der Befundung der Mammabildgebung und Erlernen der diagnostischen
Algorithmen
-
Vertiefung und Repetitorium vorhandenen Wissens kurz vor der Facharztprüfung
In die systematischen Kurse können auch didaktisch aufbereitete, interaktiv zu besprechende
Fälle sowie Fallsammlungen zum Erwerb der geforderten Mindestzahlen der WBO eingebunden
werden.
Eine weitere Möglichkeit der Fort- und Weiterbildung bietet die Europäische Gesellschaft
für Mammadiagnostik (EUSOBI, European Society of Breast Imaging), die überwiegend
modalitätenbezogene Kurse anbietet. Die EUSOBI-Kurse unterscheiden sich jedoch stark
darin, was den Anteil der individuellen Fallbearbeitung versus Frontalvortrag betrifft.
Eine Anerkennung der genannten Veranstaltungen ist bislang nur in Form von CME-Punkten
möglich, sofern diese vom Veranstalter bei der Landesärztekammer beantragt wurden.
Die Anerkennung der praktischen Fallzahlen im Rahmen der WBO obliegt dem Ermessen
der jeweiligen Landesärztekammer nach Beantragung durch die Kursteilnehmenden selbst.
Welche Kurse und wie viele Fälle maximal im Einzelnen von den Ärztekammern anerkannt
werden, sollte unter Vorlage des Programms im Vorfeld geklärt werden.
Für die Anerkennung von Kursen im Rahmen der WBO sollten bestimmte Anforderungen erfüllt
sein: Die Gruppengröße sollte eine individuelle Betreuung der Teilnehmenden und dezidierte
Fragen zu den Fällen ermöglichen und die Kurse sollten interaktiv gestaltet sein.
Die Fälle sollten in digitaler Form vorliegen und nach den oben genannten Kriterien
für Fallsammlungen präsentiert werden. Es sollten hierbei Monitore mit ausreichender
Auflösung für die Teilnehmenden zur Verfügung stehen (idealerweise radiologische Befundungsmonitore),
um eine arbeitstägliche Situation simulieren zu können. Die Weiterzubildenden sollten
die Fälle eigenständig bearbeiten und dann mit den Supervidierenden besprechen.
Perspektiven
In den letzten etwa 15 Jahren ist die diagnostische Qualität der bildgebenden und
interventionellen Mammadiagnostik durch technische Fortschritte, einen hohen Standardisierungsgrad
und eine zunehmende Konzentration der Fachkompetenz auf spezialisierte Einheiten (insbesondere
Screening-Einheiten und zertifizierte Brustkrebszentren) signifikant gestiegen. Dies
hat u. a. Auswirkungen auf die Personalentwicklung und die Besetzung fachlicher Leitungspositionen
in radiologischen Einheiten im kurativen Setting wie auch im Screening-Bereich. Die
Veränderungen der Patient:innenströme im Kontext mit der Kompetenzkonzentration erfordern
einen Paradigmenwechsel in der radiologischen Weiterbildung. Die klassische Weiterbildung
an einer Weiterbildungsstätte mit Vermittlung sämtlicher vorgesehener Weiterbildungsinhalte
und -fallzahlen wird an immer weniger Weiterbildungsstätten möglich sein. Dies gilt
für die Mammadiagnostik ebenso wie auch für einige andere Subspezialitäten der Radiologie.
Gesundheitspolitische Bestrebungen im Rahmen einer besseren Steuerung der Versorgung
gerade im Krankenhausbereich die Landschaft neu zu ordnen, indem bestimmte Leistungen
nur noch von bestimmten Leistungserbringern erbracht werden dürfen, werden auch in
Zukunft für die Mammadiagnostik zu einer weiteren Konzentration führen.
Die Voraussetzungen für ein ‚neues Denken‘ in der mammadiagnostischen Weiterbildung
sind durch ein ergebnisorientiertes und herkömmliche Abläufe überwindendes Zusammenwirken
von Weiterbildenden inkl. Landesärztekammern, Fachgesellschaften, Mammografiescreening-Einheiten,
Organisatoren von Fortbildungsveranstaltungen sowie natürlich der Weiterzubildenden
zu erbringen. Insbesondere werden Garanten für den erforderlichen Paradigmenwechsel
in der radiologischen Weiterbildung in Mammadiagnostik sein:
-
die Bereitschaft von Weiterbildenden zur flexiblen einrichtungs-, fachdisziplin- und
sektorenüberschreitenden Weiterbildungskooperation. Dies setzt auch die Bereitschaft
von Arbeitgebern wie z. B. weiterbildenden Krankenhäusern voraus, Weiterzubildenden
Hospitationen und Kurse durch Freistellung und Finanzierung zu ermöglichen. Die Finanzierung
solcher Hospitationen und Kurse muss dabei als gemeinsame Aufgabe betrachtet werden,
die nicht allein den entsendenden Weiterbildungseinrichtungen zuzuordnen sein sollte.
-
die Bereitschaft zusätzlicher Mammografiescreening-Einheiten, sich aktiv in die Weiterbildung
einzubringen, nicht zuletzt um dadurch auch den eigenen ärztlichen Nachwuchs zu generieren.
Eine finanzielle Förderung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen wie in anderen
Bereichen der ärztlichen Weiterbildung ist wünschenswert. Hier wäre beispielsweise
die Einrichtung von Rotationsstellen nach o. g. Kriterien sinnvoll.
-
eine engere Verzahnung von Mammografiescreening-Einheiten und Brustkrebszentren bei
der mammadiagnostischen Weiterbildung.
-
die Bereitschaft der Landesärztekammern, deutlich mehr als bisher neue Weiterbildungsformen
(auch in modellhafter Erprobung) wie in diesem Whitepaper beschrieben zuzulassen.
Dies gilt insbesondere für die Akzeptanz von Fallsammlungen als substanziellen Beitrag
zu den in der WBO vorgegebenen Richtzahlen sowie die Anerkennung kürzerer Weiterbildungshospitationen.
-
die engere Kooperation von Akteuren, die Kurse organisieren und Fallsammlungen erstellen
mit der Bereitschaft, sich auf Standards zu verständigen, die durch die wissenschaftliche
Fachgesellschaft erarbeitet werden.
Das vorgelegte Whitepaper beschreibt Handlungsoptionen für den erforderlichen Paradigmenwechsel
in der mammadiagnostischen Weiterbildung. Durch aktive Umsetzung der Handlungsoptionen
wird gewährleistet, dass auch in Zukunft die radiologische Versorgung mit bildgebender
und interventioneller Mammadiagnostik qualitativ und quantitativ auf hohem Niveau
stattfinden kann. Dadurch werden zukünftige Herausforderungen gemeistert werden, insbesondere
die zunehmenden Leistungsmengen in der radiologischen Mammadiagnostik durch die geplante
Ausweitung des Screening-Berechtigungsalters und der Generationenwechsel in radiologischen
Kliniken innerhalb von Brustzentren sowie in Leitungspositionen vieler Mammografiescreening-Einheiten.
In den nächsten Jahren wird sich die Mammadiagnostik inhaltlich weiterentwickeln.
Der Stellenwert von Verfahren wie Tomosynthese, MR-Mammografie und Künstlicher Intelligenz
im Mammografiescreening ist Gegenstand intensiver Forschung. Therapeutische Fortschritte
haben schon heute Auswirkungen auf eine zunehmend individualisierte, spezialisierte,
zumeist multimodale, bildgebende und interventionelle Mammadiagnostik. Diese Entwicklung
wird sich fortsetzen. Insgesamt wird in Zukunft mehr und nicht weniger Arbeit auf
die Mamma-Radiologie zukommen. Die Radiologie ist aufgefordert, jetzt mit einer Modernisierung
der Weiterbildung die Voraussetzungen zu schaffen, dass auch die nächste Generation
von Radiolog:innen gut gerüstet den wichtigen Beitrag der Radiologie in der Diagnostik
und Therapie des Mammakarzinoms leisten kann.