CC BY-NC-ND 4.0 · Aktuelle Kardiologie 2024; 13(03): 215-222
DOI: 10.1055/a-2285-7742
Kurzübersicht

Stellenwert der endomyokardialen Biopsie in der Diagnostik und Therapie der Kardiomyopathien

Importance of Endomyocardial Biopsy in the Diagnosis and Treatment of Cardiomyopathies
Heinz-Peter Schultheiss
1   Endomyocardial Biopsy Diagnostics, Institut Kardiale Diagnostik und Therapie (IKDT), Berlin, Deutschland
,
Christian Baumeier
1   Endomyocardial Biopsy Diagnostics, Institut Kardiale Diagnostik und Therapie (IKDT), Berlin, Deutschland
› Institutsangaben
Gefördert durch: ProFIT-Stipendium der Investitionsbank Berlin / mitfinanziert durch EFRE 10169096
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Zusammenfassung

Kardiomyopathien sind eine der wesentlichen Ursachen einer progredienten Herzinsuffizienz. Aufgrund ihrer großen klinischen Relevanz sind neue Diagnoseverfahren von eminenter Bedeutung. Neben der häufigsten Ursache von Kardiomyopathien – myokardiale Entzündung und/oder Virusinfektion – können zahlreiche andere Faktoren wie metabolische, toxische, rheumatische, endokrine, infiltrative und genetische Faktoren an der Entstehung einer Herzmuskelerkrankung beteiligt sein. Da eine korrekte Diagnose mit nicht invasiven Methoden einschließlich moderner bildgebender Verfahren nicht möglich ist, stellt die Endomyokardbiopsie weiterhin den diagnostischen Goldstandard als Voraussetzung für eine kausale, spezifische und personalisierte Therapie dar.


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Abstract

Cardiomyopathies are one of the main causes of progressive heart failure. Due to their great clinical relevance, new diagnostic procedures are of eminent importance. In addition to the most common cause of cardiomyopathies – myocardial inflammation and/or viral infection – numerous other mechanisms such as metabolic, toxic, rheumatic, endocrine, infiltrative and genetic causes may be involved in the development of cardiomyopathies. Since a correct diagnosis is not possible with non-invasive methods, including modern imaging techniques, endomyocardial biopsy remains the diagnostic gold standard as a prerequisite for causal, specific and personalized therapy.


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Was ist wichtig?
  • Die Endomyokardbiopsie ist der Goldstandard für die Identifizierung von Herzmuskelentzündungen und Virusinfektionen.

  • Mit der Weiterentwicklung der immunhistochemischen Entzündungsdiagnostik in Kombination mit viralen Nukleinsäuretests hat sich die Endomyokardbiopsie-Diagnostik seit ihrer Einführung deutlich verbessert.

  • Neue molekularbiologische Ansätze wie miRNA-Profiling, Genexpressionsanalysen und Next Generation Sequencing werden in Zukunft in der Kardiomyopathie-Diagnostik Anwendung finden.

Glossar

ARVC: arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie
B19V: Parvovirus B19
CMV: Zytomegalievirus
EBV: Epstein-Barr-Virus
EMB: Endomyokardbiopsie
HHV6: humanes Herpesvirus 6
MRT: Magnetresonanztomografie
NGS: Next Generation Sequencing


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Die Endomyokardbiopsie als Goldstandard in der Diagnose von Myokarditis und Kardiomyopathien

Weltweit leben schätzungsweise 64,3 Millionen Menschen mit einer Herzinsuffizienz. In Deutschland sind etwa 4 Millionen Menschen von einer Herzmuskelschwäche betroffen. Kardiomyopathien sind dabei eine Ursache für die Entstehung einer Herzinsuffizienz [1]. Aufgrund der großen klinischen Relevanz der Kardiomyopathien sind neue Diagnostikverfahren von hoher Bedeutung. Neben metabolischen, toxischen, rheumatischen, endokrinen und genetischen Faktoren stellen die Infektion des Herzmuskels mit kardiotropen Viren sowie die Entstehung einer intramyokardialen Entzündung die häufigsten Ursachen für eine Myokarditis dar und sind vor allem bei jungen Patienten für die Entstehung einer chronischen Kardiomyopathie verantwortlich [2]. Die rein klinische Diagnose einer chronischen Herzmuskelerkrankung gestaltet sich jedoch als schwierig, weil die Symptomatik häufig unspezifisch ist. Da die zugrunde liegende Ätiologie mit nicht invasiven Methoden wie der kardialen Magnetresonanztomografie (MRT) nicht geklärt werden kann [3], ist die Endomyokardbiopsie (EMB) mit histologischen, immunhistochemischen und molekularbiologischen Untersuchungen der diagnostische Goldstandard und Voraussetzung für eine kausale, spezifische und personalisierte Therapie ([Abb. 1]) [4] [5].

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Abb. 1 Übersicht über den Einsatz der Endomyokardbiopsie bei der Diagnose und Behandlung von Myokarditis und Kardiomyopathien.
Kurzgefasst

Die EMB ist der Goldstandard für die Diagnose von Myokarditis und Kardiomyopathien.


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Histologische und immunhistochemische Endomyokardbiopsie-Diagnostik

Die histopathologische Beurteilung von EMB erfolgt an Paraffin- und/oder Kryoschnitten mit verschiedenen Färbemethoden (u. a. HE, EvG, PAS, Azan) und bildet die Grundlage der feingeweblichen, mikroskopischen Diagnostik ([Abb. 2]) [5]. Darüber hinaus liefert die histologische Begutachtung Hinweise auf spezielle Formen der akuten Myokarditis, wie die aktive Myokarditis, die eosinophile Myokarditis, die Riesenzellmyokarditis und granulomatöse Erkrankungen wie die Sarkoidose ([Abb. 2] ad). Ein diagnostisches Problem bei der alleinigen histologischen Bewertung von akuten Entzündungsreaktionen ist das fokale Expressionsmuster und der damit verbundene „Sampling Error“. Molekularbiologische Methoden wie die Analyse von Genexpressionsmustern können jedoch dazu beitragen, dieses Problem zu minimieren (s. u. Molekularbiologische Untersuchungen zur Differenzierung der Riesenzellmyokarditis).

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Abb. 2 Histologische und immunhistochemische Färbungen an EMB. a Azan-Färbung einer aktiven Myokarditis nach Dallas-Kriterien mit Myozytolysen. b Azan-Färbung einer eosinophilen Myokarditis. c HE-Färbung einer Riesenzellmyokarditis. d Nachweis einer granulomatösen Entzündungsreaktion mit immunhistologischer Färbung von MAC-1-positiven Makrophagen. e Azan-Färbung einer ausgedehnten interstitiellen Fibrose. f Nachweis einer kardialen Amyloidose mit Polarisationsmikroskopie einer Kongorot-Färbung. g Immunhistochemischer Nachweis einer ATTR-Amyloidose. h Immunhistochemischer Nachweis einer inflammatorischen Kardiomyopathie mit diffuser Infiltration von CD3-positiven T-Zellen. i Immunhistochemischer Nachweis einer inflammatorischen Kardiomyopathie mit erhöhten CD45R0-positiven T-Gedächtniszellen.

Weitere Aspekte der histologischen Analyse von EMB

Die histologische Untersuchung von EMB dient des Weiteren zur Beurteilung und Quantifizierung von morphologischen Veränderungen wie Hypertrophien und Fibrose ([Abb. 2] e). Da eine signifikante Myokardhypertrophie auch durch Speichererkrankungen (z. B. Amyloidose, Morbus Fabry oder Hämochromatose) hervorgerufen sein kann, sollten nicht zuletzt aus diagnostischen Überlegungen insbesondere bei jüngeren Patienten EMB-Untersuchungen erfolgen [6].

So ist zum Beispiel die frühzeitige Diagnose der kardialen Amyloidose ([Abb. 2] f) entscheidend für den Erfolg der Behandlung der Betroffenen [4]. Darüber hinaus ist für die Therapieauswahl die exakte Klassifikation des Amyloids entscheidend. Diese kann durch immunhistochemische Färbungen mit hoher Sensitivität bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung erfolgen. Dabei kommen spezifische Antikörper zum Einsatz, welche die Differenzierung von ATTR-, AL- und AA-Amyloidosen ermöglichen, die zusammen mehr als 99% der kardialen Amyloidosen ausmachen ([Abb. 2] g). Im Falle des Nachweises einer ATTR-Amyloidose sollte darüber hinaus eine genetische Untersuchung erfolgen, um eine sogenannte Altersamyloidose vom Wildtyp von der hereditären Form zu unterscheiden [4]. Die neuen und Guideline-relevanten Therapieoptionen unterstreichen die Notwendigkeit einer frühzeitigen differenzierten Diagnostik bei Amyloidose [6]. Abschließend ist anzumerken, dass eine begleitende intramyokardiale Entzündung ebenfalls von Bedeutung für die Prognose einer nachgewiesenen Amyloidose sein könnte. Ähnliches wurde auch für genetische Formen der Kardiomyopathie gezeigt [4].


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Immunhistochemische Entzündungsdiagnostik

Mit der Erweiterung der vorhandenen rein histopathologisch orientierten Dallas-Kriterien durch die WHF Task Force und der Einführung des Begriffs „inflammatorische Kardiomyopathie“ wurde der immunhistochemische Nachweis infiltrierender Entzündungszellen etabliert [5]. Dabei lassen sich mithilfe von immunhistochemischen Färbungen verschiedene Immunzellen (z. B. CD3-, CD4-, CD8-, CD45RO-, LFA-1-positive Lymphozyten, Perforin-positive zytotoxische Zellen und M1- bzw. M2-Makrophagen) differenzieren und quantifizieren ([Abb. 2] h, i). Hierbei muss hervorgehoben werden, dass die Spezifität und Sensitivität der Immunhistologie bei der Verwendung von RNAlater-fixiertem Gewebe gegenüber Formalin-fixiertem Gewebe deutlich verbessert ist [7]. Darüber hinaus können weitere diagnostisch relevante Parameter (z. B. HLA-DR, ICAM-1, VCAM-1 und PAI-1) sowie die Quantität und Qualität der Fibrose (Gesamtkollagen, Kollagen I und III) immunhistochemisch bestimmt werden [7].

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass das Ausmaß und die Qualität der intramyokardialen Entzündung von entscheidender Bedeutung für die Prognose ist. So zeigte die immunhistochemische Analyse verschiedener Immunzellen in EMB erstmals, dass bei 26% der untersuchten Patienten mit Herzinsuffizienz keine erhöhte Zahl von CD3-Zellen, aber eine signifikante Zunahme anderer Immunzellen im Myokard beobachtet werden konnte ([Abb. 3] a). Gemessen an den aktuell gültigen Guidelines würde dies einem negativen immunhistologischen Befund ohne Therapiekonsequenz entsprechen [5]. Klinische Folgestudien haben zudem gezeigt, dass diese Gruppe trotz CD3-negativer Entzündung im Myokard eine deutlich schlechtere Prognose hat als eindeutig entzündungsnegative Patienten ([Abb. 3] b). Dies bedeutet, dass trotz des fehlenden Nachweises von CD3-positiven T-Zellen bei diesen Patienten sofort eine immunsuppressive Therapie eingeleitet werden sollte.

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Abb. 3 a In einer Patientenkohorte von 450 Patienten mit ungeklärter Herzinsuffizienz wurden 31% durch immunhistochemische Analysen als entzündungsnegativ (grün) charakterisiert, 43% der Patienten wiesen erhöhte CD3-Werte auf (rot), während die verbleibenden 26% CD3-Werte unterhalb des Cut-off-Wertes aufwiesen, jedoch erhöhte Zellzahlen für weitere Immunzellmarker (CD45R0, LFA-1 oder MAC-1) zeigten (gelb). b Die Betrachtung der Prognose anhand von Tod oder Verschlechterung der linksventrikulären Ejektionsfraktion zeigt, dass CD3-negative Patienten mit Nachweis anderer Entzündungsmarker eine schlechtere Prognose als entzündungsfreie Patienten haben.

Genetisch bedingte Herzmuskelerkrankungen, wie die arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC), können mithilfe des immunhistochemischen Nachweises desmosomaler Proteine (Plakoglobin, Desmoplakin, Caderin und Connexin 43) eindeutig diagnostiziert werden [4]. Zusätzlich konnten durch die Analyse verschiedener Zytokine – sowohl im Serum als auch im Myokard – neue Ansätze für eine Risikostratifizierung erarbeitet werden. Diese werden in Zukunft die Therapieentscheidung bezüglich der immunsuppressiven Therapie unterstützen und sowohl auf den Beginn als auch die Intensität der Therapie Einfluss nehmen [8].

Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass die Einbeziehung von künstlicher Intelligenz in prospektive Analysen großer Patientenkollektive durch Gewichtung der verschiedenen immunhistochemischen Parameter prognostische Aussagen ermöglicht, die Einfluss auf die Art und Intensität der Therapie haben.


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Molekularbiologische Untersuchungen zur Differenzierung der Riesenzellmyokarditis

Durch die Erstellung eines spezifischen Genexpressionsprofils im Herzmuskelgewebe ist es möglich, in über 95% der Fälle mit Riesenzellmyokarditis eine eindeutige Diagnose zu stellen, trotz des Problems des „Sampling Errors“ [9]. Ein Vergleich der Daten zeigt, dass die richtige Diagnose in 54,3% der Fälle von Riesenzellmyokarditis verfehlt worden wäre, wenn sich die Diagnose allein auf die Histologie beschränkt hätte ([Abb. 4]). Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass das Genprofil zur Überprüfung der Wirksamkeit und der erforderlichen Dauer der Therapie verwendet werden kann.

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Abb. 4 Erweiterte Diagnostik bei Riesenzellmyokarditis mittels Genprofilanalyse.
Kurzgefasst

Die initiale Diagnose von akuten Myokarditiden, Kardiomyopathien und kardialen Speichererkrankungen erfolgt durch histopathologische Untersuchungen an EMB. Zur weiteren Quantifizierung von Entzündungsreaktionen sowie zur Differenzierung von Speichererkrankungen und anderen Herzmuskelerkrankungen kommen immunhistochemische Färbungen zum Einsatz.


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Virologische Diagnostik an Endomyokardbiopsien

Die meisten Myokarditiden und entzündlichen Kardiomyopathien werden in erster Linie durch Virusinfektionen verursacht, auch wenn diese Erreger im späteren Krankheitsverlauf oft nicht mehr nachweisbar sind. Die am häufigsten gefundenen kardiotropen Viren in unseren Breitengraden sind Parvovirus B19 (B19V), humanes Herpesvirus 6 (HHV6), Epstein-Barr-Virus (EBV), Zytomegalievirus (CMV) und Enteroviren ([Abb. 5] a) [10]. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass die Viruspersistenz im Myokard mit einer schlechten Prognose assoziiert ist [10].

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Abb. 5 a Häufigkeit viraler Genome in Endomyokardbiopsien von n = 2458 konsekutiven Patienten mit unklarer Herzinsuffizienz. b Einfluss der B19V-transkriptionellen Aktivität auf die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz. B19V-DNA = Parvovirus B19 ohne Nachweis von Transkripten; B19V-RNA = Parvovirus B19 mit Nachweis von Transkripten; CMV = Zytomegalievirus; EBV = Epstein-Barr-Virus; EV = Enterovirus; HHV6 = humanes Herpesvirus 6; iciHHV6 = chromosomal integriertes HHV6; SARS-CoV-2 = Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2.

Vertiefende Virusdiagnostik

Für eine optimale Therapieentscheidung darf sich die molekulare Virusdiagnostik nicht auf den reinen Nachweis von erregerspezifischen Nukleinsäuren beschränken, sondern muss auch die Quantifizierung der Viruslast mittels Realtime-PCR, die Sequenzierung zur Bestimmung des Subtyps und vor allem die Bestimmung der transkriptionellen Virusaktivität berücksichtigen. Anhand neuer experimenteller und klinischer Untersuchungen konnten wir zeigen, dass der Nachweis einer aktiven Virustranskription bei dem am häufigsten vorkommenden kardiotropen Virus B19V von erheblicher klinischer und prognostischer Bedeutung ist ([Abb. 5] b) [11]. Diese Daten widerlegen die Aussage, dass der Nachweis von B19V im Myokard grundsätzlich keine prognostische Bedeutung hat.

Insbesondere im Hinblick auf die zu treffende Therapieentscheidung sind diese Ergebnisse von hoher Relevanz, da eine aktive B19V-Infektion häufig mit einer Begleitentzündung einhergeht. Beim Nachweis einer aktiven Virusinfektion ist eine immunsuppressive Therapie jedoch kontraindiziert [12]. Daher kann eine kausale Therapieentscheidung nur bei Kenntnis der myokardialen Entzündung und der Virusaktivität getroffen werden. Liegt eine aktive Virusinfektion vor, muss der Patient antiviral mit Interferon-beta behandelt werden, auch wenn eine Entzündung vorhanden ist [13]. Liegt keine aktive Virusinfektion vor, kann der Patient immunsuppressiv behandelt werden [12]. Ganz allgemein haben mehrere Studien belegt, dass durch eine antivirale Therapie die Prognose der Patienten signifikant verbessert werden kann [10].

In diesem Zusammenhang sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine exakte Virusdiagnostik als Grundlage für eine kausale, spezifische und personalisierte Therapie nur durch eine EMB-Diagnostik möglich ist, da keine andere Methode – auch nicht die kardiale MRT – in der Lage ist, sowohl den Virusnachweis als solchen als auch die Frage der transkriptionellen Aktivität zu beantworten.


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Verbesserte Virusdiagnostik mit Next Generation Sequencing

Aufgrund der sehr begrenzten Verfügbarkeit von Herzmuskelgewebe kann nur eine kleine Anzahl von Erregern mit herkömmlichen Methoden der Erregerdiagnostik untersucht werden. Um das diagnostische Potenzial der EMB zu verbessern, haben wir eine neue innovative Technologie, das Next Generation Sequencing (NGS), in der Virusdiagnostik eingesetzt. Damit ist es nun möglich, Nukleinsäuren von 84 viralen Spezies gleichzeitig in einer Biopsie nachzuweisen. Die höhere Sensitivität und Spezifität dieser Methode ermöglicht es, neue kardiotrope Viren zu identifizieren und die klinisch relevante aktive Virustranskription eindeutig nachzuweisen.

Kurzgefasst

Für eine optimale Therapieentscheidung muss immer eine umfassende Virusdiagnostik einschließlich der Bestimmung der transkriptionellen Virusaktivität durchgeführt werden. Moderne NGS-Verfahren haben das diagnostische Potenzial erheblich verbessert.


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Erweiterte Serumdiagnostik

Um die Indikation für eine EMB zu erleichtern, die aufgrund des vermeintlichen Risikos, das objektiv äußerst gering ist [14], häufig sehr zurückhaltend gestellt wird, kann ein diagnostischer Serumtest zur Identifizierung von Patienten mit entzündlicher und/oder viraler Kardiomyopathie verwendet werden. Mit einer Trefferquote von über 97% bietet das hier verwendete miRNA-Profil erstmals die Möglichkeit, mit einer einzigen nicht invasiven Serumprobe Kardiomyopathie-Patienten zu identifizieren und damit die Indikation für eine EMB zu stellen [15].

Kurzgefasst

In Zukunft kann ein Serumtest verwendet werden, um die Indikation zur EMB-Entnahme zu überprüfen.


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Therapieoptionen

[Abb. 6] zeigt den Entscheidungsprozess bei Myokarditis/inflammatorischer Kardiomyopathie für spezifische Therapieansätze in Abhängigkeit der Entzündungs- und Virusdiagnostik anhand der EMB. Die Aufklärung pathophysiologischer Mechanismen auf Basis der EMB hat zur Entwicklung spezifischer und kausaler Behandlungsmöglichkeiten geführt, was wiederum zu einer signifikanten Verbesserung des klinischen Verlaufs und damit der Prognose entzündlicher Herzmuskelerkrankungen geführt hat.

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Abb. 6 Schematische Darstellung des Entscheidungsprozesses bei Myokarditis und inflammatorischer Kardiomyopathie auf der Grundlage einer differenzierten EMB-basierten Diagnostik. Grün: kein Nachweis von Entzündung und Virusgenomen. Gelb: Nachweis von entzündlichen Infiltraten ohne Nachweis von viralen Genomen. Rot: gleichzeitiger Nachweis von Entzündung und Virusgenomen. DCM = dilatative Kardiomyopathie; DCMi = inflammatorische Kardiomyopathie; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion
Kurzgefasst

Mögliche spezifische Therapieansätze bei Myokarditis/inflammatorischer Kardiomyopathie basieren auf der Grundlage einer differenzierten EMB-Diagnostik.


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Fazit

Bei der Diagnostik von Kardiomyopathien sollte neben nicht invasiven Untersuchungen unbedingt eine EMB in Erwägung gezogen werden. Die EMB mit immunhistochemischer Differenzierung und Quantifizierung der Entzündung sowie der Analyse von Virusinfektionen und deren Aktivität ist nach wie vor der Goldstandard für die Identifizierung von Herzmuskelentzündungen. Nur mithilfe der EMB ist eine verlässliche Diagnose als Grundlage für eine spezifische, kausale und personalisierte Therapie möglich.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Prof. Heinz-Peter Schultheiss
Endomyocardial Biopsy Diagnostics, Institut Kardiale Diagnostik und Therapie (IKDT)
Moltkestraße 3 31
12203 Berlin
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
29. Mai 2024

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Abb. 1 Übersicht über den Einsatz der Endomyokardbiopsie bei der Diagnose und Behandlung von Myokarditis und Kardiomyopathien.
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Abb. 2 Histologische und immunhistochemische Färbungen an EMB. a Azan-Färbung einer aktiven Myokarditis nach Dallas-Kriterien mit Myozytolysen. b Azan-Färbung einer eosinophilen Myokarditis. c HE-Färbung einer Riesenzellmyokarditis. d Nachweis einer granulomatösen Entzündungsreaktion mit immunhistologischer Färbung von MAC-1-positiven Makrophagen. e Azan-Färbung einer ausgedehnten interstitiellen Fibrose. f Nachweis einer kardialen Amyloidose mit Polarisationsmikroskopie einer Kongorot-Färbung. g Immunhistochemischer Nachweis einer ATTR-Amyloidose. h Immunhistochemischer Nachweis einer inflammatorischen Kardiomyopathie mit diffuser Infiltration von CD3-positiven T-Zellen. i Immunhistochemischer Nachweis einer inflammatorischen Kardiomyopathie mit erhöhten CD45R0-positiven T-Gedächtniszellen.
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Abb. 3 a In einer Patientenkohorte von 450 Patienten mit ungeklärter Herzinsuffizienz wurden 31% durch immunhistochemische Analysen als entzündungsnegativ (grün) charakterisiert, 43% der Patienten wiesen erhöhte CD3-Werte auf (rot), während die verbleibenden 26% CD3-Werte unterhalb des Cut-off-Wertes aufwiesen, jedoch erhöhte Zellzahlen für weitere Immunzellmarker (CD45R0, LFA-1 oder MAC-1) zeigten (gelb). b Die Betrachtung der Prognose anhand von Tod oder Verschlechterung der linksventrikulären Ejektionsfraktion zeigt, dass CD3-negative Patienten mit Nachweis anderer Entzündungsmarker eine schlechtere Prognose als entzündungsfreie Patienten haben.
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Abb. 4 Erweiterte Diagnostik bei Riesenzellmyokarditis mittels Genprofilanalyse.
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Abb. 5 a Häufigkeit viraler Genome in Endomyokardbiopsien von n = 2458 konsekutiven Patienten mit unklarer Herzinsuffizienz. b Einfluss der B19V-transkriptionellen Aktivität auf die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz. B19V-DNA = Parvovirus B19 ohne Nachweis von Transkripten; B19V-RNA = Parvovirus B19 mit Nachweis von Transkripten; CMV = Zytomegalievirus; EBV = Epstein-Barr-Virus; EV = Enterovirus; HHV6 = humanes Herpesvirus 6; iciHHV6 = chromosomal integriertes HHV6; SARS-CoV-2 = Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2.
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Abb. 6 Schematische Darstellung des Entscheidungsprozesses bei Myokarditis und inflammatorischer Kardiomyopathie auf der Grundlage einer differenzierten EMB-basierten Diagnostik. Grün: kein Nachweis von Entzündung und Virusgenomen. Gelb: Nachweis von entzündlichen Infiltraten ohne Nachweis von viralen Genomen. Rot: gleichzeitiger Nachweis von Entzündung und Virusgenomen. DCM = dilatative Kardiomyopathie; DCMi = inflammatorische Kardiomyopathie; LVEF = linksventrikuläre Ejektionsfraktion