Die transkranielle Ultraschalluntersuchung gehört zu den Standardtechniken in der
neurovaskulären Medizin, nicht zuletzt wegen ihrer bettseitigen und nicht invasiven
Anwendbarkeit. Aufgrund einer deutlich breiteren Verfügbarkeit hochwertiger Ultraschallgeräte
mit integrierter Farbduplexsonografie und Dopplersonografie spielt die reine Dopplersonografie
der hirnversorgenden Arterien heute in der täglichen Routine kaum noch eine Rolle.
Die transkranielle Dopplersonographie (TCD) hat ihren Stellenwert in der bettseitigen
Diagnostik, insbesondere bei Intensivpatienten oder als Ergänzung zu speziellen Untersuchungsmodalitäten,
auf die im Text eingegangen wird. Die Erhebung und Interpretation intrakranieller
Gefäßbefunde setzen gute anatomische und pathophysiologische Kenntnisse zerebraler
Strukturen voraus. Eine ausreichend lange Einarbeitung unter Anleitung sowie eine
dezidierte Kenntnis der alternativen bildgebenden Verfahren sind Voraussetzung für
eine valide Bildinterpretation, insbesondere, wenn das Verfahren zur Verlaufskontrolle
verwendet wird. Die Untersuchung der extrakraniellen Gefäße wird detailliert in einem
anderen Artikel dargestellt [1]; aus didaktischen Gründen wird der transorbitale Ultraschall im vorliegendem Artikel
mitbehandelt. Hinweise für die Basisdokumentation finden sich in dem Artikel zur extrakraniellen
Gefäßdarstellung [1], – in Kurzform können die Empfehlungen in der [Tab. 1] eingesehen werden, zudem wird auf die gängige Standardliteratur und die Empfehlungen
der Fachgesellschaften verwiesen [2]
[3]
[4]
[5].
Tab. 1
Empfehlungen zur Basisdokumentation.
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Dopplersonografie
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Duplexsonografie/B-Bild
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A. ophthalmica (Endäste)
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A. supratrochlearis; Kompressionstest
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A. ophthalmica, transorbitale Beschallung
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Orbital
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A. centralis retinae
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Durchmesser der Opticusnervscheiden
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Stauungspapille („optical disc elevation“)
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Spot-sign
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Transtemporal
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A. cerebri media
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M1 bei 45–55 mm
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farbkodierter Axialschnitt mit Dopplerspektrum M1-Abschnitt
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A. cerebri anterior
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A1 bei 70–75 mm
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farbkodierter Axialschnitt mit Dopplerspektrum A1-Abschnitt
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Karotis-T
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–
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farbkodierter Koronarschnitt mit Dopplerspektrum A. carotis interna
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A. cerebri posterior
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P1 bzw. P2 bei 65–75 mm
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farbkodierter Axialschnitt mit Dopplerspektrum P1-Abschnitt
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A. basilaris
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–
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farbkodierter Koronarschnitt mit Dopplerspektrum A. basilaris
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Transtemporal und -nuchal
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A. vertebralis
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65–75 mm
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farbkodierte Darstellung des Vertebralis-Basilaris-Übergangs („vertebrobasiläres Y“)
mit Dopplerspektrum der Aa. vertebrales und A. basilaris
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A. basilaris
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möglichst weit kranial
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Untersuchungsgang transorbital und Orbitasonografie
Untersuchungsgang transorbital und Orbitasonografie
Bei hochgradigen Stenosen oder Verschlüssen der A. carotis interna (ACI) kann ein
Kollateralkreislauf über die Anastomose zwischen A. carotis externa (ACE) und A. ophthalmica
durch die Untersuchung der A. supratrochlearis im medialen Augenwinkel nachgewiesen
werden. Über die A. supratrochlearis besteht eine Verbindung zwischen den intra- und
extrakraniellen Arterien. Im Normalfall (antegrade, orthograde Strömungsrichtung)
nimmt bei Kompression der extrakraniellen Gefäßäste der ACE (A. temporalis superficialis,
A. facialis) der Blutfluss auf die Sonde hin zu (= der Druck extrakraniell wird reduziert,
es erfolgt eine Zunahme des physiologischen Strömungsgleichgewichtes von intra- nach
extrakraniell). Bei einem vorgeschalteten Strömungshindernis der intrakraniellen Blutversorgung
aufgrund einer hochgradigen Stenose oder eines Verschlusses der A. carotis interna
kann sich in der Ableitung der A. supratrochlearis ein annähernder Nullfluss oder
sogar eine retrograde Strömung (Strömung von extra- nach intrakraniell) zeigen, die
charakteristischerweise nach Kompression eines extrakraniellen Astes abnimmt (= Druck
extrakraniell wird reduziert, Abnahme der pathologischen retrograden Strömung von
extra- nach intrakraniell) oder sich umkehrt. Die Untersuchung der A. supratrochlearis
im medialen Augenwinkel gelingt am einfachsten mittels Continuous-wave- Dopplersonografie
(auch CW-Dopplersonografie) unter Verwendung einer 8-MHz-Stiftsonde. Eine Kollateralisation
über die Externa-Ophthalmica-Anastomose kann auch durch den Nachweis einer retrograden
Strömungsrichtung in der A. ophthalmica diagnostiziert werden, wobei hierzu die A. ophthalmica
über das transorbitale Schallfenster mit einem 7,5-MHz-Duplex-Linear- oder 2,5-MHz-Sektorschallkopf
nach Reduktion der Sendeleistung (Mechanischer Index ≤ 0,2 im B-Mode) farbkodiert
dargestellt wird. Die Untersuchung des Patienten findet in einer liegenden Position
statt, es wird durch das geschlossene Lid mit ausreichend Kontaktgel, möglichst ohne
Andruck der Sonde, geschallt ([Abb. 1]). Es gilt das ALARA-Prinzip: „as low as reasonably achievable“. Dies wird durch
die Einstellung einer möglichst niedrigen Sendeleistung (auch bei der Hinzuschaltung
des Duplex-Modus) und die Erhöhung der Empfangssensitivität realisiert. Ein voreingestelltes
Preset hilft, dies nicht zu übersehen.
Abb. 1 Sondenpositionierung und Schnittbildebene. a Transorbitale und -nuchale Sondenposition, b axiale und c koronare transtemporale Schnittbildebene.
Bei den Geräteeinstellungen muss auf einen möglichst geringen Mechanischen Index (≤ 0,2)
zur Vermeidung von potenziell denkbaren Schäden an Linse und Retina geachtet werden.
Typische Fragestellungen der Orbitasonografie sind die Einschätzung einer Stauungspapille,
einer möglichen intrakraniellen Druckerhöhung mit Bestimmung der Weite der Nervenscheide
des N. opticus (ONSD), sowie die Bestimmung des Dopplerspektrums und der Strömungsgeschwindigkeiten
der A. centralis retinae.
Für die Bestimmung des ONSD wird die Sonde leicht lateral angesetzt und nach medial
geschallt. Um Bulbusbewegungen zu vermeiden, kann der Patient bei geschlossenen Augen
einen virtuellen Punkt fixieren. Damit einer Seitenverwechslung in der Dokumentation
begegnet wird, sollte laborseitig eine einheitliche Beschriftungs- und Dokumentationsform
festgelegt werden – eine einheitliche Konvention konnte sich allerdings noch nicht
durchsetzen. Die Normwerte und die exakten Messpunkte für die Bestimmung des ONSD
variieren laborspezifisch etwas; eine einheitliche Konvention wird sowohl durch die
DEGUM als auch durch ein internationales Konsortium derzeit erarbeitet [6]. Als orientierender Normwert kann eine Weite von 5,4 ± 0,5 mm, gemessen 3 mm hinter
der retinalen Ebene, verwendet werden [7].
Mittels Duplexsonografie kann im gleichen Untersuchungsgang die A. centralis retinae
retrobulbär dargestellt werden; die niedrigen Strömungsgeschwindigkeiten (Normwert:
10,3 ± 2 cm/s) sollten bei der Erstellung eines voreingestelltes Presets im Sinne
einer niedrigen Pulsrepetitionsfrequenz (PRF) mitberücksichtigt werden. Ein aufgehobenes
Flusssignal findet sich zum Beispiel bei einem Zentralarterienverschluss. In der Akutphase
eines Zentralarterienverschlusses könnte die Orbitasonografie an Bedeutung gewinnen,
da die Darstellung eines distalen Embolus in der Arterie mit dieser Methode in über
der Hälfte der Fälle gelingt („Spot-sign“), während er sich in einer normalen CT-Angiografie
nicht darstellen lässt ([Abb. 2]) [8]
[9]. Aktuell wird untersucht, ob in Abhängigkeit vom „Spot-sign“ eine therapeutische
Entscheidung bezüglich einer systemischen Lyse-Therapie abgeleitet werden kann. Es
wird vermutet, dass ein darstellbarer stark echoreicher Thrombus wahrscheinlich einem
nach distal embolisierten kalzifizierten Plaquebestandteil entsprechen dürfte und
daher nicht so effektiv auf eine systemische Lysetherapie ansprechen könnte [9]. Im Gegensatz hierzu ist ein nicht darstellbares Spot-sign häufiger einem echoarmen
Embolus zuzuschreiben, der besser auf eine systemische Lyse-Therapie ansprechen sollte.
Abb. 2 Orbitasonografie mit Fokus auf die retrobulbäre Region bei einem 73-jährigen Patienten
mit akutem Sehverlust auf dem linken Auge. Hinter der retinalen Ebene lässt sich in
3 mm Tiefe die Weite der Sehnervenscheide des N. opticus bestimmen (in der Abbildung
wegen des schrägen Verlaufes des N. opticus nur eingeschränkt möglich). Es fällt ein
stark echoreiches Signal in der Spitze des echoarmen N. opticus auf, welches einer
kalzifizierten Embolie der distalen A. centralis retinae entsprechen dürfte („Spot-sign“,
Pfeil).
Untersuchungsgang transkraniell
Untersuchungsgang transkraniell
Für die Untersuchung der intrakraniellen Gefäße wird neben dem oben angesprochenen
transorbitalen Zugang ein transtemporales und ein transokzipitales bzw. transnuchales
Schallfenster genutzt ([Abb. 1]). Zur Anwendung kommt hier entweder ein Phased-array-Duplex-Schallkopf (i. d. R.
2,5 MHz) oder eine 2-MHz-Stiftsonde. Als Standard hat sich in den letzten Jahren zunehmend
die Duplexsonografie etabliert, da mit ihr eine bessere Gefäßidentifikation gelingt
und zudem eine winkelkorrigierte Messung sowie eine Beurteilung intrakranieller Strukturen
(Parenchym, Ventrikel etc.) erfolgen können [10]
[11]. Ob eine Winkelkorrektur vorgenommen werden soll oder nicht, wird in der Literatur
kontrovers diskutiert. Die Winkelkorrektur sollte in einem ausreichend langen (ca.
15 mm) und geraden Gefäßsegment platziert werden, in dem der Hauptflussvektor identifiziert
werden kann. Hierbei kann eine validere Messung der Flussgeschwindigkeit erfolgen,
da durch anatomische Variationen die Messung dem Gefäßverlauf angepasst werden kann.
Sollte die korrekte Positionierung der Winkelkorrektur nicht möglich sein, muss die
Messung ohne Korrektur erfolgen und es werden die Maximalwerte der gemessenen Flussgeschwindigkeiten
für die Beurteilung herangezogen. Bei insuffizientem Schallfenster kann die 2-MHz-Dopplersonde
zum Einsatz kommen, da sich hiermit wegen der geringeren Auflagefläche und des schmaleren
Schallstrahls auch kleine knöcherne Schallfenster nutzen lassen, die für eine Beurteilung
mit der Duplexsonde nicht ausreichend sind. Sollte sich kein ausreichendes transtemporales
Schallfenster einstellen lassen, kann mithilfe eines Ultraschallkontrastmittels (zum
Einsatz als Schallverstärker) noch eine ausreichende Gefäßdarstellung erreicht werden.
Es ist zu beachten, dass die mit einem Ultraschallkontrastmittel gemessenen Strömungsgeschwindigkeiten
falsch hoch sind und die Absolutwerte nicht verwendbar sind. Es besteht lediglich
die Möglichkeit, im Seitenvergleich Differenzen aufzudecken.
Das beste transtemporale Schallfenster findet sich meist auf einer gedachten Verbindungslinie
zwischen dem äußeren Augenwinkel und dem oberen Ohransatz. Ein gutes Schallfenster
ist erreicht, wenn die Kalotten-Gegenseite (Einstellungstiefe 15 cm) suffizient dargestellt
ist. Als intrakranielle Leitstruktur wird der Hirnstamm (Mesenzephalon) mit seiner
typischen echoarmen, schmetterlingsförmigen Kontur mit umgebender echoreicher basaler
Zisterne eingestellt. Nach Einschalten des Farbmodus (Einstellungstiefe: 10 cm) findet
sich hier die A. cerebri posterior (PCA), die bogenförmig um den Hirnstamm verläuft.
Etwas rostral hiervon, mit einer auf die Sonde zulaufenden Strömungsrichtung, lässt
sich die A. cerebri media (MCA) (M1) darstellen, oft auch noch ihre Bi- bzw. Trifurkation
mit den M2-Ästen ([Abb. 3], [4]). In ca. 3 % der Fälle liegt eine mediale Bifurkation vor, die wie ein „gedoppeltes
M1-Segment“ wirkt.
Abb. 3 Normalbefund der intrakraniellen Arterien. A. cerebri media (1) mit Fluss auf die
Sonde zu (rot) in horizontaler (links) und koronarer Schnittbildebene (Mitte; 5: hyperechogene
Doppelkontur des Karotiskanals). Die A. cerebri anterior (2, blau) fließt von der
Sonde weg. Die A. cerebri posterior (3) umfließt den Hirnstamm (4) und ist im Ursprungsbereich
rot und im posterioren Abschnitt blau dargestellt. Rechts ist das vertebrobasiläre
„Y“, der Zusammenfluss der beidseitigen Aa. vertebrales (6) in die A. basilaris (7),
mittels transnuchaler Beschallung abgebildet.
Abb. 4 Ein 46-jähriger Patient mit plötzlich aufgetretenen stärksten Kopfschmerzen; in der
klinischen Untersuchung imponiert ein ausgeprägter Meningismus. In der Anamnese wird
von einem zusätzlichen kurzzeitigen Kopfschmerz-Ereignis vor 7 Tagen berichtet, die
kraniale Computertomografie zeigt eine Subarachnoidalblutung. In der transkraniellen
Duplexsonografie zeigen sich stark erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten der intrakraniellen
Gefäße, auf dem Bild ist die rechte A. cerebri media abgebildet, mit einer systolischen
Spitzengeschwindigkeit (PSV) von fast 400 cm/s und einer mittleren Strömungsgeschwindigkeit
(„mean“) von 254 cm/s, was einem signifikanten Vasospasmus entspricht.
Richtung Mittellinie findet sich, im Normalfall mit einer von der Sonde weggerichteten
Strömungsrichtung („antegrad“), die A. cerebri anterior (ACA) (A1). Als häufigen pathologischen
Befund findet sich hier bei proximal vorgeschalteter hochgradiger Stenose bzw. bei
Verschluss in der ACI im Sinne eines Kollateralkreislaufes eine umgekehrte Strömungsrichtung
(„retrograde“ ACA, „anterior-cross-filling“). Die A. communicans anterior et posterior
lassen sich größen- und anatomiebedingt nicht regelhaft darstellen. Eine Beurteilung
des Karotis-T bzw. der kavernösen, distalen ACI und des Basilariskopfes wird durch
eine senkrechte Kippung und Ausrichtung des Schallkopfes in Richtung des gegenüberliegenden
Jochbogens möglich (koronare Schnittführung [[Abb. 1], [3]]). Zur Dokumentation ist für jeden untersuchten Gefäßabschnitt das Gefäß im Duplex-Modus
(B-Bild plus Farbkodierung) darzustellen und gleichzeitig ein hieraus abgeleitetes
Dopplerspektrum mit abzubilden. In geraden Gefäßsegmenten (Länge ca. 15 mm), in denen
der Strömungsvektor eindeutig bestimmt werden kann, sollte die Ableitung des Dopplerspektrums
winkelkorrigiert erfolgen [12]. Mit der Messfunktion des Ultraschallgerätes können die Spitzen-Strömungsgeschwindigkeit
in der Systole („peak systolic velocity“, PSV) und die end-diastolische Strömungsgeschwindigkeit
(„end diastolic velocity”, EDV) bestimmt werden. Bei vielen Geräten wird zusätzlich
automatisch die intensitätsgewichtete mittlere Strömungsgeschwindigkeit („mean flow
velocity“, MFV; Berechnung: (PSV-EDV)/3 + EDV) berechnet. Letztere kann allerdings
bei schlechten Knochenfenstern oder auch bei höhergradigen Stenosen – durch Artefakte
im Dopplerspektrum bedingt – durch Aliasing, Turbulenzen oder ein schlechtes Signal-Rausch-Verhältnis
verfälscht werden.
Im nordamerikanischen Schrifttum wird bei der transkraniellen Doppler- und Duplexsonografie
zur Messung der Strömungsgeschwindigkeiten weitgehend die MFV als Referenzmaß verwendet,
während in Europa auch PSV und EDV üblich sind.
Als häufigste pathologische Befunde finden sich Strömungsbeschleunigungen der intrakraniellen
Gefäße. Bei der Stenose-Graduierung hat sich eine Einteilung in größer bzw. kleiner
als 50 % etabliert. Eine detaillierte Auflistung der PSV-Cut-off-Werte findet sich
in [Tab. 2] zusammen mit den orientierenden Normwerten [4]
[5]
[13]. Verschlüsse intrakranieller Arterien sind schwieriger zu diagnostizieren, am sichersten
gelingt dies bei gutem Knochenfenster für das M1-Segment der A. cerebri media. Bei
Darstellbarkeit der ipsilateralen ACA und PCA ist ein fehlendes M1-Segment der MCA
ein Beleg für einen Verschluss ([Abb. 5]).
Tab. 2
Normwerte der transkraniellen Duplexsonografie und zur Diskriminierung zwischen einer
leichtgradigen (30–50 %igen) und ≥ 50 %igen Stenose.
|
Normwert (PSV) [cm/s ± SD]
|
< 50 %ige Stenose (PSV) [cm/s]
|
≥ 50 %ige Stenose (PSV) [cm/s]
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A. cerebri media
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108 ± 18
|
≥ 155
|
≥ 220
|
|
A. cerebri anterior
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82 ± 17
|
≥ 120
|
≥ 155
|
|
A. cerebri posterior
|
60 ± 14
|
≥ 100
|
≥ 145
|
|
A. vertebralis
|
60 ± 16
|
≥ 90
|
≥ 120
|
|
A. basilaris
|
67 ± 16
|
≥ 100
|
≥ 140
|
PSV: systolische Spitzenströmungsgeschwindigkeit; SD: Standardabweichung
Abb. 5 Verschluss der A. cerebri media: Bei Beschallung von links temporal lässt sich die
A. cerebri media (MCA) weder proximal noch distal darstellen (s. Pfeil in der Grafik).
Die übrigen Hirnbasisarterien kommen orthograd zur Darstellung. Typischer Befund bei
proximalem Mediaverschluss (Pfeil: fehlendes Flusssignal der verschlossenen MCA links).
Für die Beurteilung von Vasospasmen, bspw. nach einer Subarachnoidalblutung, sind
die Bestimmung der MFV sowie die Bestimmung eines Quotienten der MFV zwischen A. cerebri
media und A. carotis interna (Lindegaard-Index [14]) üblich. Zur Anwendung kommt bei der Beurteilung von Vasospasmen immer noch häufig
die TCD mit einer 2-MHz-Sonde. Diese hat sich insbesondere auf den Intensivstationen
als dauerhaft verfügbar und verlässlich in der Anwendung gezeigt, sodass diese in
der Praxis häufig gegenüber der Duplexsonografie bevorzugt zum Einsatz kommt.
Bei einer MFV höher als 120 cm/s spricht man von beginnenden Vasospasmen, ab 160 cm/s
sind diese signifikant und ab 200 cm/s als kritisch zu werten ([Abb. 4]). Ebenfalls verdächtig auf intrakranielle Vasospasmen sind ein Anstieg der Strömungsgeschwindigkeit
von über 50 % bzw. 40 cm/s pro Tag oder ein MFV-Quotient der MCA/ICA > 3 [15].
Eine weitere Differenzialdiagnose für eine erhöhte Strömungsgeschwindigkeit der intrakraniellen
Gefäße stellt das seltene Hyperperfusionssyndrom dar, welches meist in den ersten
Tagen nach der Revaskularisierung einer höchstgradigen Stenosierung der A. carotis
interna auftreten kann. Hierbei kommt es post-interventionell, wahrscheinlich begünstigt
durch eine bereits zuvor eingeschränkte zerebrovaskuläre Reservekapazität, zu einer
deutlichen Zunahme des intrakraniellen Blutflusses – mit dem Risiko einer sekundären
intrazerebralen Blutung oder der Provokation von epileptischen Anfällen. Auch wenn
die Kriterien einer Hyperperfusion in der Literatur variieren, sprechen eine Zunahme
um > 100 % der intrakraniellen Strömungsgeschwindigkeiten mit einer reduzierten Pulsatilität
und ein verminderter Lindegaard-Index für eine zerebrale Hyperperfusion [16]. Meist bleibt diese ohne klinische Komplikationen und äußert sich lediglich durch
leichte Kopfschmerzen und Unwohlsein des Patienten, ein effektives Blutdruck-Management
(mit dem Ziel der Normotonie) ist Therapie der Wahl und kann ein manifestes Hyperperfusionssyndrom
verhindern.
Beim Hyperperfusionssyndrom sind sowohl in den extrakraniellen als auch in den intrakraniellen
Gefäßen die Strömungsgeschwindigkeiten erhöht, während bei Vasospasmen nur die Strömungsgeschwindigkeiten
der intrakraniellen, nicht aber der extrakraniellen Gefäße, erhöht sind.
Untersuchungsgang transnuchal
Untersuchungsgang transnuchal
Bei der transnuchalen Untersuchung für die Beurteilung des vertebrobasilären Stromgebietes
wird das Foramen magnum als hypoechogene Leitstruktur eingestellt. Die Sonde wird
hierfür ca. 2–3 cm unterhalb des Okziputs angesetzt ([Abb. 1], [3]). Die virtuelle Schallebene geht in Richtung Stirn (Nasion), das Kinn des zu Untersuchenden
sollte hierbei leicht zur Brust geneigt sein. Eine Seitenlagerung mit kleinem Kopfkissen,
welches den Hals ausspart, erlaubt eine entspannte Untersuchungsposition. Sofern vom
Patienten toleriert, kann diese Untersuchung auch in einer sitzenden Position durchgeführt
werden. Im Farbmodus lassen sich beidseits die V4-Segmente darstellen, der Übergang
in die A. basilaris (vertebrobasiläres „Y“, meist in 7–8 cm Tiefe) wird eingestellt
und nach distal verfolgt. Wenn die Sonde etwas nach laterokaudal gekippt wird, lässt
sich die A. vertebralis auch im V3-Segment darstellen. Die gesamte Darstellung der
A. basilaris gelingt oft nicht [17], sodass hier auch auf indirekte Stenosekriterien geachtet werden muss. Hilfreich
kann ergänzend der pw-Doppler (TCD) sein, mit dem gelegentlich ein größerer Bereich
untersucht werden kann und der sich gut für bestätigte pathologische Befunde als Verlaufsmodalität
eignet.
Spezielle neurovaskuläre Anwendungsgebiete
Spezielle neurovaskuläre Anwendungsgebiete
In der ätiologischen Abklärung nach einem ischämischen Schlaganfall kann mittels eines
„Bubble-Tests“ nach einem kardialen bzw. pulmonalen Rechts-links-Shunt (RLS) gescreent
werden. Unter kontinuierlicher Ableitung der linken oder rechten A. cerebri media
(unilaterales Monitoring, eine höhere Sensitivität wird unter der simultan bilateralen
Ableitung erzielt) oder alternativ (bei insuffizienter transtemporaler Beschallungsbedingung),
der A. basilaris oder extrakraniellen A. carotis interna, wird ein nicht lungengängiges
Ultraschallkontrastmittel gespritzt und ein Valsalva-Manöver durchgeführt, welches
bei korrekter Durchführung zu einer Flussminderung der Hirnbasisarterien führt. Als
Kontrastmittel hat sich, nachdem das Präparat Echovist vom Markt genommen wurde, eine
mit 1 ml Luft aufgeschäumte („agitierte“) Lösung aus 10 ml isotoner Kochsalzlösung
bewährt. Nach möglichst rascher intravenöser Injektion (Kubitalvene rechts) wird das
Valsalva-Manöver 5 Sekunden nach der Injektion begonnen, die Ableitung der A. cerebri
media wird über insgesamt 30 Sekunden durchgeführt. Nach weiteren 5–7 Sekunden nach
dem Valsalva-Manöver können bei einem RLS erste HITS („high intensity transient signals“)
nachgewiesen werden ([Abb. 6]). Eine semiquantitative Abschätzung der HITS-Anzahl (> 10: V. a. relevanten RLS;
„Schauer“: V. a. großen RLS) kann eine erste Einordnung geben [18]
[19]. Über die exakten Zeitabläufe und die Größenbestimmung beziehungsweise Diagnose
eines persistierenden Foramen ovale (PFO) nach der Anzahl der geshunteten Kontrastbläschen
besteht kein genereller Konsens. Bei positivem Befund kann die Untersuchung ohne Valsalva-Manöver
wiederholt werden, um einen spontanen Rechts-Links-Shunt zu detektieren. Die transkranielle
RLS-Detektion erlaubt nur die Diagnose eines RLS generell, dies aber mit hoher Sensitivität.
Anhand der Zahl der Mikrobläschen und aufgrund der Zeitverzögerung des Auftretens
kann keine sichere Aussage über die Art (Shunt auf kardialer oder pulmonaler Ebene)
und Größe eines PFO getroffen werden. Dies gelingt nur durch eine qualifizierte transösophageale
Echokardiografie, mit der auch eine Beurteilung morphologischer Aspekte des PFO erfolgt.
Abb. 6 Ein 68-jähriger Patient mit einer linksseitigen, symptomatischen Karotisstenose.
Die kontinuierliche Emboliedetektion der linken A. cerebri media zeigte mehrere MES/HITS
(ein Beispiel siehe Pfeil). Charakteristisch sind das Signalverhalten und das typische
akustische „Chirp“-Signal. In der oberen Bildhälfte ist die kontinuierliche Doppler-Ableitung
in 55 mm Tiefe zu sehen, in der sich das Emboliesignal klar gegenüber dem normalen
Fluss abgrenzen lässt. Unten ist der sog. Power-M-Mode dargestellt: Hier zeichnet
sich der Weg des Embolus auch über die Tiefe von 55 mm ab.
Auch in der Beurteilung asymptomatischer Karotisstenosen hat die kontinuierliche Ableitung
der A. cerebri media ihren Stellenwert. So ist das Auftreten von HITS bzw. MES (mikroembolischen
Signalen) bei einer vorgeschalteten Stenose ein Indiz für eine erhöhte Emboligenität.
Dies wird als Argument angesehen, auch eine asymptomatische Karotisstenose ggf. einer
operativen oder interventionellen Therapie zukommen zu lassen [20]. Die Ableitung erfolgt 30–60 Minuten lang meist automatisiert, nach manueller Einstellung
über eine spezielle Sondenhalterung, bei der Auswertung hilft eine softwarebasierte
Vorselektion der Ereignisse. Die Abgrenzung von Artefakten erfordert eine gewisse
Erfahrung: Typisch für HITS ist eine kurze Dauer (< 300 ms), mit einer um mindestens
3 dB größeren Amplitudenintensität im Vergleich zum Hintergrundsignal des Blutflusses,
einem Auftreten unabhängig vom Herzschlag und charakteristischem „Chirp“-Geräusch.
Wenn verfügbar, kann zusätzlich der Power-M-Modus für eine bessere Differenzierbarkeit
gegenüber Artefakten sorgen. Hierbei werden mehrere Doppler-Detektionsvolumina in
einer Schallrichtung kontinuierlich hintereinandergeschaltet und im M-Mode-Format
abgebildet ([Abb. 6]) [21].
Ein weiteres Kriterium, welches auf ein erhöhtes Risiko für eine Emboligenität einer
bislang asymptomatischen Karotisstenose hindeuten kann, ist eine erschöpfte vasomotorische
Reservekapazität. Diese spiegelt eine gestörte zerebrovaskuläre Autoregulation wider
und tritt bei hämodynamisch relevanten vorgeschalteten Stenosen oder Verschlüssen
auf. Hierbei sind die intrakraniellen Arteriolen bereits maximal weit gestellt, sodass
ein zusätzlicher vasodilatatorischer Reiz nicht mehr zu einer relevanten Zunahme des
Blutflusses führt. Der zerebrale Perfusionsdruck ist in dieser Konstellation stärker
von dem systemischen Blutdruck abhängig, als es bei intakter Autoregulation der Fall
wäre. Die Testung der vasomotorischen Reservekapazität kann durch die Gabe eines 5 %igen
CO2-Gas-Gemisches (CO2 stellt einen potenten vasodilatatorischen Reiz dar) erfolgen, während die Ableitung
der Strömungsgeschwindigkeit in der proximalen A. cerebri media erfolgt. Bleibt eine
relevante Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit der A. cerebri media aus (> 30 %
des Ausgangswertes), spricht man von einer erschöpften bzw. eingeschränkten Reservekapazität,
die mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergeht [22]. Alternativ kann statt CO2 auch Acetazolamid (1000 mg i. v.) appliziert werden, oder ein sog. „Breath-Holding-Test“
(Differenz zwischen Strömungsgeschwindigkeit bei Hyperventilation und Luftanhalten
für > 30 s, Patienten-Compliance vorausgesetzt) angewandt werden.
Der Vollständigkeit halber sei auch das Anwendungsgebiet für den Nachweis des irreversiblen
Hirnfunktionsausfalls erwähnt, da die transkranielle Doppler-/Duplexsonografie bettseitig
und ohne aufwendigen Patiententransport auf der Intensivstation ihren Einsatz findet.
Für die detaillierten formalen und technischen Ausführungsbestimmungen wird auf die
gängige Literatur verwiesen [23].
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Die Messung der Weite der Nervenscheide des N. opticus erfolgt 3 mm hinter der retinalen
Ebene und beträgt bei Gesunden im Mittel 5,4 ± 0,5 mm.
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Mittels Orbitasonografie kann ein Verschluss der A. centralis retinae diagnostiziert
und in manchen Fällen zusätzlich ein stark echoreicher Embolus (Spot-sign) nachgewiesen
werden.
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Die transkranielle Duplexsonografie ermöglicht im Vergleich zur Dopplersonografie
eine bessere Gefäßidentifikation, eine winkelkorrigierte Messung, sowie eine Beurteilung
von Parenchym und Ventrikeln.
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Wichtigstes Kriterium für eine Stenose > 50 % der A. cerebri media (MCA, Hauptstamm)
ist eine systolische Spitzengeschwindigkeit (PSV) > 220 cm/s.
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Kriterien von signifikanten intrakraniellen Vasospasmen sind eine mittlere Strömungsgeschwindigkeit
(MFV) > 160 cm/s, ein Anstieg der MFV > 50 % bzw. > 40 cm/s pro Tag oder ein MFV-Quotient
der MCA/ICA > 3.
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Eine Zunahme der intrakraniellen Strömungsgeschwindigkeiten um 100 % mit einer reduzierten
Pulsatilität in Kombination mit einem verminderten Lindegaard-Index sprechen für eine
zerebrale Hyperperfusion.
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Mittels kontinuierlicher Ableitung der A. cerebri media kann nach intravenöser Injektion
von agitierter physiologischer Kochsalzlösung und Durchführung eines Valsalva-Manövers
ein kardialer bzw. pulmonaler Rechts-Links-Shunt detektiert werden.
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Bei hämodynamisch relevanten vorgeschalteten Stenosen oder Verschlüssen (z.B. der
A. carotis interna) kann nach Applikation eines vasodilatatorischen Stimulus (CO2-Inhalation, Acetazolamid-Injektion oder „Breath-Holding-Test“) eine gestörte zerebrovaskuläre
Autoregulation nachgewiesen werden.
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Insgesamt stellt die transkranielle Sonografie, insbesondere in der Neuro-Intensivmedizin,
einen unverzichtbaren Bestandteil der apparativen Diagnostik dar.