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DOI: 10.1055/a-2107-2147
Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose – Update 2023
Recommendations for contact tracing for tuberculosis – update 2023- Zusammenfassung
- Abstract
- 1 Einleitung
- 2 Die Tuberkulose und ihre Übertragung
- 3 Die Umgebungsuntersuchung
- 4 Sonderfälle
- 5 Organisation
- Literatur
Zusammenfassung
Ziel der Umgebungsuntersuchung bei Tuberkulose ist neben der aktiven Fallfindung das Aufdecken von Infektionsketten sowie die Verhütung der Weiterverbreitung der Erkrankung. Dabei ist eine sorgfältige Auswahl der Kontaktpersonen notwendig, die sich nach Art und Dauer des Kontaktes richtet, um möglichst frisch Infizierte zu identifizieren und so den Nutzen einer anschließenden präventiven Therapie zu erhöhen und unnötige Testungen von Personen ohne Ansteckungsrisiko zu vermeiden. Seit der letzten Überarbeitung der Empfehlungen zur Umgebungsuntersuchung hat sich die Datenlage zum Einsatz von Interferon-y release-Assays (IGRAs) bei Kindern weiterhin verbessert. Diese werden bevorzugt in der Umgebungsuntersuchung von erwachsenen Kontaktpersonen eingesetzt. Für Kinder unter 15 Jahren können sowohl IGRAs wie auch weiterhin der Tuberkulin-Hauttest gleichwertig verwendet werden. Als präventive Therapie bei nachgewiesener Infektion werden Rifampicin für 4 Monate, Rifampicin und Isoniazid für 3 Monate oder aber Isoniazid für 9 Monate empfohlen.
Ausführlich wird auf die Durchführung der Umgebungsuntersuchung in verschiedenen Altersgruppen sowie rechtliche Rahmenbedingungen und sozialmedizinische Aspekte und Herausforderungen eingegangen. Zusätzlich werden Sonderfälle, wie die Umgebungsuntersuchung in Kitas, Schulen oder in anderen Gemeinschaftseinrichtungen, separat dargestellt.
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Abstract
The aim of contact tracing for tuberculosis is in addition to active case finding the detection of chains of infection and the prevention of the further spread of the disease. In this context, a careful selection of contact persons is necessary, depending on the type and duration of contact, to identify persons who are recently infected and therefore to increase the benefit of a preventive therapy and to avoid unnecessary testing of persons who are not at risk of infection. Since the last update of the recommendations on contact tracing, data on the use of interferon-y release assays (IGRAs) in children has been improved markedly. These are the preferred test in contact tracing of adults. For children, both IGRAs and the tuberculin skin test can be used equivalently. Rifampicin for 4 months, rifampicin and isoniazid for 3 months, or isoniazid for 9 months are recommended as preventive therapy in cases of confirmed infection.
The implementation of the contact tracing in different age groups as well as legal framework conditions and socio-medical aspects and challenges are dealt with in detail. In addition, special cases, such as environmental screening in day-care centers, schools, or other community facilities, are discussed separately.
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Keywords
Tuberculosis - contact tracing - contact investigation - latent tb infection - LTBI - TB contactDefinitionen
1 Einleitung
Die letzte Aktualisierung der „Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose“ des DZK liegt mehr als 12 Jahre zurück [1]. Inzwischen wurden zusätzliche Erkenntnisse zu den In-vitro-Verfahren zur Diagnose der latenten tuberkulösen Infektion (LTBI) und zur präventiven Therapie gewonnen. Dies und einige andere neue Gesichtspunkte machen eine erneute Aktualisierung der bisherigen Empfehlungen erforderlich. Sie setzen neue Akzente durch
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einen gleichberechtigten Einsatz der primären Untersuchung mit Interferon-Gamma-Release Assay (IGRA)-Tests neben dem Tuberkulin-Hauttest (THT) nun auch bei Kontaktpersonen im Kindesalter unter 5 Jahren,
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eine Erweiterung der Indikationsstellung für die präventive Therapie einer LTBI auf Personen im Alter von über 50 Jahren,
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die Beschreibung des Stellenwerts von Schutzmasken bei der Auswahl von Kontaktpersonen für eine Umgebungsuntersuchung.
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2 Die Tuberkulose und ihre Übertragung
2.1 Falldefinition der Tuberkulose
Die Tuberkulose betrifft überwiegend die Lunge, kann aber als extrapulmonale Tuberkulose auch in fast allen anderen Organen des Körpers auftreten. Ein Erregernachweis gelingt nicht in allen Fällen. Daher ist eine Falldefinition über klinische Symptome oder einen alleinigen Erregernachweis nicht möglich. Als Tuberkulose gelten nach der Falldefinition des Robert Koch-Instituts Krankheitsbilder, für die die behandelnden Ärztinnen und Ärzte eine Indikation zur Durchführung einer vollständigen, auf Heilung der Tuberkulose zielenden antituberkulösen Therapie stellen. Wenn erst nach dem Tod Befunde bekannt werden, die zu Lebzeiten eine ärztliche Indikation zur Durchführung einer vollständigen antituberkulösen Therapie ergeben hätten, ist die Falldefinition einer Tuberkulose ebenfalls erfüllt.
Als Erreger der Tuberkulose gelten die Bakterien des Mycobacterium (M.) tuberculosis-Komplexes [MTB] (M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti, M. canettii, M. caprae, M. mungi, M. orygis, M. suricattae und M. pinnipedii). Nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) und die verschiedenen Bacille Calmette-Guérin (M. bovis BCG)-Stämme zählen nicht zu den Erregern [2]. M. bovis weist als Besonderheit eine primäre Resistenz gegen Pyrazinamid (PZA) auf.
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2.2 Übertragungsmodus der Tuberkulose
Die Erreger des M. tuberculosis-Komplexes werden üblicherweise direkt von Person zu Person durch aerogene Inhalation bakterienhaltigen Aerosols übertragen.
In seltenen Fällen kann eine Infektion auch durch Inokulation des Erregers auf perkutanem Wege erfolgen [3]. Wenige Erkrankungsfälle durch Schmier- und Stichinfektionen mit Tuberkulosebakterien sind bei Tierärztinnen und Tierärzten, Metzgern, Labor- und Pathologiepersonal dokumentiert [4]. Humane Infektionen mit M. bovis können neben einer aerogenen Übertragung von Mensch zu Mensch sowie zwischen Mensch und Rindern (siehe 4.8) selten durch den Verzehr von nicht pasteurisierter, kontaminierter Milch infizierter Rinder erfolgen und kommen auch heute noch in Regionen vor, in denen häufiger bovine Infektionen in Rinder- und Wildtierbeständen, wie Hirschen, auftreten.
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2.3 Infektionsrisiko durch die Indexperson[1]
Die Tuberkulose zählt nicht zu den hochinfektiösen Erkrankungen. Das Risiko einer Weiterverbreitung hängt ab von
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Virulenz und Menge der ausgeschiedenen Erreger,
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Intensität und Dauer des Kontakts.
Einen Hinweis auf die Menge der ausgeschiedenen Bakterien gibt die Methode des Erregernachweises. Um säurefeste Stäbchen mikroskopisch nachweisen zu können, ist eine Erregermenge von etwa 10.000 Erregern pro Milliliter Sputum, Magensaft oder Punktat erforderlich. Die Nachweisgrenze der Kultur liegt bei nur 10–50 Erregern pro Milliliter [5]. An Lungentuberkulose erkrankte Personen, in deren Sputum-Direktpräparat säurefeste Stäbchen mikroskopisch nachgewiesen sind, besitzen daher die höchste Infektiosität [6]. Verglichen mit nur kulturell gesicherten, aber mikroskopisch negativen Lungentuberkulosen verursachen sie etwa das Fünffache an Folgefällen [7] [8] [9].
Wie viele Erreger ausgeschieden werden, wird – obwohl eine Übertragung auch beim Sprechen, Niesen, Singen und Lachen möglich ist – in erheblichem Maße v. a. von der Stärke und Häufigkeit des Hustens bestimmt [10]. Ein einziger Hustenstoß erzeugt etwa die gleiche Aerosolmenge wie 5 Minuten lauten Sprechens [11]. Kinder unter 10 Jahren kommen als Infektionsquelle in aller Regel nicht in Betracht, da sie seltener eine mikroskopisch positive Tuberkulose aufweisen, wenig oder gar nicht husten oder aber ihnen ein für die Erregerverbreitung erforderlicher, ausgeprägter Hustenstoß fehlt [12] [13] [14] [15].
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2.4 Infektionsrisiko der Kontaktperson
Wie in 2.3 dargelegt, steigt die Wahrscheinlichkeit, sich mit Tuberkulosebakterien zu infizieren, neben Virulenz und Menge der ausgeschiedenen Erreger durch die Indexperson, mit der Dauer und Intensität des Kontaktes und mit der Dauer des Aufenthalts in Räumen mit bakteriell kontaminierter Luft und/oder mit der Anzahl der Erreger pro Volumeneinheit der Luft. Eine Infektion unter freiem Himmel wie auch die Infektion infolge eines flüchtigen Kontakts in einem geschlossenen Raum ist prinzipiell möglich, aber unwahrscheinlich [16].
Als erforderliche kumulative Expositionsdauer für eine Infektion mit M. tuberculosis gilt bei einer Indexperson mit mikroskopisch offener Lungentuberkulose bei immunkompetenten Kontaktpersonen ein mindestens 8-stündiger Raumkontakt [17] [18] [19] bzw. ein mindestens 40-stündiger Raumkontakt bei lediglich kulturellem bzw. molekularbiologischem Nachweis [20] [21] [22] (siehe 3.8.1). Dies schließt Übertragungen bei kurzer, aber intensiver Exposition, insbesondere bei einer „face-to-face“-Exposition (z. B. durch direktes Anhusten), jedoch keinesfalls aus. Bei Kindern unter 5 Jahren und immunsupprimierten Kontaktpersonen (siehe 2.5) kann u. U. eine geringere kumulative Gesamtexpositionszeit in Betracht gezogen werden [23].
Die zeit- und auch tätigkeitsbezogene Auswahl von Kontaktpersonen (siehe 3.8.1). unterscheidet sich von einem schematischen wellenförmigen Ringprinzip („Stone in the Pond“) [24]. Letzteres zielt v. a. darauf ab, möglichst viele Personen mit einer latenten Tuberkuloseinfektion (LTBI) im Umfeld der Indexperson zu identifizieren, indem die Testung bei Auffinden testpositiver Kontaktpersonen im engsten Kreis ringförmig auf weitere Kontakte des Indexfalls ausgeweitet wird. Dieser Untersuchungsansatz erfasst aber potenziell mehr Personen, die weniger engen Kontakt zum Indexfall hatten und bereits früher, d. h. unabhängig vom aktuellen Infektionsgeschehen infiziert wurden. Diese Personen haben ein deutlich geringeres Progressionsrisiko als frisch Infizierte. Zudem besteht das Risiko, dass sich bei immer geringer werdender LTBI-Prävalenz in den „Ringen“ die Zahl der falsch-positiv Getesteten erhöht. Bei auffällig hohen Testpositivitätsraten oder unerwartet vielen Folgefällen im engsten Umfeld des Indexfalls kann ein solches ringförmiges Vorgehen allerdings hilfreich sein.
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2.5 Erkrankungsrisiko der infizierten Person
Da die Empfänglichkeit und der Immunstatus der infizierten Kontaktpersonen ebenfalls eine Rolle spielen, haben Kinder, insbesondere diejenigen unter 5 Jahren [25] [26] und Immunsupprimierte ein höheres Erkrankungsrisiko als Menschen mit ausgereiftem bzw. voll funktionstüchtigem Immunsystem. Darüber hinaus erkranken Kinder nach einer Infektion frühzeitiger und oft auch schwerer an einer Tuberkulose als Erwachsene [27]. Ein besonders hohes relatives Risiko besteht z. B. für Personen [28] [29] [30]
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mit unbehandelter HIV-Infektion,
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unter Therapie mit Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-α-Inhibitoren [31] und ggf. anderen Biologika bzw. mit Kortikoiden, Zytostatika und ähnlichen immunsupprimierenden Medikamenten,
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nach Organtransplantation,
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mit Silikose,
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mit chronischem Nierenversagen,
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die i. v.-Drogen injizieren/konsumieren,
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nach Gastrektomie,
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mit Diabetes.
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2.6 Pathogenetische Aspekte der latenten tuberkulösen Infektion bzw. der manifesten Tuberkulose
Gelingt die primäre Elimination der Tuberkulosebakterien nicht, so formieren sich um die Tuberkulosebakterien aktivierte Makrophagen und T-Lymphozyten zu einem von einem Fibrinmantel umschlossenen Granulom („Tuberkel“). Die Granulome der Erstinfektion liegen meist in den peripheren Lungenabschnitten, unten an der Lungenbasis und subpleural. Sie sind i. d. R. so klein, dass sie dem radiologischen Nachweis entgehen. Sofern sie sich frühestens drei Wochen nach der Infektion durch Summation in einer Ebene der Röntgenaufnahme abbilden lassen, bezeichnet man sie auch als „Primärherd“ [32].
Primärherd und mitbeteiligter regionaler Lymphknoten werden als „Primärkomplex“ bezeichnet. Eine lymphogene Streuung der Bakterien mit vergleichbaren granulomatösen Reaktionen in den Lymphknoten ist jederzeit möglich. Tuberkulosebakterien können direkt aus den Granulomen oder indirekt über die Lymphbahnen in die Blutbahn und von dort in andere Lungensegmente und Organe gelangen. Fieber, Gelenkschmerzen und ein Erythema nodosum können zwar einen Hinweis auf die tuberkulöse Erstinfektion geben, zumeist verläuft die Erstinfektion jedoch asymptomatisch [33].
Solange die Erregerzahlen von der Immunantwort geringgehalten werden können, besteht lediglich eine LTBI. Bei intaktem Immunsystem erkranken nur ca. 2–10 % der Infizierten an einer Tuberkulose [34] [35] [36], wobei zwischen Erstinfektion und Krankheitsausbruch infolge ungehemmter Erregerausbreitung (Reaktivierung) Jahrzehnte liegen können. Das Risiko einer Erkrankung ist in den ersten beiden Jahren nach der Infektion, insbesondere im ersten Jahr, jedoch am höchsten [37] [38]. Besonders junge Kinder unter 5 Jahren haben ein hohes Risiko, sehr zeitnah zur Infektion eine Tuberkulose zu entwickeln (siehe 2.5).
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3 Die Umgebungsuntersuchung
3.1 Ziele der Umgebungsuntersuchung
Aus epidemiologischer Sicht sind bei einer übertragbaren Krankheit folgende Aufgaben zu lösen:
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Fallfindung,
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Aufdeckung der Infektionsketten,
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Verhütung der Weiterverbreitung.
An die Infektionsketten kann man aus zwei Richtungen herangehen: 1. zentripetal: Suche nach der Infektionsquelle (Quellensuche) und 2. zentrifugal: Suche nach Personen mit vermuteter Ansteckung oder Erkrankung und Kranken (siehe [Abb. 1]).
Bei der Tuberkulose wird beides unter dem Begriff „Umgebungsuntersuchung“ zusammengefasst, ungeachtet der Unterschiede nach Ansatz, Ziel und Methodik [39].
Obwohl Reaktivierungen einer früheren tuberkulösen Erstinfektion in den westlichen Industrieländern als Ursache von Tuberkulose noch immer dominieren, haben jüngere populationsbasierte, molekularepidemiologische Studien in Europa und den USA aufgezeigt, dass auch in Ländern mit niedriger Tuberkuloseinzidenz 35–40 % aller Fälle „frisch übertragene“ Tuberkulosen [5] [40] waren, und selbst im Fall einer Wiedererkrankung an Tuberkulose war dies in 11–15 % die Folge einer exogenen Reinfektion [41] [42].
Hieraus folgt, dass Maßnahmen der Tuberkulosekontrolle, u. a. eine konsequente präventive Therapie der LTBI, durch welche die Zirkulation von Tuberkulosebakterien wirksam eingeschränkt wird, in Deutschland insbesondere bei Risikogruppen mit deutlich erhöhter Tuberkuloseprävalenz zeitnah zu einer weiteren Senkung der Inzidenz beitragen könnten.
Andererseits beträgt die Quote der durch konventionelle Umgebungsuntersuchung entdeckten Tuberkulosefälle in großen Kohortenstudien in Niedriginzidenzländern unter in unterschiedlichem Maße exponierten Kontaktpersonen i. d. R. lediglich 1–2 % [18] [37]. Daher erscheint eine Fokussierung auf diejenigen Personen sinnvoll, deren Kontakt mit der Indexperson nach den vorliegenden Erkenntnissen mit einem realistischen Infektionsrisiko verbunden war (siehe 3.8.1). Für exponierte Kinder unter 15 Jahren, die hinsichtlich der Entwicklung einer Tuberkulose besonders vulnerabel sind (siehe 2.5), ist die unverzügliche Umgebungsuntersuchung von herausragender Bedeutung: So wird in Deutschland mehr als die Hälfte der Tuberkulosen bei Kindern (2021: 74 von 142 erkrankten Kindern) als Folgefall im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen entdeckt [43]. Dies unterstreicht die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose erwachsener Indexfälle und den konsequenten Einsatz von präventiver Therapie bzw. Chemoprophylaxe bei exponierten Kindern.
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3.2 Bewertung der Ansteckungsgefahr durch die Indexperson
Anhand der im Gesundheitsamt eingegangenen Meldung wird die Ansteckungsgefahr, die von der Indexperson ausgeht, vornehmlich basierend auf den bakteriologischen Untersuchungsergebnissen und der Organmanifestation abgeschätzt.
Bei mikrobiologischem bzw. molekularbiologischen Nachweis von Tuberkulosebakterien in respiratorischen Sekreten (Sputum, BAL oder Magensaft) ist von einer Ansteckungsfähigkeit der Indexperson auszugehen.
Befunde, die eine Ansteckungsfähigkeit nachweisen, sind:
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der mikroskopische Nachweis säurefester Stäbchen und eine positive PCR aus der gleichen Probe respiratorischen Materials, auch wenn die Kultur noch aussteht sowie
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eine positive Flüssig- oder Festkultur respiratorischen Materials, auch wenn Mikroskopie und/oder PCR vorab negativ ausfielen.
Befundberichte dazu sind bei Tuberkulosen des Lungenparenchyms, des Tracheobronchialbaums, des Pharynx oder des Kehlkopfes zu erwarten. Weitere Informationen zum klinischen Bild (einschließlich Hustensymptomatik), zum Krankheitsverlauf und zu bereits vorliegenden Befunden (einschließlich Typisierungsergebnissen, siehe hierzu auch Kapitel 5.4) werden eingeholt.
Befunde wie der Nachweis einer Kaverne oder ausgedehnter tuberkulosetypischer Lungeninfiltrate im Röntgenbild können für eine Ansteckungsfähigkeit der Tuberkuloseerkrankung sprechen, auch wenn die mikrobiologischen Befunde noch nicht endgültig vorliegen oder bislang negativ ausgefallen sind.
Eine Suche nach Personen, die sich im engen Kontakt mit der Indexperson mit Tuberkulosebakterien angesteckt haben oder in Folge dessen bereits erkrankt sind (siehe 3.7 bzw. 3.8), ist einzuleiten. Vordringlich sind dabei Kinder und immunsupprimierte Personen unter den Kontaktpersonen zu ermitteln und zu untersuchen.
Eine positive PCR als Zufallsbefund ohne klinischen oder radiologischen Verdacht (ggf. inkl. Computertomografie) muss hinterfragt werden und löst primär keine Umgebungsuntersuchung aus. Bei negativer PCR auf M. tuberculosis-Komplex in respiratorischem Sekret bei gleichzeitigem Nachweis säurefester Stäbchen ermöglicht die molekularbiologische Speziesdifferenzierung, eine NTM auszuschließen.
Weiterhin wird eine Suche nach infizierten bzw. bereits erkrankten Kontaktpersonen empfohlen,
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wenn die Indexperson als Infektionsquelle einer weiteren Erkrankung an Tuberkulose gelten kann,
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wenn das Ergebnis der Obduktion einer an Tuberkulose erkrankten Person Hinweise auf Ansteckungsfähigkeit zu Lebzeiten oder für eine Gefährdung des Sektionspersonals ergibt.
Von erkrankten Personen mit anderen Formen der Tuberkulose geht i. d. R. keine realistische Ansteckungsgefahr aus, selbst wenn Erreger ausgeschieden werden [3]. Zentrifugale Umgebungsuntersuchungen können dann unterbleiben und sind nur erforderlich, wenn vermutlich erregerhaltiges Material inokuliert wurde (siehe 2.2). Die Frage der Quellensuche (siehe 3.7) wird davon nicht berührt.
Um den infektiösen Zeitraum abzuschätzen, wird insbesondere der Beginn der Hustensymptomatik berücksichtigt. Wenn dies nicht möglich ist bzw. ein Husten anderer Ätiologie vorliegt, werden als Beginn der Bakterienausscheidung und damit der Infektiosität in Abhängigkeit von der Ausdehnung des Befundes 6 Monate vor Diagnosestellung, bei nur kulturellem bzw. molekularbiologischem Nachweis und wenig ausgedehntem Röntgenbefund ein kürzerer Zeitraum, z. B. 3 Monate, angenommen.
Wenn zentrifugale Umgebungsuntersuchungen trotz Erregernachweis bei einem Fall von Lungentuberkulose unterlassen oder nur eingeschränkt durchgeführt werden, z. B. bei fehlender Erreichbarkeit der in Frage kommenden Kontaktpersonen, so ist dies in den Unterlagen der Indexperson zu dokumentieren.
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3.3 Erfassung der Kontaktpersonen
Im Rahmen der Ermittlungen nach § 25 Infektionsschutzgesetz (IfSG) werden alle Personen erfasst, die engen Kontakt zur erkrankten Person hatten. An Tuberkulose erkrankte Personen sind nach den §§ 25 Abs. 1 und 16 Abs. 2 IfSG gesetzlich verpflichtet, die „erforderlichen Auskünfte“ zu erteilen und exponierte Personen oder Personengruppen mit Namen, Adresse und sonstigen Kontaktdaten zu benennen. Darüber hinaus kann das Gesundheitsamt im Rahmen der Ermittlungen nach § 25 Abs. 2 seine Befragung unmittelbar auch an eine dritte Person, insbesondere an die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt, richten, wenn eine Mitwirkung der betroffenen Person nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist.
Die notwendigen Ermittlungen, um Hinweise auf eine Ansteckungsquelle oder die Ausbreitung der Tuberkulose zu erhalten und eine Liste der Kontaktpersonen aufzustellen, erfordern eine ausführliche Beratung und Erläuterung, welche Personen benannt werden müssen. Hierzu sollte beim ersten Kontakt mit der an Tuberkulose erkrankten Person eine Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens geschaffen, die erkrankte Person für eine Kooperation gewonnen und die Sorge vor Stigmatisierung adressiert werden. Erfahrungsgemäß genügt eine gesetzliche Grundlage, welche die erkrankte Person zur Mithilfe verpflichtet, keineswegs, um eine vertrauensvolle Mitarbeit zu initiieren.
Bereits im Erstgespräch muss daher versucht werden, durch sensible und kompetente Gesprächsführung aus dem sozialen Aktionsradius der Indexperson schließlich diejenigen Personen und Gruppen auszuwählen, die in die Umgebungsuntersuchung einbezogen werden.
Bei erkrankten Personen, die nicht in Deutschland geboren wurden, kann die Zusammenarbeit durch Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten, gelegentlich auch durch ein kulturell anders geprägtes Krankheitsverständnis erschwert werden. In seltenen Fällen erweisen sich erkrankte Personen als unkooperativ. Insbesondere muss in bestimmten Szenen und Milieus (z. B. bei Personen mit i. v.-Drogenabusus, alkoholkranken bzw. obdachlosen Personen und Prostituierten mit Ermittlungsschwierigkeiten gerechnet werden [44]. Die eingehende Aufklärung und Information der betroffenen Person und ihrer Angehörigen sollte daher möglichst in der jeweiligen Muttersprache durch Hinzuziehung einer (Video-)Dolmetscherin bzw. eines Dolmetschers erfolgen, ggf. unterstützt durch die Verwendung Smartphone-basierten mehrsprachigen Informations- und Aufklärungsmaterials (ExplainTB) bzw. des digitalen Informationsmaterials des DZK.
Je nach Situation bzw. Problemlage agieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsämter nicht nur als Bindeglied zwischen den betroffenen Personen und den sie betreuenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, sondern auch zwischen den Betroffenen und Behörden. Ggf. müssen Anträge gestellt und Wege geebnet werden ([Tab. 1], siehe auch [45]).
Oftmals ist es erst nach Bewältigung der in [Tab. 1] beispielhaft aufgeführten Probleme möglich, das eigentliche Ziel, nämlich die Erfassung der Kontaktpersonen, zu erreichen.
Um eine zielgerichtete Umgebungsuntersuchung planen zu können, sollten Verhalten und Lebensweise der erkrankten Person in ihrer vertrauten Umgebung exploriert werden. Dies ermöglicht am besten, familiäre und partnerschaftliche Bindungen sowie freundschaftliche Kontakte in Hinblick auf eine mögliche Übertragung der Tuberkulosebakterien zu beurteilen.
Um die bei der Tuberkulose sehr wichtigen sozialen Aspekte zu erfassen, sollte das Gespräch mit der erkrankten Person bzw. die Erfassung der Kontaktpersonen möglichst durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter erfolgen. Es wird empfohlen, die Indexperson darauf hinzuweisen, dass im Fall, dass enge Kontaktpersonen, deren Name und Adresse – sofern bekannt – dem Gesundheitsamt aus verschiedenen Gründen nicht genannt werden können, über ihr Infektionsrisiko informiert werden müssen, damit sie in Eigeninitiative die erforderlichen Untersuchungen wahrnehmen und auf Frühsymptome der Tuberkulose achten. Es sollte ferner darauf verwiesen werden, dass Nachmeldungen von Kontaktpersonen bzw. weitere Gespräche zu deren Erfassung jederzeit möglich sind.
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3.4 Rechtliche Rahmenbedingungen
3.4.1 Infektionsschutzgesetz
In Deutschland regelt das IfSG [46] [47], welche Maßnahmen bei übertragbaren Krankheiten, damit auch bei der Tuberkulose, zur Prävention und Kontrolle der Erkrankung in der Bevölkerung notwendig und zulässig sind. Als Bundesgesetz genießt es Vorrang vor Landesgesetzen, z. B. vor Gesetzen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Beim Tätigwerden nach dem IfSG handelt es sich um hoheitliche Aufgaben, für die i. d. R. der Öffentliche Gesundheitsdienst in Gestalt seiner Gesundheitsämter zuständig ist [48]. Die einschlägigen Regelungen für die Umgebungsuntersuchungen finden sich in den §§ 25 f. in Verbindung mit §§ 2 und 16 IfSG [46] [47].
Der § 25 IfSG erteilt den Gesundheitsämtern einen Rahmenauftrag, verlangt jedoch nicht, dass die genannten Aufgaben von ihnen auch selbst durchgeführt werden. Das Gesundheitsamt muss aber sicherstellen, dass die notwendigen Untersuchungen zeitgerecht, durch fachlich kompetente, in den Aufgaben des Gesundheitsschutzes erfahrene Ärztinnen und Ärzte und im methodisch gebotenen Ausmaß erfolgt sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so sind ausschließlich die untersuchende Ärztin bzw. der untersuchende Arzt für die korrekte Durchführung und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben verantwortlich.
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3.4.2 Schweigepflicht und Datenschutz
Das IfSG enthebt im Rahmen der Meldepflicht gegenüber dem Gesundheitsamt Ärztinnen und Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht.
Bei den Ermittlungen wird man sich in erster Linie an die erkrankte Person (Indexperson) wenden. Sofern erforderlich, können nahe Angehörige, die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, die Arbeitgeberin bzw. Arbeitgeber bzw. die Personalabteilung zu den Kontaktpersonen befragt werden. Angaben über die Tuberkulose der Indexperson sind auf das unerlässliche Minimum zu beschränken. Zwischen den beteiligten Gesundheitsämtern besteht eine Übermittlungspflicht entsprechend der jeweiligen Zuständigkeit.
Nach § 25 Abs. 1 des IfSG hat das Gesundheitsamt die Aufgabe, die erforderlichen Ermittlungen über Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung einer übertragbaren Krankheit anzustellen, wenn sich ergibt oder anzunehmen ist, dass jemand krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig ist. Die bei den Untersuchungen erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Die Nennung der Indexperson gegenüber Kontaktpersonen ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Sie ist rechtmäßig, wenn insbesondere die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 IfSG erfüllt sind und wenn entweder Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des angegebenen Kontaktes bestehen oder durch die Befragung der Indexperson alleine Art bzw. Intensität des Kontaktes nicht hinreichend konkretisiert werden können (siehe 3.2, 3.8.1).
Die Nennung der Indexperson gegenüber Kontaktpersonen kann nach der Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einzelfall nicht nur erforderlich sein, um Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung einer übertragbaren Krankheit aufzuklären. Sie kann vielmehr auch geboten sein, damit die vom Gesundheitsamt nach § 25 Abs. 3 IfSG zu treffenden Anordnungen hinreichend bestimmt sind und die von den Anordnungen Betroffenen ihre Rechte wahren können, so auch das den Auskunftspflichtigen nach § 25 Absatz 1 i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 4 IfSG zukommende Auskunftsverweigerungsrecht.[2]
Es wird empfohlen, das Vorgehen des Gesundheitsamtes in derartigen Fällen eingehend zu dokumentieren.
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3.4.3 Anwendung von Röntgenstrahlung nach Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
Bei jeder im Rahmen einer sachgerechten Ermittlung veranlassten zentripetalen wie zentrifugalen radiologischen Untersuchung ist von einem individuell begründeten Tuberkuloseverdacht auszugehen. Die Röntgenaufnahmen werden von Ärztinnen und Ärzten des Gesundheitsamts gemäß § 25 und § 29 IfSG angeordnet und unter Standardbedingungen (i. d. R. p. a.) zum Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane veranlasst. Ein Fachkundenachweis (Fachkunde im Strahlenschutz nach § 30 StrlSchV) ist nur für die durchführenden, nicht aber für die anordnenden Ärztinnen und Ärzte notwendig. Die Untersuchungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 83 StrlSchG, das die Anwendung von Röntgenstrahlen in sonstigen durch das Gesetz vorgesehenen oder zugelassenen Fällen erlaubt.
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3.5 Methodik der Umgebungsuntersuchungen
3.5.1 Testtheoretische Voraussetzungen und Risikokommunikation gegenüber Kontaktpersonen
Jede gemäß § 6 oder § 7 des IfSG gemeldete Erkrankung an Tuberkulose stellt einen Auftrag an das zuständige Gesundheitsamt dar zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Umgebungsuntersuchung zur Aufdeckung der Infektionsquelle und/oder zur Verhütung von Folgefällen durch präventive Therapie/Chemoprophylaxe oder Früherkennung von Folgefällen durch radiologische Verlaufsbeobachtung infizierter Kontaktpersonen erforderlich ist. Um den im Langzeitverlauf beobachteten Rückgang der Neuerkrankungen [43] in Deutschland fortzusetzen und idealerweise zu beschleunigen, ist eine Anpassung der Kontrollstrategien mit Stärkung einer konsequenten präventiven Therapie bei besonders erkrankungsgefährdeten infizierten Personen (z. B. Kindern, HIV-Infizierten, immunsuppressiv Behandelten, insbesondere bei Therapie mit TNF-α-Inhibitoren, siehe 2.5) erforderlich.
Ein gezielter Einsatz präventiver Maßnahmen ist abhängig vom Vorhersagewert der in der Umgebungsuntersuchung eingesetzten Methode zur Erkennung einer LTBI. Dieser sogenannte positive prädiktive Wert (PPW) gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der bei testpositiven Kontaktpersonen auch wirklich eine LTBI vorliegt, und wird nach der folgenden Formel berechnet:
PPW = Sensitivität × Prävalenz/[Sensitivität × Prävalenz + (1-Spezifität) × (1-Prävalenz)].
Die Sensitivität bezeichnet hierbei die Fähigkeit eines Tests, infizierte Personen als positiv zu erfassen. Die Spezifität gibt hingegen die Wahrscheinlichkeit an, dass eine nicht-infizierte Person als negativ angegeben wird.
Neben seinen für den jeweiligen Test charakteristischen Eigenschaften (Sensitivität und v. a. von dessen Spezifität) hängt die Höhe des PPW zum anderen von der Prävalenz der LTBI im untersuchten Kollektiv („pre-test probability“) als epidemiologischem Parameter ab. Die Prävalenz ist die relative Häufigkeit der Infektion in der untersuchten Gruppe. Je höher die Prävalenz im Kollektiv, also die Wahrscheinlichkeit einer LTBI, desto höher auch der PPW. Deshalb ist es ein wesentliches Ziel der Umgebungsuntersuchung, diejenigen Kontaktpersonen mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit für eine LTBI zu identifizieren. Andernfalls nimmt die Rate der fälschlicherweise als infiziert getesteten Personen zu.
Die Sensitivität eines Screeningtests muss sich aufgrund des fehlenden Goldstandards für eine LTBI als Surrogat an der Sensitivität bei bakteriologisch nachgewiesener Tuberkuloseerkrankung orientieren. Die Spezifität eines Tests kann jedoch nur an Studienpopulationen gesunder Erwachsener ohne bekannte Exposition gegenüber MTB gemessen werden, bei denen – und daher kann die Auswahl nur in Niedrigprävalenzländern erfolgen – zugleich das Risiko einer zufälligen Exposition gegenüber unerkannt an Tuberkulose erkrankten Personen sehr gering ist.
Die Infektionsprävalenz im untersuchten Kollektiv von Kontaktpersonen einer an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankten Person korreliert eng mit Dauer und Intensität des Kontaktes (siehe 3.8.1). Die Kenntnis dieser statistischen Zusammenhänge ist wichtig, da die Risikokommunikation zur Abschätzung von Kontaktart und -intensität im Gespräch zwischen dem Personal des Gesundheitsamtes und den Kontaktpersonen einen wichtigen Platz einnimmt.
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3.5.2 Tuberkulin-Hauttest
Diagnostisch lässt sich die durch intrakutane Applikation von Tuberkulin auslösbare verzögerte allergische Reaktion vom zellvermittelten Typ mittels des Tuberkulin-Hauttests (THT) als bewährte Methode zum Nachweis einer LTBI nutzen.
Tuberkulin ist eine teilweise gereinigte Proteinfraktion aus Überständen von Kulturen von M. tuberculosis [49]. Nach der von Mendel und Mantoux beschriebenen Technik werden 2 Einheiten (T.E.) des Tuberkulins PPD RT23 in einem Volumen von 0,1 ml mittels einer 25- oder 26G-Nadel und einer geeigneten kleinvolumigen („Tuberkulin“-)Spritze streng intrakutan an der Beugeseite des Unterarms injiziert.
Bei einer vorausgegangenen Infektion entsteht eine lokalisierte Reaktion mit Erythem und Induration, die innerhalb von 24 Stunden beginnt, ihren Höhepunkt zwischen 48 und 72 Stunden erreicht und allmählich wieder über die nächsten 1–2 Wochen abklingt. Der Ablesezeitraum sollte daher vorzugsweise nach 48–72 Stunden und spätestens nach einer Woche erfolgen [50]. Das Ablesen erfolgt durch Messung ausschließlich der Induration (Dokumentation in Millimetern, die Rötung bleibt unberücksichtigt) in der Querachse des Unterarms. Ungefähr 1–2 % der Probandinnen und Probanden mit einem positiven THT reagieren mit Bläschenbildung [51].
Der Zeitraum von der Infektion bis zum Auftreten der Reaktion auf Tuberkulin wird als „präallergische Phase“ bezeichnet. Frühestens zwei, spätestens acht Wochen nach Infektion schlägt die Reaktion auf Tuberkulin von negativ nach positiv um [52] [53].
In Deutschland wird ein Indurationsdurchmesser von > 5 mm bei engen Kontaktpersonen einer Indexperson mit ansteckungsfähiger Lungentuberkulose als positiv betrachtet, um möglichst viele Infizierte mit der höchsten Sensitivität zu erfassen [54], wobei im Allgemeinen das Erkrankungsrisiko mit dem Indurationsdurchmesser zunimmt [55].
Aufgrund der in Tuberkulin enthaltenen kreuzreaktiven Antigene kann die Reaktion jedoch auch nach vorangegangener Infektion mit NTM oder M. bovis BCG positiv ausfallen [56]. Die Kreuzreaktivität bei BCG-Geimpften lässt individuell unterschiedlich über die Zeit nach und kann bis zu 55 Jahre anhalten [57] [58].
Die Stärke der Kreuzreaktion hängt u. a. vom Impfstamm ab [59] und ist bei BCG-Geimpften sehr wahrscheinlich erst bei einer Induration > 18 mm nicht mehr alleine auf die BCG-Impfung zurückzuführen [60].
Je geringer die Wahrscheinlichkeit einer Exposition ist und je länger diese zurückliegt, desto stärker treten die genannten Fehlermöglichkeiten der Tuberkulin-Diagnostik in den Vordergrund, desto häufiger ist mit einem niedrigen PPW und entsprechend seltener mit Folgefällen zu rechnen. Die „gepoolte“ (aus entsprechenden Studien gemittelte) Spezifität des THT wurde im Vergleich mit IGRAs (siehe 3.5.3) aufgrund der möglichen Kreuzreaktivität mit NTM oder nach BCG-Impfung daher lediglich mit 66 % [61] bzw. weniger als 14 % in nahezu vollständig BCG-geimpften Populationen, wie z. B. in Japan [62], angegeben. Bei strikter Begrenzung der einbezogenen Studien auf gesunde nicht-exponierte und nicht-BCG-geimpfte Probandinnen und Probanden aus Niedriginzidenzländern war die Spezifität mit 88,7 % [95 %-KI 84,6–92,0 %] allerdings deutlich höher [63].
Falsch-negative THT-Ergebnisse können neben Applikationsfehlern infolge zahlreicher Ursachen für eine abgeschwächte individuelle Immunkompetenz auftreten (siehe [Tab. 2]) und sind bei Erwachsenen prinzipiell bereits ab der 6. Lebensdekade zu erwarten [64].
Höheres Lebensalter (≥ 50 Jahre) |
Zelluläre Immundefekte (z. B. HIV-Infektion, AIDS, lymphatische Systemerkrankungen) |
Akute oder kurz zurückliegende schwere Virusinfektionen (z. B. Masern,Mumps, Röteln, Influenza) |
Lebendimpfungen innerhalb der letzten 6 Wochen |
Schwere konsumierende Erkrankungen (z. B. Malignome) |
Systemische Kortikoidtherapie oder Behandlung mit Immunsuppressiva bzw. TNF-α-Inhibitoren |
Fulminante tuberkulöse Erkrankung (z. B. Miliartuberkulose) |
Sarkoidose |
Applikationsfehler (unvollständige oder subkutane Tuberkulin-Injektion) |
Ablesefehler (zu früh oder zu spät) |
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3.5.3 Interferon-Gamma Release-Test (IGRA)
Die Interferon-Gamma Release-Tests (IGRAs) beruhen auf dem Nachweis von Interferon-Gamma (IFN-γ), welches von T-Lymphozyten sezerniert wird, die im Rahmen einer aktuellen oder früheren Infektion mit MTB (siehe 2.1) sensibilisiert wurden. Diese Zellen werden in vitro mit spezifischen M. tuberculosis-Peptiden (ESAT-6, CFP-10) stimuliert, welche bei M. bovis BCG und den meisten nicht-tuberkulösen Mykobakterien (NTM) fehlen [66] . Eine aktuelle oder frühere Infektion mit M. kansasii, M. szulgai und M. marinum kann auch zu einem positiven Testergebnis führen. Die in Deutschland hauptsächlich eingesetzten, kommerziell erhältlichen IGRAs basieren auf der direkten Messung der IFN-γ-Konzentration im Vollblut (QuantiFERON-TB Gold Plus, Fa. Qiagen, Deutschland, abgekürzt QFT-Plus sowie LIAISON QuantiFERON-TB Gold Plus, Fa. Diasorin, Italien) bzw. der Bestimmung der Zahl IFN-γ-sezernierender T-Lymphozyten aus isolierten peripheren mononukleären Zellen (PBMC) (T-SPOT.TB, Fa. Oxford-Immunotec, Großbritannien, abgekürzt T-Spot). Ein Vergleich der Verfahren mit den als positiv von den Herstellern benannten Grenzwerten ist in [Tab. 3] zusammengefasst.
Wie beim THT kann mit IGRAs weder zwischen einer frischen und einer schon länger bestehenden Infektion noch zwischen einer LTBI und einer aktiven Tuberkulose unterschieden werden. Das Zeitfenster (Latenzzeit) der frühestmöglichen Nachweisbarkeit einer Sekretion von IFN-γ nach Exposition entspricht nach gegenwärtigem Kenntnisstand dem zeitlichen Ablauf der mit Tuberkulin messbaren Konversion (2–8 Wochen) [67] [68].
Zur Sensitivität des QFT-Plus (durchgeführt als ELISA oder automatisiert mittels der Chemolumineszens-Technologie [CLIA]) bzw. des T-Spot.TB als kommerziell erhältliche IGRAs bei der Detektion behandlungsbedürftiger Tuberkulosefälle im Vergleich mit dem THT liegen inzwischen mehrere Meta-Analysen vor, die bei Erwachsenen eine mindestens vergleichbare Sensitivität [69] [70] [71] [72], aber bessere Spezifität der IGRAs [70] [72] dokumentieren. Eine Verbesserung der Sensitivität des 2019 neu eingeführten QFT-Plus-Tests gegenüber den früheren QFT-Gold in Tube (QFT) wurde nicht aufgezeigt [72] [73]. Entsprechend der begrenzten Sensitivität auch der IGRAs schließt im Verdachtsfall ein negativer IGRA-Test eine LTBI oder auch eine aktive Tuberkulose nicht aus. Hinsichtlich Sensitivität und Spezifität bestehen zwischen den kommerziell erhältlichen IGRAs keine signifikanten, für die Durchführung einer Umgebungsuntersuchung relevanten Unterschiede.
Vor dem Hintergrund nicht selten diskordanter THT-/IGRA-Ergebnisse ist insbesondere die Bedeutung positiver IGRA-Testresultate bei der Vorhersage einer Progression von der LTBI zur aktiven Tuberkulose zu prüfen, um angesichts des fehlenden Goldstandards den Stellenwert der IGRAs in der Detektion einer LTBI zu bestätigen. In einer Längsschnittstudie zur prognostischen Bedeutung von IGRA-Testresultaten hinsichtlich des Risikos von insgesamt 10.045 unbehandelten Kontaktpersonen und/oder Migrantinnen und Migranten aus Hochinzidenzländern, eine aktive Tuberkulose zu entwickeln, waren IGRAs bei Erwachsenen signifikant bessere Prädiktoren für eine Progression zur Tuberkulose als der THT [74].
Bei Personen ab dem 15. Lebensjahr wird daher prinzipiell der Einsatz eines IGRA-Tests in der Umgebungsuntersuchung angeraten. Bei vorhersehbarer fehlender Akzeptanz eines THT, nach BCG-Impfung bzw. bei Immunsupprimierten, bei denen eher mit einem falsch-negativen THT gerechnet werden muss (z. B. HIV-Infizierte [75] [76], hämodialysierte Personen [77] oder Personen vor Therapie mit anti-TNF-α-Inhibitoren [78]) ist der primäre Einsatz von IGRAs bereits früher empfohlen worden.
Auch für Kinder unter 15 Jahren liegen inzwischen ausreichend Studiendaten vor, die in dieser Altersgruppe eine vergleichbare Sensitivität des IGRAs gegenüber dem THT belegen [79] [80] [81] [82], wobei bislang nur wenige Vergleichsdaten beider Tests bei Kindern unter 2 Jahren publiziert wurden.
Allerdings bedürfen IGRAs eines qualitätsgesicherten Labors, und die Vorgaben über Blutentnahme und Transport erfordern eine erprobte Logistik (Entnahme von Venenblut in speziellen Röhrchen, rascher und kältegeschützter Transport ins Labor). Bei Kindern im Vorschulalter kann die Entnahme von (2–) 4 ml Venenblut je nach Testsystem (siehe [Tab. 3]) Probleme aufwerfen.
IGRAs können in seltenen Fällen nicht interpretiert werden (unschlüssige Ergebnisse, „indeterminate results“) und falsch negative Ergebnisse aufweisen, wenn die Probe keine lebenden oder stimulierbaren T-Lymphozyten enthält. Dies kann Folge eines technischen Laborfehlers (z. B. Einlagerung im Kühlschrank oder Einfrieren vor Inkubation mit resultierender Zellanergie) oder unsachgemäßen Transports sein, aber auch bei schwerer Lymphopenie und Immunsuppression vorkommen.
Bei einem nicht interpretierbaren IGRA-Test, bei dem Personen nicht auf die positive Mitogenkontrolle (Stimulierbarkeit nicht-anergischer Lymphozyten durch Phytohämagglutinin) reagieren, sollte daher zunächst eine Testwiederholung an einer neuen Probe erfolgen, um eine ordnungsgemäße Ausführung sicherzustellen. Bleibt das Testergebnis erneut „unschlüssig“, ist ein Immundefekt in Betracht zu ziehen, sodass das Vorliegen einer MTB-Infektion auf diese Weise nicht beurteilt werden kann. Im Zweifelsfall kann ein neuer Test mit dem jeweils alternativen Testsystem erwogen werden oder muss eine andere Untersuchungsmethode, z. B. TRU, angewendet werden, um eine Tuberkulose auszuschließen.
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3.5.4 Röntgenuntersuchung
Mit der Thorax-Röntgen-Untersuchung (TRU) kann, unabhängig von einer klinischen Symptomatik, eine aktive Tuberkulose erfasst werden, bei Kleinkindern und immunsupprimierten Personen u. U. noch bevor der THT oder IGRA-Test positiv ausfällt. I. d. R. ist zur Tuberkulosediagnostik eine p.-a.-Aufnahme ausreichend [83]. Auf Tuberkulose verdächtige Röntgenbefunde sind stets durch die bakteriologische Untersuchung dreier hochwertiger Sputumproben und erforderlichenfalls durch eine weitergehende Diagnostik abzuklären. Dabei hat es sich als nützlich erwiesen, gleich nach Feststellung des radiologischen Befundes ein Sofortsputum im Amt oder beim Hausbesuch zu gewinnen. Ansonsten ist der Untersuchung von Morgensputum, z. B. an drei unterschiedlichen Tagen einer Woche bzw. bei Kindern ohne Möglichkeit einer Sputumgewinnung, eine Untersuchung des Magensaftes der Vorzug zu geben [84].
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3.6 Beratung und Befragung von Kontaktpersonen
Anlässlich der ersten anstehenden Untersuchung sollte ein Beratungsgespräch im Gesundheitsamt oder dort, wo die Kontaktperson am besten erreichbar ist, stattfinden, um
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Art, Dauer und Intensität des Kontaktes zur Indexperson zu erfahren und hierdurch das Erfordernis weiterer Untersuchungen zu überprüfen,
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Angaben zur Empfänglichkeit bzw. zu Risikofaktoren zu erheben, die beim Vorliegen einer LTBI deren Fortschreiten zu einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose begünstigen,
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anamnestische Angaben zu BCG-Impfung, früherer Tuberkuloseerkrankung, den Ergebnissen früherer Tuberkulin-Haut- und/oder IGRA-Tests, ggf. bereits früher durchgeführter präventiver Therapien und im Hinblick auf eine eventuell später anstehende TRU über das Vorliegen einer Schwangerschaft zu erhalten,
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zu klären, ob Faktoren zu berücksichtigen sind, die zu falsch-negativen THT-Ergebnissen führen können (siehes [Tab. 2]),
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sie zu den möglichen Symptomen der Tuberkulose (Husten oder Hüsteln, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme, leichtes Fieber, Nachtschweiß, Stechen in der Brust, Blutbeimengung im Auswurf, Benommenheit und Kopfschmerzen, Lymphknotenschwellung) zu befragen und aufzuklären,
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das diagnostische Prinzip eines IGRA-Tests bzw. des THT (einschließlich möglicher unerwünschter Wirkungen), und der TRU p.- a., falls indiziert, zu erläutern und auf die gesetzliche Pflicht zur Duldung der genannten Untersuchungen gemäß § 25 Abs.3 IfSG hinzuweisen,
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das mit einer LTBI verbundene Erkrankungsrisiko und mögliche Tuberkulosesymptome selbst nach Jahren mit dem Ziel einer sensiblen Wahrnehmung erster eigener Symptome und der Notwendigkeit, diese umgehend ärztlich abklären zu lassen, zu erklären,
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bei gegebener Indikation die Schutzwirkung einer korrekt durchgeführten präventiven Therapie bzw. die Notwendigkeit einer chemoprophylaktischen Behandlung darzustellen und das Einverständnis für die Zusammenarbeit mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt zu erwirken.
Die entsprechende Befragung und Information kann standardisiert schriftlich oder elektronisch erfolgen, auch unter Verweis auf (ggf. mehrsprachige) Informationsquellen im Internet, insbesondere auf die Verwendung von ExplainTB bzw. des digitalen Informationsmaterials des DZK (siehe 3.3.).
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3.7 Zentripetale Umgebungsuntersuchung (Quellensuche)
3.7.1 Indikation
Ungeachtet der Ansteckungsgefahr, nach welcher die Indexperson kategorisiert wird, stellt sich die Frage nach ihrer Ansteckungsquelle.
Es wird empfohlen, bei folgenden Formen der Tuberkulose nach einer Infektionsquelle zu suchen, da sich diese in aller Regel relativ zeitnah im Anschluss an eine frische tuberkulöse Infektion entwickeln [33]:
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Primärtuberkulose (z. B. intrathorakale Lymphknoten-Tuberkulose),
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Ersterkrankung bei Kindern unter 15 Jahren,
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Meningitis tuberculosa (tuberkulöse Hirnhautentzündung),
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Pleuritis tuberculosa (tuberkulöse Rippenfellentzündung),
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Miliartuberkulosen (hämatogene Streuungstuberkulosen) und Ersterkrankungen bei immungeschwächten Personen.
Alle Erkrankungsformen können aber auch im Verlauf und im Rahmen einer Reaktivierung vorkommen.
Die Inkubationszeit dieser Tuberkuloseformen, bei denen man i. d. R. von einer Erstinfektion ausgehen kann, variiert stark und kann mindestens 2 Wochen bis 24 Monate (oder mehr) betragen. Gesucht wird dementsprechend eine an Lungentuberkulose erkrankte Person, die bereits seit Wochen oder Monaten Tuberkulosebakterien ausscheidet und die als Infektionsquelle einer an Primärtuberkulose oder anderen Frühformen der Tuberkulose erkrankten Person (Indexperson der Quellensuche) in Betracht kommt. Je jünger die Indexperson und je kürzer die Inkubationszeit ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, die Infektionsquelle zu finden. Die Suche nach einer Ansteckungsquelle soll bei Indexpersonen unter 5 Jahren im engen Umfeld der Familie und engen Bezugspersonen begonnen werden.
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3.7.2 Vorgehensweise
Kinder unter 10 Jahren kommen als Ansteckungsquelle nur ausnahmsweise in Frage [12] [13] [14] [15] (siehe 2.3.). Es wird daher empfohlen, alle Personen ab einem Alter von 10 Jahren, die in den letzten 2–6 Monaten (ggf. auch länger zurückliegend) engen Kontakt zur Indexperson der Quellensuche hatten, d. h. i. d. R. im engsten Familienkreis oder Wohnumfeld, umgehend zu einer Untersuchung aufzufordern, um eine offene Lungentuberkulose auszuschließen oder nachzuweisen, sofern diese Kontaktpersonen bei einer Infektiosität der Indexperson nicht bereits in eine zentrifugale Umgebungsuntersuchung einbezogen wurden.
Um die Verhältnismäßigkeit der eingesetzten Mittel zu wahren, sollte berücksichtigt werden, dass asymptomatische Verläufe von hoch ansteckungsfähigen Tuberkulosen selten sind und dass Husten der entscheidende Mechanismus zum Transport der Tuberkulosebakterien aus dem Lungenherd in die Raumluft ist.
Es wird daher empfohlen, bei symptomatischen Personen vorrangig – unabhängig von der Durchführung eines IGRA-Tests oder eines THT – eine einmalige TRU durchzuführen. Ein negativer IGRA-Test schließt eine manifeste Tuberkulose keinesfalls aus und darf daher bei symptomatischen Personen nicht als Ausschlusskriterium verwendet werden. Bei symptomatischen Schwangeren (Husten mit Auswurf) sollten zur Bestätigung bzw. zum Ausschluss einer Tuberkulose eine TRU sowie obligat drei Untersuchungen des Morgensputums innerhalb einer Woche durchgeführt werden. Grundsätzlich sind Schwangere aber primär mit einem IGRA zu untersuchen, wenn (neben der Schwangerschaft) zusätzliche Risikofaktoren für eine Tuberkulose vorliegen, wie ein kürzlich zurückliegender Kontakt oder eine Immunsuppression (HIV, iatrogen). Bei Vorliegen eines positiven IGRA sollte ebenfalls eine TRU erfolgen, wobei die Indikation zu einer TRU sorgfältig unter Berücksichtigung des Schwangerschaftsstadiums abgewogen werden muss (für weitergehende Informationen siehe [45]). Die betreuende Gynäkologin bzw. der Gynäkologe sind in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Nach Ausschluss einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose sollte eine präventive Therapie empfohlen werden. (siehe 3.8.2.4, 3.8.2.5 und [45]).
Für asymptomatische Kontaktpersonen, d. h. auch für Schwangere, kommt im Erwachsenenalter primär ein IGRA-Test, bei Kindern ein THT oder IGRA-Test in Betracht (siehe 3.8.2.2 ff.).
Die Untersuchung sollte im Fall der Quellensuche fortgesetzt werden, bis alle ermittelten engen Kontaktpersonen untersucht wurden.
Werden bei der Suche nach der Ansteckungsquelle THT- bzw. IGRA-Reagenten und -Konvertoren oder Ersterkrankungen, wie sie unter Punkt 3.8.2.1 aufgeführt sind, entdeckt, wird empfohlen, die Untersuchungen auf weitere Personen auszudehnen, bei denen eine ansteckungsfähige Tuberkulose vermutet wird. Im Rahmen der Anamneseerhebung sind Aufenthalte in Hochprävalenzländern ebenso zu berücksichtigen wie der Besuch von Verwandten und Bekannten aus dem Ausland. Die Suche nach einer Ansteckungsquelle bei einer der o. g. erwachsenen Indexpersonen führt jedoch nur selten zu einem Erfolg, da Kontakte und deren Infektiosität retrospektiv schwer zu ermitteln sind [27]. Die Quellensuche und zentrifugale Umgebungsuntersuchungen können sich überschneiden und denselben Personenkreis, z. B. Familienangehörige, betreffen, sofern die Indexperson infektiös ist. Die Quellensuche bei den o. g. Indexpersonen erfolgt jedoch unabhängig von deren Infektiosität.
Eine aufgespürte Ansteckungsquelle wird zu einer neuen Indexperson und damit zum Anlass für eine zentrifugale Umgebungsuntersuchung.
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3.8 Zentrifugale Umgebungsuntersuchung (Folgefallsuche)
3.8.1 Auswahl von Kontaktpersonen
Personen, die aufgrund ihres Kontakts zu einer an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankten Person (siehe 2.1) ein erhöhtes Infektions- bzw. Erkrankungsrisiko haben, werden im Rahmen einer zentrifugalen Umgebungsuntersuchung ermittelt und untersucht. Da Infektions- und Erkrankungsrisiko u. a. von Häufigkeit, Dauer und Intensität des Kontaktes abhängen, ist zwischen engen und geringen Kontakten zu unterscheiden.
Um das Risiko einer Übertragung von Tuberkulosebakterien beurteilen und eine Einteilung der Kontaktpersonen in Risikogruppen vornehmen zu können, stellt das Gesundheitsamt die erforderlichen Ermittlungen gemäß § 25 Abs. 1 IfSG an. Es wird empfohlen, in eine zentrifugale Umgebungsuntersuchung diejenigen Personen einzubeziehen, die während des infektiösen Stadiums, hilfsweise in den letzten 3–6 Monaten vor Diagnosestellung, einen (nicht durch das Tragen von Masken geschützten) engen Kontakt zur Indexperson hatten, indem sie
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mit der Indexperson in derselben Wohnung, im selben Zimmer (z. B. eines Heimes, eines Krankenhauses oder in derselben Zelle einer Justizvollzugsanstalt) oder sonstigen geschlossenen Räumen gelebt haben oder
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besonders intensive, auch einmalige Kontakte mit der Indexperson in geschlossenen Räumen hatten, bei denen mangels geeigneter Schutzmaßnahmen bakterienhaltiges Aerosol eingeatmet werden konnte, wie z. B.
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bei engen körperlichen Kontakten (Tanzen, Kampfsportarten etc.),
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bei gemeinsamem Singen im Chor,
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bei intimen Kontakten,
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bei pflegerischen Verrichtungen (auch bei der häuslichen Versorgung) oder Atemgymnastik,
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bei oraler Inspektion, zahnärztlicher oder HNO-ärztlicher Untersuchung,
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bei Sputumprovokation, Absaugen des Nasen-Rachen-Raums mit offenem System, Maßnahmen der Wiederbelebung, Bronchoskopie,
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bei der Obduktion oder
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mit einer an Lungentuberkulose erkrankten Person mit mikroskopischem Nachweis säurefester Stäbchen in Sputum-Direktpräparat, in der BAL oder im Magensaft kumulativ insgesamt mindestens 8 Stunden in geschlossenen Räumen oder Verkehrsmitteln (siehe auch 4.6.) verbracht haben [17] [18] [19] oder
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mit einer kulturell oder molekularbiologisch gesicherten, an Lungentuberkulose ohne mikroskopischen Nachweis säurefester Stäbchen erkrankten Indexperson insgesamt mindestens 40 Stunden in geschlossenen Räumen oder Verkehrsmitteln verbracht haben (siehe 2.4).
Diese Klassifizierung wurde durch eine Studie bestätigt, in der die Kontaktdauer als Einzelfaktor mit einer deutlich höheren Chance eines positiven IGRA-Tests verbunden war, wenn der kumulierte Kontakt mit einer sputumnegativen Indexperson mindestens 40 Stunden betragen hatte, und in welcher sich die Chance einer IGRA-Testpositivität bei Kontakt mit sputumpositiven Indexpersonen ab einer Kontaktzeit von 8 Stunden mehr als verdoppelte [85].
Vorrang in der Umgebungsuntersuchung haben dabei Kinder und Jugendliche sowie Immunsupprimierte als enge Kontaktpersonen, da sie frühzeitiger als Erwachsene bzw. Immunkompetente nach erfolgter Infektion an Tuberkulose erkranken können [27].
Personen, die keines der o. g. vier Kriterien eines engen Kontakts erfüllen, sind nur nach sorgfältiger Prüfung eines erhöhten individuellen Erkrankungsrisikos in eine zentrifugale Umgebungsuntersuchung einzubeziehen (siehe 2.5).
3.8.1.1 Schutzwirkung von Masken
Bei an infektiöser Tuberkulose erkrankten Personen ist bereits ein MNS ausreichend, um die beim Husten freigesetzten infektiösen Aerosole auf ein Minimum zu reduzieren. Dies haben auch Studien zur Übertragung von multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) gezeigt [85] [86].
Umso mehr gilt dies für die Schutzwirkung von FFP-2-Masken – in die eine wie für die andere Richtung (Schutz vor Übertragung von MTB durch die Indexperson bzw. Übertragung auf Kontaktpersonen). Die Schutzwirkung ist jedoch nur sicher gegeben, wenn bei den Tragenden zuvor eine Schulung mit Überprüfung der Anpassung an das Gesicht stattfand und wenn die Maske jeweils nach höchstens 8 Stunden gewechselt wird, da eine ausreichende Funktionsfähigkeit bei Durchfeuchtung nicht gewährleistet ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erübrigt sich bei Kontaktpersonen, die während des Kontakts mit der an infektiöser Tuberkulose erkrankten Person durchgehend eine FFP2-Maske getragen haben, insbesondere bei Krankenhaus- und Pflegepersonal, i. d. R. eine zentrifugale Umgebungsuntersuchung. Im Zweifelsfall und bei besonders vulnerablen Kontaktpersonen, z. B. auf einer Neugeborenen-Station, können trotzdem Umgebungsuntersuchungen gemäß 3.8.1 angezeigt sein.
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3.8.2 Vorgehensweise (Flussdiagramme in den [Abb. 2–4])
3.8.2.1 Primäre Thorax-Röntgenuntersuchung
Bei folgenden Kontaktpersonen wird empfohlen, unverzüglich nach Stellung der Diagnose bei der Indexperson primär eine TRU p.-a. zu veranlassen, um eine behandlungsbedürftige (u. U. auch ältere, nicht auf einer frischen Infektion beruhende) Tuberkulose der Thoraxorgane auszuschließen:
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Vorliegen tuberkuloseverdächtiger Symptome,
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Erkrankung an Tuberkulose in der Vorgeschichte,
-
bekannt positiver Tuberkulin-Haut- bzw. IGRA-Test,
-
geplante Einleitung einer Chemoprophylaxe (Kinder unter 5 Jahren),
-
bei Personen mit primärer oder sekundärer Immundefizienz (siehe 2.5).
Für Kontaktpersonen, die mit einer Person zusammenwohnen, welche an einer im Sputum oder in der BAL mikroskopisch positiven Lungentuberkulose erkrankt ist, sollte zusätzlich zum IGRA-Test (siehe 3.8.2.3 und 3.8.2.4) die Indikation zur umgehenden TRU großzügig gestellt werden, weil u. U. bereits eine ansteckungsfähige Tuberkulose vorliegen kann und das Abwarten der Testergebnisse eine unnötige Verzögerung der Diagnose bedeuten würde. Bei radiologischen Zeichen, die mit einer Erkrankung an Tuberkulose vereinbar sind, sind weiterführende Untersuchungen zur Sicherung oder zum Ausschluss der Diagnose einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose erforderlich.
3.8.2.2 Kontaktpersonen unter 5 Jahren
Nicht nur die Diagnose und Behandlung der aktiven Tuberkulose stellen im Kindesalter eine besondere Herausforderung dar, sondern auch die frühzeitige Identifikation von Kindern mit einer LTBI, bei denen der Manifestation einer Tuberkulose durch eine präventive Therapie vorgebeugt werden kann. Besonders im Säuglingsalter und bei Kleinkindern bis zum 5. Lebensjahr drohen durch eine frühe Generalisation der Tuberkulose schwere Erkrankungsformen wie die tuberkulöse Meningitis oder die Miliartuberkulose, die mit einer hohen Letalität einhergehen.
Sobald die Diagnose bei der Indexperson gestellt ist, wird daher empfohlen, Kontaktpersonen unter 5 Jahren (von der Geburt bis zum 5. Geburtstag) unverzüglich entsprechend den Ausführungen in 3.5.3 mittels eines THT und/oder eines IGRA-Tests zu untersuchen ([Abb. 2]). Die Durchführung einer initialen TRU ist – unabhängig vom Ergebnis des THT oder IGRA – wichtig, um Primärtuberkulosen nicht zu übersehen, welche sich aufgrund der präallergischen Phase noch nicht in einer immunologischen Reaktion (siehe 3.5) oder durch Symptome zeigen. Bei radiologischem Ausschluss einer Tuberkulose der Thoraxorgane und initial negativem THT- und/oder IGRA-Testresultat ist mit der täglichen Gabe von Isoniazid (INH) – ggf. mit Pyridoxin 1–2 mg/kg KG 1 × täglich bei Säuglingen, dystrophen Kindern oder Jugendlichen – zu beginnen. Liegt eine INH-Monoresistenz beim Indexpatienten vor, wird die Gabe von Rifampicin (RMP) empfohlen.
Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit mit der betreuenden Pädiaterin bzw. dem betreuenden Pädiater, auch zwecks Verordnung des INH und Durchführung der Behandlung angezeigt.
Sofern ein THT durchgeführt wird, ist bei initial positivem THT ein IGRA-Test als Bestätigung anzuschließen, um die Möglichkeit falsch-positiver THT-Resultate durch eine frühere Infektion mit NTM oder BCG-Impfung zu minimieren. Ist der IGRA diskordant negativ, sollte er 8 Wochen nach der letzten Exposition (= Latenzzeit) wiederholt werden; bleibt er nach 8 Wochen negativ, wird die Prophylaxe beendet ([Abb. 2]).
Wird von einer LTBI ausgegangen, so ist das Kind bei einer für INH und RMP sensiblen Tuberkulose der Indexperson bevorzugt mit der Kombination aus INH (10 mg/kg/KG 1-mal täglich per os, maximale Tagesdosis 300 mg) plus RMP (15 mg/kg/KG 1-mal täglich per os, maximale Tagesdosis 600 mg) präventiv über insgesamt 3 Monate zu behandeln. Alternativ und gleichwertig ist die Behandlung mit INH über 9 Monate oder mit RMP über 4 Monate. Da sich auch unter einer wirksamen präventiven Behandlung in seltenen Fällen eine Tuberkulose manifestieren kann, sollte nach Abschluss der Behandlung eine weitere TRU erfolgen. Eine präventive Therapie bei multiresistenter Tuberkulose der Indexperson ist mit zwei sensibel getesteten Medikamenten über insgesamt 6 Monate möglich (siehe [84] für weitergehende Informationen).
Initial negative THT (Indurationsdurchmesser ≤ 5 mm) oder negative IGRAs sollten 8 Wochen nach dem letzten Kontakt zur Indexperson wiederholt werden. Wenn das Ergebnis des anfänglich negativen THT oder des IGRAs nunmehr positiv ausfällt, ist dies bei nachgewiesener Exposition als Konversion aufgrund einer frischen Infektion mit MTB zu bewerten. Ein falsch-positives Testresultat ist im Fall einer THT-Konversion unwahrscheinlich und eine Bestätigung durch einen IGRA-Test somit entbehrlich
Nach Ausschluss einer Tuberkulose der Atmungsorgane mittels einer TRU sollte die Chemoprophylaxe bei Testkonversion als präventive Therapie für weitere 3 Monate mit INH und RMP weitergeführt werden (siehe 3.8.2.5).
Ist das Ergebnis des THT oder des IGRA-Tests jedoch erneut negativ, wird dies als Ausschluss einer LTBI gewertet. Es wird empfohlen, dann von weiteren Untersuchungen abzusehen und die eingeleitete chemoprophylaktische Behandlung zu beenden.
Bei radiologischem Verdacht auf das Vorliegen einer Tuberkulose der Atmungsorgane bzw. Hinweisen auf das Vorliegen einer extrapulmonalen Tuberkulose erfolgt unabhängig vom Testergebnis (THT oder IGRA-Test) unmittelbar die weiterführende Diagnostik. Nur wenn sich der anfängliche Tuberkuloseverdacht nicht bestätigt, ist je nach THT- bzw. IGRA-Testergebnis der o. g. Vorgehensweise zu folgen ([Abb. 2]).
3.8.2.3 Kontaktpersonen von 5 bis unter 15 Jahren
Bei Kontaktpersonen im Alter von 5–14 Jahren, auf die keine der in Absatz 3.8.2.1 genannten Indikationen für eine TRU zutrifft, ist neben der klinischen Untersuchung unverzüglich ein IGRA-Test oder alternativ (sofern keine BCG-Impfung bekannt ist) ein THT durchzuführen. ([Abb. 3]). Gegenüber dem Vorgehen bei Kindern unter 5 Jahren entfallen die sofortige TRU sowie die Einleitung einer Chemoprophylaxe (siehe 3.8.2.2).
Sofern ein THT durchgeführt wurde, ist bei initial positivem THT ein IGRA-Test als Bestätigung durchzuführen, um falsch-positive Ergebnisse, z. B. durch eine NTM-Infektion, auszuschließen. Falls der IGRA diskordant negativ ausfällt, sollte er 8 Wochen nach der letzten Exposition wiederholt werden. Bleibt er negativ, erfolgen keine weiteren Maßnahmen.
Kinder sind nach radiologischem Ausschluss einer Tuberkulose der Thoraxorgane präventiv bevorzugt kombiniert mit INH und RMP über drei Monate zu behandeln, wenn
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der IGRA-Test positiv reagiert oder
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ein initial negativer Test 8 Wochen nach der letzten Exposition in eine positive Reaktion umschlägt (THT- oder IGRA-Test-Konversion) und
-
eine multiresistente Tuberkulose bei der Indexperson ausgeschlossen wurde (siehe [84]).
Bietet aber bereits die klinische Untersuchung und/oder die TRU Anhaltspunkte für eine manifeste Erkrankung, sind weitere diagnostische Schritte zu veranlassen [84]. Falls im Rahmen dieser Untersuchungen eine Tuberkulose ausgeschlossen wird, kann nach den o. g. Ausführungen vorgegangen werden.
Bleibt ein initial negativer THT bzw. IGRA-Test 8 Wochen nach der letzten Exposition negativ, erfolgen keine weiteren Maßnahmen ([Abb. 3]).
Auch für Kinder dieser Altersgruppe kommt, wenn Faktoren für ein erhöhtes Infektions- bzw. Erkrankungsrisiko vorliegen (siehe 2.5), eine Chemoprophylaxe und ein Vorgehen nach 3.8.2.2 in Betracht ([Abb. 2]).
3.8.2.4 Kontaktpersonen ab 15 Jahren
Bei Personen ab einem Alter von 15 Jahren, auf die keine der in Absatz 3.8.2.1 genannten Eigenschaften zutreffen, sollte nach Bekanntwerden der Tuberkulose der Indexperson ein IGRA-Test vorzugsweise 8 Wochen nach der letzten Infektionsmöglichkeit, d. h. nach Ablauf der präallergischen Phase, durchgeführt werden, da ansonsten bei negativem Ergebnis ein Wiederholungstest erforderlich wird. Bei negativem Ausfall kann von weiteren Maßnahmen abgesehen werden.
Sofern die unter Punkt 3.8.2.1 genannten Voraussetzungen vorliegen, ist die Indikation zur umgehenden TRU großzügig zu stellen. Ergeben sich bei der klinischen Untersuchung und/oder der TRU Hinweise auf eine Tuberkulose, ist eine weitere Diagnostik erforderlich, selbst wenn der IGRA-Test negativ ausgefallen ist.
Bei positivem IGRA-Test wird nach Ausschluss einer Tuberkulose, sofern keine Kontraindikationen vorliegen, eine präventive Therapie empfohlen. Nach Behandlungsabschluss sollte eine TRU erfolgen, um eine sich eventuell trotz präventiver Therapie entwickelnde Tuberkulose auszuschließen.
Bei Kontaktpersonen, die 50 Jahre oder älter sind, müssen bei einer präventiven Therapie mit INH aufgrund des mit dem Lebensalter ansteigenden Risikos einer INH-Hepatitis oder anderer unerwünschter Arzneimittelwirkungen die Risiken einer Behandlung gegenüber dem Nutzen sorgfältig abgewogen werden. Im Falle einer präventiven Therapie der LTBI mit INH sollten daher engmaschige Kontrollen erfolgen [87].
Unter einer präventiven Therapie mit RMP, die wegen der kürzeren Behandlungsdauer zudem oft zu einer besseren Akzeptanz führt, liegt für eine altersabhängige Hepatotoxizität aber keine Evidenz vor, sodass auch bei über 50-jährigen Kontaktpersonen keine Beschränkung für eine Testung auf LTBI und eine präventive Therapie mit RMP besteht (siehe [45]). Allerdings ist mit zunehmendem Lebensalter immer eine Risiko-Nutzen-Abwägung anzustellen, da insbesondere Interaktionen mit anderen Medikamenten oder Kontraindikationen für eine präventive Therapie bestehen können. Zu Durchführung, Kontraindikationen und unerwünschten Arzneimittelwirkungen sei auf [45] verwiesen. Ist keine präventive Chemotherapie vorgesehen oder wird diese abgelehnt, kann bei diesen Kontaktpersonen statt eines IGRA alternativ umgehend eine TRU durchgeführt werden. Eine weitere TRU kommt dann spätestens am Ende des ersten Jahres in Betracht (siehe 3.8.2.6) ([Abb. 4]).
3.8.2.5 Chemoprophylaxe und präventive Therapie
Im Unterschied zur präventiven Therapie, bei der nachweislich infizierte Personen behandelt werden, soll bei exponierten Kontaktpersonen die Entwicklung einer LTBI bzw. einer Primärtuberkulose durch die Chemoprophylaxe verhindert werden. In erster Linie ist die Chemoprophylaxe bei Kindern unter 5 Jahren indiziert (siehe 3.8.2.2). Bei Kindern über 5 Jahren und Erwachsenen besteht nur in Ausnahmefällen eine Indikation zur Chemoprophylaxe. Sie kann aber in Einzelfällen altersunabhängig bei exponierten Kontaktpersonen, die eine angeborene, erworbene (HIV) oder medikamentös induzierte Immunschwäche haben, indiziert sein, um eine Infektion bzw. das Fortschreiten einer ganz frischen und daher noch nicht nachweisbaren tuberkulösen Infektion zu einer aktiven Tuberkulose zu verhindern. Die Chemoprophylaxe erfolgt beim Erwachsenen mit INH 300 mg täglich, sofern beim Indexfall keine Resistenz gegenüber INH bekannt ist. Über die Wirksamkeit anderer Chemoprophylaxe-Regime liegen keine Erkenntnisse vor [45].
In Abhängigkeit vom Ergebnis des THT bzw. IGRA-Tests (siehe 3.8.2.2) wird, sofern eine Infektion nicht stattgefunden hatte bzw. diese verhindert werden konnte, die Chemoprophylaxe beendet.
Falls durch einen positiven THT bzw. IGRA-Testbefund eine LTBI nachgewiesen wird, wird die Chemoprophylaxe als präventive Therapie über weitere 3 Monate in Kombination mit RMP fortgesetzt.
Bei Erwachsenen werden als präventive Therapie RMP (10 mg/kg/KG 1-mal täglich per os, maximale Tagesdosis 600 mg) für 4 Monate, RMP und INH als Kombinationstherapie (Dosierung analog zur jeweiligen Monotherapie) für 3 Monate oder INH (5 mg/kg/KG 1-mal täglich per os, maximale Tagesdosis 300 mg) für 9 Monate empfohlen. Kürzere RMP-haltige Therapieregime sollten bevorzugt werden [45]. Bei Kindern unter 15 Jahren (als Alternative zur bevorzugten Kombinationstherapie) wird RMP mit 15 mg/kg KG, maximale Tagesdosis 600 mg und INH mit 10 mg/kg KG, max. Tagesdosis 300 mg, dosiert [84].
Bei regelmäßiger Medikamenteneinnahme ist neben laborchemischen Verlaufskontrollen zum Ausschluss medikamentös bedingter Nebenwirkungen lediglich eine weitere TRU nach Therapieabschluss erforderlich, um eine sich eventuell trotz präventiver Therapie entwickelnde Tuberkulose auszuschließen (siehe [Abb. 2]).
Bei fehlender Akzeptanz einer chemoprophylaktischen bzw. präventiven Behandlung sollten die betroffenen Personen bzw. Sorgeberechtigten ausdrücklich über die potenziellen Symptome einer Tuberkulose und die Notwendigkeit, diese umgehend ärztlich abzuklären, informiert und dieses sorgfältig dokumentiert werden (siehe auch 3.6). Eine weitere klinische und ggf. radiologische Verlaufskontrolle sollte hier (ggf. auch bei unklarer Compliance) zumindest im Lauf des 1. Jahres nach Infektion erfolgen (siehe 3.8.2.6).
3.8.2.6 Radiologische Verlaufsbeobachtung
Nachuntersuchungen mit der TRU dienen dem Ziel, Tuberkulosen der Thoraxorgane in einem frühen Stadium festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Tuberkulose innerhalb des ersten Jahres nach einer Infektion mit MTB höher als im zweiten Jahr und deutlich höher als in den folgenden Jahren ist. So entwickelten im ungeimpften Studienarm einer BCG-Impfstudie 121 von 2.550 britischen Kindern (4,7 %) innerhalb von 15 Jahren nach Exposition eine Tuberkulose; hiervon entfielen 54 % auf das erste Jahr, insgesamt 82 % entwickelten sich binnen zweier Jahre [38]. In einer Untersuchung in NRW unter 1.876 Tuberkulosefällen traten 88 % der Folgefälle innerhalb des ersten und 97 % bis zum Ende des zweiten Jahres auf. Kinder und Jugendliche bis zum 14. Lebensjahr erkrankten als Folgefälle ausnahmslos innerhalb von 11 Monaten nach Diagnosestellung bei der Indexperson [27].
Unter Kosten- und Strahlenschutzgesichtspunkten kann die radiologische Verlaufsbeobachtung jedoch weder ausreichend engmaschig noch über einen ausreichenden Zeitraum durchgeführt werden. Daher ist es vertretbar, bei Kontaktpersonen, bei denen eine LTBI anzunehmen ist und die keine präventive Therapie durchgeführt haben, nach der initialen TRU bis zum Ende des ersten Jahres lediglich eine weitere Thorax-Röntgenaufnahme durchzuführen. Dies setzt aber voraus, Kontaktpersonen obligat über das mit einer LTBI verbundene Erkrankungsrisiko und mögliche Tuberkulosesymptome selbst nach Jahren mit dem Ziel einer sensiblen Wahrnehmung erster eigener Symptome aufzuklären (siehe 3.6), und dass eine Untersuchung für sog. Selbstmelder mit Tuberkuloseverdacht durchgeführt wird.
In speziellen Risikogruppen, z. B. bei Personen, die in Gemeinschaftsunterkünften für Wohnungslose wohnen, oder bei suchtkranken Personen, wird man wegen ungenügender Compliance häufig nicht davon ausgehen können, dass beim Auftreten von Symptomen tatsächlich eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht wird. Deshalb sollten bei Ausbruchssituationen in solchen Einrichtungen infizierte Kontaktpersonen, die keine präventive Therapie erhielten, über einen längeren Zeitraum (z. B. 2 Jahre) wiederholt geröntgt werden, um Folgeerkrankungen möglichst frühzeitig zu erkennen.
3.8.2.7 Nachtesten von engen Kontaktpersonen mit dem IGRA-Test
Bereits vor der Einführung des IGRA war das Phänomen der Konversion gut dokumentiert am Beispiel eines zuvor negativen THT (in den positiven Bereich oberhalb des jeweils gewählten Grenzwertes) bzw. umgekehrt die Reversion eines zuvor positiven THT (in dem als testnegativ bewerteten Bereich) bei wiederholtem Testen desselben Probanden in unterschiedlichen Kollektiven, wie z. B. beim seriellen Testen von Beschäftigten im Gesundheitswesen [88]. Neben einer im Einzelfall möglichen Elimination der mykobakteriellen Last oder einer auch nur vorübergehenden individuellen Verminderung der T-Zell-Reaktivität gegenüber mykobakteriellen Antigenen [89] kommt hier als Erklärung v. a. eine allgemeine testtheoretische Problematik bei Screeningtests mit suboptimaler Sensitivität und Spezifität, ungeachtet der Art der untersuchten Infektion bzw. Erkrankung, in Betracht [90].
In Abhängigkeit vom PPW und NPW des gewählten Tests und konstanter Sensitivität (Se) und Spezifität (Sp) ist bei seriellem Testen allgemein eine Konversionsrate von (1-NPW) (Se) + NPW(1-Sp) sowie eine Reversionsrate von PPW (1-Se) + (1-PPW)(Sp) zu erwarten [91]. Ist die Spezifität eines Tests hoch, steigt die zufallsbedingte Reversionsrate nach positivem Testergebnis mit abnehmender Infektionsprävalenz im untersuchten Kollektiv (siehe [Tab. 4]). Erwartungsgemäß werden daher wie beim THT auch beim Nachtesten von Kontaktpersonen mit positiven IGRA-Ergebnissen (sofort bis Monate nach dem ersten Test) immer wieder Reversionen beobachtet [92] [93] [94].
Infektions-Prävalenz (%) |
PPV (%) |
NPV (%) |
Erwarteter Anteil an Konversionen (%) |
Erwarteter Anteil an Reversionen (%) |
1 |
46,0 |
99,8 |
1,1 |
60,5 |
5 |
81,6 |
99,2 |
1,7 |
30,8 |
10 |
90,4 |
98,3 |
2,4 |
23,5 |
20 |
95,5 |
96,2 |
4,1 |
19,3 |
50 |
98,8 |
86,5 |
12,3 |
15,5 |
Aufgrund des fehlenden Goldstandards für die Detektion einer LTBI ist bei einem zweiten, jetzt negativen Testergebnis eine Unterscheidung zwischen einem zuvor falsch-positiven Ergebnis des initialen IGRA-Tests, einer zwischenzeitlichen Elimination von M. tuberculosis und einer zufallsbedingten Reversion nicht möglich.
Obwohl es Hinweise darauf gibt, dass besonders hohe IFN-Level beim QFT-Test oder eine hohe Zahl von „Spots“ beim T-Spot-TB mit einem höheren Progressionsrisiko zu einer späteren Erkrankung assoziiert sind [95] [96] [97], stellt dies nicht den Grenzwert in Frage, ab wann ein Test positiv ausfällt. Eine Einteilung der IGRA-Testergebnisse in „Schwach“- oder „Stark“-Positive und eine eventuelle Nachtestung nur der „Schwach“-Positiven zu einem willkürlich gewählten Zeitpunkt ist daher nicht sinnvoll. In einer südafrikanischen Kohortenstudie [98] waren von 5.347 Adoleszenten zwischen 12 und 18 Jahren zu Studienbeginn 51,4 % QFT- und 55,8 % THT-positiv. Das jährliche Reversionsrisiko binnen 2 Jahren für initial Testpositive (ohne präventive Therapie) betrug für den QFT 5,1 % und für den THT 4,1 %. Die Reversionsrate war bei QFT-Positiven mit höheren Wertebereichen (bis zu 7,58 IU/ml) zwar geringer, unterschied sich insgesamt jedoch kaum zwischen Testpositiven mit einem niedrigen QFT-Ergebnis zwischen 0,35–0,70 IU/ml (52 %) und anderen Testpositiven (48 %). Insgesamt war die Inzidenz einer späteren aktiven Tuberkulose (1,47 Fälle/100 Personenjahre) bei zunächst QFT-positiven Personen, die beim Nachtesten negativ wurden, 8-fach höher als bei denjenigen mit einem persistent negativen QFT.
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4 Sonderfälle
4.1 Umgebungsuntersuchungen in Schulen, Kindergärten und anderen Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche
Bei Auftreten eines Tuberkulosefalles in Schulen, Kindergärten etc. (§ 33 IfSG) hat es sich bewährt, unverzüglich nach Eingang der Meldung mit der Leitung der Einrichtung Kontakt aufzunehmen, um die erforderlichen Maßnahmen zu besprechen und die Vorgehensweise zu vereinbaren.
Die Sorgeberechtigten sind in geeigneter Form (Merkblatt, Gespräch, Elternabend, Telefon-Hotline, digitale Informationen) zu informieren und über typische Symptome der Krankheit aufzuklären[3]. Es wird empfohlen, mit Hilfe eines Fragebogens Informationen zum Kontakt und zur Anamnese zu erheben und sich die Kenntnisnahme für die ggf. notwendigen Untersuchungen durch die Sorgeberechtigten bestätigen zu lassen. Für die Untersuchungen selbst besteht Duldungspflicht (§ 25 Abs. 3 IfSG).
Die Ermittlungen sollten sich bei einer Schülerin bzw. einem Schüler mit ansteckungsfähiger Lungentuberkulose nicht nur auf die Klassenkameradinnen und -kameraden, sondern auch auf solche erstrecken, mit denen in Arbeitsgemeinschaften, auf Klassenfahrten, im Schulorchester, Chor etc. Kontakt bestand.
Geht von Lehrkräften, von zur Vorbereitung auf den Lehrerberuf in der Schule Tätigen oder Bewohnerinnen und Bewohnern eines Schulgebäudes die Ansteckungsgefahr aus, sollten alle, die von dieser Person unterrichtet wurden und mit ihr engen Kontakt hatten, sowie alle Kolleginnen und Kollegen entsprechend 3.8.2 untersucht werden.
Sollte eine den Schulbus fahrende Person als Indexperson gelten, wird empfohlen, alle Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig diesen Bus benutzen, in die Umgebungsuntersuchung mit einzubeziehen.
Die Auswahl der Kontaktpersonen sollte unverzüglich gemäß 3.8.1 erfolgen, um Infizierte (LTBI) zu entdecken und durch die Empfehlung einer chemoprophylaktischen oder präventiven Therapie und deren Durchführung durch niedergelassene Ärztinnen bzw. Ärzte Folgeerkrankungen zu verhindern.
An infektiöser Tuberkulose erkrankten Personen oder Krankheitsverdächtigen wird der Schulbesuch solange untersagt, bis die Untersuchungsergebnisse eine Weiterverbreitung der Erreger nicht mehr befürchten lassen (§ 34 Abs. 1 Nr. 8 IfSG). Dies ist nach den Hinweisen des RKI bei einer lege artis durchgeführten antituberkulösen Kombinationstherapie einer RMP-sensiblen Tuberkulose i. d. R. nach 3 Wochen der Fall, und wenn bei initial mikroskopisch positivem Befund aufeinanderfolgend 3 mikroskopisch negative Sputen vorliegen bzw. bei Kindern alternativ ein klinisches Ansprechen gegeben ist [99] [100]. Ein Schulverbot für Kontaktpersonen ohne Anhalt für das Vorliegen einer infektiösen Tuberkulose besteht nicht, auch wenn die Umgebungsuntersuchung noch nicht durchgeführt wurde. Bei Folgeinfektion oder -erkrankung im Schulumfeld ist ggf. eine Anzeige bei der zuständigen Unfallkasse zu veranlassen.
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4.2 Umgebungsuntersuchungen in Betrieben
In vielen Fällen reichen die Angaben der Indexperson über Kontaktpersonen am Arbeitsplatz aus. Wenn diese Angaben verweigert werden, unzutreffend oder ergänzungsbedürftig erscheinen, wird empfohlen, die Betriebsleitung sowie die Betriebsärztin bzw. den Betriebsarzt über die notwendigen Maßnahmen zu informieren, da genaue Kenntnisse der Betriebsorganisation erforderlich sind, um Möglichkeiten und Intensität des Kontaktes, wie in 3.8.1 beschrieben, abzuschätzen und um den Umfang der Umgebungsuntersuchungen festzulegen. Da eine arbeitsmedizinische Vorsorge wegen Infektionsgefährdung nur in Betrieben mit erhöhtem Infektionsrisiko vorgesehen ist (siehe 4.3), kann die Durchführung der Umgebungsuntersuchung nur im gegenseitigen Einverständnis an die für den Betrieb nach dem Arbeitssicherheitsgesetz verantwortliche betriebsärztliche Einrichtung delegiert werden.
Es empfiehlt sich, wenn mehr als zehn Personen betroffen sind, IGRA-Tests möglichst im Betrieb durchzuführen, und für Testpositive eine Freistellung für eine umgehende TRU zu erwirken, um weitere unerkannte Tuberkulosefälle rasch und kostengünstig auszuschließen.
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4.3 Umgebungsuntersuchungen bei im Gesundheitswesen Beschäftigten
Neben den Umgebungsuntersuchungen durch die Gesundheitsämter werden arbeitsmedizinische Vorsorgen von Betriebsärztinnen und -ärzten auf Kosten der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers anlassbezogen durchgeführt. Die Anlässe für eine Vorsorge sind in der Anlage der Arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) beschrieben [101]. Die ArbMedVV unterscheidet in Abhängigkeit von der Gefährdung zwischen Pflicht- und Angebotsvorsorgen. Beschäftigten im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege, die keinen regelmäßigen Kontakt zu an Tuberkulose erkrankten Personen oder infektiösen Materialien haben, muss die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber nach einem bekannt gewordenen Kontakt eine Angebotsvorsorge unterbreiten. Die Betroffenen können frei entscheiden, ob sie dieses Angebot wahrnehmen wollen, ob sie nur beraten werden möchten oder ob sie nach der Beratung auch einer Untersuchung zustimmen. Diese Entscheidungsmöglichkeiten wurden geschaffen, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht zu wahren und um die arbeitsmedizinische Vorsorge von der Eignungsuntersuchung abzugrenzen.
Beschäftigte, die regelmäßig an Tuberkulose erkrankte Personen versorgen, Sputumproben auf MTB untersuchen oder im Labor mit MTB forschen, werden entsprechend der Anlage der ArbMedVV regelmäßig, alle 1–3 Jahre, zu einer Pflichtuntersuchung einbestellt. Pflichtuntersuchung bedeutet, dass die Beschäftigten diesen Termin wahrnehmen und sich beraten lassen müssen. Wenn sie das verweigern, kann die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber sie nicht länger mit der gefährdenden Tätigkeit beauftragen. Zur Duldung einer klinischen Untersuchung, eines immunologischen Tests oder einer TRU sind die Beschäftigten jedoch nicht verpflichtet. Neben der frühzeitigen Erkennung einer Tuberkulose bei exponierten Beschäftigten erfolgen die arbeitsmedizinischen Vorsorgen mit dem Ziel, bei Bedarf eine präventive Therapie einzuleiten.
Laut § 5 Abs. 2 der ArbMeddVV in Kombination mit der Anlage Teil 2.2 ist eine Angebotsvorsorge indiziert, wenn als Folge einer Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen
a) mit einer schweren Infektionskrankheit gerechnet werden muss und Maßnahmen der postexpositionellen Prophylaxe möglich sind oder
b) eine Infektion erfolgt ist.
Bei der Exposition von Erwachsenen gegenüber MTB erfolgt keine postexpositionelle Chemo-prophylaxe; nach der Diagnose einer LTBI (b) jedoch eine Beratung bezüglich der präventiven Therapie.
Die freiwillige Teilnahme an einer Angebotsvorsorge bei Kontakt einer bzw. eines Beschäftigten mit einer Tuberkulose-Indexperson ersetzt dabei, wie die arbeitsmedizinische Pflichtvorsorge, die Umgebungsuntersuchung nach dem IfSG. Um Doppeluntersuchungen zu vermeiden, ist es sinnvoll, dass Betriebsärztinnen und -ärzte ihre Untersuchungen nach der ArbMedVV in Absprache mit dem Gesundheitsamt vornehmen und sowohl die Kriterien für enge Kontaktpersonen (siehe 3.8.1) als auch das entsprechende Untersuchungsschema dieser DZK-Empfehlungen anwenden. Bei Beschäftigten, die die Angebotsvorsorge nicht wahrnehmen, bleiben die Verpflichtung und die Berechtigung des Gesundheitsamtes zur Umgebungsuntersuchung nach dem IfSG unberührt. Das Gesundheitsamt ist berechtigt, die Befunde der durch die Betriebsärztin bzw. den Betriebsarzt durchgeführten Untersuchungen einschließlich der Information, ob eine präventive Therapie empfohlen und durchgeführt wurde, anzufordern. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig, wenn die korrekte Durchführung durch die Betriebsärztin bzw. den Betriebsarzt entsprechend dieser Empfehlung und die Meldung nicht durchgeführter oder abgelehnter Angebotsuntersuchungen an das Gesundheitsamt sichergestellt ist.
Eine LTBI nach einem Kontakt am Arbeitsplatz ist ein Arbeitsunfall [102]. Die Kosten für die präventive Chemotherapie können daher nach einer Unfallmeldung von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung übernommen werden. Für Beschäftigte, die von der Berufskrankheit BK 3101 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung abgedeckt sind, kann bei einer LTBI auch eine Berufskrankheiten-Anzeige von der Ärztin bzw. dem Arzt oder der betroffenen Person selbst gestellt werden. Die Kosten für die präventive Chemotherapie können dann im Rahmen des Präventionsauftrages der gesetzlichen Unfallversicherung zur Vermeidung der Entstehung einer Berufskrankheit (hier TB) erstattet werden. Von der BK 3101 abgedeckt sind vier Gruppen:
-
Beschäftigte im Gesundheitswesen
-
Beschäftigte in der Wohlfahrtspflege
-
Beschäftigte in medizinischen Laboren
-
Beschäftigte mit vergleichbar erhöhtem Infektionsrisiko.
Wird im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen oder der arbeitsmedizinischen Vorsorge eine Tuberkulose entdeckt, besteht bei diesen Beschäftigten für die Diagnostizierenden eine Pflicht, einen Verdacht auf Berufskrankheit entweder dem Gewerbearzt oder dem entsprechenden Unfallversicherungsträger zu melden.
Bei der Interpretation eines positiven IGRA-Ergebnisses sollte beachtet werden, dass die Prävalenz der LTBI bei Beschäftigten im Gesundheitswesen etwa doppelt so hoch ist wie bei Beschäftigten außerhalb [103]. Dies bedeutet, dass bei einer Umgebungsuntersuchung bei Beschäftigten im Gesundheitswesen ein größerer Anteil von Personen mit einer seit längerem bestehenden LTBI und somit einem geringeren Progressionsrisiko detektiert wird [104]. Da ein IGRA nicht in der Lage ist, zwischen alter und neuer Infektion zu unterscheiden, sollte auch berücksichtigt werden, dass bei bis zu 20 % der Beschäftigten im Gesundheitswesen bereits aus der Vorgeschichte ein positiver IGRA bekannt ist. Der Kreis der Beschäftigten für die Umgebungsuntersuchung oder die arbeitsmedizinische Angebotsvorsorge sollte daher auf enge Kontaktpersonen, wie oben beschrieben, begrenzt werden, und die Erstellung langer und undifferenzierter Kontaktlisten von Beschäftigten im Krankenhaus vermieden werden. Haben Beschäftigte, bei denen bereits früher schon eine LTBI durch einen positiven IGRA-Test gesichert wurde, erneut relevanten Kontakt zu einer an infektiöser Tuberkulose erkrankten Person, sind Röntgenkontrollen im Verlauf zu veranlassen.
Im Falle einer Umgebungsuntersuchung nach dem IfSG informiert das Gesundheitsamt die jeweilige Leiterin bzw. den Leiter der Einrichtung – in Krankenhäusern die ärztliche Leitung – von der Notwendigkeit der Umgebungsuntersuchung. Abgesehen vom Personal müssen enge Kontaktpersonen unter den Mitpatientinnen und-patienten ermittelt werden; auch an Beschäftigte privater Reinigungsfirmen oder an technisches Personal sollte gedacht werden. Eine Liste ist anzufertigen, aus der Namen, Geburtsdatum und Anschrift, Telefon und ggf. E-Mail-Adresse hervorgehen. In ihr können die Ergebnisse der Untersuchungen vermerkt werden, soweit diese im Krankenhaus stattgefunden haben. Die Liste erhält zuständigkeitshalber das Gesundheitsamt als Grundlage zur Planung der Umgebungsuntersuchung.
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4.4 Umgebungsuntersuchungen in Alten- und Pflegeheimen sowie Betreuungseinrichtungen
Bei Umgebungsuntersuchungen in Pflege- und Betreuungseinrichtungen steht mit dem IGRA-Test eine geeignete Alternative zur sofortigen TRU zur Verfügung, wobei bei der Auswahl der Kontaktpersonen, bei bettlägerigen Patientinnen und Patienten mit geringerem Übertragungsrisiko, die Verhältnismäßigkeit der Mittel berücksichtigt werden sollte. Testpositive Bewohnerinnen und Bewohner, die vor einem Röntgenstativ stehen können, erhalten anschließend eine TRU. Gehaltene Aufnahmen, bei denen sich Helfende während der Aufnahme im Kontrollbereich aufhalten, sind nicht zu empfehlen.
Es wird empfohlen, bei Bettlägerigen statt der TRU drei Sputumproben ggf. auch die Untersuchung von Magensaft zu veranlassen [5], auch wenn man damit in Kauf nimmt, die Tuberkulose erst im fortgeschrittenen Stadium entdecken zu können. Sofern dies nicht möglich ist, sollte eine klinische Überwachung durch die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt erfolgen. Bei symptomatischen Bewohnerinnen und Bewohnern ist im Einzelfall eine TRU im Liegen zu veranlassen.
Insbesondere in Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen kann es u. U. nahezu unmöglich sein, die verschiedenen Kontakte der zurückliegenden Monate in Wohngemeinschaften, Wohnheimen, Schule und Werkstätten zu ermitteln, sodass sich der zu untersuchende Personenkreis kaum sicher eingrenzen lässt [105]. Entsprechend großzügig sind die Angebote zu einer Untersuchung zu stellen. Die Umgebungsuntersuchungen richten sich für Bewohnerinnen und Bewohner sowie das Personal nach den o. g. Ausführungen. Es hat sich bewährt, die behandelnden Ärztinnen und Ärzte der im Heim Wohnenden über den Tuberkulose-Kontakt ihrer Patientinnen und Patienten zu unterrichten, um zu einer optimierten Fallfindung beizutragen. Gegebenenfalls bestellte gesetzliche Betreuende der Kontaktpersonen sind rechtzeitig zu informieren.
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4.5 Umgebungsuntersuchungen in Justizvollzugsanstalten (JVA)
Umgebungsuntersuchungen in Gefängnissen und ähnlichen Einrichtungen sind im Einvernehmen mit dem ärztlichen Dienst der jeweiligen JVA nach dem dargestellten Schema durchzuführen und auf die Beschäftigten der JVA auszudehnen. Bei der Durchführung von TRU sollte vermieden werden, dieselben Kontaktpersonen in recht kurzen Abständen wiederholt zu röntgen, wenn sie durch Kontakt zu verschiedenen Indexfällen innerhalb kurzer Zeit erneut Teil einer Umgebungsuntersuchung werden.
Konsequente ärztliche Untersuchungen, die Durchführung eines IGRA und einer JVA ohne Röntgenanlage sowie der duldungspflichtigen TRU (§ 36 Abs. 4 IfSG) bei der Aufnahme von Häftlingen in die JVA tragen dazu bei, Tuberkulosefälle frühzeitig zu erkennen sowie mögliche Übertragungen von MTB und damit Umgebungsuntersuchungen innerhalb der JVA zu vermeiden [104]. Gerade unter den beengten Verhältnissen einer JVA ist das Angebot zu einer präventiven Therapie bei positivem Test sinnvoll und i. d. R. gut durchführbar. Wird die Durchführung von notwendigen Untersuchungen durch Inhaftierte verweigert, ist in enger Abstimmung mit der JVA zu entscheiden, welche Maßnahmen sinnvoll und notwendig sein können.
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4.6 Umgebungsuntersuchungen bei Flugreisenden oder anderen Verkehrsmitteln
Grundsätzlich wird nach dem o. g. Schema verfahren, wobei nach den internationalen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Infektionsrisiko i. d. R. lediglich für Mitpassagiere desselben Kabinenabschnitts (Passagiere in derselben Reihe sowie 2 Reihen vor und 2 Reihen hinter der Indexperson) nach einer Flugdauer von mehr als 8 Stunden angenommen wird [106] [107]. Generell wird das Risiko, sich nach einer Exposition in einem Flugzeug mit Tuberkulose zu infizieren, als sehr niedrig eingeschätzt. Untersuchungen aller Mitreisenden einer Indexperson in Flugzeugen haben keine Evidenz für dieses Vorgehen erbracht [108] [109] [110]. Die Ermittlung der Kontaktpersonen sollte durch das für den Ankunftsflughafen zuständige Gesundheitsamt erfolgen. In der Kommunikation mit Behörden außerhalb Deutschlands im Rahmen einer internationalen Kontaktpersonennachverfolgung sollte darauf geachtet werden, alle Informationen zu übermitteln, die zur Einschätzung der Infektiosität des Indexfalles und für die Kontaktpersonennachverfolgung erforderlich sind (Informationen zum Indexfall, wie Ergebnisse der Labordiagnostik und Resistenztestung, radiologische Befunde, Symptomatik des Falles und Angaben darüber, ob sich enge Kontaktpersonen infiziert haben, sowie Informationen zum Flug, wie Airline, Flugnummer, Datum und Dauer des Fluges und Sitzplatznummer des Indexfalles).
Bei Langstreckenreisen mit anderen Verkehrsmitteln, wie Bus oder Bahn, ist, sofern Kontaktpersonen im Bus bzw. gleichen Zugabteil namentlich identifiziert werden können (z. B. Klassenfahrt), gemäß den vorherigen Ausführungen (siehe 3.8.1) zu verfahren.
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4.7 Ausbrüche
Umgebungsuntersuchungen mit mehreren Folgefällen können u. U. Screeninguntersuchungen (IGRA-Tests, THT) von größeren Gruppen der Bevölkerung notwendig machen, deren Bewältigung die personellen Kapazitäten des örtlich zuständigen Gesundheitsamtes übersteigt. In drohenden Ausnahmesituationen sind frühzeitig die übergeordneten Stellen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zu informieren, damit u. U. zusätzliches Fachpersonal zur Unterstützung abgeordnet werden kann. Ausbrüche sollten durch integrierte molekularbiologische Untersuchungen bestätigt werden.
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4.8 Maßnahmen bei an Tuberkulose erkrankten Tieren
Je nach Risikoeinschätzung sollte bei Personen, welche tuberkulosekranke Tiere betreuen, eine Infektion bzw. Erkrankung ausgeschlossen werden. Genauso müssen Tiere, die mit an infektiöser Tuberkulose erkrankten Personen in enger Gemeinschaft leben, beobachtet und bei Auftreten von Krankheitssymptomen auf Tuberkulose untersucht werden [111] [112]. Bei Ausbrüchen in Tierbeständen (infizierte Rinderherden) mit kulturellem Nachweis einer Lungentuberkulose ist die Durchführung von Umgebungsuntersuchungen bei exponierten Personen, z. B. Betreibenden, Mitarbeitenden und Angehörigen eines betroffenen Bauernhofs, analog zu engen Kontaktpersonen einer humanen infektiösen Lungentuberkulose in Zusammenarbeit von Veterinär- und Gesundheitsamt fachlich geboten. Diese Zusammenarbeit ist auch im TierGesG § 35 und im IfSG § 27 Abs. 3 gesetzlich verankert.
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5 Organisation
5.1 Aufforderungsschreiben und weitere juristische Maßnahmen
Nach Abschluss der Ermittlungen werden die Kontaktpersonen zu den notwendigen Untersuchungen im Gesundheitsamt aufgefordert. Das kann bei engen Kontaktpersonen auch umgehend telefonisch oder per Mail erfolgen, z. B. wenn Kinder in der Familie einer an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankten Person als Kontaktpersonen ermittelt wurden oder es bei einem an Tuberkulose erkrankten Kind um eine Quellensuche geht.
Das erste Schreiben sollte über die Notwendigkeit der Untersuchung Auskunft geben. Zweckmäßigerweise wird ein Merkblatt mit allgemeinen Informationen zur Tuberkulose[4] beigelegt. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieser Aufforderung gemäß gesetzlicher Grundlagen Folge zu leisten ist und die notwendigen Untersuchungen duldungspflichtig sind.
Erfolgt auf die erste Aufforderung innerhalb von zwei Wochen keine Reaktion, wird ein zweites Schreiben versandt, in dem ein deutlicher Hinweis auf die Bestimmungen des IfSG (§§ 25 in Verbindung mit § 16) und auf eine mögliche Geldbuße (§ 73 IfSG) gegeben wird.
Wird auf beide Schreiben nicht reagiert, ist zu prüfen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um der Aufforderung Nachdruck zu verleihen. Je höher das Infektions- und Erkrankungsrisiko nach den in 2.4 bis 2.6 genannten Faktoren einzuschätzen ist, desto größere Anstrengungen sind notwendig, um eine Tuberkulose insbesondere bei engen Kontaktpersonen auszuschließen. Dies gilt insbesondere für Kinder aus dem Haushalt einer Indexperson und für Personen mit einer hohen Frequenz sozialer Kontakte in Innenräumen, wie z. B. Lehrerinnen und Lehrer, Erziehende, Friseurinnen und Friseure sowie Gastwirtinnen und Gastwirte.
Als erste Maßnahme ist dann ein Hausbesuch, ggf. mit Dolmetschenden, durchzuführen. Führt dies nicht weiter, ist zu prüfen, ob ein Zwangsgeld angedroht oder verhängt werden kann. Darüber hinaus kann ein Bußgeld nach § 73 IfSG durch die zuständige Behörde verhängt werden. Weiterhin können Erkrankte und Krankheitsverdächtige nach § 28 IfSG individuell angepasste Auflagen erhalten und nach § 29 IfSG einer Beobachtung unterworfen werden. Nach § 31 IfSG kann ihnen die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagt, nach § 34 IfSG das Betreten der Räume, das Benutzen der Einrichtung und die Teilnahme an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung verboten werden.
Zur zwangsweisen Durchsetzung von Umgebungsuntersuchungen (Anforderung polizeilicher Vollzugshilfe durch das Gesundheitsamt) oder von Quarantänemaßnahmen (nur nach richterlichem Beschluss gemäß § 30 Abs. 2 IfSG) bestehen unterschiedliche Rechtsauslegungen [46] [47]. Generell ist die Durchführung von Ermittlungen nach dem IfSG Sache des Gesundheitsamts; hierzu gehören formal auch die notwendigen Untersuchungen zum Ausschluss einer LTBI bzw. einer Erkrankung. Maßnahmen im Sinne der §§ 28 und 30 f. sind Aufgabe der zuständigen Behörde, i. d. R. (je nach Landesregelung) der Ortspolizeibehörde bzw. des Ordnungsamtes. Das hierfür in Frage kommende Vorgehen sollte sehr sorgfältig gemeinsam mit den Juristinnen und Juristen der zuständigen Behörde abgewogen werden.
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5.2 Kosten
Die Kosten für die Durchführung der Ermittlungen und Untersuchungen der Kontaktpersonen (inkl. IGRA-Tests) sind aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten (§ 69 IfSG); die Finanzierung wird daher vom Gesundheitsamt übernommen. Bei Delegation von Teilen der Untersuchungen durch das Gesundheitsamt, z. B. an niedergelassene Kinderärztinnen und -ärzte, hat das Gesundheitsamt die Kosten zu erstatten. Die seit dem 1. Januar 2011 geltende Gebührenordnungsposition der Gesetzlichen Krankenversicherung (EBM-Abrechnungsziffer 32670) schließt in ihren Indikationen die Kostenübernahme für IGRAs bei Umgebungsuntersuchungen ausdrücklich aus. Werden betriebsärztlicherseits Umgebungsuntersuchungen als sog. Angebotsuntersuchungen gemäß der ArbMedVV (siehe 4.3) veranlasst, so trägt die jeweilige Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber die Kosten. Suchen Betroffene eine Ärztin bzw. einen Arzt ihrer Wahl auf, können die dabei entstandenen Kosten, auch für eine ggf. erforderlich werdende weiterführende Diagnostik zum Ausschluss einer Tuberkulose, nicht vom Gesundheitsamt übernommen werden (§ 19 IfSG).
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5.3 Kontrolle anderenorts durchgeführter Untersuchungen
Wird die Umgebungsuntersuchung anderenorts durchgeführt, bleibt grundsätzlich das Gesundheitsamt verantwortlich. Es legt die Art der Erstuntersuchungen und die zeitlichen Abstände der Folgeuntersuchungen fest.
Werden Umgebungsuntersuchungen durch eine andere medizinische Einrichtung als durch das Gesundheitsamt durchgeführt, muss es sich von der zeitgerechten Untersuchung im methodisch gebotenen Ausmaß und von der Vollständigkeit der Befunde überzeugen. Dazu fordert das Gesundheitsamt die Befunde an. Gemäß § 25 Abs. 2 IfSG in Verbindung mit § 16 IfSG sind Personen (Ärztinnen und Ärzte etc.), durch die Befunde erhoben wurden, verpflichtet, Auskunft zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.
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5.4 Qualitätssicherung durch molekulare Stammtypisierungsmethoden
Fragen zur endogenen Reaktivierung oder Super- bzw. Reinfektion, zur geografischen Herkunft der Erreger oder auch Zusammenhangsfragen bei Kleinepidemien können rückblickend durch molekulare Untersuchungsmethoden beantwortet werden und Aufschluss über Aus- und Weiterverbreitung der Tuberkulose in lokalen Risikogruppen geben [7] [113] [114]. Voraussetzung ist allerdings das kulturelle Wachstum von Tuberkulosebakterien im Untersuchungsmaterial.
Zur Aufdeckung epidemiologischer Zusammenhänge, insbesondere bei sog. „Ausbrüchen“, d. h. komplexen Transmissionsgeschehen oder größeren Infektionsketten, kann das Gesundheitsamt die Übergabe von Untersuchungsmaterial z. B. zum Zwecke der DNA-Genotypisierung der Tuberkulosebakterien (z. B. mittels Whole Genome Sequencing, WGS) anordnen und die Untersuchung veranlassen (§ 16 Abs. 3 IfSG). Mykobakterielle Kulturen des Labors sind gemäß DIN-Vorschrift ein Jahr aufzubewahren [102].
Da es trotz molekularbiologischer Identifizierung der epidemiologischen Klärung bedarf, ob z. B. ein Tuberkulose-Stamm von A nach B oder von B nach A weiterverbreitet wurde, hat sich an der Notwendigkeit konventioneller Umgebungsuntersuchungen nichts geändert. Allerdings eröffnet diese Untersuchungsmethodik die Möglichkeit, retrospektiv die Vorgehensweise des Gesundheitsamts bei der Auswahl der richtigen Kontaktpersonen durch Abgleich mit den im Rahmen der DNA-Genotypisierung festgestellten Zusammenhängen zwischen Indexperson und ggf. später erkrankten Kontaktpersonen zu überprüfen [115]. Es ist daher wünschenswert, die Genotypisierung von klinischen MTB-Isolaten möglichst flächendeckend auch im Rahmen von Umgebungsuntersuchungen einzusetzen.
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Interessenkonflikt
R. D. erhielt Honorare und/oder Reisekostenunterstützung für Vorträge bei Veranstaltungen, die von Hain Lifescience, Insmed, Mikrogen, Oxford Immunotec oder Qiagen gesponsert wurden. Alle weiteren Autorinnen und Autoren haben keine potenziellen COI angegeben.
Danksagung
Wir danken Frau Dr. Barbara Hauer (Robert Koch Institut, Berlin) für die Durchsicht des Manuskripts und ihre sehr hilfreichen Kommentare.
* federführend
1 Als Indexperson wird die an Tuberkulose erkrankte Person bezeichnet, die die Umgebungsuntersuchungen ausgelöst hat.
2 Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit, Referat 323 – Gesundheitssicherstellung, Rechtsfragen – vom 15.3.2010 an das DZK
3 Neben den digital verfügbaren Informationen können Informationsschriften und fremdsprachige Merkblätter beim DZK angefordert werden.
4 Siehe DZK-Informationsmaterialien, digitale Informationen, wie z. B. ExplainTB und DZK-FAQ-Bereich, und fremdsprachige DZK-Merkblätter.
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Literatur
- 1 Diel R, Loytved G, Nienhaus A. Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. et al. Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65: 359-378
- 2 RKI. Falldefinitionen des Robert Koch-Instituts zur Übermittlung von Erkrankungs- oder Todesfällen und Nachweisen von Krankheitserregern. 2019 Robert Koch-Insitut, Berlin. ISSN: 2363-7897
- 3 Empfehlungen des DZK zur Infektionsprävention (Überarbeitung 2023 im Druck). Verfügbar unter (Version 2011): https://www.dzk-tuberkulose.de/wp-content/uploads/2021/11/Infektionspraevention-bei-TB.pdf
- 4 Templeton GL, Illing LA, Young L. et al. The risk of transmission of Mycobacterium tuberculosis at the bedside and during autopsy. Ann Int Med 1995; 122: 922-925
- 5 Richter E, Andres S, Diel R. et al. MiQ 05 Tuberkulose/Mykobakteriose. München: Elsevier; 2019
- 6 Riley RL. The contagiosity of tuberculosis. Schweiz Med Wochenschr 1983; 113: 75-79
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Article published online:
03 August 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
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