Key words
perivascular spaces - glymphatic system - MR imaging
Einleitung und historischer Kontext
Einleitung und historischer Kontext
Die Bedeutung der perivaskulären Räume (perivascular spaces = PVS) rückte erst in
jüngerer Vergangenheit zunehmend in den Fokus des klinischen und wissenschaftlichen
Interesses. Beschrieben wurden die PVS jedoch schon vor über 150 Jahren. Erstmals
beobachtet und erwähnt wurden sie 1843 vom französischen Mediziner Durand-Fardel in
seinem Werk „Traité du ramollissement du cerveau“. Hier beschrieb er in einem Autopsiebericht
einen „état criblé“ bestehend aus siebartigen kleinen Löchern im Gehirn, vor allem
in der Weißen Substanz und im Corpus striatum [1] ([Abb. 1]). Die erstmalige Benennung als Virchow-Robin-Räume ging auf die beiden Pathologen
Virchow und Robin zurück. Der deutsche Pathologe Virchow beschrieb 1851 in seinem
Artikel „Ueber die Erweiterung kleinerer Gefäße“ einen Raum in der Gefäßwand zwischen
Tunica intima/media und der Tunica adventitia und nannte ihn „disseziierende Ektasie“
[2]. Der französische Anatom Robin beschrieb 1859 in seiner Arbeit „Recherches sur quelques
particularités de la structure des capillaires de l’encéphale“ einen geschlossenen
Raum innerhalb der Tunica adventitia [3]. In beiden Veröffentlichungen wurden diese als nicht pathologische Befunde beschrieben.
Die heutige Definition von PVS ist der flüssigkeitsgefüllte Raum in Umgebung der kleinen
penetrierenden zerebralen Gefäße.
Abb. 1 „état criblé“: axiale T2w-Sequenz mit multiplen erweiterten perivaskulären Räumen
auf Höhe der Basalkerne.
Insbesondere in Verbindung mit dem Modell der zerebralen clearance durch das glial-lymphatische („glymphatische“) System [4] rückten die PVS schließlich immer mehr in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit.
Es wird vermutet, dass sie ein zentraler Bestandteil des Drainageweges des Zentralnervensystems
und damit am Abtransport metabolischer Abfallprodukte beteiligt sind, womit auch postuliert
wird, dass sie als Biomarker für Hirngesundheit und -krankheit dienen könnten. Speziell
ein Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie beispielsweise M. Alzheimer
oder M. Parkinson wird vermutet. Die Magnetresonanztomografie (MRT) als nicht-invasive
Bildgebung ermöglicht es, Komponenten des glymphatischen Systems wie die PVS in-vivo
detailliert darzustellen. Idee und Ziel dieser Arbeit ist es daher, einen Überblick
zur MR-Bildgebung der PVS zu bieten und verschiedene Methoden der Auswertung zusammenzufassen,
um für die klinische Routine relevante Punkte herauszuarbeiten.
MR-Bildgebung und PVS-Eigenschaften in verschiedenen Sequenzen
MR-Bildgebung und PVS-Eigenschaften in verschiedenen Sequenzen
PVS können, insbesondere aufgrund der sich stetig verbessernden räumlichen Auflösung,
die mit modernen Scannern erzielt werden kann, quasi in jedem kraniellen MRT in den
Routine-Sequenzen abgegrenzt werden [5].
Insbesondere T2-gewichtete (T2w) TSE-Sequenzen bieten für die Visualisierung von PVS
ein hohes Kontrast-Rausch-Verhältnis (contrast-to-noise ratio, CNR) [6]. Zusätzliche Sequenzen können die Unterscheidung zwischen PVS und ihren Differenzialdiagnosen
zudem weiter erleichtern ([Tab. 1]). Im Bereich der Basalganglien (BG) verlaufen PVS entlang der lentikulostriären
Gefäße, wobei eine Kontinuität zu den basalen Zisternen beobachtet werden konnte.
Im Centrum semiovale (CSO) beginnen sie bereits wenige Millimeter unterhalb des Kortex.
[6]
[7]. Die Traktografie mit Diffusion Tensor Imaging zeigt, dass die PVS und ihre zentralen Gefäße parallel zu den Axonen der Weißen Substanz
verlaufen [8]. In T2w- und balanced steady-state free precession (bSSFP)-Sequenzen konnten in den periventrikulären PVS ependymale Öffnungen und damit
direkte Verbindungen zum Ventrikelsystem nachgewiesen werden. Diese befinden sich
zum Großteil in der basalen lateralen Wand des Seitenventrikelvorderhorns [9]. Im Mittelhirn zeigen sie sich stark in T2w-Bildern am pontomesenzephalen Übergang
hauptsächlich zwischen den Pedunculi cerebri und der Substantia nigra. Am mesenzephalodienzephalen
Übergang sind PVS hauptsächlich dorsal der Pedunculi cerebri lokalisiert und hier
deutlich kleiner [10] ([Abb. 2a]). Innerhalb des Kortex konnten Studien bisher nur ex vivo an 7T-Geräten einige PVS
verfolgen [11]. Möglicherweise sind sie in histologischen Präparaten im Rahmen der Fixierung dilatiert,
und in vivo wesentlich kaliberschwächer als in der Weißen Substanz, sodass die räumliche
Auflösung von MRTs oder die CNR zu gering sind.
Tab. 1
Eigenschaften perivaskulärer Räume in verschiedenen MRT-Sequenzen.
|
Sequenz
|
PVS-Eigenschaften
|
Bemerkung
|
|
T2w
|
Hyperintens, scharf umschrieben
Länglich, wenn Verlauf parallel zur Schicht/rundlich-oval, wenn Verlauf senkrecht
zur Schicht
|
Standardsequenz für die visuelle Auswertung in axialer Schichtführung
|
|
T1w
|
Hypointens, scharf umschrieben
|
|
|
EPC
|
Hypointens
|
Abgrenzung zu Gefäßen ohne umgebende PVS; diese hier hyperintens
|
|
FLAIR
|
Hypointens, scharf umschrieben
|
Abgrenzung zu Differenzialdiagnosen (z. B. WMH, Gliosen und kleine Lakunen)
|
|
TOF, SWI/T2*
|
Kein Signal in der TOF-Sequenz
Keine SWI-Veränderungen
|
Bezug zu arteriellen und venösen Gefäßen
|
|
DWI
|
Keine Diffusionsrestriktionen
|
Berechnung DWI-ALPS-Index
|
|
DTI
|
|
Traktografie zur Korrelation zum Verlauf von PVS
Berechnung DTI-ALPS-Index
|
Abb. 2 a axiale T2w-Sequenz durch das Mittelhirn. Die Pfeile zeigen dortige perivaskuläre
Räume beidseits. b koronare T2w-Sequenz durch die Basalkerne. Der Pfeil zeigt eine fokale Erweiterung
eines perivaskulären Raums. c axiale T2w-Sequenz durch die Basalkerne. Der weiße Pfeil zeigt einen rundlich-ovalen
Verlauf. Der schwarze Pfeil zeigt einen linearen Verlauf. Der weiße Pfeilkopf zeigt
ein zentrales Gefäß innerhalb eines perivaskulären Raums.
In Abhängigkeit von der Ausrichtung zur Bildebene stellen sie sich entweder linear
oder rundlich-oval dar, da sie dem Verlauf der penetrierenden Gefäße folgen [12], wobei sie fokale Erweiterungen und Kaliberschwankungen aufweisen können [6]
[7] ([Abb. 2b]).
Es wurde berichtet, dass PVS meist einen räumlichen Bezug zu den perforierenden Arterien
aufweisen. In Abhängigkeit vom Verhältnis zwischen Gefäßdurchmesser und Flüssigkeitsfüllung
der PVS lassen sich die zentralen Gefäße innerhalb der PVS gelegentlich darstellen
([Abb. 2c]), wie beispielsweise in T1-gewichteten Bildern nach Kontrastmittel (KM)-Applikation
[13] oder in TOF-Angiografien nach KM-Gabe [14]. Jedoch werden auch PVS ohne korrespondierende Arterie und Arterien ohne korrespondierende
PVS gesehen [7]. Einige Studien mit zusätzlicher T2*- oder gradientecho-/suszeptibilitätsgewichteter
(SWI) Sequenz zeigen zudem, dass sie räumlich nicht oder nur minimal mit dem Verlauf
venöser Gefäße korrelieren [7]
[15]. Ob dies an einer geringeren Größe oder anderem Aufbau der perivenösen PVS liegt,
ist noch unklar. Denkbar ist auch, dass diese aufgrund der geringeren Druckverhältnisse
kollabiert und somit üblicherweise nicht sichtbar sind. Ein gänzliches Fehlen perivenöser
PVS ist allerdings auch denkbar. Andere Arbeiten mit koregistrierten T2w- und SWI-Sequenzen
konnten jedoch zeigen, dass zumindest ein kleiner Teil der PVS perivenös lokalisiert
ist [16].
Visuell ist das Signal von PVS isointens zu Liquor und wird daher in FLAIR-Sequenzen
vollständig unterdrückt. Hier sind sie im Gegensatz zu Marklagerläsionen (White Matter Hyperintensities, WMH) hypointens und weisen keinen hyperintensen Saum auf, sofern sie nicht innerhalb
einer solchen Läsion liegen [17]. Die gemessene Signalintensität von PVS zeigt jedoch eine geringe Hyperintensität
gegenüber Liquor, was auf unterschiedliche Zusammensetzungen schließen lässt [18], die bis heute nicht hinreichend untersucht sind. Weitere Untersuchungen weisen
darüber hinaus Signalunterschiede zwischen PVS verschiedener Regionen auf, was auch
hier unterschiedliche Flüssigkeitskompositionen vermuten lässt [19].
Nach intravenöser Gabe von Gadolinium-haltigem KM zeigen PVS an den perforierenden
Arterien und in den BG nach etwa drei bzw. vier Stunden ein signifikantes Enhancement
in stark T2w FLAIR-Bildern [20]
[21]. In den PVS der Weißen Substanz der subinsulären Region wurde hingegen kein vergleichbarer
Effekt beobachtet [19]. Ein möglicher Grund hierfür könnten divergierende Abflusswege und -funktionen zwischen
den PVS verschiedener Regionen sein.
Die Kombination von MR-Sequenzen mit verschiedenen Gewichtungen könnte die Sichtbarkeit
von PVS künftig noch weiter erhöhen. Etabliert wurde hierfür der Enhanced-PVS-Contrast (EPC), eine Kombination aus T1w- und T2w-Sequenzen. Aufgrund des hier inversen Signalverhaltens
von Flüssigkeiten führt eine Kombination dieser zu einem vergrößerten PVS-Gewebe-Kontrast.
Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist die Unterscheidung von Gefäßen mit und ohne
umgebende PVS. Ohne PVS sind die Gefäße hypointens in der T2w-Sequenz und hyperintens
in der EPC – mit umgebenden PVS sieht man in der T2w-Sequenz eine Hyperintensität
bei einer Hypointensität in der EPC [22].
Zur Bestimmung der Aktivität des glymphatischen Systems haben Taoka et al. die „diffusion
tensor image analysis along the perivascular space“ (DTI-ALPS) evaluiert. Der ALPS-Index
setzt die Diffusivität entlang der PVS mit jener entlang der Projektions- und Assoziationsfasern
einer Schicht ins Verhältnis [23].
Analog hierzu hat dieselbe Gruppe ihre Methode auf die einfache diffusionsgewichtete
Bildgebung angewendet. Aus DWI-Sequenzen lassen sich die ADC-Karten in den oben beschriebenen
Achsen generieren. In derselben Schicht lässt sich dann der DWI-ALPS-Index berechnen
[24].
PVS im Verlauf des Lebens und bei Gesundheit und Krankheit
PVS im Verlauf des Lebens und bei Gesundheit und Krankheit
Studien zeigen, dass mit zunehmendem Alter die Sichtbarkeit der PVS zunimmt [7]. Ob sich auch der Diameter verändert, wird derzeit noch diskutiert. Die zugrunde
liegenden Mechanismen werden in der Literatur weiterhin erörtert. Studien belegen,
dass es eine vererbbare Komponente gibt [25]. Es scheint, als hätten Männer eine höhere Anzahl an PVS [26]. In prospektiven Studien konnte belegt werden, dass PVS mit Alter, lakunären Infarkten
und Läsionen in der Weißen Substanz assoziiert sind. Zunehmend werden sie also als
weiterer Marker der zerebralen Kleingefäßerkrankung angesehen [27]. Auch im Rahmen der zerebralen autosomal-dominanten Arteriopathie mit subcortikalen
Infarkten und Leukenzephalopathie (cerebral autosomal dominant arteriopathy with subcortical infarcts and leuokoencephalopathy = CADASIL) als monogenetische und früh einsetzende Form der zerebralen Kleingefäßerkrankung
zeigt sich eine positive Korrelation zwischen der Anzahl an PVS und Läsionen der Weißen
Substanz [28]. Es konnten verschiedene PVS-Muster bei spontanen intrazerebralen Blutungen detektiert
werden. So scheint die Prävalenz von PVS in den Basalganglien mit hypertensiven Blutungen
und das Vorhandensein von PVS im Centrum semiovale mit Blutungen im Rahmen einer zerebralen
Amyloidangiopathie assoziiert zu sein [29]. Weitere genetische Erkrankungen, die mit einer Erweiterung der PVS einhergehen
sind beispielsweise die Mukopolysaccharidosen, die als lysosomale Speichererkrankungen
unter anderem mit Manifestationen im ZNS einhergehen. PVS zeigen sich hier vor allem
in ungewöhnlichen Lokalisationen, wie beispielsweise entlang der Junktionszone zwischen
Grauer und Weißer Substanz. Jedoch zeigt sich keine Korrelation zur kognitiven Leistung
[30]. Auch wenn die Datenlage noch widersprüchlich ist, scheint die Last an PVS mit neurodegenerativen
Erkrankungen wie Multiple Sklerose, M. Alzheimer oder M. Parkinson zu korrelieren.
Die zugrunde liegenden Mechanismen sind hier weiterhin Gegenstand der Forschung. Der
Zusammenhang zwischen PVS und kognitiver Leistung ist in der Literatur aktuell ebenfalls
kontrovers.
Visuelle Auswertung
In Bezug auf das visuelle Scoring von PVS gibt es eine mit zunehmender Anzahl an Veröffentlichungen
äquivalent steigende Anzahl an Auswertungsmethoden.
Eine Klassifikation basierend auf der Verteilung der PVS unterscheidet drei charakteristische
Lokalisationen: Typ I entlang der perforierenden lentikulostriären Arterien in den
BG, Typ II entlang der perforierenden subkortikalen Marklagerarterien über der Konvexität
und Typ III im Mittelhirn am pontomesenzephalen Übergang [31]. Neuerdings wird auch ein Typ IV vorgeschlagen für die subkortikale Weiße Substanz
des anterioren superioren temporalen Gyrus [32]. Letztlich können PVS jedoch überall im Hirnparenchym auftreten.
Teilweise wird ein Grading der PVS anhand ihrer Größe verwendet. Auch hier gibt es
bisher keine einheitliche Definition. In einer frühen Studie wurde Grad 1 für einen
Diameter von < 2 mm definiert, Grad 2 für einen Diameter von 2–3 mm und Grad 3 für
einen Diameter von > 3 mm [33]. Andere Arbeiten definieren einen unteren Grenzwert von 1 mm [34] oder 5 mm [31]. Es besteht jedoch weitestgehend Einigkeit darüber, dass PVS < 3 mm nicht als erweitert
gelten. Bei größeren PVS müssen Differenzialdiagnosen wie insbesondere lakunäre Infarkte
in Betracht gezogen werden [34]
[35]
[36]. In der Literatur gibt es zudem Fälle mit sogenannten giant tumefactive PVS mit Ausmaßen von über 1,5 cm [37] ([Abb. 3a, b]). Trotz ihrer Größe können sie jedoch symptomlos und ein Zufallsbefund sein [38]. Andererseits können sie auch mit vielfältigen Symptomen einhergehen und fokale
Masseneffekte, bis hin zum obstruktiven Hydrocephalus, hervorrufen [37]. In seltenen Fällen können erweiterte PVS auch reversibel sein, entweder assoziiert
mit der Resektion oder Regression zerebraler Läsionen, aber auch spontan [13].
Abb. 3 „giant tumefactive perivascular spaces“ a axiale T2w-Sequenz. b sagittale T1w-Sequenz.
Aktuellere Arbeiten definieren eine Dilatation der PVS in der supratentoriellen Weißen
Substanz nicht anhand des Durchmessers, sondern anhand der Form. Unterschieden wird
lediglich der Grad „nicht dilatiert“, wenn sie einen ebenen und linearen Verlauf haben
und „dilatiert“, wenn Irregularitäten oder fokale Ektasien im Verlauf erkennbar sind.
Diese Einteilung soll laut Autorenschaft den Vorteil haben, dass sie einfacher anwendbar
ist und die Größe nicht auf das individuelle Hirnvolumen normalisiert werden muss.
Die Graduierung ist so unabhängiger von technischen Parametern [36].
Um die Quantität von erweiterten PVS zu beurteilen, können diese in den verschiedenen
Regionen gezählt werden und so in ein Rating eingehen.
Die in Studien mit visueller Auswertung der PVS meist etablierte Skala für die BG
und das CSO reicht von 0 bis 4 mit 0 = keine PVS, 1 = 1–10, 2 = 11–20, 3 = 21–40 und
4 = > 40. Dies wird für beide Hemisphären angewendet. Im Falle einer Asymmetrie wird
der jeweils höhere Score verwendet ([Abb. 4]) [39]. Für das Mesencephalon wird eine Graduierung von 0 = nicht sichtbar und 1 = sichtbar
vorgenommen [39].
Abb. 4 Visueller Score für die Auswertung perivaskulärer Räumen auf Höhe der Basalganglien
(obere Reihe) und auf Höhe des Centrum semiovale (untere Reihe) anhand axialer T2w-Sequenzen.
Alle Bilder wurden an einem 3T-MRT (MAGNETOM Vida 3 T, Siemens Healthcare, Erlangen,
Deutschland) akquiriert.
Die unübersichtliche Anzahl an Auswertungsmethoden führt zu einer eingeschränkten
Vergleichbarkeit zwischen den bisherigen Studien. Ziel des „Uniform Neuro-Imaging
of Virchow-Robin Spaces Enlargement“ (UNIVERSE)-Konsortiums ist es daher, die visuelle
Beurteilung von PVS zu harmonisieren und auch zeiteffizienter zu gestalten. Es wurden
vier relevante Hirnregionen festgelegt: das CSO, die BG, der Hippocampus und das Mesencephalon.
Für die erstgenannten Regionen wird eine vordefinierte Schicht zur Zählung der PVS
festgelegt, während in den beiden letztgenannten alle PVS gezählt werden [40].
Wie oben beschrieben besteht hierbei eine zunehmende Evidenz, dass sowohl PVS als
auch WMH Biomarker für die zerebrale mikrovaskuläre Integrität sind und diese miteinander
korrelieren [26]. Erste Ansätze betrachten beide Parameter gemeinsam mit einem kombinierten Score.
Hier werden die Punktzahlen der Ratings für PVS der BG, des CSO und des Mittelhirns
sowie der Fazekas-Score [41] addiert [42].
Auch wenn Studien von einer guten Inter-Observer-Reliabilität ihrer visuellen Scores
berichten, ist die manuelle Auswertung insgesamt sehr zeitaufwändig und lässt eine
Subjektivität der Betrachtenden nicht eliminieren. Oftmals sind die Scores schwer
vergleichbar und damit ungeeignet für longitudinale Studien. Zu klären ist zudem,
ob die sich stetig verbessernde Technik mit höheren Feldstärken und besserer Auflösung
zu einer Veränderung der Detektierbarkeit von PVS führt. Damit stellt sich die Frage,
ob die bisherigen visuellen Rating-Skalen ebenfalls angepasst werden müssen.
Automatisierte Auswertung
Automatisierte Auswertung
Immer mehr Arbeiten befassen sich mit der semi- bzw. vollautomatischen Analyse von
PVS. Auch hier gibt es mit steigender Anzahl an Studien eine zunehmende Zahl an Auswertungsmethoden.
So gibt es mehrere Filter- und Segmentierungsmethoden, die sich potenziell auf PVS
übertragen lassen. Erste Ansätze, explizit PVS automatisch zu segmentieren, kamen
in den frühen 2000er Jahren auf, als Descombes et al. als erste einen mittels „Reversible
Jump Markov Chain Monte Carlo Algorithm“ optimierten „Marked-Point-Process-Framework“
zur Detektion multipler kleiner Läsionen nutzten [43].
Grob lassen sich diese Methoden unterteilen in die Bildprozessierung zur Erhöhung
der PVS-Sichtbarkeit sowie in Methoden mit künstlicher Intelligenz, hier deep-learning (DL)-Algorithmen, mit jedoch anteiligen Überschneidungen. Im Vorfeld erfolgt zumeist
eine Präprozessierung, u. a. zur Erstellung einer Maske durch Segmentierung von Grauer
und Weißer Substanz sowie von Liquor und ggf. subkortikalen Strukturen.
Für die Bildprozessierung lassen sich Untergruppen einteilen, wie intensitätsbasierte
Filter-Methoden, die Voxel anhand der Intensitätsunterschiede den PVS zuordnen, und
die Vesselness-Filter-Methoden, mit denen tubuläre Strukturen identifiziert werden.
Frühe Ansätze basierten auf einer semi-automatischen, intensitätsbasierten Segmentierung
in einer vordefinierten Schicht durch die BG [44]. Folgende Arbeiten nutzten in verschiedenen Regionen [45] die Kantendetektion und Verarbeitung Voxel-spezifischer, hoher positiver räumlicher
Gradienten durch das „imgradient“-Paket für MATLAB [8].
Eine weitere Studie entwickelte eine multimodale Autoidentifikation von PVS, die vollautomatisch
und Voxel-basiert anhand normalisierter Signalintensitäten der Grauen und Weißen Substanz
sowie des Ventrikelsystems in räumlich koregistrierten T1w-, FLAIR-, T2w- und PDw-Sequenzen
eine automatische Analyse und Zuordnung der Voxel durchführt [46]. Eine hieran angelehnte Herangehensweise derselben Arbeitsgruppe bedient sich nur
T1w- und FLAIR-Sequenzen, um die Akquisitionszeit zu reduzieren und den Einfluss von
Bewegungen zwischen den koregistrierten Sequenzen zu minimieren [47].
Andere Arbeiten bedienten sich Vesselness-Filter-Methoden wie dem Frangi-Filter [48]. Da das Ziel dieser Methode die Darstellung von tubulären Strukturen ist, lässt
sie sich gut auf die Darstellung von PVS anwenden. PVS wurden hierbei als tubuläre
Strukturen mit einer Länge von 3 bis 50 mm definiert [49]. Im Verlauf kamen weitere Arbeiten mit Verwendung des Frangi-Filters unter geringen
Veränderungen dazu [6]. Er lässt sich auf T1w-, T2w- und EPC-Bilder anwenden, wofür die Grenzwerte an das
jeweils einzuspeisende Bild angepasst werden und sie dieselbe Auflösung besitzen müssen.
Anschließend lassen sich die PVS an der ergebenden Maske auszählen [22].
Neben dem Frangi-Filter existieren weitere wie der Jerman-Filter und der RORPO-Filter,
die auf morphologischen Pfadoperatoren basieren. Welcher Filter beispielsweise im
Rahmen von Studien verwendet werden sollte, hängt davon ab, ob eine hohe Sensitivität
oder Spezifität bzw. ein hoher positiver oder negativer prädiktiver Wert angestrebt
wird [50].
Auch eine Kombination aus beiden oben genannten Methoden ist möglich. So konnten in
einer Arbeit in T2w-Bildern Vesselness-Filter angewendet werden, um alle gefäßähnlichen
Strukturen hervorzuheben. Um die PVS in einer vordefinierten Schicht automatisch zu
detektieren, wurden Wahrscheinlichkeitskarten basierend auf einer binären kNN-Klassifizierung
(k-Nearest-Neighbour) verwendet [51].
Mit Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz wurden auch DL-Algorithmen für die
Segmentierung von PVS entwickelt, welche in der Regel jedoch eine hohe Zahl an manuell
annotierten Datensätzen benötigen. Die oben beschriebenen visuellen PVS-Scores werden
letztlich meist als ground-truth verwendet, bei denen es aber ebenfalls einer gewissen
Menge an Datensätzen für Training und Validierung bedarf. Für derartige Ansätze wurden
beispielsweise „random forest“ Modelle [52]
[53] oder „convolutional neural networks“ (CNN) [11]
[54]
[55]
[56] als Grundlage verwendet.
Da, wie oben beschrieben, die 4 Hauptregionen das Mittelhirn, der Hippocampus, die
BG und das CSO sind, hat sich eine Arbeit auf diese fokussiert und für diese eine
automatische Quantifizierung entworfen. Der Ansatz dieser Methode basiert auf der
CNN-Regression, die für die Detektion kleiner Objekte innerhalb einer „Region of Interest“
entworfen wurde. Aufgrund der potenziell unterschiedlichen Formen und Differenzialdiagnosen
der PVS in diesen Arealen, wurde das CNN für diese Regionen spezifisch trainiert [57].
Auch die DL-Methoden lassen sich kombinieren, wie beispielsweise mit Frangi-Filter
und CNN-basierter Klassifikation mittels 3D-deep-CNN [25].
Automatisierte Methoden sind in der Lage, eine hohe Anzahl auch sehr kleiner PVS zu
detektieren und somit tiefergehende Analysen zu verwirklichen. So lassen sich quantitative
Parameter wie eine exakte Zählung oder Durchmesser von PVS erheben [6]. Weiterhin lassen sich die Länge und das individuelle PVS-Volumen berechnen, was
wiederum als Volumenfraktion auf das gesamte Hirnvolumen korrigiert werden kann [8]
[45]. Auch können morphologische Unterschiede wie Linearität [46] und Form zwischen den Regionen potenziell objektiver untersucht werden.
Die automatisierte PVS-Auswertung steht letztlich noch am Anfang und ist zwischen
den verschiedenen Ansätzen aufgrund verschiedener Sequenzen und Geräte mit unterschiedlichen
Feldstärken schwer zu vergleichen. Um die Forschung in diesem Feld aktiv voranzutreiben,
wurde 2021 durch die Medical Image Computing and Computer-Assisted Interventions Association(MICCAI)
die Vascular Lesions Detection (VALDO)-Challenge ins Leben gerufen. Eine Unterkategorie
ist auch die Detektion von PVS: Man erhofft sich hier die bessere Vergleichbarkeit,
da Vorschläge anhand derselben Richtlinien und Datensätzen beurteilt werden. (https://valdo.grand-challenge.org/).
Zusammenfassung
PVS sind in praktisch jeder kraniellen MRT-Untersuchung auch mit klinischen Routine-Sequenzen
sichtbar. Diese stellen einen Normalbefund bei Menschen ohne neurologische Auffälligkeiten
dar. Ihre klinische Relevanz ist jedoch noch nicht vollständig verstanden. Bisher
gibt es nur wenige Daten von hirngesunden Personen, um einen Cut-off zwischen physiologisch
und pathologisch zu ziehen. Für die visuelle Auswertung existieren zahlreiche Scoring-Systeme,
wobei die automatisierte Segmentierung ein vielversprechender Ansatz ist, Befunde
zu vereinheitlichen und Arbeiten vergleichbarer zu machen.