3 Diagnostik und Therapie der biliären Karzinome
3.1 Risikofaktoren, Prävention und Früherkennung
3.1.1 Risikofaktoren
4.1
Evidenzbasiertes Statement
geprüft 2023
Level of Evidence
2
Risikofaktoren für die Entwicklung eines intra- oder extrahepatischen Cholangiokarzinoms
sind:
Adipositas
Alkoholabusus
Choledochus-Zysten
Cholelithiasis
Chronisch bakterielle Cholangitis
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Chronische Hepatitis B-Virusinfektion
Chronische Hepatitis C-Virusinfektion
Diabetes mellitus
Leberegel
Leberzirrhose
Nichtalkolische Fettlebererkrankung
Parasitäre Cholangitiden
Primär sklerosierende Cholangitis
Rauchen
Rezidivierende pyogene Cholangitiden
Die Risikofaktoren sind in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet.
[519 ]
[520 ]
[521 ]
[522 ]
[523 ]
[524 ]
[525 ]
2: – 3 (Oxford 2011)
Starker Konsens
4.2
Evidenzbasiertes Statement
geprüft 2023
Level of Evidence
2
Risikofaktoren für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms sind:
Anatomische Anomalien der intra- und extrahepatischen Gallenwege
Cholelithiasis
Chronisch bakterielle und parasitäre Cholangitis
Diabetes mellitus
Gallenblasenpolypen
Porzellangallenblase
Primär sklerosierende Cholangitis
Die Risikofaktoren sind in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet.
[519 ]
[520 ]
[521 ]
[522 ]
[523 ]
[524 ]
[525 ]
[526 ]
[527 ]
2: – 3 (Oxford 2011)
Starker Konsens
Cholangiokarzinome (CCA, synonym maligne biliäre Tumoren) sind eine heterogene Gruppe
epithelialer Neoplasien, die meistens eine cholangiozytentypische Differenzierung
aufweisen [528 ]. Je nach anatomischer Lokalisation des Primärtumors werden intrahepatische (iCCA)
von extrahepatischen (eCCA) CCA und vom Gallenblasenkarzinom unterschieden. Extrahepatische
Tumoren werden weiter in perihiläre (synonym Klatskin-Tumor, pCCA) und distale CCA
(dCCA) aufgeteilt. Diese Unterscheidung ist aufgrund unterschiedlicher Risikofaktoren,
Unterschiede in Bezug auf molekulare und klinische Charakteristika und unterschiedlicher
Therapieansätze relevant [529 ]
[530 ].
In Deutschland wurden im Jahr 2016 etwa 5290 Menschen mit einem eCCA (etwa 68 %; darunter
etwa 11 % pCCA) oder einem Gallenblasenkarzinom (etwa 32 %) diagnostiziert. Hinzu
kommen etwa 2000 Patienten mit einem iCCA, die aufgrund der ICD-Kodierung als primäre
maligne Lebertumoren erfasst werden. Somit liegt die Gesamtinzidenz in Deutschland
bei mehr als 7000 Neuerkrankungen/Jahr (http://krebsdaten.de). Die Inzidenz in Deutschland
ist in den letzten 20 Jahren aufgrund der Zunahme des iCCA angestiegen. Mit zunehmendem
Lebensalter steigt das Risiko kontinuierlich an. In den letzten 20 Jahren ist die
Inzidenz des CCA bei Frauen, insbesondere durch die sinkende Gallenblasenkarzinom-Inzidenz,
leicht rückläufig.
Die Inzidenz der verschiedenen anatomischen Tumorlokalisationen variiert weltweit
erheblich, vermutlich aufgrund unterschiedlicher Prävalenzen von Risikofaktoren [531 ]. In Südostasien ist die CCA-Inzidenz höher als in anderen Ländern. Ein wichtiger
Risikofaktor dort sind parasitäre Infektionen mit Leberegeln wie Opisthorchis viverrini
oder Clonorchis sinensis, die zu chronischen Cholangitiden führen [532 ]
[533 ]. Infektionen mit Opisthorchis viverrini oder Clonorchis sinensis sind endemisch
in Südostasien und sind mutmaßlich jährlich für mehr als 7000 CCA-Neuerkrankungen
in dieser Region verantwortlich [534 ]. In westlichen Ländern spielen Leberegel-Infektionen als CCA-Risikofaktor keine
nennenswerte Rolle. Weitere etablierte Risikofaktoren mit deutlich höherer Inzidenz
in Südostasien sind eine Cholelithiasis, Choledochus-Zysten, ein Caroli-Syndrom und
rezidivierende pyogene Cholangitiden [531 ]
[535 ]. Kongenitale Anomalien, wie z. B. Choledochuszysten oder ein Caroli-Syndrom, weisen
ein hohes CCA-Risiko mit einer Prävalenz von bis zu 11 % auf [536 ]
[537 ].
Die primäre sklerosierende Cholangitis (PSC) ist in westlichen Ländern ein relevanter
Risikofaktor sowohl für intra- und extrahepatische Cholangiokarzinome als auch für
Gallenblasenkarzinome. Das kumulative 10-Jahresrisiko für ein Cholangiokarzinom bei
PSC liegt bei 9 % und ist damit deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung [538 ]. Ob bei PSC-Patienten Alkoholkonsum und Nikotin weitere Ko-Risikofaktoren darstellen,
ist weiter unklar. Ebenso bleibt unklar, ob eine chronisch entzündliche Darmerkrankung
ohne Vorhandensein einer PSC einen relevanten Risikofaktor darstellt [539 ]. Eine Leberzirrhose, eine chronische Hepatitis-C-oder Hepatitis-B-Virusinfektion,
Alkoholkonsum und Diabetes sind in westlichen Ländern wichtige Risikofaktoren für
die Entwicklung eines iCCA [524 ]
[531 ]
[540 ]. Insbesondere ist das Risiko für das iCCA bei Diabetes und/oder Adipositas erhöht
[96 ]. Bei nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD) ist das iCCA-Risiko leicht erhöht
[525 ]. Ebenso weisen Raucher ein gering erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines intra-
und extrahepatischen CCAs, jedoch nicht für ein Gallenblasenkarzinom auf [540 ]. Weitere etablierte Risikofaktoren sind eine Cholelithiasis und biliäre Zysten.
Das höchste Risiko sowohl für die Entwicklung eines iCCA als auch eines eCCA weisen
Patienten mit Choledochuszysten auf (relatives Risiko 26,7 bzw. 34,9) [541 ].
Frauen erkranken häufiger als Männer an einem Gallenblasenkarzinom. Der wichtigste
Risikofaktor für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms jedoch sind Gallensteine.
Etwa 70–90 % aller Patienten mit einem Gallenblasenkarzinom weisen eine Cholelithiasis
auf. Insbesondere findet sich eine hohe Gallblasenkarzinom-Inzidenz in der indigenen
Bevölkerung Nord- und Lateinamerikas und Neuseelands. Weitere wichtige Risikofaktoren
für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms sind ein höheres Alter, Adipositas,
eine familiäre Häufung und Gallenblasenpolypen [542 ]
[543 ]. Gallenblasenpolypen können eine Wachstumstendenz aufweisen und so schließlich entarten.
Genaue Daten hierzu sind jedoch aufgrund des langsamen Wachstums – oftmals über Dekaden
– schwer zu interpretieren [543 ]. In einer großen Kohortenstudie mit Langzeitverlauf zeigte sich eine Detektionsrate
neoplastischer Polypen (Adenom oder Gallenblasenkarzinom) von 1,7 % nach einem Jahr,
von 2,8 % nach 5 Jahren und von 4 % nach 8 Jahren nach erstmaliger Diagnosestellung
eines Gallenblasenpolypen [526 ]. Die Prävalenz von Gallenblasenpolypen in Deutschland beträgt bis zu 6 %. Die Adenom-Prävalenz
liegt unter 5 % [544 ]. Als Risikofaktoren für einen neoplastischen Polypen zeigten sich das gleichzeitige
Vorhandensein einer Cholelithiasis und die Polypengröße. Polypen mit ≥ 10 mm weisen
ein 24-fach erhöhtes Risiko für eine Malignität auf [526 ].
Ein weiterer Risikofaktor für ein Gallenblasenkarzinom ist eine chronische Entzündung,
verursacht durch Salmonella typhi bzw. parathyphi oder Helicobacter bilis [527 ]. Eine Besiedelung der Gallenblase mit Salmonella typhi bei Dauerausscheidern ist
mit einem 12-fach erhöhtem Risiko für die Entwicklung eines Gallenblasenkarzinoms
assoziiert [543 ].
Die als klassische Präkanzerose angesehene Kalzifizierung der Gallenblasenwand, die
sogenannte Porzellangallenblase, wird in der jüngeren Literatur als Risikofaktor für
ein Gallenblasenkarzinom differenzierter betrachtet [545 ]
[546 ]. Das relative Risiko für ein Gallenblasenkarzinom liegt bei 4,6 [547 ], und ist niedriger als in älteren Arbeiten angegeben [548 ].
3.1.2 Prophylaktische und therapeutische Maßnahmen zur Reduktion des Risikos der Entstehung
von biliären Karzinomen
4.3
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Gallenblasenpolypen bei Patienten mit PSC sollten regelmäßig sonographisch überwacht
werden. In allen Fällen sollte die Indikation zur Cholezystektomie diskutiert werden,
bei Polypen über 8 mm oder Größenprogredienz sollte aufgrund des erhöhten Karzinomrisikos
unter Berücksichtigung der Leberfunktion eine Cholezystektomie erfolgen.
Starker Konsens
Für die asymptomatische Bevölkerung ist eine CCA-Früherkennung aufgrund der niedrigen
Inzidenz nicht sinnvoll.
Gallenblasenpolypen treten bei bis zu 13,7 % der PSC-Patienten auf, das Risiko für
ein Gallenblasenkarzinom ist hoch und steigt mit zunehmender Größe. Die Empfehlung
zur Cholezystektomie ab einer Größe von 8 mm basiert auf einer retrospektiven Kohortenstudie
mit 57 PSC-Patienten [549 ]. Eine frühzeitige Cholezystektomie kann auch bei kleineren Polypen diskutiert werden.
Für detaillierte Empfehlungen zum Management von Patienten mit PSC wird auf die aktuelle
S2-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“ verwiesen [550 ].
4.4
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Patienten mit Gallenblasenpolypen ≥ 10 mm sollte unabhängig von der Symptomatik eine
Cholezystektomie angeboten werden.
Starker Konsens
Die Indikationsstellung zur Therapie bei Cholezystolithiasis und Gallenblasenpolypen
erfolgt gemäß der aktuellen S3-Leitlinie zur Prävention, Diagnostik und Behandlung
von Gallensteinen [548 ]. Aufgrund des deutlich erhöhten Malignitätsrisikos bei Polypen ≥ 1 cm Durchmesser
bei gleichzeitig vorhandener Cholezystolithiasis als weiteren Risikofaktor wird eine
Cholezystektomie unabhängig von der Symptomatik empfohlen. Bei fehlender Indikation
für eine Cholezystektomie wird ein individuelles Vorgehen, basierend auf dem Vorhandensein
von Risikofaktoren für neoplastische Gallenblasenpolypen (Alter > 50 Jahre, bekannte
PSC, Zugehörigkeit zu einer indigenen Population oder Vorhandensein eines sessilen
Polypen) in Analogie zu einem Delphi-Methode-basierten Expertenkonsens empfohlen [551 ].
4.5
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei Patienten ohne Risikofaktoren* für ein Gallenblasenkarzinom mit Nachweis eines
Gallenblasenpolypen von < 9 mm sollte eine sonographische Kontrolle in 6 Monaten (Polyp
6–9 mm) bzw. 12 Monaten (Polyp < 6 mm) erfolgen.
*Risikofaktoren für neoplastische Polypen: Alter > 50 Jahre, bekannte PSC, Zugehörigkeit
zu einer indigenen Population oder Vorhandensein eines sessilen Polypen
Konsens
3.1.3 Früherkennung
4.6
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei Patienten mit PSC sollte halbjährlich eine Bildgebung im Rahmen der Cholangiokarzinom-Früherkennung
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Im Gegensatz dazu besteht aufgrund des deutlich erhöhten CCA-Risikos bei Patienten
mit einer PSC ein hoher Bedarf für eine effektive Früherkennung. Daten, die einen
Überlebensvorteil einer CCA-Früherkennung bei Patienten mit PSC aufzeigen, fehlen
jedoch [550 ]. In vielen Zentren erfolgt heute bei Patienten mit gesicherter PSC eine CCA-Früherkennung
mittels Magnetresonanztomographie (MRT) und Magnetresonanzcholangiopankreatikographie
(MRCP) in 6- bis 12-monatlichem Abstand und zusätzlich die serielle Bestimmung des
Tumormarkers CA19–9 [552 ]. Für eine MRT/MRCP-basierte Früherkennung spricht eine hohe Sensitivität von 89 %
bei einer Spezifität von 75 %. Die Sensitivität des Ultraschalls ist niedriger, aufgrund
der Verfügbarkeit, der niedrigeren Kosten und der hohen Akzeptanz findet die Sonographie
jedoch breite Anwendung bei der Überwachung von PSC-Patienten [553 ].
Im Rahmen der Konsensuskonferenz wurde festgehalten, dass aufgrund der höheren Sensitivität
eine Abdomensonographie im Wechsel mit einem nativen MRT inklusive MRCP erfolgen sollte.
Hierbei soll sowohl die Leber als auch die Gallenblase mitbeurteilt werden.
3.2 Histopathologische und molekulare Diagnostik
3.2.1 Typisierung und Staging von biliären Karzinomen
4.7
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Vor oder im Rahmen einer Tumortherapie sollen Tumoren der Gallenwege und Gallenblase
histologisch oder ggf. zytologisch gesichert werden
Konsens
Aufgrund des Fehlens beweisender positiver bildgebender diagnostischer Kriterien ist
die histologische Sicherung der intrahepatischen Cholangiokarzinome grundsätzlich
erforderlich [Abb. 1 ]. Dies ist besonders relevant, da in der Mehrzahl der Cholangiokarzinome keine spezifische
chronische Vorerkrankung zugrunde liegt, sodass deren positive prädiktive Aussagekraft,
anders als z. B. beim HCC, nicht mit in Betracht gezogen werden kann. Dennoch treten
intrahepatische Cholangiokarzinome auch bei den zum HCC prädisponierenden chronischen
Lebererkrankungen und der Zirrhose vermehrt auf, sodass die Möglichkeit eines intrahepatischen
Cholangiokarzinoms, auch bei bildgebendem Verdacht auf ein HCC, differenzialdiagnostisch
zu berücksichtigen ist. Grund hierfür sind v. a. Fälle intrahepatischer Cholangiokarzinome,
welche die bildgebenden Kriterien eines HCC zeigen können. Umgekehrt können bei einzelnen
HCCs, insbesondere vom sklerotischen Subtyp, die bildgebenden Kriterien eines HCC
fehlen und zum Verdacht auf ein iCCA führen.
Abb. 1 Diagnosealgorithmus eines Patienten mit einem Verdacht auf ein Cholangiokarzinom.
[rerif]
Bei Tumoren der extrahepatischen Gallenwege kann die Sicherung eines invasiven Karzinoms
in Abgrenzung von entzündlich bedingten Veränderungen und nichtinvasiven prämalignen
Veränderungen problematisch sein, dies gilt besonders auch für die Abklärung dominanter
Stenosen bei der PSC. Die Sensitivität histologischer und zytologischer Verfahren
in der Detektion invasiver Karzinome der distalen Gallenwege ist derzeit noch begrenzt
und überschreitet auch im kombinierten Einsatz gemäß der meisten Untersuchungen nicht
60–70 % [554 ]
[555 ]. Zusätzliche Verfahren, wie FISH-Analysen und auch molekulare Analysen am Gallesekret
mögen in Einzelfällen unterstützende Informationen liefern, können aber weder die
histologische oder zytologische Diagnostik ersetzen, noch kann mangels entsprechender
Validierung ihr diagnostischer Einsatz derzeit generell empfohlen werden.
In Fällen einer anstehenden Resektion bei hochgradigem Verdacht auf ein Karzinom der
extrahepatischen Gallenwege kann angesichts der eingeschränkten Sensitivität zytologischer
und bioptischer Nachweise auf eine präoperative bioptische Sicherung zugunsten einer
umfassenden Aufarbeitung des Resektionspräparates verzichtet werden, wenn die Abwägung
der möglichen Vor- und Nachteile keine Verbesserung für den Patienten erwarten lässt.
Die Entscheidungsfindung sollte durch ein interdisziplinäres Tumorboard abgesichert
sein.
Bei nichtoperablen intra- und extrahepatischen Cholangiokarzinomen und Karzinomen
der Gallenblase soll vor Einleitung einer Therapie eine histologische Sicherung erfolgen,
wobei das hierbei gewonnene Gewebe in der Regel zusätzlich auch für eventuelle weiterführende,
z. B. molekularpathologische Untersuchungen ausreichen sollte und hierfür bei Bedarf
einzusetzen ist.
4.8
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die Typisierung der Karzinome der Gallenwege und der Gallenblase soll nach der anatomischen
Lokalisation (intrahepatisch, perihilär, distale Gallenwege, Gallenblase) und gemäß
der histologischen Differenzierung nach der aktuellen WHO-Klassifikation erfolgen.
Bei intrahepatischen Cholangiokarzinomen sollte eine Unterscheidung von „small duct“
und „large duct“ Typ erfolgen.
Starker Konsens
Klinisch, bildgebend und beim Staging werden die Karzinome der Gallenwege und der
Gallenblase gemäß der anatomischen Lokalisation des Ausgangstumors beschrieben [105 ]
[556 ]. Karzinome des distalen extrahepatischen Gallengangs liegen distal der Mündung des
D. cysticus in den D. choledochus. Karzinome der Gallenblase umfassen die Tumoren
der Gallenblase und des D. cysticus. Karzinome der perihilären Gallenwege umfassen
Tumoren des D. hepaticus dexter und sinister sowie des D. hepaticus communis. Intrahepatische
Cholangiokarzinome (iCCA) haben ihren Ausgang von den intrahepatischen Gallenwegen
proximal des D. hepaticus dexter bzw. sinister.
Gemäß der WHO-Klassifikation (5. Auflage) ist bei iCCA ein phänotypisch den kleinen
Gallengängen ähnlicher „small duct“ Typ von einem den Karzinomen der extrahepatischen
Gallengänge vergleichbaren, „large duct“ Typ zu unterscheiden [105 ]. Beide Tumortypen sind ätiologisch, molekular, histologisch, bildgebend und klinisch
in ihrer typischen Ausprägung verschieden, sodass ihre Unterscheidung von prognostischer
und zunehmend auch therapeutischer Bedeutung ist ([Tab. 8 ]
[105 ]
[553 ]
[554 ]
[555 ]). Diagnostisch können beide Tumortypen histologisch und ggf. immunhistologisch oder
aufgrund ihrer molekularen Eigenschaften unterschieden werden.
Tab. 8
Typische Merkmale der CCA-Subtypen.
Kriterien
Small-duct Type iCCA
Large-duct Type iCCA, distales CCA
Prädisponierende Erkrankungen
Chronische Hepatitis B/C, NASH, andere chronische Lebererkrankungen, (Zirrhose)
PSC, biliäre Helminthosen (C. sinensis, O. viverrini), Konkremente
Prämaligne Läsionen
unbekannt
BilIN, IPNB, MCN
Makroskopie
Primärknotenbildend („mass forming“)
Primärperiduktalinfiltrierend
Histologie
Zellreicher, weniger Stroma, kein Muzin, kohärenter wachsend
Tumorzellärmer, stromareich, (extrazelluläre) Muzinbildung; verstreutes Wachstum
Molekulare Veränderungen
FGFR2-TL, IDH1/2, BAP1, p53, KRAS ARID1A
KRAS, p53, ARID1B, SMAD4
SystemtherapeutischeZielstrukturen
Ergiebig; v. a. IDH1/2-Mut; FGFR-2-TLs, andere TLs (incl. NTRK), BRAF-Mut; MSIhigh
Weniger; BRCA-1/2-Mut; Her-2-Amp; MSIhigh
Differenzialdiagnostisch müssen iCCAs vor allem von Metastasen extrahepatischer Karzinome
in der Leber unterschieden werden. Metastasen sind in der Summe erheblich häufiger
als iCCAs, so dass die möglichst sichere Unterscheidung wichtig ist. Vor allem Metastasen
eines Pankreaskarzinoms aber auch anderer Karzinome (besonders Lunge, Magen, Mamma)
und seltener Metastasen neuroendokriner Neoplasien sind zu berücksichtigen. Eine definitive
Unterscheidung einer Lebermetastase eines exokrinen Pankreaskarzinoms (oder eines
Karzinoms der extrahepatischen Gallenwege oder Gallenblase) von einem iCCA (v. a.
„large duct“-Typ) ist an der Biopsie in den meisten Fällen weder histologisch noch
immunhistologisch sicher möglich, so dass die Diagnose im Kontext des klinisch-bildgebenden
Befundes zu stellen ist.
Ferner sollten bei gesicherter intrahepatischer Tumorlokalisation seltenere gemischte
Tumorformen (gemischt neuroendokrine/nichtneuroendokrine Neoplasien (MINEN) und kombinierte
Hepato-Cholangiokarzinome (c(ombined) HCC/CCA)) vom iCCA unterschieden werden. Das
früher dem cHCC/CCA zugeschlagene Cholangiokarzinom wird aufgrund neuer molekularer
Befunde [557 ], heute als Sonderform des iCCA klassifiziert. Solide wachsende iCCA sind insbesondere
vom sklerosierten Subtyp des HCC zu unterscheiden; hierfür sind in der Regel zusätzliche
immunhistologische Untersuchungen erforderlich (s. u.). Diese Unterscheidung ist auch
deshalb wichtig, da HCCs vom sklerosierten Subtyp auch bildgebend meist nicht als
HCCs erkannt werden. Seltener stellen die meist als Zufallsbefunde bei Laparotomien
erfassten Gallengangsadenome eine Differenzialdiagnose zu kleinen hochdifferenzierten
iCCA dar.
Karzinommetastasen in die distalen Gallenwege oder die Gallenblase sind extrem selten
und treten nicht isoliert und nur im terminalen Krankheitsstadium auf, so dass sich
diagnostisch bei gesicherter Lokalisation diese differenzialdiagnostische Frage nicht
stellt. Hier müssen die Karzinome ggf. von seltenen neuroendokrinen Neoplasien, mesenchymalen
und neuroektodermalen Tumoren unterschieden werden [558 ].
3.2.2 Zytologische und histopathologische Untersuchungen zur Diagnostik eines CCA,
eines Gallenblasenkarzinoms
4.9
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die Bearbeitung und Befundung eines Resektats soll die Ausdehnung des Tumors (Staging)
gemäß der aktuellen TNM-Klassifikation, seinen Typ (Typing) und Differenzierungsgrad
(Grading) und den Status des Resektatrandes (R-Klassifikation) sowie bei intrahepatischen
Cholangiokarzinomen den Status der nichttumorösen Leber ermitteln. Bei Präparaten
mit prämalignen Läsionen soll durch genaue Aufarbeitung ein möglicher Übergang in
ein invasives Karzinom abgeklärt werden.
Starker Konsens
Das pathohistologische Staging eines Karzinoms der Gallenwege hat unabhängige prognostische
Bedeutung und erfolgt gemäß der geltenden TNM-Klassifikation (derzeit 8. Auflage),
wobei für alle vier anatomischen Lokalisationen (intrahepatisch, perihilär, distal,
Gallenblase) eigene TNM-Klassifikationen existieren [559 ]. Zusätzlich zu den Hauptkriterien, sollten auch die Nebenkriterien Lymphgefäßeinbruch
(L), Veneneinbruch (V) und vor allem bei perihilären und distalen Cholangiokarzinomen
auch die Nervenscheideninfiltration (Pn) beurteilt werden. Bezüglich des Typings sollte
die aktuelle WHO-Klassifikation Berücksichtigung finden [105 ]
[556 ]. Das Typing hat prognostische und in einem Teil der Fälle (siehe z. B. molekulare
Diagnostik und gezielte Therapieansätze) prädiktive Bedeutung. Die prognostische Bedeutung
des Gradings ist nach bisherigen Daten gering; es existiert kein uniform akzeptiertes,
spezifisches Gradingschema für die einzelnen Cholangiokarzinomtypen und –lokalisationen,
sodass das allgemeine UICC-Gradingschema [559 ], ggf. gemäß der Anweisungen der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren [560 ], angewandt werden sollte. Insbesondere extrahepatische Cholangiokarzinome neigen,
vergleichbar zu exokrinen Pankreaskarzinomen zu periduktaler, lymphangischer, perineuraler
und vereinzelt auch diskontinuierlich erscheinender Ausbreitung, sodass an eine in-sano-Resektion
und die entsprechende histologische Aufarbeitung der gesamten Resektionsränder eine
hohe Anforderung besteht. Es wird daher wegen der Bedeutung für die Tumorrekurrenz
empfohlen, den genauen Abstand zum Resektionsrand (in mm) anzugeben und hierbei die
„R0 wide“ Definition (1 mm) zu beachten.
Biliäre intraepitheliale Neoplasien (BilIN), intraduktale papilläre Neoplasien der
Gallenwege (IPNB), Muzinös-zystische Neoplasien (MCN) und Adenofibrome sind benigne
Läsionen, die ein unterschiedlich hohes, jedoch signifikantes, malignes Entartungspotenzial
in ein Cholangiokarzinom aufweisen. Bei Vorliegen einer derartigen prämalignen Läsion
ist der Dysplasiegrad (niedrig, hoch) anzugeben und durch eine entsprechend ausreichende
makroskopische und histologische Aufarbeitung der Übergang in ein invasives Karzinom
auszuschließen.
Auch wenn sich bei der Mehrzahl der Cholangiokarzinome keine prädisponierende Grunderkrankung
eruieren lässt, bedingen chronische Lebererkrankungen und die Zirrhose, vergleichbar
dem HCC, ein erhöhtes Risiko auch an einem iCCA zu erkranken. Ferner kann der Status
der nichttumorösen Leber ggf. Prognose und Therapie beeinflussen und sollte daher,
wenn immer er ausreichend beurteilbar ist, diagnostisch festgehalten werden.
4.10
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die Diagnose eines Cholangiokarzinoms kann bei klarer Konstellation durch die konventionelle
Histologie gestellt werden.
In unklaren Fällen, insbesondere bei intrahepatischen Tumoren, soll die Diagnose durch
geeignete immunhistologische und oder molekularpathologische Untersuchungen abgesichert
werden.
Starker Konsens
In der Regel weisen Cholangiokarzinome ein duktales Wachstumsmuster und eine typischerweise
ausgeprägte tumorassoziierte Stromareaktion auf, wobei letztere beim iCCA vom „small-duct“
Typ geringer ausgebildet ist. Sowohl beim intra- als auch beim extrahepatischen Cholangiokarzinom
sind jedoch seltenere histologische Subtypen bekannt, die ein hiervon abweichendes
histologisches oder zytologisches Erscheinungsbild aufweisen. Die sichere Einordnung
dieser Sonderformen als Cholangiokarzinom und ggf. Unterscheidung von Tumoren anderer
Primärlokalisation kann zusätzliche Untersuchungen einschließlich des klinisch-bildgebenden
Ausschlusses eines extrabiliären Primärtumors erfordern.
Die Immunhistologie kann die Diagnose eines Cholangiokarzinoms unterstützen, wobei
es keine beweisende (liniendefinierende) immunhistologische Markerkonstellation gibt.
Die Positivität für K7, K19 und Ca19–9 legt eine pankreato-biliäre (d. h. eine dem
exokrinen Pankreas und den Gallenwegen entsprechende) Differenzierung in der Unterscheidung
von Metastasen anderer extrahepatischer Primärtumoren nahe. Ansonsten sollten die
entsprechenden immunhistologischen linientypischen Nachweise der in Frage kommenden
Differentialdiagnosen (bei HCC z. B. HepPar1, Arginase 1; bei anderen Adenokarzinomen
die für sie typischen immunhistologischen Marker) eingesetzt werden. Sollte bei einem
iCCA die Unterscheidung eines „large duct“-Subtyps von einem „small duct“-Subtyp histologisch
nicht mit der gebotenen Sicherheit möglich sein, können Spezialfärbungen (Muzin-Produktion),
Immunhistologie und in Ausnahmefällen auch die Molekularpathologie eine definitive
Zuordnung ermöglichen.
Eine relevante klinische Fragestellung ist das sog. Adenokarzinom-Carcinoma of Unknown
Primary (Adeno-CUP) der Leber [558 ]; hierunter versteht man ein für eine Metastasenleber typisches Bild, ohne dass sich
ein extrahepatischer Primärtumor definieren lässt. Tatsächlich können sich neben verschiedenen,
nichtdetektierten, extrahepatischen Primärtumoren (v. a. Pankreas, Gastrointestinaltrakt,
Lunge, Mamma) hinter einem Adeno-CUP auch ein unerkanntes iCCA verbergen. Da CUPs,
die sekundär einer definitiven Typisierung zugeführt werden können, wohl auch dank
zunehmend erweiterter Therapieoptionen, gegenüber CUPs, die eine Standard-Chemotherapie
erhalten, eine bessere Prognose aufweisen, sollte bei klinischer Relevanz die notwendige
histologische, immunhistologische und ggf. molekularpathologische Differenzialdiagnostik
durchgeführt werden.
3.2.3 Molekulare Diagnostik
4.11
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Cholangiokarzinome weisen potenzielle Zielstrukturen für eine molekular gesteuerte
Systemtherapie auf, die im geeigneten Kontext getestet werden sollten.
Starker Konsens
Karzinome der Gallenwege und der Gallenblase können molekulare Veränderungen aufweisen,
die Angriffspunkte für neue, teils zugelassene, teils in Zulassungsstudien befindliche,
gezielte Therapeutika darstellen. Art und Häufigkeit der Veränderungen unterscheiden
sich erheblich zwischen den verschiedenen Typen, so dass der präzisen morphologischen
Typisierung auch Bedeutung für die Ausrichtung einer evtl. molekularen Testung und
ggf. daraus abgeleiteten, therapeutischen Zielstruktur zukommt. Insbesondere das iCCA
vom „small duct“ Subtyp zeigt derartige molekulare Veränderungen in besonders hoher
Frequenz. Vor allem an spezialisierten Zentren wird zunehmend eine umfassende Testung
eingesetzt, um primär therapeutisch angehbare und studiengängige Zielstrukturen zu
erfassen. Die untenstehende [Tab. 9 ] fasst die wichtigsten Zielstrukturen zusammen.
Wir möchten an dieser Stelle zur detaillierten Aufarbeitung auf die S1-Leitlinie „Tumorgenetik
– Diagnostik im Kontext maligner Erkrankungen“ verweisen.
Tab. 9
Molekulare Alterationen beim small duct iCCA.
Molekulare Alteration
Häufigkeit (%)
Zulassung
RAS-Mutation
10–20
TP53-Mutation
20–30
FGFR2-Translokation
15–30
Zulassung
IDH1/2
10–20
Zulassung
ARID1A
5–15
BAP1
5–15
BRAF V600E
3–6
Zulassung bei anderer Entität
ERBB2
2–3
Zulassung bei anderer Entität
MSI-H (MLH1, MSH2, MSH6, PMS2)
1–2
Zulassung
NTRK1–3
< 1
Zulassung
NRG1
< 1
Zulassung bei anderer Entität
3.3 Bildgebende und endoskopische Diagnostik
3.3.1 Bildgebende und/oder endoskopische Untersuchungen zum Staging und zur Diagnosestellung
eines biliären Karzinoms
4.12
Konsensbasiertes Statement
geprüft 2023
EK
Die Sonographie wird häufig zur initialen Einschätzung bei V. a. auf ein biliäres
Karzinom verwendet.
Starker Konsens
Die abdominelle Sonographie wird meist initial eingesetzt zur Abklärung erhöhter Leberwerte
und ist in Endemiegebieten Südostasiens Methode der Wahl zum jährlichen Screening
auf biliäre Karzinome [561 ]. Das intrahepatische CCA ist meist iso- bis hypoechogen, gelegentlich ist zusätzlich
oder bei periduktal infiltrierendem Tumorwachstum als alleiniges Merkmal eine umschriebene
Gangdilatation stromaufwärts des iCCA darstellbar. In der Kontrastmittelsonographie
(CEUS) ist das Hyperenhancement uneinheitlich und abhängig von Tumorzelldichte und
Fibrose des Tumors sowie Entzündung und Fibrose in der umgebenden Leber [562 ]
[563 ]. In einer DEGUM-Multizenterstudie zeigte sich eine in der Tumorperipherie betonte
initiale Kontrastmittelanflutung bei 75 % der iCCA, mit früh-portalvenöser Auswaschung
vor allem im Tumorzentrum bei 85,8 % und Auswaschung in der Spätphase bei 92,9 % [564 ]. Das iCCA zeigt im Unterschied zum HCC häufig ein früh (< 60 Sekunden) beginnendes,
deutlich ausgeprägtes Auswaschen. In älteren Studien war die Pfortaderinfiltration
mit hoher Genauigkeit darstellbar [565 ]. Die Darstellung von Gallenblasenpolypen gelingt mit dem Ultraschall mit relativ
hoher Genauigkeit, die Differenzierung von malignen und nichtmalignen Polypen wird
in einem 2018 publiziertem Cochrane-Review mit einer Sensitivität von 0,79 und Spezifität
von 0,89 angegeben [566 ].
Neben der mittels Ultraschalles geäußerten Verdachtsdiagnose auf ein iCCA handelt
es sich auch oft um einen Zufallsbefund in aus anderen Gründen durchgeführten bildgebenden
Untersuchungen. Die bildgebenden Merkmale der iCCA sind oft suggestiv für die Diagnose,
aber nicht definitiv genug, um eine Biopsie überflüssig zu machen ([Abb. 1 ]).
Ein typisches kontrastverstärktes CT-Protokoll für die Diagnose und das initiale Staging
eines Cholangiokarzinoms umfasst eine arterielle Phase (20–30 Sekunden nach der Injektion),
eine portalvenöse Phase (60 Sekunden nach der Injektion) und eine Spätphase (mindestens
3 Minuten nach der Injektion) [567 ]
[568 ]
[569 ]. CT-morphologisch ist das typische Erscheinungsbild eine hypodense Leberraumforderung
mit unregelmäßigen Rändern in der nativen Phase, einem hypervaskulären Saum in der
arteriellen Phase und ein zunehmendes Enhancement in der venösen Phase und den Spätphasen
[570 ]. Mittels CT kann auch der Grad der biliären Obstruktion, der Kapselretraktion oder
der hepatischen Atrophie erkannt werden. Die dynamische CT-Untersuchung kann bei der
Unterscheidung zwischen iCCA und HCC helfen. Bis zu 81 % der iCCA sind durch eine
progressive Kontrastmittelaufnahme von der arteriellen zur venösen Phase und insbesondere
in der Spätphase gekennzeichnet. Dieser Effekt kann auf eine Fibrose zurückzuführen
sein, die das intravenöse Kontrastmittel zurückhält. Im Gegensatz dazu ist das HCC
durch eine arterielle Hypervaskularisation während der arteriellen Phase und einem
Auswaschen in der venösen Phase oder in der Spätphase charakterisiert. Einige kleine
iCCA können aber auch eine arterielle Hypervaskularisation aufweisen und können hierdurch
ein Hepatozelluläres Karzinom imitieren [571 ]
[572 ]. Die arterielle Phase hilft nicht nur bei der diagnostischen Unterscheidung zwischen
einem HCC und einem iCCA sondern auch bei der klareren Abgrenzung der vaskulären Anatomie
vor der chirurgischen Resektion [567 ]
[568 ]
[569 ].
Im Vergleich zur MRT ist die kontrastverstärkte CT nur begrenzt in der Lage, die Ausbreitung
des Tumors entlang der Gallengänge zu erkennen [573 ]. Die MRT zeichnet sich bei dieser Aufgabe durch ihren überlegenen Weichteilkontrast
aus und gilt daher als das bildgebende Verfahren der Wahl für die Diagnose und das
lokale Staging des Cholangiokarzinoms. Ihre Genauigkeit ist vergleichbar mit der Genauigkeit
der kontrastverstärkten CT und der direkten Cholangiographie in Kombination [573 ]. Ein optimales Protokoll für die Beurteilung von Cholangiokarzinomen sollte MRCP,
konventionelle T1- und T2-gewichtete abdominelle MRT-Sequenzen (einschließlich T1
„in- und out-of-phase“ Bildgebung), diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) und mehrphasige
kontrastverstärkte Sequenzen in der arteriellen, portalen, venösen und verzögerten
Phasen beinhalten [569 ]
[573 ]. Die dynamischen Sequenzen können zu vorher festgelegten Zeitpunkten oder mittels
Bolus-Tracking-Technik angefertigt werden [569 ]. In der MRT erscheinen iCCA in nativen T1-gewichteten Sequenzen hypointens und auf
T2-gewichteten Sequenzen hyperintens [574 ]
[575 ]
[576 ]. In T2-gewichteten Bildern kann sich auch eine zentrale Hypointensität zeigen, die
einem Fibrosegebiet entspricht. Dynamische kontrastverstärkte Sequenzen zeigen eine
periphere Hyperintensität in der arteriellen Phase, gefolgt von einer progressiven
und konzentrischen Auffüllung des Tumors mit Kontrastmittel. Das Kontrastmittelpooling
in der Spätphase ist ein Hinweis auf eine Fibrose und deutet auf ein iCCA hin.
Die Magnetresonanztomographie mit Cholangio-Pankreatographie (MRT/MRCP) ist hilfreich,
um das Gallengangssystem und die Gefäßstrukturen zu visualisieren und dadurch die
anatomische Ausdehnung des Tumors genauer zu bestimmen. Die MRCP ist eine kontrastfreie
MR-Technik. Hierbei wird der T2-gewichtete Kontrast zwischen Galle (langes T2) und
angrenzendem Gewebe (kurzes T2) durch die Verwendung stark T2-gewichteter Sequenzen
akzentuiert. Die dünne Multi-Slice-MRCP ermöglicht eine hochauflösende Visualisierung
über dreidimensionale Bilddatensätze [573 ]. Im Gegensatz zur endoskopischen retrograden Cholangiopankreatographie ist die MRCP
nichtinvasiv und erlaubt die Visualisierung der Gallenwege proximal einer Obstruktion
[569 ]. In Vorbereitung auf die MRCP sollen die Patienten mindestens 4 Stunden lang fasten,
um die Darmperistaltik und Magensekretion zu minimieren und die Gallenblasenauftreibung
zu maximieren. Negative Kontrastmittel können hinzugefügt werden, um das Flüssigkeitssignal
im Magen und Zwölffingerdarm zu reduzieren. Die DWI kann die MRCP bei der Erkennung
von Tumoren in erweiterten oder verschlossenen Gallengängen unterstützen, wenn eine
Kontrastmittelinjektion nicht möglich ist [573 ]. Es ist gut dokumentiert, dass die DWI die diagnostische Sensitivität der MRT für
das Cholangiokarzinom erhöht. Frühere Studien haben eine Überlappung der dynamischen
Kontrastverstärkungsmuster von kleinen raumfordernden intrahepatischen Cholangiokarzinomen
(< 3 cm) und Hepatozellulären Karzinomen dokumentiert [555 ]
[561 ]
[577 ]
[578 ]. In solchen Fällen kann eine diffusionsgewichtete Bildgebung, die bei einer Anzahl
verschiedener b-Werte im Bereich von 0–800 s/mm² durchgeführt wird, helfen, das iCCA
von HCC zu unterscheiden [579 ]
[580 ]
[581 ]
[582 ]. In ähnlicher Weise kann die DW-MRT helfen, benigne von malignen Strikturen zu unterscheiden,
was für die Diagnose periduktal infiltrierender Subtypen des iCCAs von entscheidender
Bedeutung ist [569 ]
[583 ]. Im Allgemeinen tendieren die ADC-Werte von iCCAs dazu, signifikant niedriger zu
sein als die des benachbarten normalen Leberparenchyms, wie es bei den meisten bösartigen
Lebertumoren der Fall ist. Die Dokumentation einer Reihe von ADC-Werten, die spezifisch
für iCCAs sind, wurde durch die große Variabilität der berichteten ADC-Werte eingeschränkt.
Diese Variabilität, die weitgehend auf technische Unterschiede der Bild-Akquirierung
zurückzuführen ist, hat Forscher veranlasst, sich für die Verwendung normalisierter
ADC-Werte zur optimalen quantitativen Charakterisierung von Leberläsionen, einschließlich
des iCCA, einzusetzen. Studien haben dennoch gezeigt, dass die DW-MRI im Vergleich
zu anderen MRT-Sequenzen trotz der hohen Varianz der b-Werte eine hohe diagnostische
Genauigkeit für iCCAs aufweist. In einer Studie waren alle Cholangiokarzinome bei
b = 0 s/mm² sichtbar, und die Mehrheit blieb bei der DW-MRT bei steigenden b-Werten
hyperintens, was darauf hindeutet, dass die Verwendung des früheren b-Wertes in MR-Protokollen
zur Erkennung von Cholangiokarzinomen in Betracht gezogen werden sollte. Dieselbe
Studie legte nahe, dass die Normalisierung auf das Leber-Hintergrundparenchym zu einer
minimalen Variabilität der ADC-Werte im Vergleich zu anderen Indexorganen wie der
Milz führte [580 ]
[581 ]. Der Grad der Diffusionsbeschränkung im DW-MRI kann als somit unabhängiger präoperativer
prognostischer Marker bei Patienten mit iCCA dienen. In einer anderen Studie zeigten
Patienten, bei denen weniger als ein Drittel des Tumors eine Diffusionsrestriktion
aufwies, im Vergleich zu Patienten, bei denen mehr als ein Drittel des Tumors eine
Diffusionsrestriktion aufwies, ein fortgeschritteneres baseline TNM-Stadium, eine
häufigere lymphatische Invasion und Lymphknotenmetastasen sowie eine häufigere stromale
Metaplasie. Sowohl das krankheitsfreie als auch das Gesamtüberleben waren in der ersten
Patientengruppe im Vergleich zur zweiten Gruppe signifikant niedriger [569 ]
[584 ]
[585 ].
4.13
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Zur initialen Diagnostik und zum Staging bei kurativer Intention eines Cholangiokarzinoms
sollen eine mehrphasische hepatische MRT-Untersuchung sowie ein kontrastverstärktes
CT des Thorax und des Abdomens* vorliegen.
*Wenn komplettes MRT-Abdomen vorliegt, muss kein CT des Abdomens ergänzt werden.
Level of Evidence
1
[586 ]
Konsens
Die Rolle der 18F-FDG-PET bei der Diagnose und dem Staging von Patienten von ICCAs
wurde bis dato kontrovers diskutiert. In einer neuen Metaanalyse wurde die Rolle der
18F-FDG-PET für Staging und Re-Staging bei insgesamt 2125 Patienten aus 47 Studien
untersucht [587 ]. Die Sensitivität und Spezifität der 18F-FDG-PET in der Initialdiagnose betrug je
91,7 % (95 % CI: 89,8; 93,2) bzw. 51,3 % (95 % CI: 46,4; 56,2); für einen Lymphknotenbefall
lag die Sensitivität bei 88,4 % (95 % CI: 82,6; 92,8) und die Spezifität bei 69,1 %
(95 % CI: 63,8; 74,1); für das Vorliegen von Fernmetastasen lag die Sensitivität bei
85,4 % (95 % CI: 79,5; 90,2) und die Spezifität bei 89,7 % (95 % CI: 86,0; 92,7).
Bei einem Verdacht auf ein Rezidiv betrug die Sensitivität 90,1 % (95 % CI: 84,4;
94,3) und die Spezifität 83,5 % (95 % CI: 74,4; 90,4). Somit weisen diese aktualisierten
Daten darauf hin, dass der Einsatz von 18F-FDG-PET für das Staging (Lymphknoten und
Fernmetastasen) und die Identifizierung von Rezidiven bei selektierten Patienten mit
CCA für die Therapiestratifizierung sinnvoll sein kann, insbesondere wenn die Identifizierung
okkulter Krankheitsherde das therapeutische Vorgehen verändern würde oder wenn die
Diagnose eines Rezidivs nach der Standard-Bildgebung weiterhin unklar bleibt. Insofern
kann der Einsatz der 18F-FDG-PET bei CCA nach interdisziplinären Tumorboardempfehlung
für Staging und Re-Staging indiziert sein.
3.3.2 Untersuchungsmethoden zur Darstellung der maximalen Ausbreitung des Tumors
4.14
Konsensbasiertes Statement
geprüft 2023
EK
Für die Erfassung der maximalen Ausbreitung des Tumors inklusive Gefäßinvasion soll,
wenn eine kurative Behandlungsoption besteht, mindestens ein dynamisches kontrastverstärktes
MRT eingesetzt werden.
Starker Konsens
Insbesondere vor kurativen Resektionen oder minimalinvasiven interventionellen Therapien
sind eine exakte Erfassung der maximalen Ausbreitung des Tumors sowie der Bezug zu
allen anatomisch wichtigen Strukturen unabdingbar.
Die MRT zeichnet sich bei dieser Aufgabe durch ihren überlegenen Weichteilkontrast
aus und gilt daher als das bildgebende Verfahren der Wahl für die Diagnose der maximalen
Ausdehnung des Cholangiokarzinoms [573 ]. Ein optimales Protokoll für die Beurteilung der maximalen Ausdehnung des Cholangiokarzinomen
sollte MRCP, konventionelle T1- und T2-gewichtete abdominelle MRT-Sequenzen (einschließlich
T1 „in- und out-of-phase“ Bildgebung), diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) und mehrphasige
kontrastverstärkte Sequenzen in der arteriellen, portalen, venösen und verzögerten
Phase beinhalten [569 ]
[573 ]. Für die weiteren Details siehe bitte auch das Kapitel „Welche bildgebenden und/oder
endoskopischen Untersuchungen müssen zum Staging und zur Diagnose eines biliären Karzinoms
durchgeführt werden?“ (Kapitel 3.3.1). Neben dem Einsatz der MRCP und diffusionsgewichteter
MRT-Sequenzen kann die Nachkontrastdarstellung mit traditionellen, extrazellulären
Kontrastmitteln auf Gadoliniumbasis (Gd-DTPA) oder Derivaten wie Gadoliniummethoxybenzyldiethylentriamin-Penta-Essigsäure
(Gd-EOB-DTPA) genauere Informationen bezüglich der Tumorausdehnung liefern.
Gd-EOB-DTPA kombiniert die Eigenschaften eines herkömmlichen extrazellulären Kontrastmittels
auf Gadoliniumbasis mit denen von hepatozytenspezifischen Kontrastmitteln. Frühere
Studien haben die Überlegenheit von Gd-EOB-DTPA beim Nachweis und bei der Charakterisierung
von Leberläsionen bei Patienten mit diffusen Lebererkrankungen dokumentiert. Da die
Nachkontrastsignalintensität der Leber bei Verwendung hepatozytenspezifischer Kontrastmittel
wie Gd-EOB-DTPA im Vergleich zu herkömmlichen extrazellulären Kontrastmitteln auf
Gadoliniumbasis höher ist, werden Cholangiokarzinome sowohl bei frühen als auch bei
verzögerten Phasensequenzen als hypointens sichtbar [588 ]. Dadurch entsteht ein scharfer Kontrast zwischen der Läsion und dem Leberhintergrund,
was eine genauere Beurteilung der Tumorausdehnung sowie das Vorhandensein assoziierter
Satellitenläsionen ermöglicht, die in 10–20n% der Fälle von metastasiertem CCA gesehen
werden [588 ]. Die erhöhte Sichtbarkeit von Cholangiokarzinomen in dieser Umgebung ist besonders
hilfreich für Patienten mit einem Hintergrund diffuser Lebererkrankungen, bei denen
metastasierte CCA nach Verabreichung traditioneller extrazellulärer Kontrastmittel
auf Gadoliniumbasis atypische Enhancement-Muster aufweisen können [569 ]
[589 ]. Bei der Gd-EOB-DTPA können auch die relative Signalintensität der Leber und die
Sichtbarkeit der Gallenwege auf der hepatobiliären Phase als quantifizierbare Surrogatmarker
der Gallenfunktion dienen. Gd-EOB-DTPA wird von Hepatozyten aufgenommen und in das
Gallensystem ausgeschieden. Eine verminderte Signalintensität der Hintergrundleber
und eine verringerte Sichtbarkeit der Gallenwege in der hepatobiliären Phase weisen
auf eine gestörte Gallenfunktion hin und korrelieren quantitativ mit dem Gesamtbilirubinspiegel
und könnten somit ein ergänzender Leberfunktionsparameter vor ausgedehnten Resektionen
sein [588 ].
3.3.3 Diagnostikalgorithmus
4.15
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Bei Verdachtsdiagnose auf ein Cholangiokarzinom soll eine Schnittbildgebung zur Beurteilung
der Tumorausdehnung verwendet werden.
Level of Evidence
1
[586 ]
Starker Konsens
Die Diagnose eines Cholangiokarzinoms basiert auf kontrastverstärkten bildgebenden
Untersuchungen und histologischen Analysen. Der Diagnosealgorithmus eines Patienten
mit Verdacht auf ein Cholangiokarzinom ist in der [Abb. 1 ] dargestellt. Aufgrund der erhöhten Ansprüche bezüglich der lokalen Tumorausdehnung
wird nach dem Staging des Thorax sowie Abdomens mittels CT ein je nach Subtyp spezifiziertes
MRT präoperativ empfohlen.
4.16
Konsensbasierte Empfehlung
neu 2023
EK
Bei unklaren Befunden in der Schnittbildgebung hinsichtlich der Tumorausbreitung präoperativ
oder Rezidivverdacht kann ein FDG-PET/CT nach Empfehlung durch das interdisziplinäre
Tumorboard durchgeführt werden.
Konsens
In ihrer 2019 publizierten Metaanalyse [590 ], hat Lamarca et al. den zusätzlichen Nutzen der Positronenemissionstomographie (PET)
mit dem Glukoseanalogon [18F]FDG (FDG) bei Patienten mit Cholangiokarzinom untersucht.
Insgesamt fasst diese Übersichtsarbeit 47 Studien mit 2125 Patienten zusammen. Hierbei
betrug die Sensitivität / Spezifizität der FDG-PET für die richtige Diagnose des Primarius
91,7 % / 51,3 %, für die Detektion einer Lymphknotenmetastasierung 88,4 % / 69,1 %
bzw. einer Fernmetastasierung 85,4 % / 89,7 %. Im Falle eines Rezidivs lag die Sensitivität
bei 90,1 % und die Spezifizität bei 83,5 %. Die Autoren berichteten, dass die Ergebnisse
der zusätzlichen FDG-PET bei 15 % der Patienten zu einer Änderung der Behandlung führten,
was vorwiegend auf ein Upstaging bei 78 % der Patienten zurückzuführen war. In einer
kürzlich publizierten retrospektiven Analyse konnte Kiefer et al. [591 ], nachweisen, dass die FDG-PET/CT bei Patienten mit CCA in 35 von 43 (81,4 %) der
Fälle zu einer Veränderung der geplanten Behandlung, in 27 von 43 (62,8 %) zu einer
wesentliche Veränderung im therapeutischen Konzept (Nicht-Behandlung vs. Behandlung
bzw. kurativer vs. palliativer Ansatz) führte. Insofern kann der Einsatz der FDG-PET
als Entscheidungshilfe bei der weiteren Therapiestratifizierung (OP vs. palliative
Behandlung) bzw. zur Bestätigung eines Krankheitsrückfalls dienen, wenn die Diagnose
nach der Standardbildgebung mit Ultraschall, CT oder MRT unklar bleibt, so dass der
Einsatz der FDG-PET nach entsprechender Beratung im interdisziplinären Tumorboard
in ausgewählten Fällen empfohlen werden kann.
3.3.4 Endoskopische Diagnostik
4.17
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
0
Der endoskopische Ultraschall kann zur Diagnose, lokalem Staging und Gewebegewinnung
beim biliären Karzinom verwendet werden.
Level of Evidence
1
[592 ]
Starker Konsens
Die endosonographiegestützte Feinnadelaspirationszytologie (EUS-FNA) hatte in einer
Metaanalyse von 6 Studien, die z. T. auch PSC-Patienten einschlossen, eine Sensitivität
von 66 % und eine Spezifität von 100 % für die Diagnose eines CCA [581 ]. Auch bei Fehlen einer Läsion in der Schnittbildgebung konnte noch eine Sensitivität
von 45 % erreicht werden. Bei Patienten mit negativer Bürstenzytologie konnte aus
drei Studien eine Sensitivität von 59 % (Spezifität 100 %) errechnet werden. Damit
ist die EUS-FNA eine valide Methode auch und insbesondere dann, wenn eine histologische
Bestätigung erforderlich ist. Einschränkend sei eine Studie erwähnt, bei der von 191
Patienten i.R. eines neoadjuvanten Therapieprotokolls vor Lebertransplantation bei
16 eine perkutane (n = 13) oder EUS-gesteuerte (n = 3) Gewebegewinnung erfolgte [593 ]. Bei fünf von sechs Patienten mit definitiv maligner Histologie traten peritoneale
(Stichkanal-)Metastasen auf (die Verteilung perkutan vs. EUS-FNA ist nicht aufgeführt,
vs. 14/175 ohne Biopsie). Dies konnte in einer jüngeren Studie an 150 Patienten, von
denen 61 präoperativ EUS-gesteuert biopsiert worden waren, nicht nachvollzogen werden
[594 ].
4.18
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Wenn im Rahmen einer ERCP der V. a. ein extrahepatisches Cholangiokarzinom gestellt
wird, sollte im Rahmen einer ERCP eine Zangenbiospie oder eine Bürstenzytologie entnommen
werden.
Starker Konsens
Die endoskopische Bürstenzytologie während der ERC hat in verschiedenen Studien eine
Sensitivität von 30–78 % [595 ]
[596 ]
[597 ], (Anm: Review, höchste und niedrigste Sensitivität, bei gleichen Werten jeweils
neueste) und eine Spezifität von 90–100 % [598 ]
[599 ]. Der positive Prädiktivwert lag bei 94–100 %, der negative Prädiktivwert jedoch
nur bei 8–62 % [599 ]
[600 ]. In einer Metaanalyse zu Studien, die die Bürstenzytologie und die transpapilläre
Biopsie verglichen, betrug die kombinierte Sensitivität und Spezifität der Bürstenzytologie
zur Diagnose einer malignen Gallengangsstenose 45 % (95 % CI: 40–50 %) und 99 % (98–100 %)
[555 ]. Bei Patienten mit PSC war in einer Metaanalyse zu 11 retrospektiven und prospektiven
Studien mit insgesamt 747 Patienten die Sensitivität der Bürstenzytologie für ein
CCA 43 % (35–52 %), die Spezifität 97 % (95–98 %) [601 ]. Damit sichert die Bürstenzytologie im Falle eines Nachweises die Diagnose eines
biliären Karzinoms, ist jedoch bei negativer Histologie nicht zum Ausschluss eines
biliären Karzinoms geeignet.
Die endobiliäre, transpapilläre Zangenbiopsie während der ERC hat in verschiedenen
Studien eine Sensitivität von 29–81 % [595 ]
[602 ]
[603 ], und eine Spezifität von 90–100 % [604 ]
[605 ]. Der positive Prädiktivwert lag bei 94–100 % [604 ]
[605 ], der negative Prädiktivwert jedoch nur bei 31–81 % [604 ]
[605 ].
In der bereits oben aufgeführten Metaanalyse [555 ], war die kombinierte Sensitivität und Spezifität der transpapillären Biopsie zur
Diagnose einer malignen Gallengangsstenose 48,1 % (95 % CI: 42,8–53,4 %) und 99,2 %
(97,6–99,8 %), lag somit geringgradig höher als die der Bürstenzytologie. Die diagnostische
Genauigkeit ist für CCAs etwas höher als für das Pankreaskarzinom, am ehesten aufgrund
des oberflächlicheren, somit besser zugänglichen Tumorwachstums des CCA. Ähnlich wie
für die Bürstenzytologie gilt für die Zangenbiopsie, dass bei positiver Histologie
die Diagnose eines biliären Karzinoms zwar gesichert ist, bei negativer Histologie
jedoch nicht ausgeschlossen werden kann. Gallengangsperforationen durch die Zangenbiopsien
wurden beschrieben [606 ]
[607 ], jedoch insgesamt nur selten berichtet.
Die Kombination von Bürstenzytologie und transpapillärer endobiliärer Zangenbiopsie
wurde in 6 Studien untersucht [555 ]. Sie kann die Sensitivität der Diagnose einer malignen Striktur mit einer kombinierten
Sensitivität von 59,4 % (53,7–64,8 %) erreichen, die Spezifität bleibt hoch (100 %
(98,8–100,0 %)). Somit wird die diagnostische Genauigkeit durch die Kombination beider
Verfahren zur Histologiegewinnung gesteigert, jedoch nicht in dem Maße, dass ein Ausschluss
eines Karzinoms durch die Histologie in sicherer Weise möglich ist.
4.19
Evidenzbasiertes Statement
geprüft 2023
Level of Evidence
1
Bei V. a. ein extrahepatisches Cholangiokarzinom kann durch Einsatz der Cholangioskopie
in Kombination mit visuell gezielter Biopsie die Sensitivität der Diagnose gesteigert
werden.
[608 ]
Starker Konsens
Die meisten Studien zum Einsatz der Cholangioskopie verwendeten die Single-Operator-Cholangioskopie
(mit SpyGlass). In einer systematischen Übersicht [608 ], wurden insgesamt 10 Studien identifiziert, die die Cholangioskopie mit visuell-endoskopisch
gezielter Biopsieentnahme bei Gallengangsstrikturen evaluierten. Die kombinierte Sensitivität
der so gewonnenen Histologie zur Diagnose maligner Strikturen war 60,1 % (95 % CI:
54,9–65,2 %) bei einer Spezifität von 98,0 % (96,0–99,0 %). Etwas bessere Werte ergaben
sich, wenn nur die Biopsien bei CCA ausgewertet wurden (Sensitivität 66,2 % (59,7–72,3 %),
Spezifität 97,0 % (94,0–99,0 %)).
Die Hinzunahme des visuell-endoskopischen Eindrucks konnte die Sensitivität erheblich
steigern (84,5 % (79,2–88,9 %)), allerdings zulasten der Spezifität (82,6 % (77,1–87,3 %)).
Letztlich sind die endoskopischen Kriterien für Malignität nicht abschließend evaluiert,
insbesondere vor dem Hintergrund entzündlicher Veränderungen (z. B. bei PSC). Interessant
ist der Einsatz der Cholangioskopie bei Strikturen mit zuvor nicht eindeutiger Histologie
durch Bürste u./o. Biopsie: Hier konnte dennoch mit einer Sensitivität von 67,3 %
(52,5–80,1 %) und Spezifität von 93,3 % (83,1–98,7 %) ein CCA diagnostiziert werden.
Bei direktem Vergleich zwischen Bürstenzytologie, Zangenbiopsie und Cholangioskopie
mit Biopsieentnahme war die Cholangioskopie den beiden anderen Verfahren in Sensitivität,
Genauigkeit und negativem Prädiktivwert signifikant überlegen [602 ].
Der Einsatz der nächsten Gerätegeneration oder die Verwendung der direkten peroralen
Cholangioskopie könnte theoretisch sowohl die endoskopische Visualisierung als auch
die Größe und Anzahl der Biopsien verbessern. Hierzu liegen noch keine vergleichenden
Studien mit älteren Cholangioskopen vor. Eine 2019 publizierte Studie hat randomisiert
die konventionelle Bürstenzytologie-Entnahme mit der digitalen Cholangioskopie mit
visuell gestützter Biopsie verglichen. Hier war die Sensitivität der Cholangioskopie-gesteuerten
Biopsie signifikant höher als die der Bürstenzytologie (68,2 % vs. 21,4 %), ebenfalls
die Sensitivität der visuellen Einschätzung (95,5 % vs. 66,7 %) und die Genauigkeit
insgesamt (87,1 % vs. 65,5 %) bei allerdings nicht gesteigertem PPV (positiv predictive
value) und NPV (negativ predictive value) [609 ]. Zusätzliche Methoden zur Verbesserung der Visualisierung biliärer Veränderungen,
wie die Chromoendoskopie, virtuelle Chromoendoskopie oder die Verwendung sondenbasierter
Endomikroskopiesysteme, sind in Einzelstudien gut evaluiert, jedoch nicht in der Routinediagnostik
verfügbar. Grundsätzlich sind all die genannten Verfahren der Bürstenzytologie, Biopsie
und Cholangioskopie auch perkutan, z. B. über einen PTCD-Zugang, einsetzbar.
4.20
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Patienten mit primär sklerosierender Cholangitis und Erstmanifestation einer dominanten
Stenose sollen mittels MRT/MRCP und ERCP/Histologie weiter abgeklärt werden.
Bei weiterbestehendem Verdacht auf ein CCA trotz negativer Diagnostik sollte eine
kurzfristige erneute Reevaluation, ggf. mit Wiederholung der Untersuchungen, oder
bei therapeutischer Relevanz eine Klärung im Rahmen einer explorativen Laparotomie
erfolgen.
Konsens
Zur Überwachung von Patienten mit PSC darf auf die „S2k-LL Autoimmune Lebererkrankungen“
[550 ], der DGVS verwiesen werden, die schreibt: „Die Unterscheidung der benignen von der
malignen Stenose ist eines der klinisch relevantesten Probleme bei Patienten mit PSC.
Es sollten möglichst verschiedene Verfahren angewendet werden, um den Verdacht eines
CCA weitestgehend zu bestätigen oder auszuschließen. Eine Cholangioskopie wird von
einigen Zentren insbesondere zur gezielten Gewebeentnahme favorisiert. Auch eine Wiederholung
bereits erfolgter Untersuchungen erzielt in manchen Fällen eine Diagnosesicherung.“
Eine ausführliche Aufstellung zur Genauigkeit der Bürstenzytologie zur Diagnose des
CCA bei Patienten mit PSC in Einzelstudien und in Reviews findet sich außerdem in
der ESGE-Leitlinie „Role of Endoscopy in Primary Sclerosing Cholangitis“ [610 ], ([Tab. 6 ], [7 ]), zusammenfassend s. unter Kapitel Bürstenzytologie. Interessant ist, dass in einer
deutschen Studie bei Patienten mit PSC diejenigen Patienten, die eine regelmäßige
Dilatation dominanter Stenosen erhielten, mit 5,3 % (n = 7) zwar nicht signifikant
(p = 0,1), aber möglicherweise doch relevant seltener ein CCA entwickelten als die
Patienten, die nur bei Beschwerden dilatiert wurden, mit 9,8 % (n = 15) [585 ]. Ob dies ein Effekt der verminderten Anzahl von Cholangitis-Episoden ist (im Sinne
einer Unterbrechung der Inflammations-Karzinom-Sequenz), muss abgewartet werden.
Bei hochgradigem Verdacht auf ein biliäres Karzinom (iCCA, pCCA, dCCA) und als resektabel
eingeschätztem Befund muss eine histologische Sicherung nicht regelhaft präoperativ
erfolgen, da ein fehlender Tumornachweis in der Histologie/Zytologie aufgrund der
niedrigen Sensitivität das therapeutische Vorgehen nicht verändert. Häufig wird die
Erstdiagnose eines pCCA oder dCCA bei der ERC zur Ableitung bei Cholestase gestellt,
dann kann ggf. eine Bürstenzytologie u./o. Zangenbiopsie zur Histologiegewinnung eingesetzt
werden. Sensitivität und Spezifität der Verfahren zur histologischen Sicherung in
Studien war in hohem Maße abhängig von der Prätestwahrscheinlichkeit der Studienpopulation
(z. B. PSC- vs. non-PSC-Patienten, Patienten mit unklarer Striktur vs. Patienten mit
jeglicher Striktur, symptomatische vs. asymptomatische Striktur, nur dCCA vs. dCCA
und Papillen- und Pankreaskarzinom). Bei unklaren Befunden kann die Cholangioskopie
mit endoskopisch-visuell gezielter Biopsieentnahme eingesetzt werden, die die diagnostische
Ausbeute erhöht (s. u.).
Bei Verdacht auf IgG4-assoziierte Cholangitis kann die bioptische Sicherung die probatorische
Einleitung einer spezifischen Therapie begründen. Bei Patienten mit PSC empfiehlt
die DGVS-Leitlinie „Autoimmune Lebererkrankungen“ bei dominanter Stenose eine histologische
Sicherung, bei weiterhin bestehendem Verdacht auf ein CCA trotz negativer Histologie
eine kurzfristige Reevaluation [550 ]. Vor Einleitung einer palliativen Chemotherapie ist die histologische Sicherung
der Tumorentität erforderlich, die im Rahmen einer ERC oder durch perkutane oder endosonographische
Punktion erfolgen kann (s. u.). Ob in Zukunft der Einsatz neoadjuvanter (Chemo-)Therapieansätze
häufiger eine histologische Sicherung auch bei resektablem Befund erforderlich machen
wird, bleibt aktuell ebenso spekulativ wie das Potenzial repetitiver Biopsien zur
Identifikation eines molekular gestützten Therapieansatzes in der palliativen Situation.
Hinsichtlich der histopathologischen Sicherung s. auch das Kapitel „Histopathologische
und molekulare Diagnostik“.
3.4 Operative und interventionelle Therapieverfahren
3.4.1 Resektion
4.21
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Eine Resektion eines pCCA, dCCA oder iCCA soll erfolgen, wenn eine komplette Resektion
(R0-Resektion) möglich erscheint.
Starker Konsens
Die radikale chirurgische Entfernung allen Tumorgewebes stellt gegenwärtig die einzige
kurative Behandlung des nicht fernmetastasierten iCCA und pCCA dar. Multifokalität
(bei iCCA), Lymphknotenmetastasen (N1) und eine Gefäßinvasion sind die wichtigsten
prognoserelevante Faktoren, stellen jedoch keine Kontraindikation dar, sofern eine
R0-Resektion erreichbar scheint [611 ]
[612 ]
[613 ]
[614 ]
[615 ]
[616 ]
[617 ]. Häufig erfordert die chirurgische Behandlung von iCCA und pCCA ausgedehnte Leberresektionen
[618 ]
[619 ]
[620 ]. Postoperativ sollte eine adjuvante Therapie erfolgen (siehe BILCAP-Studie (Capecitabine
compared with observation in resected biliary tract cancer)) [621 ]. Bei initial irresektablem oder sogenanntem borderline-resektablem iCCA kann nach
einer Downsizing Therapie eine Resektion erwogen werden [622 ].
4.22
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Eine Resektion eines Gallenblasenkarzinoms soll erfolgen, wenn klinisch keine Fernmetastasen
vorliegen (cM0) und eine komplette Resektion (R0-Resektion) möglich erscheint.
Starker Konsens
Die langfristige Prognose des Galleblasenkarzinoms ist insgesamt sehr schlecht, mit
einer 5-Jahre-Überlebensrate zwischen 5–15 %. Wenn der Krebs jedoch in einem frühen
Stadium erkannt und angemessen behandelt wird, können 5-Jahres-Überlebensraten von
75 % erreicht werden [623 ]
[624 ]. Es besteht ein internationaler Konsens darüber, dass die R0-Resektion der stärkste
prognostische Faktor für das Langzeitergebnis und die Heilungschancen bei Patienten
mit Gallenblasenkarzinom ist [624 ]. In diesem Zusammenhang bestimmt die Tiefe der Invasion durch die Gallenblasenwand
die chirurgische Standardbehandlung des Gallenblasenkarzinoms [623 ]
[624 ]
[625 ].
Bei Tis- und T1a-Tumoren ist eine Cholezystektomie ohne weitere Resektion erforderlich [624 ]. Beim Gallenblasenkarzinom der Kategorie ab T1b ist eine zusätzliche Leberresektion
mit systematischer Lymphadenektomie indiziert, sofern der Patient für die Operation
geeignet ist. Sowohl die Gallenblasenbettresektion, als auch die Segmentresektion
IVb und V sind ein onkologisch akzeptables Verfahren, vorausgesetzt, es wird eine
R0-Resektion durchgeführt. Eine erweiterte Hepatektomie ist in der Regel bei Patienten
mit lokal fortgeschrittenem Tumor mit biliärer und vaskulärer Beteiligung erforderlich,
um eine R0-Resektion zu erreichen [623 ]
[624 ].
Eine routinemäßige Resektion der Hauptgallengänge ist weder indiziert noch empfohlen,
da sie die postoperative Morbidität erhöht, die Anzahl der entfernten Lymphknoten
nicht erhöht und nicht mit einer Verbesserung des Gesamtüberlebens assoziiert ist.
Eine Gallengangsresektion ist nur in Fällen indiziert, in denen ein positiver zystischer
Ductusrand zum Zeitpunkt der ursprünglichen Resektion beseitigt werden muss, bei Gallenblasenkrebs
mit direkter Infiltration des hepatoduodenalen Ligaments und in Fällen mit intensiver
postoperativer Fibrose mit signifikanter Lymphadenopathie des hepatoduodenalen Ligaments,
um eine adäquate Lymphadenektomie zu ermöglichen [624 ].
Beim Gallenblasenkarzinom der Kategorie ≥ 1b erfordert die „Standard“-Lymphknotendissektion die Entnahme von mindestens 6 Lymphknoten
und umfasst N1 (zystische 12c, pericholedochale 12b, Hilusknoten 12 h, Knoten der
eigentlichen Leberarterie 12a) und N2 (peripankreatische 13a, periportale 12 p, periduktale
und gemeinsame Leberarterie). Eine Skelettierung der Leberarterie, der Pfortader und
des Gallenganges wird empfohlen. Das Befallen von Lymphknoten aus Truncus coeliacus
und para-aortal, sollte als M1-Krankheit betrachtet werden, und die Entnahme dieser
Lymphknoten ist nicht mit einem verbesserten Überleben assoziiert [624 ].
4.23
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Wird bei einer Cholezystektomie intra- oder postoperativ ein Carcinoma in situ (Tis)
oder ein Mukosakarzinom (T1a) festgestellt, sollte bei Vorliegen einer R0-Situation
(D. cysticus) keine Nachresektion erfolgen.
Starker Konsens
Das inzidentelle Gallenblasenkarzinom ist definiert als ein Karzinom, das bei der
histologischen Untersuchung der Probe nach Standard-Cholezystektomie entdeckt wird,
da frühe Gallenblasenkarzinome keine spezifischen Symptome aufweisen. Das inzidentelle
Gallenblasenkarzinom repräsentiert etwa 70 % der Gallenblasenkarzinome in nichtendemischen
Gebieten und tritt zwischen 0,2 % und 3 % der Patienten auf, die sich einer Cholezystektomie
unterziehen.
Ein Gallenblasenkarzinom der Kategorie T1a ist definiert als Karzinom, das auf die
Schleimhaut beschränkt ist, und T1b als Karzinom, das auf die Muscularis-Schleimhaut
beschränkt ist. Patienten mit einem auf die Schleimhaut beschränkten Karzinom (T1a
oder weniger) zeigten 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 100 % nach alleiniger Cholezystektomie.
Deshalb wird bei Patienten mit inzidentellem Gallenblasenkarzinom der Kategorie Tis
und T1a eine einfache Cholezystektomie empfohlen. Eine erweiterte Resektion ist nicht
erforderlich. [623 ]
[624 ]
[626 ]
4.24
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei intra- oder postoperativem Nachweis eines Gallenblasenkarzinoms der Kategorie
≥ T1b, soll bei kurativem Ansatz eine onkologische Resektion oder Nachresektion erfolgen.
Starker Konsens
Aktuelle Leitlinien für die Behandlung von inzidentellen Gallenblasenkarzinomen empfehlen
eine Nachresektion bei T1b-, T2- und T3-Läsionen, es sei denn, dies ist durch eine
fortgeschrittene Erkrankung oder einem schlechten Allgemeinzustandes des Patienten
kontraindiziert [624 ]
[627 ].
Es besteht Konsens, dass die R0-Resektion der stärkste prognostische Faktor für das
Langzeitergebnis und die Heilungschancen bei Patienten mit Gallenblasenkarzinom ist
[624 ]
[628 ]. Diesbezüglich zeigten Lee et al. in einer multivariaten Analyse bei Patienten mit
einem T1b-Tumor, dass die R1 / R2-Resektion und die Lymphknotenmetastasierung eine
schlechte Prognose signifikant vorhersagten, wobei die 1-Jahres-Überlebensrate bei
T1b-Tumoren, die sich keiner radikalen Exzision unterziehen, auf 50 % sank [629 ].
Die Reoperation sollte so früh wie möglich durchgeführt werden, sobald das endgültige
histopathologische Staging vorliegt, die Metastasenaufarbeitung abgeschlossen ist
und der Patient für die Reoperation geeignet ist, die je nach Überweisungszeitpunkt
und Krankheitsstadium 2–4 Wochen nach der Cholezystektomie erfolgen kann. Eine radikale
Reoperation wird für Patienten mit der Krankheit ≥ pT1b empfohlen. [624 ]
Eine radikale Cholezystektomie mit Lymphadenektomie sollte bei Patienten mit T1b-GBCA
empfohlen werden, bei denen kein erhöhtes Risiko für postoperative Komplikationen
besteht. [626 ]
[628 ]
Die Resektion der extrahepatischen Gallenwege ist die Standardoperation bei Gallenblasenkarzinomen,
die (makroskopisch oder mikroskopisch) den Hals der Gallenblase und/ oder den D. Cysticus
betreffen [624 ].
4.25
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei einem isolierten intrahepatischen Rezidiv eines CCA kann eine erneute Resektion
durchgeführt werden, wenn eine komplette Resektion (R0-Resektion) möglich erscheint.
Konsens
Nach Resektion eines iCCA kann bei einem auf die Leber beschränkten Tumorrezidiv ein
erneuter Resektionsversuch unternommen werden. Die Überlebensraten sind denen nach
Primäroperation vergleichbar [630 ]
[631 ]. Isolierte Rezidive eines perihilären Cholangiokarzinoms sind nur selten einer chirurgischen
Therapie zugänglich.
4.26
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Wenn Rezidive nach einer vorangegangenen Operation nicht erneut operativ versorgt
werden können, können diese mit thermischer Ablation behandelt werden, wenn hierdurch
eine komplette Ablation möglich erscheint.
Starker Konsens
Für die thermische Ablation bei iCCA Rezidiven nach Resektion konnten in mehreren
Studien gute Ergebnisse gezeigt werden [632 ]
[633 ]
[634 ]
[635 ]
[636 ]
[637 ]
[638 ]
[639 ]
[640 ]. Hier konnte in 2 kontrollierten Studien bei insgesamt 230 Patienten [633 ]
[634 ], bei vergleichbaren Patientencharakteristiken ein vergleichbares progressionsfreies
Gesamtüberleben von 31,3 Monaten für die Resektion versus 29,4 Monaten für die Ablation
[633 ], bei deutlich höherer Komplikationsrate für die Resektion im Vergleich zur Ablation
(13,8 %, vs. 5, 3 % in [633 ], und 46,9 % vs. 3,9 % in [634 ], erreicht werden. In einer weiteren Studie von Kim JH et al. [641 ], wurden insgesamt 20 Patienten mit 29 rezidivierenden iCCAs einer perkutanen RFA
unterzogen. Alle Patienten hatten sich einer kurativen Resektion des primären iCCA
unterzogen. Die Tumorgröße lag zwischen 0,7 cm und 4,4 cm in der maximalen Größe (Mittelwert
1,9 cm; Median 1,5 cm). Die technische Effektivität von der Ablation betrug 97 % (28/29)
der rezidivierenden iCCAs. Das mittlere progressionsfreie Überleben des lokalen Tumors
betrug 39,8 Monate, und die kumulative progressionsfreie 6-Monate- und 1-, 2- und
4-Jahres-Überlebensrate betrug 93 %, 74 %, 74 % und 74 %. Das mediane Gesamtüberleben
nach Ablation betrug 27,4 Monate und die kumulative Gesamtüberlebensrate von 6 Monaten
und 1, 2 und 4 Jahren betrug 95 %, 70 %, 60 % und 21 %. Es gab in dieser Fallserie
zwei Komplikationen (einen Leberabszess und eine biliäre Striktur, somit 7 % pro Behandlung)
während des Follow-ups, aber keine Todesfälle.
3.4.2 Lebertransplantation
4.27
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Eine Lebertransplantation für das iCCA soll außerhalb von Studien nicht erfolgen.
Starker Konsens
Derzeitig stellt das iCCA eine Kontraindikation für eine Lebertransplantation in den
meisten Ländern weltweit aufgrund früher Tumorrezidive und schlechten Überlebensraten
(5-Jahres-Gesamtüberleben zwischen 35 % und 47 %) dar [528 ]
[572 ]
[642 ].
Zu beachten ist, dass dies nicht immer Intention-to-Treat Analysen sind, sondern die
Diagnose eines iCCA vielfach erst nach der Lebertransplantation im finalen histologischen
Befund der Explantatleber gestellt wird, die Lebertransplantation jedoch ursprünglich
mit der Indikation eines HCCs durchgeführt wurde [643 ]
[644 ].
Im Fall eines iCCA < 2 cm (d. h. „sehr frühes“ iCCA) scheint die Lebertransplantation
jedoch mit ähnlichen Ergebnissen wie bei einem HCC innerhalb der Mailand-Kriterien
einherzugehen [645 ]. Dieses Konzept wurde durch eine weitere Studie validiert [646 ].
Lunsford et al. haben vor kurzem ein Protokoll für die Lebertransplantation bei Patienten
mit lokal fortgeschrittenem, inoperablem iCCA nach neoadjuvanter Chemotherapie erstellt.
Voraussetzung war eine dauerhafte Regression oder zumindest kein Tumorprogress unter
Chemotherapie. 6 von 21 rekrutierten Patienten wurden transplantiert und hatten eine
Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren von 83 % (5 der 6 Patienten), 3 davon ohne Rezidiv.
[647 ]
4.28
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
0
Bei irresektablem, nichtmetastasiertem pCCA, welches die Mayo-Kriterien erfüllt, kann
eine Lebertransplantation unter Studienbedingungen erwogen werden.
Level of Evidence
3
[648 ]
[649 ]
Starker Konsens
Mayo-Kriterien
IrresektablespCCA oder pCCA in PSC-Zirrhose
Tumor-Durchmesser < 3 cm
keine LK-Metastasen (obligate chirurgische Exploration)
keine extrahepatische Tumormanifestation
histologisch/zytologisch bestätigtes pCCA oder CA19–9 > 1000 kU/L mit Vorliegen radiologischer
Zeichen einer malignen Stenose
Die Lebertransplantation scheint bei irresektablen, nichtmetastasierten pCCA eine
valide Option mit vielversprechenden Ergebnissen (Gesamtüberlebensrate > 50 % nach
5 Jahren). Die Rolle der neoadjuvanten Therapie ist bislang nicht geklärt.
Die meisten Daten zur Lebertransplantation stammen aus den USA, u. a. aus dem Zentrum
mit der größten Erfahrung, der Mayo Klinik in Rochester [650 ]. In diesem Zentrum wurde ein neoadjuvantes Protokoll etabliert, das auf einer Kombination
aus Strahlentherapie (45 Gy external beam radiation mit ggf. intraluminaler Brachytherapie)
und Chemotherapie (5-FU über 3 Wochen gefolgt von Capecitabin) basiert. Lymphknotenmetastasen
stellen eine absolute Kontraindikation dar. Sie sollen im Rahmen einer explorativen
Laparotomie vor Lebertransplantation ausgeschlossen werden. Bis dato wurden mehr als
160 Patienten gemäß diesem Protokoll transplantiert mit einem 5-Jahres-Gesamtüberleben
zwischen 50 % bis 80 %, abhängig von verschiedenen Unter- und Risikogruppen [648 ]
[649 ]
[651 ]
[652 ]. Eine prospektiv-randomisierte Studie zum Vergleich Lebertransplantation versus
palliative Therapie existiert bislang nicht.
In einer Analyse von Mantel et al. von ELTR-Daten (105 Patienten mit pCCA) konnte
kein Nutzen durch eine neoadjuvante Therapie gefunden werden [653 ]. In einer Subgruppe von allerdings nur 28 Patienten, welche die Mayo-Auswahlkriterien
erfüllten (d. h. Tumor-Durchmesser < 3 cm, keine LK-Metastasen, keine extrahepatische
Erkrankung, histologisch bestätigtes pCCA oder CA19–9 > 100 kU/L mit Vorliegen radiologischer
Zeichen einer malignen Stenose), wurde keine neoadjuvante Therapie durchgeführt. Dennoch
wies diese Subgruppe eine 5-Jahres-Überlebensrate von 59 % auf. Die übrigen 77 Patienten,
die die Mayo-Kriterien nicht erfüllten, zeigten schlechte Ergebnisse mit einem 5-Jahres-Gesamtüberleben
< 20 % [653 ].
3.4.3 Interventionelle Therapieverfahren
3.4.3.1 Perkutane Ablation
4.29
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Lokale Verfahren (RFA/MWA) können nach Beschluss des Tumorboards durchgeführt werden,
falls keine Resektion möglich ist.
Starker Konsens
Grundsätzlich ist die thermische Ablation beim iCCA bis 3 cm Durchmesser möglich und
klinisch effektiv [654 ]
[655 ]
[656 ]
[657 ]
[658 ]
[659 ]
[660 ]
[661 ]
[662 ]
[663 ]. Mit modernen, effektiveren Ablationstechniken und in Kombination mit selektiver
Embolisation ist eine Ablation beim iCCA auch bis 5 cm Durchmesser in Analogie zum
Vorgehen beim HCC möglich [664 ]. Die thermische Ablation wird in den EASL guidelines mit einer Empfehlung C2 als
„kann Option“ für „kleine Läsionen, die nicht chirurgisch zugänglich sind“ aufgeführt
[665 ]. Es wird empfohlen, weitere klinische Studien durchzuführen“. Auch in den NCCN guidelines
V3–2019 ist die thermische Ablation als Therapie des irresektablen iCCA explizit genannt
[666 ].
Mehrere retrospektive Studien liegen vor, die den Wert der thermischen Ablation im
historischen Vergleich mit akzeptablen Überlebensraten zeigen. In der bisher größten
single center Studie mit 107 Patienten und 171 Tumoren [663 ], zeigte die Ablation bei primärem iCCA ein PFS nach 6, 12, 18 und 24 Monaten von
67,4 %; 41,5 %; 18,2 % und 8,7 % und ein OS nach 1, 3 und 5 Jahren von 93,5 %, 39,6 %
und 7,9 %. In einer Metaanalyse [656 ], betrugen die gepoolten 1-Jahres-, 3-Jahres- und 5-Jahres-Überlebensraten 82 % (95 %
CI: 72 %; 90 %), 47 % (95 % CI: 28 %; 65 %) und 24 % (95 % CI: 11 %; 40 %).
3.4.3.2 Intraaterielle Therapieverfahren
4.30
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
0
Beim fortgeschrittenen iCCA ohne extrahepatischen Befall, können intraarterielle Verfahren
ab der Zweitlinie oder additiv zur Chemotherapie, nach Vorstellung im Tumorboard,
erfolgen.
Level of Evidence
3
[667 ]
[668 ]
3: Aktuelle Recherche hierzu ist erfolgt, keine Änderung des Inhalts
Starker Konsens
Die arteriellen Verfahren sind in zahlreichen Studien evaluiert. Aufgrund der geringen
Patientenzahl des seltenen Tumors gibt es bisher weder für eine primäre noch für eine
sekundäre lokale Therapie randomisierte Studien, allerdings zahlreiche Kohortenstudien,
Metaanalysen und systematische Reviews. Auch in einer systematischen Recherche 2021
ergaben sich hier keine prospektiven Daten [667 ]
[668 ]. Die aktuellen Studien schließen hauptsächlich Patienten mit einem Befund der auf
die Leber begrenzt ist ein. Einzelne Subgruppen zeigen jedoch auch ein Ansprechen,
wenn ein extrahepatischer Befall vorliegt, der jedoch nicht Prognose bestimmend ist.
Im Tumorboard kann daher in Einzelfällen beim inoperablem iCCA auch bei extrahepatischem
Befall, der nicht Prognose bestimmend ist, eine intraarterielle Therapie in Erwägung
gezogen werden.
Als primäre Therapie werden selektive transarterielle Verfahren erwogen, falls bei
Patienten eine Kontraindikation für eine systemische Chemotherapie vorliegt, bzw.
eine systemische Chemotherapie abgelehnt wird. Als sekundäre Therapie werden TACE,
TARE und HAI allein bei Nichtansprechen oder kombiniert mit systemischer Therapie
in Einzelfällen diskutiert. In den von Bridgewater publizierten “Guidelines for the
diagnosis and management of intrahepatic cholangiocarcinoma" der International Liver
Cancer Association (ILCA) aus dem Jahr 2014 [572 ], wurde folgende Einschätzung getroffen: TACE und TARE zeigen in Einzelfällen ein
gutes Ansprechen mit vertretbarer Toxizität bei Patienten mit iCCA. Allerdings schließen
die Autoren zum damaligen Zeitpunkt, dass aufgrund einer unzureichenden Studienlage
noch keine allgemeine Empfehlung für diese Therapien ausgesprochen werden kann. Eine
Phase-III-Studie zu dieser Fragestellung ist nach wie vor nicht berichtet worden,
somit bleiben TACE und TARE derzeit Einzelfällen vorbehalten nach Besprechung im interdisziplinären
Tumorbord.
Die lokoregionäre Therapie wird in mehreren Metaanalysen als wirksam hervorgehoben.
Die TACE erreicht beim irresektablen iCCA allein ein medianes Gesamtüberleben von
12–17 Monaten und in Kombination mit systemischer Therapie einen zusätzlichen Überlebensvorteil
von 2–12 Monaten [588 ]
[590 ]
[591 ]
[592 ]
[593 ]
[599 ]. Cuchetti et al. [662 ], konnten in einer Metaanalyse bei Patienten mit „mass-forming“ iCCA (OS: 19,9 Monate),
bei TARE-naiven Patienten (OS: 24 Monate) und in Kombination mit systemischer Chemotherapie
(OS: 19,5 Monate) die besten Überlebensraten erreichen. Solitäre Tumoren haben nach
TARE ein höheres OS als multifokale Tumoren [663 ], (25 vs. 6,1 Monate [664 ]). Ähnliche Unterschiede zeigen sich zwischen gut und gering differenzierter Histologie
[664 ], (18,6 vs. 9,7 Monate [597 ]).
Yang et al. fassen in einem systematischen Review 20 Arbeiten zusammen, allerdings
konnte aufgrund der Datenheterogenität keine Metaanalyse durchgeführt werden. Dennoch
zeigt diese Arbeit, dass transarterielle Verfahren sicher und effektiv sein können
mit einem medianen Überleben von 12,4 Monaten nach TARE, interessanterweise trotz
33 % der Patienten mit extrahepatischen Manifestationen [666 ]. Aufgrund der Daten einer gepoolten Analyse von 12 Studien mit einem medianen Überleben
von 15,5 Monaten und einer Ansprechrate von 28 % erwähnt die 2016 erschienene ESMO-Leitlinie
[530 ], explizit auch die Möglichkeit einer TARE nach Versagen der Systemtherapie. In einer
multizentrischen Auswertung [669 ], in 5 Krankenhäusern zeigte sich kein OS Unterschied zwischen cTACE (13,4 Monate),
DEB TACE (10,5 Monate), alleiniger Embolisation (TAE; 14,3 Monate) oder TARE (11,3
Monate) (p = 0,46). Vergleichbare Daten zum OS bei TACE und TARE hat auch Boehm et
al. [659 ], in einer Metaanalyse berichtet, wobei hier die HAI zwar eine höhere Toxizität aber
auch ein signifikant längeres OS aufwies.
Ein interessantes neues interventionell-radiologisches Konzept stellt die Chemosaturation mit
einer Erhöhung der lokalen Dosis und Reduktion der Toxizität dar. Dieser Ansatz wird
derzeit in Studien evaluiert und könnte in Zukunft einen Fortschritt für Patienten
mit iCCA zeigen [670 ].
Sowohl mit TARE als auch mit HAI wurde in Studien [664 ]
[671 ]
[672 ], über Downstaging berichtet, das bei einigen Patienten eine R0-Resektion ermöglichte.
[673 ]. Dies bestätigt die Notwendigkeit der erneuten Beurteilung der Patienten nach intraarteriellen
Therapien in einem multidisziplinären Team bei gutem Ansprechen.
3.4.4 Endoskopische Therapieverfahren
3.4.4.1 Präoperative biliäre Drainagen
4.31
Konsensbasierte Empfehlung
modifiziert 2023
EK
Die Indikation für eine präoperative biliäre Drainage sollte interdisziplinär getroffen
werden.
Bei Vorliegen einer Cholangitis sollte eine präoperative biliäre Drainage umgehend
erfolgen.
Starker Konsens
Die Indikation zur biliären Drainage stellt sich entsprechend dem Behandlungsziel.
Hierbei kann eine präoperative biliäre Drainage (PBD) bei kurativ intendierter Resektion
oder eine palliative Drainage in Frage kommen. Darüber hinaus hängt die Behandlungsstrategie
von der Lokalisation des Gallenwegverschlusses (intrahepatisch, hilär, extrahepatisch)
ab. Ein weiterer Aspekt ist der Zugangsweg: Die biliäre Drainage kann grundsätzlich
perkutan-transhepatisch, transpapillär oder transgastrisch/transduodenal erfolgen.
Wenn eine kurativ intendierte Resektion möglich ist, ist diese die bevorzugte Behandlung
für Patienten mit hilärem oder extrahepatischem Cholangiokarzinom. Etwa 25 % bis 35 %
dieser Patienten sind Kandidaten für eine PBD beim hilären CCA. Die Frage der Indikationsstellung
zu einer PBD ist allerdings nicht abschließend beantwortet. Die Evidenz ist beschränkt
und fußt überwiegend auf retrospektiven Analysen und nur vereinzelt auf prospektiven
randomisierten Studien. Die Hyperbilirubinämie wurde in einer kürzlich veröffentlichte
single center Studie als wichtigster modifizierbarer Risikofaktor für das negative,
frühe postoperative Outcome des Patienten beobachtet [674 ]. Es werden hierbei unterschiedliche cut-off levels (orientierend an unterschiedlichen
Resektionsausmaßen) angegeben, eine ausreichende Evidenz für einen entsprechenden
Wert gibt es nicht. Andererseits kann eine PBD selbst das frühe postoperative Outcome
des Patienten negativ beeinflussen, bspw. durch Komplikationen der interventionellen
Therapie. Es wird zudem eine erhöhte Morbidität auch bei erfolgreicher Drainage gefunden
und bspw. eine Ursache im möglichen Einschleppen von Keimen in das Gallenwegsystem
durch die interventionelle Therapie vermutet. Unstrittig ist aber die Notwendigkeit
einer PBD wenn eine Cholangitis primär vorliegt.
Die PBD muss für das intrahepatische Gallengangskarzinom und das perihiläre Gallengangskarzinom
getrennt betrachtet werden. Intrahepatische Gallengangskarzinome gehen nur selten
mit einer Kompression der zentralen Gallenwegsstrukturen und einem Ikterus einher.
Eine präoperative Gallengangsdekompression ist in diesen Fällen daher nur vor ausgedehnten
Resektionen und Beteiligung der Gallenwege des „Future Liver Remnant“ erforderlich.
Auch die Frage nach dem technischen Vorgehen bei der präoperativen Drainage ist nicht
abschließend geklärt. Abgesehen von der lokalen Expertise im endoskopischen oder perkutanen
Vorgehen, liegen auch im Studiensetting widersprüchliche Ergebnisse vor. Dies betrifft
sowohl das Auftreten von Komplikationen durch die jeweilige Prozedur als auch die
Erfolgsraten, wobei diese bei der PTCD etwas höher zu sein scheint.
Es liegen zwei Metaanalysen mit bis zu vier retrospektiven nicht-randomisierten Studien
vor [675 ]
[676 ]. In diesen wird eine vergleichbare bzw. etwas höhere Morbidität nach ERCP im Vergleich
zur PTCD gefunden. Eine randomisierte Studie (Einschlusskriterien: Bilirubin > 2,9 mg/dl,
geplante erweiterte Leberresektion) wurde vorzeitig beendet, da in der PTCD-Gruppe
eine signifikant höhere (Gesamt)-Mortalität (41 % von 27 Patienten) als in der endoskopisch
gelegten Drainage-Gruppe (11 % von 27 Patienten) (p = 0,03) vorlag. Allerdings war
bei 56 % der Patienten zusätzlich zur endoskopisch gelegten Drainage eine perkutan
gelegte Drainage erforderlich. Zudem entwickelten 16 (59 %) Patienten nach PTCD eine
Cholangitis vs. 10 (37 %) nach ERCP [677 ].
Wahrscheinlich hat auch die jeweilige Expertise im Zentrum einen Einfluss auf das
Outcome bei PBD. In einer multizentrischen, retrospektiven Analyse aus China zeigte
sich im Vergleich einer ERCP vs. PTCD eine höhere periinterventionelle Morbidität
in der ERCP Gruppe [678 ]: Nach ERCP hatten 37 % der Patienten eine Cholangitis und 17 % eine Pankreatitis
gegenüber von 22 % mit Cholangitis und 2 % mit Pankreatitis nach PTCD-Anlage.
Die in Japan bevorzugt gelegte nasobiliäre Drainage erscheint in westlichen Ländern
wenig praktikabel [679 ], zudem scheint sie keinen Vorteil gegenüber einer Plastikstentanlage zu bieten [680 ].
Das Risiko einer Tumorzellverschleppung durch den Zugangsweg der Drainage ist zwar
selten, wird nach PTCD aber beobachtet – nicht aber nach endoskopischer Therapie [681 ]
[682 ].
Vor Augmentationsverfahren der Leber (z. B. Pfortaderembolisation) sollte zumindest
eine biliäre Drainage des zukünftigen Restlebergewebes (Future Liver Remnant) erfolgen
[683 ]. Die Drainage des zu entfernenden Lebergewebes hat nur einen geringen Einfluss auf
die Hypertrophieinduktion [684 ].
Zusammenfassend sollte die Indikation zu einer PBD in einem hepatobiliären Zentrum
erfolgen; hier ist eine interdisziplinäre Planung der Behandlung unter Einschluss
des chirurgischen, des interventionellen/endoskopischen und radiologischen Behandlers
möglich. Die interventionelle Therapie muss hierbei auch durch alternative Drainagewege
möglich sein, da eine primär insuffiziente Drainage nicht selten ist und dann eine
alternative Therapiestrategie ergriffen werden muss.
Ergänzende Literaturübersicht s. Anhang ([Tab. 11 ]: Übersicht über Literatur zur präoperativen biliären Drainage (PBD))
3.4.4.2 Palliative biliäre Drainage
4.32
Konsensbasierte Empfehlung
modifiziert 2023
EK
Eine palliative biliäre Drainage soll Patienten mit symptomatischem Gallenwegsverschluss
angeboten werden.
Eine palliative Drainage sollte in einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden, da
hier auch alternative Drainageverfahren zur Verfügung stehen.
Starker Konsens
Die interventionelle Drainage des Gallenwegsystems bei malignem Gallenwegsverschluss
ermöglicht eine Symptomverbesserung, eine Verbesserung der Leberfunktion und die Behandlung
einer Cholangitis. Mit einem dieser Therapieziele ist eine palliative biliäre Drainage
bei biliären Karzinomen angezeigt. Die interventionelle Vorgehensweise ist hierbei
abhängig von der Lokalisation des Verschlusses bzw. dem vorliegenden biliären Tumor
(intrahepatisches vs. perihiläres vs. distales Cholangiokarzinom). Das Vorgehen wird
darüber hinaus von der verfügbaren Technik mitbeeinflusst (ERCP, PTCD, EUS-gesteuertes
biliäres Drainageverfahren). Eine detaillierte präinterventionelle Behandlungsplanung
auf der Basis aussagekräftiger Bildbefunde (in der Regel MRCP) ist dabei unabdingbar
[685 ]. Die Behandlungsintention sollte vor der Intervention definiert und dokumentiert
werden und muss das Ziel einer kompletten vs. inkompletten Drainage einschließen.
Grundsätzlich kann die Lebensqualität bei Hyperbilirubinämie durch eine erfolgreiche
Drainage verbessert werden [686 ]. Für ein verlängertes Überleben durch eine erfolgreiche Drainage in der Palliation
gibt es zahlreiche Hinweise [687 ]. Es wird eine 30-Tages-Mortalität bei der distalen biliären Stenose von 2 bis 20 %
und von 9 bis 20 % in der perihilären Stenose berichtet [688 ]
[689 ]
[690 ].
Randomisierte Studien fokussieren überwiegend auf den distalen, periampullären malignen
Gallenwegsverschluss [691 ]
[692 ]. Hier kann eine primär retrograde endoskopische Drainage in der Regel empfohlen
werden. Ein selbstexpandierender Metallstent (SEMS) sollte als primäre Drainageoption
gewählt werden und scheint einer Plastikendoprothese überlegen [693 ]. Bei palliativer Indikation kann ein ummantelter, entfernbarer oder nicht-ummantelter
SEMS eingesetzt werden. Die Durchführung einer EUS-gesteuerten Drainage kann dann
einer PTCD nach frustranem ERCP-Versuch überlegen sein [694 ]
[695 ]. Erste randomisierte Studien sehen bereits im primären Drainageversuch die EUS-gesteuerte
Technik der ERCP ebenbürtig [696 ]
[697 ].
Beim perihilärem, symptomatischen Gallenwegsverschluss werden PTCD oder ERCP mit unilateraler
oder bi-/trilateraler Drainage eingesetzt. Eine EUS-gesteuerte Drainage kommt nur
in Ausnahmefällen (z. B. transgastrische Drainage der linken Leber) in Frage. Eine
Drainage von mindestens 50 % des (mutmaßlich funktionalen) Leberanteils wird empfohlen,
wobei eine Kontrastierung von nicht drainierten Gangsegmenten vermieden werden sollte
[698 ].
Randomisierte Studien berichten von höherem Erfolg und niedrigeren Komplikationen
der PTCD vs. ERCP beim perihilären Gallenwegsverschluss [687 ]
[688 ]
[699 ]
[700 ], aber die Lebensqualität könnte bei dem inneren Drainageverfahren höher sein [701 ].
Einige frühere randomisierte Daten sprechen für eine unilaterale Drainage, indem auch
nur dieser Gangabschnitt dargestellt und intubiert wird [685 ]
[702 ]. Um eine Cholangitis durch abgehängte Gangareale zu vermeiden, ist allerdings eine
effektive Drainage aller dargestellten Gänge hilfreich [703 ]
[704 ]. Das weist auch auf die für die klinische Situation unzureichende Vereinfachung
bei Studien und der einzelnen Patientenbehandlung hin, die im uni- vs. bilateralen
Drainageansatz zu sehen ist. Da das Gallenwegsystem zumindest drei Doppelsegmente
umfasst, kann eine komplette Drainage in fortgeschrittenen perihilären Obstruktionen
erst mit einem Dreifach-Stenting erreicht werden. Ein uni- vs. bilateraler Ansatz
in Studien sollte daher zukünftig für die Zielbestimmung einer kompletten vs. inkompletten
Drainage verlassen werden. Dies wird in der Studienkonzeption wie auch in der Behandlungsplanung
in der Klinik nicht immer berücksichtigt. Randomisierte Studien konnten die effektive
Drainage mittels – in der Regel bilateralen – SEMS zeigen [687 ]
[694 ]
[705 ]. Dabei scheint eine „SEMS-neben-SEMS“ einer „SEMS-in-SEMS“ Technik gleichgestellt
zu sein [694 ]. Es kommen nur nicht-ummantelte, damit nicht entfernbare SEMS in Frage, damit Seitenäste
durch die Maschen des Stents drainiert werden können. Eine komplette Drainage muss
als Ziel erreichbar sein. Das Outcome im weiteren Verlauf nach SEMS Einlage im Vergleich
zu Plastikstents ist nicht belegt. Eine Reintervention bei Komplikationen oder erneuter
Symptomatik scheint nach Implantation von permanenten SEMS erschwert. Eine primäre
Therapie mit multisegmentaler Plastikstenteinlage kann beim perihilären biliären Verschluss
damit auch weiterhin als vorrangiger Therapieansatz gesehen werden.
Die Drainage eines Gangabschnitts, bei dem bereits eine Atrophie der abhängigen Lebersegmente
eingetreten ist, sollte nicht erfolgen, da erhöhte Komplikationsraten und keine wesentliche
Verbesserung des Patienten-Outcomes zu erwarten sind [706 ].
Da ein Drainageversuch mit einer Technik – bspw. der ERCP – frustran verlaufen kann,
sollte zumindest eine alternative Technik – bspw. PTCD und/oder EUS-gesteuerte biliäre
Drainage – verfügbar sein. Die Häufigkeit, mit der eine biliäre Drainage im Zentrum
vorgenommen wird, scheint einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg des Eingriffs
und das Outcome beim Patienten zu haben [707 ]
[708 ]. Beides spricht für eine Behandlung dieser Patienten im erfahrenen Zentrum.
Literaturübersicht s. Anhang ([Tab. 12 ]: Übersicht über Literatur zur biliären Drainage (BD) bei Cholangiokarzinom)
3.4.4.3 Intraduktale lokoregionäre Therapieverfahren
4.33
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Intraduktale, lokalablative Verfahren (Photodynamische Therapie und intraduktale RFA)
können nach Beschluss des Tumorboards durchgeführt werden, um eine effektive Palliation
zu ermöglichen.
Starker Konsens
Intraduktale, lokalablative Verfahren können bei einem lokal begrenzten Tumor in Betracht
gezogen werden. Es handelt sich hierbei um eine palliative Behandlungsform. Für eine
Outcome-Verbesserung mit einer lokalablativen Therapie bei einem metastasierten Tumor
finden sich keine Belege. Es stehen die Photodynamische Therapie (PDT) und die intraduktale
Radiofrequenzablation (iRFA) zur Verfügung, wobei letztere sich von der perkutanen
RFA wesentlich unterscheidet. Die lokalablativen Therapien werden in aller Regel mit
einer endoskopischen Stenttherapie kombiniert und sind nur in dieser Kombination durch
Studien geprüft. Hierdurch ist eine lokale Tumordestruktion über wenige Millimeter
zu erreichen. Die iRFA wird nach Heranführen einer bipolaren Sonde mittels ERCP in
den tumorös stenosierten Gallenwegsabschnitt durch Anwendung von hochfrequentem Wechselstrom
durchgeführt [709 ]. Mit der PDT wird ebenfalls eine lokale Tumordestruktion über wenige Millimeter
Eindringtiefe erreicht. Hierfür muss allerdings einige Zeit vor einer lokalen Lichtbestrahlung
des Tumorareals in einer ERCP ein Photosensitizer intravenös appliziert werden, der
die Tumorzellen besonders lichtempfindlich werden lässt und diese sowie Zellen der
Neovaskularisation zerstört [710 ]. Bei der PDT werden unterschiedliche Photosensitizer eingesetzt. Porfimer-Natrium
(Photofrin) ist der am häufigsten genutzte Sensitizer, Temoporfin (Foscan) und Dihematoporphin
Ether (Photosan-3) sind weitere Produkte. Photofrin ist zugelassen für die Behandlung
von Patienten mit nicht resezierbarem perihilären Cholangiokarzinom. 5-Aminolävulinsäure
scheint beim Gallenwegskarzinom nicht wirksam [711 ]. Vergleiche einer Effektivität der Sensitizer liegen nicht vor.
Eine randomisierte Studie zeigte ein verbessertes Überleben im Vergleich zu einer
alleinigen Stenttherapie für die iRFA [303 ], und zwei randomisierte Studien einen Überlebensvorteil für die PDT [712 ]
[713 ]. Eine randomisierte Studie zeigte ein schlechteres Outcome für die PDT im Vergleich
zum Stent bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen und metastasierten perihilären
Tumoren [714 ]. In einer gepoolten Analyse wird ein Überleben von 413 Tage vs. 183 Tage für die
PDT gegenüber der alleinigen Stenttherapie gefunden [710 ]. In der Kombination mit einer systemischen Chemotherapie zeigte sich die PDT der
PDT + Stent-Gruppe und der „Stent-allein“ Gruppe in retrospektiver Analyse überlegen
[715 ]
[716 ].
Die Auswahl einer PDT gegenüber einer IRFA ist durch direkte Vergleichsstudien nicht
abgesichert [717 ]
[718 ]. Die IRFA scheint technisch einfacher und mit hoher primärer Erfolgsrate verbunden;
ob die Komplikationsrate der iRFA gegenüber der PDT vergleichbar ist, ist nicht klar
[709 ]. Für die PDT sprechen die breitere Erfahrung und die größere Anzahl an in Studien
eingeschlossenen Patienten [719 ], sowie retrospektive Daten für die Kombination mit der systemischen Chemotherapie.
Literaturübersicht s. Anhang ([Tab. 13 ]: Übersicht über Literatur zu intraduktalen, lokalablativen Verfahren (PBD))
3.4.5 Stereotaxie
4.34
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Eine Hochpräzisionsradiotherapie (Stereotactic Body Radiotherapy; SBRT) kann nach
Beschluss in einer Tumorkonferenz bei fehlenden alternativen Therapieoptionen angeboten
werden.
Starker Konsens
Eine Reihe von Autoren hat in den vergangenen Jahren berichtet, dass nach einer definitiven
Radiotherapie die Höhe der Dosis mit einer hohen Lokalkontrollrate und auch mit dem
Überleben der Patienten korreliert [720 ]
[721 ]
[722 ]. Obwohl das zunächst mit einer konventionell fraktionierten Radio(chemo)therapie
beobachtet wurde [720 ]
[722 ], hat die Mehrzahl der Studien der letzten Jahre eine SBRT dafür eingesetzt, welche
typischerweise eine Dosiseskalation im Zentrum der Bestrahlungsvolumina verwendet
[721 ]
[723 ]
[724 ]. Die Dosisabhängigkeit gilt sowohl für intrahepatische wie auch für perihiläre CCA.
Darüber hinaus ist eine sequentielle Chemotherapie vor und/oder nach der Radiotherapie
ein weiterer Faktor für die Verlängerung des Überlebens, und einige Studien haben
eine Kombination der Radiotherapie mit einer sequentiellen Chemotherapie durchgeführt
[722 ]
[723 ].
Die Erfahrungen mit SBRT zur Behandlung von Cholangiokarzinomen sind begrenzt. Eine
Metaanalyse fasst 226 Patienten in 4 prospektiven [725 ]
[726 ]
[727 ]
[728 ], und 7 retrospektiven Studien zusammen [723 ]. Die gepoolte 1-Jahres-Lokalkontrollrate war 81,8 % (95 % CI: 69,4; 89,9 %) wenn
die 2 Gy-Äquivalenzdosis (EQD2) ≥ 71.3 Gy war und darunter bei 74,7 % (95 % CI: 57,1 %;
86,7 %). Das mediane Überleben lag bei 13,6 Monaten (10–35,5 Monate). Die berichteten
Toxizitäten waren moderat mit < 10 % Akuttoxizität ≥ 3 und 10–20 % Spättoxizität,
v. a. als duodenale und gastrale Ulzera.
Die Protonenstrahlbestrahlung ist eine weitere Methode zur Anwendung einer hochdosierten
Radiotherapie. Die meisten Daten beschränken sich auf retrospektive Studien mit nur
einer Institution. Eine prospektive, multi-institutionelle Phase-II-Studie untersuchte
die Wirksamkeit und Sicherheit einer hochdosierten hypofraktionierten Protonentherapie
bei intrahepatischen Cholangiokarzinomen (n = 37; daneben auch bei 44 Patienten mit
HCC). Eine Dosis von 67,5 Gray-Äquivalenten wurde in 15 Fraktionen angewendet. Die
2-Jahres-Lokalkontroll- und Gesamtüberlebensrate betrug in der Cholangiokarzinom-Kohorte
94,1 % bzw. 46,5 % [340 ].
Zur interstitiellen Brachytherapie von Cholangiokarzinomen ist die Evidenzlage niedrig.
In einer monozentrischen, retrospektiven Serie wurden 15 Patienten mit histologisch
gesicherten Tumoren an insgesamt 27 Läsionen mit einer interstitiellen Brachytherapie
behandelt. Die mediane Dauer der lokalen Tumorkontrolle betrug 10 Monate und die mediane
Überlebenszeit 14 Monate nach der Behandlung [729 ].
3.4.6 Nachsorge
4.35
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Nach Resektion/Ablation eines CCA sollte nach 4–12 Wochen erstmals, im ersten Jahr
alle 3 Monate und im zweiten Jahr alle 3–6 Monate ein biphasisches CT oder ein dynamisches
MRT durchgeführt werden.
Starker Konsens
Es liegt keine Evidenz hinsichtlich des genauen Vorgehens bei der Nachsorge vor. Beim
praktischen Vorgehen wird nach einer Resektion und Ablation eines Cholangiokarzinoms
nach 4–12 Wochen ein biphasisches CT oder dynamisches MRT empfohlen. Im weiteren ersten
Jahr alle 3 Monate, im zweiten Jahr alle 3–6 Monate. Die Nachsorge sollte für insgesamt
5 Jahre durchgeführt werden und ab dem dritten Jahr eine jährliche Schnittbildgebung
beinhalten. Dieses Vorgehen erfolgt analog der NCCN guideline 2019 [655 ].
3.5 Systemtherapie
3.5.1 Adjuvante Therapie
4.36
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
B
Aufgrund des hohen Rezidivrisikos sollten Patienten nach chirurgischer Tumorentfernung
(R0, R1) eine adjuvante Systemtherapie mit Capecitabin angeboten werden.
Level of Evidence
1
[621 ]
1: Updaterecherche 2023: Luvira 2021
Starker Konsens
Aufgrund des subendothelialen Wachstums entlang der Perineuralscheiden beträgt das
Rezidivrisiko nach radikaler chirurgischer Tumorentfernung für ein perihiläres Cholangiokarzinom
(CCA) 40–80 % (Auflistung der Studienergebnisse siehe [730 ]). Auch für andere Lokalisationen des CCA und für Gallenblasenkarzinome (GB-CA) ist
das Rezidivrisiko ähnlich hoch. Risikofaktoren für ein frühes Rezidiv sind vor allem
Lymphknotenmetastasen (N1), R1-Status und ein niedriger Differenzierungsgrad (G3).
Eine Metaanalyse retrospektiver und einarmiger Studien mit mehr als 6000 Patienten
mit CCA oder GB-CA ergab für Patienten mit einem dieser Risikofaktoren einen Vorteil
für eine adjuvante Therapie [731 ]. Zusätzlich liegen mit den Ergebnissen der BILCAP-Studie die Daten einer randomisierten
Phase-III-Studie vor, die den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie zeigen [621 ]. In dieser Studie wurde bei 447 Patienten mit CCA oder muskelinvasivem GB-CA sowie
vollständiger makroskopischer Tumorentfernung (R0 oder R1) die Gabe von Capecitabin
(1250 mg/m² zweimal täglich an Tag 1 bis 14 bei einer Zyklusdauer von 21 Tagen, insgesamt
8 Zyklen) mit der alleinigen Nachsorge verglichen. Der Therapiebeginn sollte innerhalb
von 12 Wochen postoperativ bei Patienten mit ECOG 0–1 erfolgen, erlaubt war eine Ausdehnung
des Zeitraumes bis auf 16 Wochen.
In der Per-Protokoll-Analyse ergab sich ein signifikanter Unterschied im medianen
Gesamtüberleben von 52 versus 36 Monate (HR: 0,79; 95 % CI: 0,63; 1,00, p = 0,028).
In der Intention-to-Treat-Analyse war der Unterschied zwischen beiden Gruppen vergleichbar
mit 50 versus 36 Monate (HR: 0,84; 95 % CI: 0,67; 1,06), allerdings nicht signifikant
[732 ]. Die mediane Zeit von der OP bis zum Therapiebeginn lag bei 10,3 Wochen. Die Langzeitergebnisse
der Studie zeigen, dass der Effekt von Capecitabine eher moderat ist und dass der
Haupteffekt nicht in der Vermeidung des Rezidivs zu liegen scheint, sondern im Zeitpunkt
mit einem medianen Rezidiv-freien Intervall in der ITT Analyse mit Capecitabine von
24,3 Monaten und für die Beobachtungsgruppe mit 17,4 Monaten (HR: 0,81 (95 % CI: 0,65
bis 1,01) [732 ].
Die französische PRODIGE 12-Studie konnte ebenfalls durch Gemcitabin und Oxaliplatin
im Vergleich zur alleinigen Nachsorge keine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens
erzielen [733 ]. Eine Metaanalyse, welche diese Studie ebenfalls integriert hat, bestätigte keinen
Vorteil einer Gemcitabin-basierten adjuvanten Therapie beim CCA [734 ]. Eine Cochrane-Analyse sieht den Effekt einer adjuvanten Therapie beim CCA trotz
der positiven BILCAP-Studie als unsicher an und empfiehlt dringend weitere Studien [735 ]. Aufgrund fehlender Evidenz besteht außerhalb von klinischen Studien zurzeit keine
Indikation für eine adjuvante Strahlentherapie.
3.5.2 Neoadjuvante Therapie primär resektabler Tumoren
4.37
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Eine neoadjuvante Chemotherapie soll bei primär resektablen Tumoren nicht außerhalb
von klinischen Studien erfolgen.
Level of Evidence
5
5: Es erfolgte eine ausführliche Recherche 2023, ohne Nachweis positiver Studien.
Starker Konsens
3.5.3 Systemtherapie lokal fortgeschrittener Tumoren
4.38
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei primär irresektablen Tumoren sollte unter einer Tumortherapie eine erneute Vorstellung
im Tumorboard mit der Frage einer sekundären Resektabilität erfolgen.
Starker Konsens
Bei Patienten mit grenzwertig resektablen Tumoren, kann als individuelles Konzept
eine Chemotherapie mit kurzfristiger erneuter Evaluation der Operabilität durchgeführt
werden. Hierbei liegen weder Daten zu einer standardisierten Definition der Resektabilität
noch zur systemischen palliativen Therapie vor. Die Chemotherapie sollte in Analogie
zur palliativen Chemotherapie erfolgen. Die Ansprechraten zwischen der Dreifachtherapie
mit Gemcitabin, Cisplatin + Durvalumab und der Zweifachtherapie mit Gemcitabin und
Cisplatin unterscheiden sich mit 26,7 % [736 ], bzw. 26,1 % [737 ], nicht. Interessant ist, dass in der Studie von Gemcitabin und Cisplatin die objektiven
Ansprechraten für Gallenwegskarzinome bei lediglich 19 % und bei Gallenblasenkarzinome
bei 38 % lagen [737 ].
Eine mit 45 % hohe Ansprechrate für die Dreifachtherapie Gemcitabin, Cisplatin und
nab-Paclitaxel in einer Phase II-Studie [738 ], bestätigte sich in einer nachfolgenden Phase III Studie nicht: Die Ansprechrate
in der SWOG 1815 Studie zeigten keinen statistischen Unterschied für die Dreifachtherapie
mit 32 % im Vergleich zu Gemcitabin und Cisplatin mit 22 % [739 ].
Prinzipiell gilt für alle eingesetzten Systemtherapien, auch in klinischen Studien,
dass bei gutem Ansprechen die Resektabilität nach 2–3 Monaten erneut evaluiert werden
sollte.
3.5.4 Palliative Systemtherapie
4.39
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Allen Patienten mit Cholangio- oder Gallenblasenkarzinom soll bei adäquatem Allgemeinzustand
in der inoperablen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Situation eine palliative
Systemtherapie angeboten werden.
Level of Evidence
2
[737 ]
[740 ]
[741 ]
[742 ]
[743 ]
2: Erneute Recherche 2021, mit zusätzlicher Evidenz, keine inhaltliche Änderung der
Empfehlung
Konsens
Bei der Indikationsstellung zur Chemotherapie sind der Allgemeinzustand des Patienten,
die Komorbiditäten, die Patientenpräferenzen sowie die Toxizität der geplanten Schemata
zu berücksichtigen [572 ]
[744 ]. In der ABC-02-Studie (s. u.) zeigte sich ein Überlebensvorteil für alle Tumorlokalisationen.
Der Vorteil war am deutlichsten für Patienten mit einem ECOG Performance Status (PS)
0 oder 1.
3.5.4.1 Erstlinientherapie
4.40
Evidenzbasierte Empfehlung
modifiziert 2023
Empfehlungsgrad
A
Als Systemtherapie soll in der Erstlinie die Kombination Durvalumab, Gemcitabin und
Cisplatin angeboten werden.
Level of Evidence
2 ⊕⊕⊕⊝
[736 ]
[737 ]
[740 ]
[741 ]
[742 ]
[743 ]
2: Erneute Recherche 2022, Oh 2022
Starker Konsens
Die Placebo-kontrollierte Topaz-01 Studie zeigt eine Überlegenheit im primären Endpunkt
Gesamtüberleben von Durvalumab (anti PD-L1 Antikörper) + Gemcitabine + Cisplatin (D
+ Gem/Cis) im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie mit Gemcitabin + Cisplatin
(Gem/Cis) [736 ]. Wichtigste Einschlusskriterien waren intra- und extrahepatische CCAs einschließlich
Gallenblasenkarzinome und ECOG 0–1. Papillenkarzinome waren nicht eingeschlossen.
Das mediane Gesamtüberleben war mit 12,8 vs. 11,5 Monate nur moderat besser, allerdings
separieren sich die Überlebenskurven in der Kaplan-Meier Analyse zunehmend, so dass
die Überlebensraten nach 12 Monaten sich mit 54 % vs. 48 % und nach 24 Monaten mit
25 % vs. 10 % zugunsten der Kombination mit Durvalumab unterschieden. Die Ansprechrate
lag im D + Gem/Cis Arm bei 27 % und bei 19 % mit Gem/Cis.
Die bessere Wirksamkeit einer kombinierten Therapie von Gemcitabin + Cisplatin bestätigte
sich auch mit dem anti PD-1 Antikörper Pembrolizumab (Gem/Cis + P) gegenüber der alleinigen
Chemotherapie in der Keynote-Studie 966 [745 ]. Diese Studie erreichte ihren primären Endpunkt mit einer Verbesserung des medianen
Gesamtüberlebens von 12,7 Monaten mit Gem/Cis + P gegenüber 10,9 Monaten mit Gem/Cis.
Das geschätze Überleben für die Gruppe mit Pembrolizumab betrug nach 12 Monaten 52 %
und nach 24 Monaten 25 % im Vergleich zur Patientengruppe mit Gem/Cis von 44 % nach
12 und 18 % nach 24 Monaten. Eine Zulassung für Pembrolizumab in dieser Indikation
besteht derzeit nicht (Stand 04/2023).
Bei Kontraindikationen für eine Therapie mit Durvalumab soll weiterhin auch die Therapie
mit Gem/Cis eingesetzt werden. Zwei Studien, die britische ABC-02-Studie [737 ], und die japanische BT22-Studie [740 ], haben in einer gemeinsamen Auswertung bei insgesamt fast 500 Patienten die Überlegenheit
einer Kombinationstherapie bestehend aus Gemcitabin und Cisplatin gegenüber einer
Monotherapie mit Gemcitabin gezeigt. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass
mit der Applikation von Gemcitabin 1000 mg/m² und Cisplatin 25 mg/m² an den Tagen
1 und 8 bei einer Zyklusdauer von 21 Tagen ein gut verträgliches Therapieschema implementiert
wurde. So zeigten sich keine Unterschiede in beiden Therapiegruppen in Bezug auf das
Auftreten von schwergradigen (CTCAE Grad 3 und 4) Nierenfunktionsstörungen (Gemcitabin
und Cisplatin versus Gemcitabin: 1,5 % vs. 1 %, p = 0,83) sowie von Übelkeit (4,0 %
versus 3,5 %, p = 0,78) und Erbrechen (5,1 vs. 5,5 %, p = 0,65).
Bei Patienten mit ECOG 2 kann alternativ eine Monotherapie mit Gemcitabin erfolgen
und bei eingeschränkter Nierenfunktion kann Oxaliplatin statt Cisplatin eingesetzt
werden [744 ]. Die Lebenserwartung bei symptomorientierter Therapie beträgt nach historischen
Daten dagegen nur ca. 2,5 bis 4,5 Monate [741 ].
Alternativ zu dieser Erstlinientherapie wird die Teilnahme an klinischen Studien empfohlen.
3.5.5 Therapie nach Versagen der Erstlinientherapie
4.41
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Nach Versagen oder Unverträglichkeit der Erstlinientherapie soll Patienten mit adäquatem
Allgemeinzustand eine weitere Therapie angeboten werden.
Konsens
4.42
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
In einer palliativen Situation bei Patienten mit ECOG 0–1 sollte eine molekulare Charakterisierung
des Tumors und Vorstellung in einem Interdisziplinären/Molekularen Tumorboard erfolgen.
Konsens
Die Daten zu Tumoren mit FGFR2-Fusionsgenen, MSI-H/d-MMR oder IDH1-Mutationen zeigen,
dass molekulargenetische Marker eine zunehmend größere Rolle für die Therapieauswahl
auch bei zugelassenen Therapien spielen. Die molekulare Charakterisierung von Cholangiokarzinomen
deutet darauf hin, dass diese Tumorentität sich in besonderem Maße für eine molekular
gerichtete Therapie eignet [746 ], und dass diese Patienten bei gutem Allgemeinzustand (ECOG 0–1) nach einem Versagen
der Erstlinientherapie in einem molekularen Tumorboard vorgestellt werden sollten.
Weitere Beispiele für molekulare Veränderungen neben den zugelassenen Therapieoptionen,
die therapeutisch genutzt werden können, sind NTRK-Fusionsgene, Amplifikationen von
HER2 oder die BRAF V600E Mutation.
Fusionsgene mit dem Neurotrophin-Rezeptoren TRKA, TRKB und TRKC, sog. NTRK-Genfusionen [747 ], sind seltene Veränderungen bei CCA, die in Einzelfällen beschrieben worden sind
[748 ]
[749 ]. Die hohe Relevanz dieser Veränderungen liegt allerdings in der hohen Ansprechrate
solche Tumoren [750 ], die zur Tumor-unabhängigen Zulassung von Larotrectinib und Entrectinib geführt
hat.
Amplifikationen von HER2 (ERBB2) finden sich bei 5–15 % aller Gallenwegstumoren, am
häufigsten bei Karzinomen der Gallenblase [751 ]. Erste vielversprechende Fallberichte zur Therapierelevanz dieser Veränderungen
liegen vor [752 ]
[753 ]
[754 ]. In der Phase 2-Studie "MyPathway" wurden Patienten mit einem metastasierten biliären
Karzinom und einer Her2-Amplifikation und/oder Her2-Überexpression im ECOG Performance
Status 0–2 mit Pertuzumab in Kombination mit Trastuzumab behandelt. Es konnte bei
9 von 39 Patienten ein partial response (23 % [95 % CI: 11–39 %] festgestellt werden
[755 ].
Für Patienten mit der BRAF-Mutation V600E wurde ein Ansprechen auf den BRAF-Inhibitor
Vemurafenib zunächst in Einzelfällen beschrieben [756 ]. Inzwischen gibt es weitere Daten für ein gutes Ansprechen mit einer Kombination
aus dem BRAF-Inhibitor Dabrafenib und dem MEK-Inhibitor Trametinib in einem frühen
Bericht aus der „NCI-MATCH“ Studie [757 ], weiteren Fallberichten [758 ]
[759 ]
[760 ], und der Phase II Studie ROAR. In dieser Studie wurden 43 Patienten mit einer BRAF-V600E
Mutation behandelt. Insgesamt wurde bei 20 Patienten (47 %) ein Therapieansprechen
beobachtet, 15 Patienten zeigten einen stabilen Krankheitsverlauf (35 %) und bei 6
Patienten wurde ein Progress (14 %) als "best response" dokumentiert. Das Gesamtüberleben
nach 12 Monaten betrug 56 %, nach 24 Monaten 36 % und das mediane Gesamtüberleben
in dieser Kohorte war 14 Monate [761 ].
4.43
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Patienten deren Tumoren eine Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor-2 (FGFR2) Fusion
oder ein FGFR2-Rearrangement aufweisen und die nach mindestens einer Systemtherapie
progredient sind, soll eine Therapie mit dem FGFR-Inhibitor Pemigatinib angeboten
werden. *
Level of Evidence
3
[762 ]
Starker Konsens
*Anmerkung: Für den FGFR-Inhibitor Futibatinib wurde von der CHMP der EMA ein positives
Votum für eine Zulassungsprozess in dieser Indikation ausgesprochen, die Zulassung
steht noch aus (Stand 04/2023).
Die Zulassung von Pemigatinib beruht auf der einarmigen Phase II Studie FIGHT-202
[763 ]. Als primärer Endpunkt zeigten 40 von 108 Patienten (37 %) ein Ansprechen auf die
Tumortherapie, davon 36 Patienten mit einer partiellen und 4 Patienten mit einer kompletten
Remission [762 ]. Die mediane Dauer des Therapieansprechens war 8,1 Monate (95 % CI: 5,7; 13,1).
In den USA wurde in der Zwischenzeit für zwei weitere FGFR-Inhibitoren, Infigratinib
und Futibatinib, eine Zulassung in dieser Indikation, ebenfalls basierend auf einarmigen
Phase II Studie [764 ]
[765 ], erteilt. Aktuell liegt für Futibatinib eine positive Empfehlung des "Committee
for Medicinal Products for Human Use" (CHMP) der EMA für die Zulassung von Futibatinib
vor, jedoch noch keine offizielle Zulassungdie endgültige Zulassung durch die Europäische
Kommission steht aktuell noch aus (Stand 04/2023). Diese weiteren Studien unterstreichen
die Bedeutung des FGFR2-Signalweges für eine Subgruppe von Cholangiokarzinomen mit
FGFR2-Fusion oder -Rearrangement (s. auch Hintergrundtext zu Empfehlung 4.46). Aufgrund
der guten Ansprechraten wurde hier bei einem Level of Evidence 3 eine starke Empfehlung
ausgesprochen.
Neben den oben genannten Substanzen wurden weitere vielversprechende erste klinische
Daten z. B. auch für Derazantinib [766 ], oder Erdafitinib [767 ], vorgestellt. Medikamente aus dieser Substanzgruppe werden derzeit in zahlreichen
Studien und unterschiedlichen Situationen, z. T. auch in der Erstlinie, untersucht.
Neben Fusionsgenen sich auch aktivierende Mutationen oder Inframe-Deletionen als relevant
für Therapieansätze beschrieben worden [768 ]
[769 ].
4.44
Evidenzbasierte Empfehlung
neu 2023
Empfehlungsgrad
A
Immuntherapie-naiven Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem biliärem
Karzinom, welches eine hochfrequente Mikrosatelliten-Instabilität (MSI-H) oder eine
Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR) aufweist und Fortschreiten der Erkrankung während
oder nach mindestens einer vorherigen Therapie, soll eine Therapie mit dem anti-PD-1
Antikörper Pembrolizumab angeboten werden.
Level of Evidence
⊕⊝⊝⊝
[774 ]
⊕⊝⊝⊝: Keynote 158 und ABC-06
Starker Konsens
Die Bestimmung auf Mikrosatelliteninstabilität soll Tumoren mit funktionsgestörten
DNA-Reparatursystemen (sog. MSI high Tumoren) identifizieren, die von einer Immuntherapie
mit PD-1 Checkpoint-Inhibitoren profitieren [770 ]
[771 ]
[772 ]. Diese machen in frühen Krankheitsstadien bis zu 1 % und bei fortgeschrittenen Tumoren
bis zu 2 % aller biliärer Karzinome aus [772 ]
[773 ]. Sollten Patienten in der Erstlinie kein Durvalumab erhalten haben, ist für diese
Patienten Pembrolizumab eine Therapiemöglichkeit. Die Zulassung von Pembrolizumab
in dieser Indikation beruht auf der Keynote 158 Studie, in der 351 Patienten mit 28
unterschiedlichen Tumorentitäten eingeschlossen worden sind [774 ]. Bei insgesamt 22 Patienten mit CCA zeigte sich ein Ansprechen bei 9 Patienten (41 %;
3 × CR, 6 × PR), welches im Median 31 Monate andauerte.
4.45
Evidenzbasierte Empfehlung
neu 2023
Empfehlungsgrad
A
Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Cholangiokarzinom mit einer
IDH1 R132-Mutation, die zuvor mit mindestens einer Linie Systemtherapie behandelt
worden sind, soll eine Therapie mit dem IDH1-Inhibitor Ivosidenib angeboten werden.
Level of Evidence
⊕⊕⊕⊝
[775 ]
Für Patienten mit einer Mutation im Isocitrat Dehydrogenase 1 (IDH1) Gen zeigen Ergebnisse
der Phase-III-ClarIDHy-Studie ein signifikant längeres medianes PFS mit 2,7 unter
Ivosidenib vs. 1,4 Monaten mit Placebo, allerdings separieren sich die Kurven deutlich
im längerfristigen Verlauf [776 ]. Das mediane Gesamtüberleben in der Studie war nicht signifikant unterschiedlich
mit 10,3 Monaten mit Ivosidenib vs. 7,5 Monaten mit Placebo, allerdings wurden aus
dem Placeboarm 70 % der Patienten nach Progress mit Ivosidenib behandelt (cross-over
Studiendesign) [775 ]. Die Berechnung eines für Crossover adjustierten Gesamtüberlebens ergab für Placebo
eine mediane Überlebenszeit von 5,1 Monaten und war dann im Vergleich zur Verumgruppe
signifikant kürzer [775 ]. Somit scheint eine Subgruppe der Patienten deutlich von der Therapie zu profitieren.
Die „Disease Control Rate“, d. h. der Anteil an Patienten mit mindestens stabiler
Erkrankung oder partieller Remission lag für Ivosidenib bei 53 % und für Placebo bei
28 %. Die Zulassung der Europäische Kommission für Ivosidenib erfolgte im Mai 2023
als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit lokal fortgeschrittenem
oder metastasiertem Cholangiokarzinom mit einer IDH1-R132-Mutation, die zuvor bereits
mit mindestens einer systemischen Therapie behandelt worden sind.
4.46
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
0
Als medikamentöse Zweitlinientherapie kann bei Patienten mit ECOG 0–1 eine Therapie
mit FOLFOX angeboten werden.
Level of Evidence
2
[777 ]
Starker Konsens
4.47
Evidenzbasierte Empfehlung
modifiziert 2023
Empfehlungsgrad
0
Nach Versagen mindestens einer vorherigen Therapielinie kann eine Irinotecan-haltige
Therapie angeboten werden.
Level of Evidence
2
2: Recherche 2022, Choi 2021
Starker Konsens
Für den Nutzen einer Zweitlinientherapie bei radiologisch progredienter Tumorerkrankung
unter der Erstlinientherapie ohne weitere molekulare Charakterisierung liegen Daten
aus der ABC-06-Studie vor [777 ].
In der randomisierten Phase-III-Studie ABC-06 wurde ein modifiziertes FOLFOX-Regime
gegen eine alleinige symptomorientierte Therapie verglichen und eine moderate Verbesserung
des medianen Gesamtüberlebens von 5,3 Monate auf 6,2 Monate mit Chemotherapie erreicht
(HR: 0,69 (95 % CI: 0,50; 0,97; p = 0,032) [777 ]. Die 1-Jahres-Überlebensrate für FOLFOX war mit 25,9 % etwas mehr als doppelt so
hoch wie in der Kontrollgruppe mit 11,4 %.
Ein direkter Vergleich von mFOLFIRI mit mFOLFOX wurde in einer Phase II Studie aus
Südkorea mit jeweils 59 Patienten in jedem Arm untersucht. Der primäre Endpunkt der
Überlebensrate nach 6 Monate war 54 % für mFOLFOX und 44 % für mFOLFIRI, der Unterschied
war statistisch nicht signifikant [778 ].
Die Kombination von Irinotecan und Capecitabin führte im Vergleich zu einer Irinotecan
Monotherapie in einer randomisierten Phase II Studie aus China mit 60 Patienten nach
Progress unter Gemcitabin und Cisplatin zu einer Verlängerung des mOS (10,1 vs 7,3
Monate) bei einer 9-Monate Überlebensrate von 60,9 % vs. 32 % [779 ]. Diese Ergebnisse wurden durch die NIFTY Studie aus Süd-Korea bei 178 Patienten
bestätigt. In dieser Phase-IIb Studie wurde die Kombination von 5-FU/Leukovorin und
liposomalem Irinotecan gegenüber 5-FU/Leukovorin alleine untersucht. Das mPFS bei
Patienten, die mit der Kombination behandelt wurden, betrug 7,1 Monate im Vergleich
zu 1,4 Monaten für Patienten, die nur mit 5-FU/Leukovorin behandelt wurden. Das mediane
OS lag bei 8,6 Monate im experimentellen Arm und 5,5 Monate im Kontrollarm [780 ]. Diese Ergebnisse konnten allerdings in der in Deutschland durchgeführten NALIRICC
Studie nicht bestätigt werden. Insgesamt zeigte sich bei deutlich höherer Toxizität
keine Verbesserung des PFS und des OS, so dass ein Einsatz von liposomalem Irinotecan
anstelle von Irinotecan derzeit nicht empfohlen werden [781 ].
In einer weiteren Phase II Studie mit 98 Patienten aus Indien wurde der Überlebensvorteil
durch die Hinzunahme von Capecitabin zu Irinotecan gegenüber einer Irinotecan-Monotherapie
bei Patienten mit einem Gallenblasenkarzinom nicht bestätigt (5,2 vs 6,3 Monate) [782 ], sodass auch die Monotherapie eine valide Option sein kann.
Angesichts der überwiegend moderaten Vorteile von "klassischen" Chemotherapieregimen
ab der Zweitlinie ist für Patienten mit gutem Allgemeinzustand daher die oben empfohlene
molekulare Charakterisierung des Tumors und Vorstellung in einem Molekularen Tumorboard
ein wichtiger zusätzlicher diagnostischer Schritt ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Sequenztherapie beim Cholangiokarzinom. [rerif]
3.5.6 Verlaufskontrollen unter Systemtherapie
4.48
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Bei biliären Karzinomen unter Systemtherapie sollte alle 6–12 Wochen die diagnostisch
am besten geeignete Schnittbildgebung durchgeführt werden. Die Interpretation im klinischen
Alltag sollte sich an den Auswerteprinzipien von RECIST 1.1 orientieren.
Konsens
3.6 Supportivtherapie des Hepatozellulären Karzinoms und der biliären Karzinome
Zur supportiven Therapie von onkologischen Patienten gibt es eine S3-Leitlinie des
Leitlinienprogramms Onkologie, die auch für Patienten mit HCC/CCA gültig ist: siehe:
https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/supportive-therapie/
In der S3-Leitlinie zur supportiven Therapie von onkologischen Patienten wird auf
die folgenden Themen detailliert eingegangen:
Tumortherapie-induzierte Anämie
Prophylaxe der Tumortherapie-induzierten Neutropenie mit granulopoetischen Wachstumsfaktoren
Tumortherapie-induzierte Nausea und Emesis
Tumortherapie-induzierte Diarrhoe
Orale Mucositis durch systemische Tumortherapie
Tumortherapie-induzierte Hauttoxizität
Neurotoxizität – Chemotherapie-induzierte periphere Neuropathie (CIPN)
Ossäre Komplikationen
Ossäre Manifestationen
Medikamentöse Intervention
Chirurgische Intervention
Strahlentherapeutische Intervention
Radionuklidtherapie
Therapieassoziierte Osteoporose
Paravasate
Supportive Maßnahmen in der Radioonkologie
Radiogene Enteropathie/ Enteritis
Chronische Enteropathie/ Enteritis- Therapie der chronischen Diarrhoe
Radiogene Proktitis
Späte radiogene Proktitis
Radiodermatitis
Osteoradionekrose (ORN)
Radiogene Mukositis
Radiogene Xerostomie
Radiogene Pneumonitis
Radiotherapie-induzierte Nausea und Emesis
Strahlenfolgen an Gehirn und Rückenmark
3.6.1 Ernährung
3.88
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Mangelernährung beeinträchtigt die Lebensqualität und Therapietoleranz.
Eine Mangelernährung sollte erfasst und behandelt werden.
Starker Konsens
Mangelernährung bei Krebserkrankungen, wie sie auch bei HCC Patienten oftmals vorliegt
[448 ]
[449 ], wird mit vermehrten Komplikationen, längerer Krankenhausverweildauer, schlechterer
Lebensqualität, höheren Toxizitäten der Antitumortherapie und Mortalität in Verbindung
gebracht [450 ]. Das Vorliegen einer präoperativen Mangelernährung bei HCC Patienten mit Leberresektion
ist assoziiert mit erhöhter postoperativer Komplikationen und längere Krankenhausverweildauer
[449 ]
[451 ].
Mangelernährung sollte anhand der GLIM Criteria diagnostiziert werden [452 ]. In der aktuellen ESPEN Leitlinie „klinische Ernährung bei Lebererkrankungen“ wird
zur Bestimmung der Mangelernährung der Nutritional Risk Score (NRS 2002) oder Minimal
Nutrition Assessment (MUST) oder The Royal Free Hospital Nutrition Prioritizing Tool
(RFH-NPT) empfohlen. Sarkopenie bei Patienten mit HCC ist mit schlechter Therapieverträglichkeit
sowie erhöhter Mortalität assoziiert [453 ]
[454 ]
[455 ]
[456 ]
[457 ]. Geringe Handkraftstärke und niedriger Phasenwinkel alpha (gemessen mit der Body
Impedance Analyse) können Auskunft über ein erhöhtes Mortalitätsrisiko geben [458 ]. Da in den meisten Fällen das HCC in einer zirrhotischen Leber vorliegt, können
bei Sarkopenie Ernährungsmaßnahmen wie ausreichende Energie und Eiweißzufuhr sowie
Bewegung in Analogie zu dem Empfehlungen für Leberzirrhose gegeben werden [458 ]. Patienten mit einem HCC oder CCA und Mangelernährung sollten eine prozessorientierte
Ernährungsberatung von qualifizierten Ernährungsfachkräften erhalten, ggf. Einsatz
von enteraler / parenteraler Ernährung [450 ].
3.6.2 Palliativmedizinische Behandlung beim HCC/CCA
Palliativversorgung ist definiert als ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität
von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit
einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und
Lindern von Leiden durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung
von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller
Art.
Beim Leberzellkarzinom und Gallengangskarzinom sollten hier vor allem die Empfehlungen
zum Thema Pruritus, Inappetenz, Übelkeit und Schmerzen Beachtung finden.
An dieser Stelle sei auf die allgemeinen Empfehlungen hingewiesen, wie sie in der
„Erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren
Krebserkrankung" (AWMF-Registernummer: 128/001OL) ausführlich beschrieben werden und
im September 2020 veröffentlicht wurden. (https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/palliativmedizin/ ).
Dort finden sich auch wichtige Empfehlungen zu Versorgungsstrukturen in der Palliativmedizin,
inklusive eines Behandlungspfades für Patienten und Angehörige, da den Angehörigen
bei der Betreuung dieser Patientengruppe eine wichtige Rolle zukommt.
3.6.3 Integration von Palliativversorgung
Eine Palliativversorgung kann nur bei rechtzeitiger Einbeziehung in den Behandlungsverlauf
von Patienten besonders wirksam sein. Es gelten daher auch hier die allgemeinen Empfehlungen
für die Integration von Palliativversorgung, gemäß der o. g. S3-Leitlinie.
3.89
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Alle Patienten mit einer Krebserkrankung sollen unabhängig vom Krankheitsstadium Zugang
zu Informationen über Palliativversorgung (z. B. durch Auslage von Flyern) haben.
Starker Konsens
3.90
Evidenzbasierte Empfehlung
geprüft 2023
Empfehlungsgrad
A
Allen Patienten soll nach der Diagnose einer nichtheilbaren Krebserkrankung eine Palliativversorgung
angeboten werden, unabhängig davon, ob eine tumorspezifische Therapie durchgeführt
wird.
Level of Evidence
1
[459 ]
[460 ]
[461 ]
[462 ]
[463 ]
[464 ]
[465 ]
[466 ]
[467 ]
1: Leitlinienadaptation S3-Leitlinie Palliativmedizin Langversion 2.2.-September 2020
Konsens
3.6.3.1 Zeitpunkt der Integration von Palliativversorgung beim HCC/CCA
3.91
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Allen Patienten mit einem HCC im Stadium BCLC D sollte aktiv eine Palliativversorgung
angeboten werden.
Starker Konsens
3.92
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Allen Patienten mit einem Cholangiokarzinom im Stadium IV nach UICC-Klassifikation
soll eine Palliativversorgung angeboten werden.
Starker Konsens
Die Surprise-Question: „Würde ich mich wundern, wenn der Patient in den nächsten 12
Monaten verstirbt“ ist ein Screening-Tool zur Identifikation von Patienten mit einem
palliativmedizinischen Versorgungsbedarf. Beantwortet man diese Frage mit „Nein“,
sollte man über eine palliativmedizinische Erstvorstellung nachdenken [468 ]
[469 ]
[470 ]
[471 ]. Die Beantwortung dieser Frage und die Einschätzung der Prognose sind bei der großen
Auswahl neuer Therapiemöglichkeiten nicht immer einfach.
Minimalstandard sollte jedoch sein, in Anlehnung an die Leitlinie der „European Association
for the Study of the Liver“, dass allen Patienten ab einem Stadium D nach BCLC, aktiv
eine Palliativversorgung angeboten wird [2 ]. Beim Cholangiokarzinom, sollten Patienten ab einem Stadium IV nach UICC (Union
for International Cancer Control) eine palliativmedizinische Vorstellung angeboten
werden.
3.6.4 Palliative Symptomkontrolle bei Patienten mit HCC/CCA
Allgemeine Symptomkontrolle
Für die palliative Symptomkontrolle verweisen wir hier auf die aktuellen Empfehlungen
der „Erweiterten S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren
Krebserkrankung" (AWMF-Registernummer: 128/001OL). Nur auf die Behandlung des Pruritus,
als häufiges und belastendes Symptom, wird hier gesondert und gezielt eingegangen.
Pruritus
3.93
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Der Pruritus sollte analog der AWMF-S2k-Leitlinie Pruritus behandelt werden.
Starker Konsens
Pruritus ist ein häufiges Symptom beim fortgeschrittenen HCC und CCA. Dabei ist der
Pruritus wahrscheinlich nicht alleine als Begleiterscheinung des Ikterus infolge einer
mechanischen Cholestase oder eines Leberzellzerfalls zu werten, sondern kann unabhängig
davon auch Teil des paraneoplastischen Syndroms bei malignen Grunderkrankungen sein
[472 ]. Dabei können die interindividuelle Wahrnehmung und Beeinträchtigung von Pruritus
stark variieren. Eine zirkadiane Rhythmik mit Verschlimmerung am späten Nachmittag
bis in die Nacht ist häufig. Im Einzelfall kann Pruritus die Lebensqualität derart
beeinträchtigen, dass Depression und Suizidalität die Folgen sind. Die Quantifizierung
des Schweregrades von Pruritus zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgt indirekt durch
Messung der Kratzaktivität. Therapiestudien zur Behandlung des Pruritus beim Hepatozellulären
Karzinom liegen nicht vor. Die hier aufgeführten Daten beziehen sich auf chronische,
nichtmaligne Lebererkrankungen [473 ]
[474 ]. Bezüglich der medikamentösen Behandlung des Pruritus ist die Studienlage begrenzt.
Rifampicin in einer Dosierung von 300–600 mg/d bzw. 10 mg/kg KG/d oral [475 ]
[476 ], Naltrexon 25–50 mg/d oral [477 ], oder Cholestyramin 10–15 mg/kg KG/d oral zeigten in mehreren Studien Wirksamkeit.
Die Wirksamkeit von Naloxon 0,2 µg/kg KG/min intravenös [478 ], und des Serotonin Reuptake Inhibitors Sertralin 75–100 mg/d [479 ], konnten in jeweils einer randomisierten Studie gezeigt werden. Die Studienlage
für Ursodesoxycholsäure bezüglich der Verbesserung des Pruritus ist nicht überzeugend.
Während Ursodesoxycholsäure bei der PBC und der PSC in dieser Hinsicht nicht wirksam
ist [480 ]
[481 ], führt es bei Frauen mit intrahepatischer Schwangerschaftscholestase zu einer Besserung
[482 ]. Die Ergebnisse zu Ondansetron sind widersprüchlich. Einzelfallbeschreibungen oder
Fallserien gibt es für Propofol intravenös, Lidocain intravenös, Dronabidol oral,
Butorphanol nasal sowie Phenobarbital oral.
Nichtmedikamentöse Behandlungsversuche umfassen die Phototherapie, Plasmapherese-
und separation, die extracorporeale Albumin-Dialyse (MARS), nasobiliäre Sonden zur
Ableitung und topische Behandlungen, z. B. mit Lokalanästhetika oder Glucocorticoiden.
Empfehlungen zur Behandlung des Pruritus finden sich zusammengefasst in der aktuellen
AWMF-S2k-Leitlinie (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-048.html ).
3.6.5 Rehabilitation, Sport- und Bewegungstherapie
3.94
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Patienten mit HCC/CCA sollten zu körperlichen Aktivitäten und/oder Bewegungstherapie
motiviert werden.
Starker Konsens
Es gibt keine spezifischen Studien zu Patienten mit HCC und dieser Fragestellung.
In einer kleinen Studie mit 20 Patienten vor und nach orthotoper Lebertransplantation
wird die aerobe Kapazität von Patienten mit chronischen Lebererkrankungen untersucht
[483 ]. Die verminderte Sauerstoffkapazität wird als ein prognostischer Faktor angesehen
und korreliert mit der Mortalität nach Lebertransplantation [484 ]
[485 ]. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Peak-Flow und dem Stadium der Lebererkrankung
[483 ]
[484 ]. Ein spezielles Rehabiliationsprogramm für diese Patienten wird vorgeschlagen [485 ]. Um die Muskelmasse der Patienten mit chronischen Lebererkrankungen und HCC zu erhalten,
sollten ein leichtes Ausdauer- und ein spezielles Muskelaufbautraining empfohlen werden.
3.95
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Der Nutzen einer Anschlussheilbehandlung und von Rehabilitationsmaßnahmen (hinsichtlich
Lebensqualität, Leistungsfähigkeit, krankheitsfreiem Überleben, Gesamtüberleben) ist
für das HCC/CCA nicht ausreichend evaluiert. Dennoch sollte den Patienten, die die
Voraussetzungen erfüllen, eine AHB oder Rehabilitation angeboten werden.
Starker Konsens
3.96
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die rehabilitative Therapie soll medizinische, pflegerische, aufklärende, trainierende
und psychosoziale Maßnahmen umfassen, die dem individuellen Rehabilitationsbedarf
angepasst werden.
Starker Konsens
Patienten mit chronischen Lebererkrankungen im fortgeschrittenen Stadium leiden unter
Fatigue, welche auch bei der Mehrheit der Patienten nach einer Lebertransplantation
bestehen bleibt [485 ]
[486 ]. Dabei verspüren die Patienten weniger eine psychovegetative Erschöpfung, sondern
vermehrt eine körperlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit [486 ]. Daher sollte ein spezielles Rehabilitationsprogramm zur Verbesserung der kardiorespiratorischen
Leistungsfähigkeit angeboten werden [485 ]
[487 ]. Auftrag der Rehabilitation ist die möglichst weitgehende Beseitigung – zumindest
aber Kompensation – tumor- oder therapiebedingter Folgen sowie die Hilfestellung bei
der Akzeptanz verbleibender Behinderungen mit dem Ziel einer selbstbestimmten Teilhabe
am gesellschaftlichen Leben.
Zum Stellenwert rehabilitativer Maßnahmen bei Patienten mit hepatozellulärem oder
biliären Karzinom liegt keine auswertbare Literatur vor. Für die rehabilitative Maßnahme
sind ausgewiesene Reha-Zentren bzw. Kliniken mit gastrointestinaler und onkologischer
Expertise zu bevorzugen, die den Standards des Qualitätssicherungsverfahrens der Deutschen
Rentenversicherung entsprechen. Ziel jeder Rehabilitation sind Sicherung und erforderlichenfalls
Verbesserung der Lebensqualität des Betroffenen, wobei die Notwendigkeit dieser Maßnahmen
individuell einzuschätzen ist.
Rehabilitation ist vom Gesetzgeber als sozialer Anspruch definiert (SGB I, § 19).
Art und Umfang der erforderlichen Leistungen werden im SGB I (§ 29), SGB V (Krankenversicherung),
SGB VI (Rentenversicherung), SGB III (Arbeitsförderung), ferner im RehAnglG und im
SGB IX konkretisiert. Der Rehabilitationsbedarf nach Behandlung von hepatozellulären
oder biliären Karzinomen ist äußerst variabel und im Wesentlichen abhängig von Art
und Ausmaß des operativen Vorgehens sowie der Therapiefolgen. Rehabilitationsverfahren
sollten bei definiertem Rehabilitationsbedarf und individueller Rehabilitationsfähigkeit
möglichst im Anschluss an die Primärtherapie stattfinden. Daten, die die Wertigkeit
von Rehabilitationsverfahren ausreichend belegen, existieren nicht.
Eine psychosoziale Beratung und gegebenenfalls Betreuung ist wünschenswert bei Problemen
der psychischen Verarbeitung des Tumorleidens, bei Therapiefolgen, bei sozialen Anpassungsstörungen
sowie bei der beruflichen Wiedereingliederung [466 ]
[488 ]. Kontakte mit erfahrenen Gleichbetroffenen können gerade bei der psychischen Verarbeitung
oder der Anpassung an eine veränderte Lebenssituation die wesentliche Hilfe für einen
Neubetroffenen darstellen. Gleichbetroffene können durch ihr eigenes Beispiel sowie
ihre Erfahrungen im Alltagsleben mit Krankheit und Behinderung glaubwürdig vermitteln,
dass eine hohe Lebensqualität auch dann möglich ist. Deswegen sollten Kontaktaufnahmen
oder Vermittlung zu Selbsthilfeorganisationen erfolgen. Hier sei auf die parallel
entstehende Patientenleitlinie verwiesen sowie auf die Homepages der an der Leitlinie
beteiligten Patientenvertreter (http://www.lebertransplantation.eu , www.deutsche-leberstiftung.de/ und www.leberhilfe.org/ ).
3.6.6 Psychoonkologie
Zur psychoonkologischen Versorgung liegt ebenfalls eine S3-Leitlinie des Leitlinienprogramms
Onkologie vor, die auch für Patienten mit HCC/CCA gültig ist: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/psychoonkologie/ .
3.97
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die Erfassung der psychischen Belastung sowie die psychoonkologische Behandlung sollten,
wie in der S3-Querschnittsleitlinie Psychoonkologie beschrieben, erfolgen.
Starker Konsens
Patienten mit HCC beschrieben eine schlechtere gesundheitsbezogene Lebensqualität
im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung [489 ]. Schmerzen, Fatigue, Übelkeit und Leistungsfähigkeit waren mit der schlechteren
gesundheitsbezogenen Lebensqualität assoziiert [490 ]. Es ist wichtig zu bemerken, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität sich mit
zunehmendem TNM-Stadium weiter verschlechterte [491 ]. Darüber hinaus zeigten Patienten mit HCC eine höhere Prävalenz von depressiven
Symptomen [492 ], und Ängstlichkeit [493 ], im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, wobei die Depressivität zu Schlafstörungen
und Fatigue beitrug [494 ]. Nicht zuletzt hatten die Patienten mit einer fortgeschrittenen HCC-Erkrankung bei
Diagnosestellung ein höheres Risiko für einen Suizid während des ersten Jahres nach
Diagnosestellung [495 ].
Wie erwartet, führten die Chirurgie [496 ], Interventionen wie Chemoembolisation [497 ], und Radiotherapie [490 ], zu einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Patienten mit
HCC:
Patienten mit HCC berichteten häufig von einer mangelnden Information [498 ], was auf die Wichtigkeit der Psychoedukation in der Supportivtherapie des HCC hinweist.
Dies sollte frühzeitig angeboten werden [498 ]. Darüber hinaus sollten Ängstlichkeit und Depressivität frühzeitig erhoben und ein
psychoonkologisches Behandlungsangebot zeitnah erfolgen, da sich Ängstlichkeit und
Depressivität maßgeblich auf das Behandlungsergebnis über einen längeren Zeitraum
– mehrere Jahre – auswirken, was mit dem „Functional Assessment of Cancer Therapy-
Hepatobiliary“ (FACT-H) erhoben wurde [493 ]. Die psychoonkologische Behandlung verbesserte nicht nur Depressivität, Ängstlichkeit
und gesundheitsbezogene Lebensqualität [492 ], sondern auch Nebenwirkungen der Tumortherapie sowie krankheitsassoziierte Symptome
wie Schmerzen [499 ], im Vergleich zur Kontrollgruppe welche keine psychoonkologische Behandlung erhielt.
3.6.6.1 Patientenzentrierte Kommunikation, Information und Aufklärung
3.98
Konsensbasierte Empfehlung
geprüft 2023
EK
Die Kommunikation mit Patienten mit HCC/CCA und ihren Angehörigen soll wiederholt
in allen Phasen der Erkrankung und durch alle behandelnden Berufsgruppen patientenzentriert
erfolgen und soll sich an deren individuellen Anliegen, Bedürfnissen und Präferenzen
orientieren, welche Information, Aufklärung und Beteiligung an Entscheidungen betreffen.
Starker Konsens
Befragungen von Krebspatienten ergeben übereinstimmend Defizite hinsichtlich ihrer
Bedürfnisse nach Information; diese zählen zu den wichtigsten und häufigsten „unmet
needs“ von Krebspatienten aller Diagnosen und Krankheitsstadien [500 ]
[501 ]. Studien belegen günstige Auswirkungen angemessener Aufklärung und Informationsvermittlung
hinsichtlich Krankheitsverarbeitung, besserem psychischen Befinden und höherer Lebensqualität
[502 ]
[503 ]
[504 ]
[505 ]. Professionelle kommunikative Kompetenz von Ärzten gewährleistet, dass Informationen
im gesamten Krankheits-und Behandlungsverlauf angemessen, orientiert am jeweiligen
Bedürfnis und auf eine für Patienten verständliche Weise vermittelt werden [505 ]
[506 ]
[507 ]. Patienten sollten ermutigt werden, dem Arzt mitzuteilen, welche Informationen aktuell
für sie wichtig sind, wie umfassend und wie detailliert diese sein sollen. Ebenso
ist ihre individuelle Präferenz hinsichtlich geteilter Entscheidungsfindung (z. B.
zur Tumorbehandlung) zu klären und zu berücksichtigen [508 ]
[509 ]. Behandlungsoptionen und mögliche Alternativen sollen klar und verständlich vermittelt
werden, mit realistischen Informationen zur Wirksamkeit und zu potenziell nachteiligen
Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche; dies trifft bei Patienten mit HCC im
Besonderen für die adäquate Vorbereitung auf eine Lebertransplantation zu [510 ]
[511 ]
[512 ]. Angehörige und weitere Bezugspersonen sollen, wann immer möglich, einbezogen werden.
Die Präferenzen hinsichtlich patientenzentrierter Kommunikation (PZK) variieren [513 ], bei Tumorpatienten und können sich im zeitlichen Verlauf verändern. Besonders bei
ungünstiger Prognose oder in fortgeschrittenen Krankheitsphasen bevorzugen Tumorpatienten
eine patientenzentrierte Haltung ihrer Ärzte in Form von Verständnis, Empathie und
Unterstützung [514 ]
[515 ]
[516 ]. Patienten, die ihren Arzt als „empathisch“ und „aufmerksam“ empfanden, waren nach
der Konsultation zufriedener, psychisch weniger belastet und hatten eine höhere Selbstwirksamkeit
[514 ]
[517 ]
[518 ]. Diese individuellen Anliegen, Bedürfnisse und Präferenzen sollen wiederholt im
Krankheitsverlauf, insbesondere in kritischen Krankheitsphasen (Diagnose, Rezidiv/Progredienz)
erfragt werden.