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DOI: 10.1055/a-2116-6308
Positionspapier „Universitäre Karrierewege“
Liebe Leserinnen und Leser,
Universitäten spielen eine entscheidende Rolle in der Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung und Patient:innenversorgung. Sie unterliegen der großen Herausforderung, allen diesen Punkten gerecht zu werden. Mit dem vorliegenden Positionspapier zu universitären Karrierewegen möchten wir hierfür Leitplanken bieten. Der folgende Text entstand gemeinsam während eines Treffens der Autor:innen in ihrer Funktion als Vertreter:innen des universitären gastroenterologischen Nachwuchses in Deutschland. Vorab hatten wir alle Mitglieder der AG Junge Gastroenterologie (JuGa), die an Universitäten tätig sind, zur aktiven Teilnahme an diesem Prozess der Konsensbildung eingeladen. Unser Ziel ist es, mit diesem Positionspapier eine Diskussionsgrundlage zu schaffen, um die klinische, didaktische und wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung in der universitären Gastroenterologie weiterzuentwickeln. Wir sehen diesen Prozess als essenziell für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der Gastroenterologie an. Gemeinsam können wir dazu beitragen, die Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich kontinuierlich zu verbessern und sowohl den individuellen Bedürfnissen der Nachwuchskräfte als auch den Anforderungen der Gastroenterologie gerecht zu werden.
Präambel
Lehre, Forschung und Patientenversorgung sind die zentralen Aufgaben der Universitätsklinika. Für die Sicherstellung dieser Aufgaben ist die Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Aus- und Weiterbildung des universitären Nachwuchses erforderlich. Die Aus- und Weiterbildung an den Universitätsklinika sollte sowohl für inner- als auch für außeruniversitäre Karrierewege qualifizieren. Dabei sollten Lehre, Forschung und Patientenversorgung als gleichwertige Leistungsfelder angesehen und Ärzt:innen eine individuelle Schwerpunktsetzung in allen drei Bereichen offen gehalten werden.
Das Erreichen individueller Karriereziele bedarf in jedem Fall Eigeninitiative. Eine strukturierte Förderung des Nachwuchses ermöglicht Kolleg:innen in Weiterbildung wie auch gastroenterologischen universitären Abteilungen und letztendlich damit der Gastroenterologie langfristigen Erfolg. Strukturierte regelmäßige Weiterbildungsgespräche zur Schwerpunktsetzung und Evaluation des Fortschrittes sollten Teil der strukturierten Förderung sein. Dabei sollten mögliche Karrierewege und Aussichten transparent kommuniziert werden. In allen Karriere-Abschnitten und Bereichen sollen individuelle Arbeitszeitmodelle möglich sein.
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Lehre
Hochqualitative Lehre ist fundamental für die Ausbildung des gastroenterologischen Nachwuchses und stellt ein effektives Werkzeug dar, um Studierende für das Fach Gastroenterologie zu begeistern. Damit ist eine hochqualitative Lehre zentral für die Zukunft der Gastroenterologie.
Lehrende an einer Universität, inklusive Ärzt:innen in Weiterbildung, sollen für die Lehraufgaben, die sie übernehmen, zunächst adäquat in Hochschuldidaktik ausgebildet werden.
Tätigkeiten in der Lehre sind Arbeitszeit und sollen in der Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden. Die Lehre (inkl. vor- und nachbereitender Tätigkeiten) soll innerhalb der regulären Arbeitszeit stattfinden.
Eine regelmäßige strukturierte Evaluation der Lehre sollte stattfinden. Evaluationsergebnisse sollten transparent kommuniziert werden, um durch Feedback die Lehrleistung zu verbessern.
Wer einen Schwerpunkt in der Lehre anstrebt, sollte dafür angemessen unterstützt werden, beispielsweise durch eine zeitliche und finanzielle Förderung eines „Master of Medical Education“.
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Forschung
Allen universitär tätigen Ärzt:innen in Weiterbildung sollte ein potenzieller Einstieg in die Forschung ermöglicht werden. Hierzu sollten zu Beginn der universitären Weiterbildung Gespräche mit den Forschungsgruppenleiter:innen und Hospitationen in den verschiedenen Arbeitsgruppen angeboten werden. Im Falle einer konsensuellen Entscheidung für eine Forschungsgruppe sollte die wissenschaftliche Karriere geplant und strukturiert begleitet werden, wobei eine Habilitation angestrebt werden sollte.
Dabei ist zu beachten, dass Forschungszeit Arbeitszeit ist und entsprechend in der Personalbedarfsplanung berücksichtigt werden soll. Es sollte zudem über die tatsächlich abgeleistete Forschungszeit bei der Fakultät Rechenschaft abgelegt werden. Forschungszeit sollte (zumindest teilweise) als Weiterbildungszeit anerkannt werden.
Um die Forschungszeit im Dienstplan zu integrieren und geeignete Strukturen für geschützte Forschungszeit zu schaffen, können Clinician Scientist-Programme einen Baustein darstellen. Grundsätzlich sind strukturierte Programme zur wissenschaftlichen Ausbildung zu befürworten.
Regelmäßige Treffen mit dem/der Betreuer:in/Arbeitsgruppenleiter:in sollten Bestandteil der wissenschaftlichen Weiterbildung sein. Im Rahmen dieser Treffen sollten Ziele festgehalten und der eigene Entwicklungsstand reflektiert werden.
Die Vorstellung eigener Forschungsarbeiten auf Kongressen sollte persönlich erfolgen und unterstützt werden. Die Reisekosten und Kongressgebühren sollten von der Klinik übernommen werden, sofern nicht andere Mittel (z. B. Kongress-Stipendien) zur Verfügung stehen. Publikationskosten sollten von zentraler Seite übernommen werden. Ebenso sollten Kosten für notwendige Kurse und Qualifikationen im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit durch die Klinik übernommen werden.
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Weiterbildung
Die wesentlichen Positionen zur klinischen Weiterbildung sind unabhängig des universitären Kontextes gültig. Der Fokus dieses Positionspapiers konzentriert sich hauptsächlich auf die für die universitäre Karriere relevanten Aspekte. Grundsätzlich obliegt die Bereitstellung adäquater Möglichkeiten zur Erlangung der in der Weiterbildungsordnung geforderten Kompetenzen dem/der Ausbilder:in, die Erlangung der Kompetenzen selbst jedoch dem/der Weiterbildungsassistent:in.
Die Gastroenterologie ist aus Sicht der Autor:innen eines der breitesten internistischen Fächer. Die Gastroenterologie umfasst genuine Bereiche wie die luminale Gastroenterologie, Hepatologie und Pankreatologie. Sie spielt aber auch eine entscheidende Rolle in der interventionellen Endoskopie, der gastroenterologischen Onkologie, der Ernährungsmedizin, der Infektiologie/Immunologie und der internistischen Intensivmedizin. Um die Gastroenterologie in ihrer Vielfalt abzubilden und weiterzuentwickeln, sollten die Ausbildungsstätten Anstrengungen unternehmen, den Nachwuchs der Gastroenterologie für diese Aufgaben auszubilden.
Die für den Erhalt der Facharztbezeichnung notwendigen Rotationen sollten innerhalb der Mindestweiterbildungszeit angeboten werden. Die klinische Weiterbildung sollte entlang eines Rotationsplans erfolgen, welcher nach transparenten Regeln erstellt und für alle Beteiligten nachvollziehbar ist. Kolleg:innen in Teilzeit oder Elternzeit sollten gleichwertig bei Rotationen berücksichtigt werden – die Verantwortung für die Bereitstellung von Strukturen, die Weiterbildung auch in Teilzeit ermöglicht, obliegt den Ausbildungsstätten.
Eine adäquate Fehlerkultur ist fundamental für eine gute Patient:innenversorgung und sollte Teil jeder Ausbildung sein. Im Rahmen der klinischen Ausbildung kann es zu schwer belastenden Situationen sowohl in der Interaktion mit Mitarbeitenden, Angehörigen und Patient:innen kommen. Hierfür sollte die Ausbildungsstätte geeignete, strukturierte Unterstützungsangebote bereitstellen.
Assistent:innen in Weiterbildung sollte die Teilnahme an qualifizierenden Fortbildungsveranstaltungen finanziert und durch Freistellung ermöglicht werden. Die für die klinische Tätigkeit notwendigen Kurse und Qualifikationen sollen refinanziert werden.
Regelmäßige Visiten am Patient:innenbett mit Ober- und Chefärzt:innen dienen nicht nur der Patientenversorgung, sondern auch der Weiterbildung. Assistent:innen in Weiterbildung sollen engmaschig supervidiert werden. Evaluationen der Patientenzufriedenheit sollten dem Ärzt:innenteam zugänglich gemacht werden und der steten Verbesserung von Prozessen und individueller Leistung dienen.
Das Erlernen von Funktionsdiagnostik und Interventionen (Endoskopie, Sonographie etc.) sollte im Rahmen von Schwerpunktrotationen erfolgen. Für Sonographie, gastroenterologische Funktionsdiagnostik und Endoskopie sollte der Bereichsverantwortliche zu Beginn jeder Rotation eine Geräteschulung und einen Grundkurs anbieten. Der/die Ausbildende soll bis zum Erreichen einer hinreichenden Fachkompetenz des/der Weiterbildungsassistent:in während der Untersuchung persönlich anwesend sein. Es sollen regelmäßige Evaluationen der Kompetenzen in den Funktionsbereichen stattfinden.
Die Tätigkeit in Ambulanzen ist ein integraler Bestandteil der Weiterbildung. In den Hochschulambulanzen sollten die betreuten Patient:innen stets von einem zuständigen Facharzt oder Fachärztin mit den Weiterbildungsassistent:innen vor- und nachbesprochen werden.
Delegierbare ärztliche Tätigkeiten sollen wo immer möglich von nichtärztlichem Personal durchgeführt werden. Nicht-ärztliche Tätigkeiten sollen von nicht-ärztlichem Personal und nicht von Kolleg:innen in Weiterbildung durchgeführt werden.
Weiterbildungsassistent:innen sollten in geeigneter Form Einblick in ökonomische und ökologische Aspekte medizinischer Versorgung erhalten. Assistent:innen in fortgeschrittener Weiterbildung sollten Führungskräfteschulungen ermöglicht und finanziert werden. Vertreter:innen der Weiterbildungsassistent:innen sollten in strategische, prozedurale und finanzielle Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden.
Zusammenfassend setzen sich unsere Forderungen an die Aus- und Weiterbildung in allen drei Teilbereichen Lehre, Forschung und Patientenversorgung zu einem Idealbild zusammen, welches realisiert werden sollte. Dieses Positionspapier soll als konstruktive Grundlage für eine Verbesserung der Strukturen an Universitätsklinika dienen.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
11 August 2023
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