I. Einführung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 04.04.2024[1] einen jahrelangen Streit über die Frage, ob Krankenhäuser und andere juristische
Personen wie MVZ-GmbH sich auch bei ambulanten Leistungen ihrer angestellten Ärzte
an die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) halten müssen, höchstrichterlich geklärt.
Das Urteil des BGH dürfte wegweisend sein und juristischen Personen wie Krankenhäusern
oder MVZ-GmbH Rechtssicherheit bieten bei der Frage, ob das Entgelt für ambulante
ärztliche Leistungen beispielsweise in Pauschalvereinbarungen geregelt werden kann
oder ob die Regelungen der GOÄ zwingend Anwendung finden.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 04.04.2024 entschieden, dass die GOÄ auch dann Anwendung
findet, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person abgeschlossen wird
und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht werden, die lediglich im Rahmen eines
Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben
tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen[2].
Viele Jahre war umstritten, ob der in § 1 Abs. 1 der GOÄ beschriebene Anwendungsbereich
der GOÄ, der seinem Wortlaut nach „die beruflichen Leistungen der Ärzte“ erfasst, voraussetzt, dass der Vertragspartner des Patienten ein niedergelassener
Arzt ist oder ob sich der Anwendungsbereich auch auf Vertragsbeziehungen zwischen
juristischen Personen und Patienten erstreckt[3]. Nunmehr hat der BGH höchstrichterlich entschieden, dass die GOÄ bei der Erbringung
ambulanter ärztlicher Leistungen durch angestellte Ärzte auch dann Anwendung findet,
wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person und nicht dem behandelnden
Arzt abgeschlossen wird.[4] Während Krankenhäuser in der Regel als juristische Person des öffentlichen oder
privaten Rechts organisiert sind, ist dies bei Ärzten bis heute nicht der Regelfall.
II. Die Organisation ärztlicher Tätigkeit im Rahmen einer juristischen Person
II. Die Organisation ärztlicher Tätigkeit im Rahmen einer juristischen Person
Wenn Ärzte ihre berufliche Tätigkeit in der Rechtsform einer juristischen Person,
z. B. einer GmbH organisieren, bestehen nach wie vor Rechtsunsicherheiten, ob und
in welchem Umfang der Anwendungsbereich der GOÄ eröffnet ist. Dies beruht darauf,
dass viele gesetzliche Regelungen, wie die Bundesärzteordnung, die Heilberufs- und
Kammergesetze der Länder, die hierauf beruhenden Berufsordnungen der Landesärztekammern
und nicht zuletzt auch das Vertragsarztrecht im Sozialgesetzbuch (SGB) V und in der
Ärzte-ZV nach wie vor davon ausgehen, dass ambulante ärztliche Leistungen primär durch
freiberuflich niedergelassene Ärzte erbracht werden. § 17 Abs. 1 der (Muster-)Berufsordnung
für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte (MBO-Ä)[5] und die gleichlautenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern
enthalten folgende Regelung:
„(1) Die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern einschließlich
konzessionierter Privatkliniken ist an die Niederlassung in einer Praxis (Praxissitz)
gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas anderes zulassen.“
Für den Zusammenschluss von Ärzten zur gemeinsamen Berufsausübung in einer sog. Berufsausübungsgemeinschaft
(BAG) gehen die Bestimmungen der MBO-Ä ebenfalls davon aus, dass die Gesellschafter
freiberuflich tätig und niedergelassen sein müssen. § 18 Abs. 2 S. 1 MBO-Ä bestimmt
hierzu folgendes:
„(2) Ärztinnen und Ärzte dürfen ihren Beruf einzeln oder gemeinsam in allen für den
Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen ausüben, wenn ihre eigenverantwortliche,
medizinisch unabhängige sowie nicht gewerbliche Berufsausübung gewährleistet ist.
[…].“
Zusätzlich bestimmt § 18 Abs. 2a MBO-Ä für die BAG, dass eine gemeinsame Berufsausübung
„die auf Dauer angelegte berufliche Zusammenarbeit selbständiger, freiberuflich tätiger
Gesellschafter“ voraussetzt.
Daraus wird von der Bundesärztekammer gefolgert, dass niedergelassene Ärzte sich organisatorisch
zu Berufsausübungsgemeinschaften nur im Rahmen einer Personengesellschaft organisieren
dürfen, d. h. im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Partnerschaftsgesellschaft.[6] Für die vertragsärztliche Versorgung geht das Bundessozialgericht davon aus, dass
es Vertragsärzten in Einzel- oder Gemeinschaftspraxen nicht erlaubt ist, ihre Tätigkeit
in der Rechtsform einer juristischen Person auszuüben, da das SGB V und die Ärzte-ZV
hierfür keine Regelungen vorsehen und die Regelung für Medizinische Versorgungszentren
(MVZ) für Vertragsärzte nicht entsprechend gilt[7].
Zwar existiert in der Muster-Berufsordnung mit der Ärztegesellschaft in § 23a dem
Grunde nach auch für Ärzte die Möglichkeit, in der Form einer juristischen Person
des Privatrechts ärztlich tätig zu sein. Allerdings haben nicht alle Landesärztekammern
die Regelung in § 23a MBO-Ä in ihre Berufsordnungen übernommen, so deren Gründung
nicht bundesweit möglich ist[8]. Die Ärztegesellschaft kann zudem nur privatärztlich tätig werden, da sie als juristische
Person im Vertragsarztrecht nicht als BAG zugelassen werden kann. Das BSG hat jedoch
entschieden, dass auf ein MVZ in der Rechtsform der GmbH, dessen Gesellschafter niedergelassene
Vertragsärzte sind, die Vorgaben nach § 23a Abs. 1 MBO-Ä anzuwenden sind[9].
MVZ, in denen angestellte Ärzte oder Vertragsärzte nach § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V tätig
sein können, dürfen sich demgegenüber nach § 95 Abs. 1a S. 5 SGB V in der Rechtsform
einer juristischen Person organisieren. Die Auswahl unter den juristischen Personen
ist aber auf die GmbH beschränkt und beruht ausschließlich auf der gesetzlichen Ermächtigung
im SGB V. Die Berufsordnungen der Landesärztekammern regeln die Organisationsformen
eines MVZ demgegenüber nicht.
Aus dieser Darstellung wird bereits deutlich, dass nach wie vor nicht abschließend
geklärt ist, welche rechtlichen Anforderungen an die Führung einer ärztlichen Praxis
in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts gestellt werden. Diese
Anforderungen regeln in erster Linie die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder,
die aufgrund der begrenzten Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1
Nr. 19 GG für die Berufszulassung, zur Schaffung von gesetzlichen Regelungen im Bereich
der ärztlichen Berufsausübung berechtigt sind[10]. Die Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung in der Rechtsform einer juristischen
Person in den Heilberufs- und Kammergesetzen sind nicht einheitlich[11]. Zumindest in Bayern[12] enthält das Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) ein entsprechendes Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt.
In diesem Bundesland ist es grundsätzlich nicht zulässig, eine ärztliche Praxis in
der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts zu führen. In anderen Bundesländern,
wie Niedersachsen, Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz findet
sich die Verpflichtung, dass die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit an die Niederlassung
„in eigener Praxis“ gebunden ist[13].
Allerdings ist seit der Zulassung von MVZ zu beobachten, dass sich in der ambulanten
Versorgung zunehmend größere Organisationsstrukturen herausbilden, die in den Gesellschaftsstrukturen
einer Personengesellschaft nicht geführt werden können. Ähnlich wie bei Krankenhäusern,
die insbesondere bei kirchlicher und privater Trägerschaft in der Rechtsform einer
juristischen Person des Privatrechts geführt werden, stellt sich daher zunehmend auch
im für freiberufliche Ärzte die Frage nach der Möglichkeit die eigene Praxis in der
Rechtsform einer juristischen Person zu organisieren.
Welche juristischen Personen in der ambulanten Versorgung gegenwärtig berechtigt sind,
ärztliche Leistungen zu erbringen, wird in dem Urteil des BGH nur am Rande angesprochen.
Für den vorliegenden Fall mag dies nicht von entscheidender Bedeutung gewesen sein,
da die Leistungen von einem zugelassenen Krankenhaus erbracht wurden. Krankenhäuser
sind nach den Regelungen der Heilberufs- und Kammergesetze der Länder und nach den
Krankenhausgesetzen des Bundes und der Länder auch zur Erbringung von ambulanten Leistungen
berechtigt, sodass sich sodann naturgemäß die Frage nach der Bindung an die GOÄ stellt.
Daneben ist die Frage zu beantworten, ob § 4 Abs. 2 der Musterbedingungen für die
Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung der privaten Krankenversicherung
(MB/KK 2009), der die Wahl unter den niedergelassenen Ärzten bei ambulanter Behandlungen
vorgibt, die private Krankenversicherung nach dem Urteil des BGH weiterhin berechtigen
könnte, die Erstattung der Kosten gegenüber dem Versicherten zu verweigern, wenn diese
von angestellten Ärzten einer juristischen Person erbracht worden sind.
III. Zum Inhalt der BGH-Entscheidung
III. Zum Inhalt der BGH-Entscheidung
1. Sachverhalt
Ein an einem Prostatakarzinom erkrankte Patient (Kläger) begab sich bei dem beklagten
Universitätsklinikum, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, in ärztliche Behandlung.
Das beklagte Klinikum und der Kläger vereinbarten dabei die Behandlung mittels eines
Cyberknife-Verfahrens, bei dem es sich um eine Bestrahlungsmethode zur Behandlung
von Tumoren handelt. Die Kosten des Verfahrens wurden von der Krankenkasse des Klägers
nicht übernommen, da es nicht Bestandteil des Leistungskataloges der gesetzlichen
Krankenversicherung ist und die Krankenversicherung des Klägers einer Vereinbarung
zur Vergütung des Cyberknife-Verfahrens, dem sich andere Krankenkassen angeschlossen
hatten, nicht beitrat.
Nachdem alle Versuche des Klägers, eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu
erreichen, gescheitert waren, teilte das beklagte Klinikum dem Kläger mit, dass er
selbst für die Kosten der Behandlung aufkommen müsse. Der Kläger unterzeichnete daraufhin
eine Erklärung, mit der er bestätigte, er werde die Kosten des Cyberknife-Verfahrens
in Höhe von 10.633,00 Euro nach erfolgter Behandlung begleichen (Pauschalpreisvereinbarung).
Nach Abschluss der Behandlung forderte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben das beklagte
Klinikum auf, ihm eine Rechnung nach der GOÄ auszustellen. Die Beklagte hingegen stellte
eine Rechnung über einen Pauschalbetrag in Höhe der vereinbarten Summe aus, die der
Kläger beglich.
In der Folgezeit klagte der Kläger auf Rückzahlung des Honorars. Das Landgericht und
die Berufungsinstanz verurteilten das beklagte Klinikum daraufhin zur Rückzahlung
der erhaltenen Vergütung nebst Zinsen. Hiergegen legte das Klinikum Revision ein.
2. Entscheidungsgründe
Der BGH wies die Revision des beklagten Klinikums in seinem Urteil zurück.
a. Unwirksamkeit einer Pauschalpreisvereinbarung
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung in Höhe von 10.633,00
Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB zu, weil die Kostenübernahmeerklärung als Pauschalpreisvereinbarung
wegen eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 GOÄ in Verbindung mit § 125 BGB bzw. § 134
BGB nichtig sei. Bei § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB handelt es sich um eine zivilrechtliche
Vorschrift, die dem Anspruchsinhaber in die Position setzt, eine Leistung, die er
aufgrund eines Vertrages, dessen Vertragsschluss – wie vorliegend – unwirksam war,
erbracht hat, zurückfordern zu können.
Die Unwirksamkeit des Vertragsschlusses ergibt sich aus dem Umstand, dass die Pauschalpreisvereinbarung
formnichtig war (§ 125 BGB) bzw. gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB),
da sie den in § 2 Abs. 1 GOÄ genannten Vorgaben zu Vereinbarungen, die von der GOÄ
abweichen, nicht entsprach. Aus der Regelung in § 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ ergibt sich, dass
nur eine von der GOÄ abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden darf. Aus § 2 Abs. 2
ergibt sich zudem Folgendes (Hervorhebung nicht im Original):
„Eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall
zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Arztes in einem
Schriftstück zu treffen. Dieses muß neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, daß eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.“
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GOÄ darf danach nur eine abweichende Gebührenhöhe festgelegt
werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs. 1 S. 2 GOÄ) oder eines
abweichenden Punktwerts (§ 5 Abs. 1 S. 3 GOÄ) ist unzulässig. Nach § 2 Abs. 2 S. 1
GOÄ bedarf es zur Wirksamkeit einer abweichenden Honorarvereinbarung der individuellen
Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem, die in einem Schriftstück
zu treffen ist, das zur Gewährleistung hinreichender Transparenz die Nummer und Bezeichnung
der Leistung, den Steigerungssatz und den vereinbarten Betrag enthalten muss (§ 2
Abs. 2 S. 2 GOÄ). Aus diesen Regelungen folgt, dass die Gebührenordnung nicht zugunsten
eines Pauschalhonorars abdingbar ist und eine getroffene Vereinbarung nichtig ist.
b. Eröffnung des Anwendungsbereiches der GOÄ für juristische Personen
Diese Grundsätze sind nach Ansicht des BGH auch auf ambulante Leistungen einer juristischen
Person anwendbar, die durch einen Arzt in einem Anstellungs- oder Beamtenverhältnis
in Erfüllung seiner Dienstaufgaben erbracht wurden, weil auch für dieses Vertragsverhältnis
der Anwendungsbereich der GOÄ eröffnet ist.
Die Eröffnung des Anwendungsbereichs der GOÄ richtet sich nach § 1 Abs. 1 GOÄ. Darin
heißt es (Hervorhebung nicht im Original):
„Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes
bestimmt ist.“
In der Rechtsprechung[14] und der Literatur[15] wurde bisher vertreten, dass die Gebührenordnung keine Anwendung findet, wenn der
Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person, z. B. einem Krankenhaus(träger)
oder einer in Gesellschaftsform betriebenen, ausschließlich ambulante Behandlungen
anbietenden Einrichtung abgeschlossen wird und die Leistungen durch Ärzte erbracht
werden, die lediglich im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in Erfüllung
ihrer Dienstaufgaben tätig werden.
Nach anderer Ansicht fallen ambulante ärztliche Leistungen in den Anwendungsbereich
der GOÄ, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person abgeschlossen und
die Leistungen durch Ärzte im Anstellungs- oder Beamtenverhältnis erbracht werden.
Diese Ansicht stellt auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ ab, wonach es für die Anwendung
der GOÄ auf die Erbringung von „beruflichen Leistungen der Ärzte“ ankomme und es daher unerheblich sei, mit wem der Patient den Behandlungsvertrag
abschließt. Die GOÄ käme immer dann zum Einsatz, sofern die beruflichen Leistungen
der Ärzte abgerechnet würden, unabhängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische
Person) Vertragspartner des Patienten geworden sei[16].
Der BGH hat der letzteren Auffassung, nach der die GOÄ Anwendung finden soll, den
Vorzug gegeben. Begründet wird diese Auffassung sowohl mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1
GOÄ als auch dem Sinn und Zweck der in der GOÄ enthaltenen Vorschriften[17]. Bei der ärztlichen Gebührenordnung handele es sich um ein für alle Ärzte geltendes
zwingendes Preisrecht[18].
Zum Argument des weit gefassten Wortlauts führt der BGH weiter aus, dass die GOÄ für
alle „beruflichen Leistungen der Ärzte“ Anwendung findet, ohne dass zwischen Leistungen differenziert werde, die aufgrund
eines Behandlungsvertrages zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines
Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eine eigene vertragliche Beziehung zum
Patienten erbracht werden. Der BGH zieht in seiner Argumentation § 11 S. 1 der Bundesärzteordnung
(BÄO) heran, der die Ermächtigungsgrundlage für die GOÄ darstellt. In § 11 S. 1 BÄO
ist geregelt, dass die Bundesregierung ermächtigt wird, die „Entgelte für ärztliche Tätigkeit“ durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in einer Gebührenordnung zu
regeln. Auch die Regelung der Ermächtigungsgrundlage enthalte einen weitgefassten
Wortlaut, so der BGH[19]. Sowohl die Ermächtigungsgrundlage als auch der Wortlaut des § 1 GOÄ bezögen sich
auf den Umstand, dass die Vergütung für eine ärztliche Tätigkeit geregelt wird und
nicht auf die Regelung von Forderungen der Ärzte für ihre ärztliche Tätigkeit.
Der Sinn und Zweck der GOÄ, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen denjenigen,
die die Leistung erbringen und denjenigen, die zur Zahlung der Vergütung verpflichtet
sind, könne nach den Ausführungen des BGH nur durch das weite Verständnis des Anwendungsbereiches
der GOÄ erreicht werden[20].
Auch der § 11 S. 3 BÄO lege nahe, dass das Ziel der GOÄ als öffentlich-rechtliches
Preisrecht ein angemessener Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen von Patienten
und Ärzten ist. Einerseits soll der Patient bzw. der dahinterstehende Kostenträger
vor einer unzumutbaren finanziellen Belastung geschützt werden. Andererseits soll
den Leistungserbringern eine zuverlässige und angemessene Einnahmequelle für die Erbringung
ärztlicher Leistungen gesichert werden. Die Interessen der zur Entrichtung der Vergütung
Verpflichteten allein aus dem Grund, dass der die Leistung erbringende Arzt nicht
gleichzeitig Vertragspartner des Patienten ist, sondern eine juristische Person, als
weniger schutzwürdig zu werten, sei nicht nachvollziehbar[21].
Ein Ausschluss der Anwendbarkeit der GOÄ in den streitigen Fällen sei zudem wegen
der damit verbundenen Missbrauchsgefahr abzulehnen, da das gesetzgeberische Ziel der
Gestaltung eines für alle Ärzte geltendes Preisrecht durch die Zwischenschaltung einer
juristischen Person mühelos umgangen werden könnte[22].
Nach Auffassung des Senats unterliegen nur Vereinbarungen zwischen Krankenhausträgern
und niedergelassenen Ärzten über deren Hinzuziehung im Rahmen allgemeiner Krankenhausleistungen
nicht den Vorschriften der GOÄ, sodass die Vorschriften grundsätzlich immer dann gelten,
wenn einem Patienten ärztliche Leistungen – unabhängig vom konkreten Vertragspartner
– in Rechnung gestellt werden[23].
Der Anwendbarkeit der GOÄ stehe nicht entgegen, dass die Begründung zu § 1 Abs. 1
GOÄ vorsehe, dass die GOÄ nicht für Leistungen gelte, die durch andere Berufsgruppen
oder Einrichtungen abgerechnet werden, da es dabei lediglich um die Abgrenzung beruflicher
Leistungen von Ärzten zu solchen Leistungen geht, die auch von anderen Einrichtungen
oder Berufsgruppen erbracht werden können. Unabhängig davon könne die Verordnungsbegründung
wegen der vor 40 Jahren nicht absehbaren Weiterentwicklung der ärztlichen Berufsausübung
nur eingeschränkt als Auslegungshilfe verwendet werden[24]. Dem weiten Anwendungsverständnis stehen des Weiteren die Vorschrift des § 4 Abs. 2
S. 1 GOÄ zur Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, da auch die Erbringung
einer Leistung durch einen angestellten Arzt das Merkmal „persönlich“ erfüllt sowie
der Verweis in § 17 Abs. 3 S. 7 KHEntgG auf die entsprechende Anwendung der GOÄ nicht
entgegen[25]. Letztere enthalte keine Regelungen zur Abrechnung ambulanter Leistungen.
IV. Bewertung der BGH-Entscheidung
IV. Bewertung der BGH-Entscheidung
Der Argumentation der BGH ist zuzustimmen. Insofern ist zunächst zu berücksichtigen,
dass der Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ („Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes
bestimmt ist.“) auf die beruflichen Leistungen der Ärzte verweist und insofern nicht differenziert,
ob der die berufliche Leistung erbringende Arzt angestellt oder selbstständig ist.
Somit wird insgesamt die Vergütung für ärztliche Leistungen erfasst, unabhängig davon,
wer zivilrechtlich Vertragspartner des Patienten wird.
In systematischer Hinsicht ist vor allem § 4 Abs. 2 GOÄ anzuführen, der den Grundsatz
der persönlichen Leistungserbringung statuiert. Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
nach § 4 Abs. 2 GOÄ oder der Verweis in § 17 Abs. 3 S. 7 KHEntgG auf die entsprechende
Anwendung der GOÄ für die Abrechnung von Wahlleistungen durch das Krankenhaus selbst
stehen dem weiten Verständnis des Anwendungsbereichs auch nicht aus systematischen
Erwägungen entgegen[26]. Selbst erbrachte Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 2 GOÄ sind auch solche, die durch
einen angestellten Arzt als Erfüllungsgehilfe einer juristischen Person erbracht werden[27].
Der BGH hat in seinem Urteil darüber hinaus auf den durch die GOÄ zu erzielenden Interessenausgleich
zwischen dem zur ärztlichen Leistung Verpflichteten und dem zur Zahlung des Entgelts
Verpflichteten verwiesen und dabei klargestellt, dass es nicht nachvollziehbar sei,
die Interessen der zur Entrichtung des Entgelts Verpflichteten allein aus dem Grund,
dass der die Leistung erbringende Arzt nicht gleichzeitig Vertragspartner des Patienten
ist, sondern eine juristische Person, als weniger schutzwürdig anzusehen[28].
Diese Argumentation wird durch ein Urteil des OLG Köln vom 16.08.2023 gestützt, welches
insbesondere auf den Schutzzweck der GOÄ verweist, den Patienten vor überhöhten Honorarforderungen
und den Arzt vor einer unzuverlässigen und unangemessenen Einnahmequelle für die Erbringung
seiner Leistungen bzw. vor „Preisdumping“ zu schützen (Hervorhebung nicht im Original):
„Bei der GOÄ handelt es sich um für alle Ärzte zwingendes Preisrecht, welches den berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten
Rechnung tragen soll (BGH, Urteil vom 12. November 2009 – III ZR 110/09 –, BGHZ 183,
143–153, Rn. 7 m.w.N.). Der Schutz der Zahlungspflichtigen wurde in den mehr als 40 Jahren seit Einführung der aktuellen GOÄ mit mehreren Änderungen
noch verstärkt. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Interessen der zur Zahlung
der Vergütung Verpflichteten weniger schutzwürdig und die Interessen der an den Entgelten
Berechtigten weniger regelungsbedürftig sein sollen, wenn die ärztliche Tätigkeit
durch einen Berufsträger erbracht wird, der von einer juristischen Person beschäftigt
wird und diese juristische Person Vertragspartner des Patienten wird (vgl. KG Berlin,
Urteil vom 4. Oktober 2016–5 U 8/16 –, Rn. 74, juris m. w. N.). […] Fielen nämlich
ambulante Behandlungen durch bei einer juristischen Person beschäftigte Ärzte aus
dem Anwendungsbereich der GOÄ heraus, könnten sich Ärzte durch eine entsprechende
Gestaltung und die Gründung einer juristischen Person relativ einfach einer Bindung
an die GOÄ zum Nachteil des Patienten entziehen“[29]
.
Gelänge man zu dem Ergebnis, die GOÄ sei nicht anwendbar, wäre die logische Konsequenz,
dass die Vergütung frei vereinbar wäre. Dies würde jedoch gerade dem Schutzzweck der
GOÄ zuwiderlaufen[30]. In diesem Zusammenhang ist auch die Vorschrift des § 11 BÄO, die – wie bereits
ausgeführt – die Ermächtigungsgrundlage für die GOÄ darstellt, zu beachten. In § 11
S. 3 BÄO heißt es: „Dabei ist den berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte
Verpflichteten Rechnung zu tragen.“ An dieser Stelle macht die Ermächtigungsgrundlage deutlich, dass ein angemessener
Ausgleich gegenläufiger Interessen zwischen Arzt und Patienten zu erfolgen hat. Wäre
die GOÄ nicht auch auf die Konstellation, die der BGH zu entscheiden hatte, anwendbar,
stünden die gegenläufigen Interessen nicht in einem angemessenen Ausgleich, da die
Interessen des zur Zahlung des Entgelts Verpflichteten von juristischen Personen „übergangen“
werden könnten.
Für die weite Auslegung § 1 Abs. 1 S. 1 GOÄ spricht zudem, dass § 11 BÄO im Hinblick
auf seinen S. 2 davon spricht, dass es in dieser Gebührenordnung darum geht, Mindest-
und Höchstsätze festzusetzen. Durch die Festsetzung dieser Sätze soll eine Abrechnungsgrundlage
für ärztliche Leistungen geschaffen werden. Das Bestehen einer Abrechnungsgrundlage
für eine ärztliche Tätigkeit schafft einen preisrechtlichen Rahmen, der nicht nur
den Patienten, sondern auch den Ärzten Rechtssicherheit bietet. Dieser durch Mindest-
und Höchstsätze geschaffene Rahmen ist jedoch unabhängig davon, wer Inhaber der Forderung
des Entgelts für die ärztliche Leistung bzw. zivilrechtlich Vertragspartner ist, zu
betrachten.
Dass es sich bei der GOÄ ebenfalls um für alle Ärzte geltendes, zwingendes Preisrecht
handelt, hat der BGH unter Verweis auf deutlich ältere Urteile des Bundesverfassungsgerichts
im Jahr 2006 klargestellt[31]. Bei der von dem BGH zu entscheidenden Frage ging es jedoch darum, ob auch kosmetische
Operationen unter die „beruflichen Leistungen für Ärzte“ subsumiert werden können. Dennoch kann festgehalten werden, dass es sich bei der GOÄ
– sofern ihr Anwendungsbereich eröffnet ist – um zwingendes Preisrecht handelt, dessen
Ziel stets der Ausgleich gegenläufiger Interessen ist.
IV. Folgerungen für die Praxis
IV. Folgerungen für die Praxis
Das Urteil des BGH hat weitreichende Folgen für die Praxis.
1. Geltungsbereich für Krankenhäuser und MVZ
Für Privatkliniken, die als juristische Personen des Privatrechts (beispielsweise
als GmbH) organisiert sind, sowie für Universitätskliniken, die als Anstalten des
öffentlichen Rechts organisiert sind[32] und damit ebenfalls juristische Personen – allerdings juristische Personen des öffentlichen
Rechts – darstellen, dürfte das Urteil von entscheidender Bedeutung sein.
Insbesondere für Krankenhäuser wurde damit höchstrichterlich entschieden, dass die
GOÄ bei der Erbringung ambulanter ärztlicher Leistungen durch Ärzte, die lediglich
im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen
Dienstaufgaben tätig werden und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen
auch dann ausnahmslos Anwendung findet, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen
Person und nicht dem behandelnden Arzt abgeschlossen wird[33].
Aber nicht nur für Kliniken, sondern auch für MVZ GmbH, bei denen bislang noch Uneinigkeit
über die Anwendbarkeit der GOÄ bestand soweit diese außerhalb der vertragsärztlichen
Versorgung privatärztliche Leistungen erbringen, dürfte nunmehr geklärt sein, dass
die GOÄ auch auf diese Anwendung findet, wenn eine MVZ GmbH Vertragspartnerin des
Patienten ist. Dass sich MVZ als juristische Person in Form der GmbH organisieren
können, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 95 Abs. 1a S. 1, 2. HS. SGB V. Insofern
ist das Urteil daher auch für radiologische MVZ, die als GmbH organisiert sind, von
Relevanz.
2. Anwendbarkeit auf andere juristische Personen nach den Heilberufs- und Kammergesetzen
der Länder
Der BGH hat in seiner Entscheidung offengelassen, welcher Kreis von juristischen Personen
grundsätzlich berechtigt ist, Ärzte anzustellen und deren Leistungen nach § 1 Abs. 1
GOÄ abzurechnen. Der BGH spricht in seiner Entscheidung im Zusammenhang mit der zur
Abrechnung berechtigten juristischen Personen von Krankenhausträgern und MVZ.
Wie bereits oben dargestellt, richtet sich die Zulässigkeit der ambulanten ärztlichen
Berufsausübung im Rahmen einer juristischen Person nach den Heilberufs- und Kammergesetzen
in Verbindung mit den Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern. Danach
besteht z. B. in Bayern[34] ein Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt. In diesem Bundesland ist es daher grundsätzlich
nicht zulässig, eine ärztliche Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person
des Privatrechts zu führen. Eine Ausnahme bildet hier ausschließlich das MVZ, da sich
dessen Zulassung als juristische Person aus § 95 Abs. 1a S. 1, 2. HS. SGB V ergibt.
In anderen Bundesländern, wie Niedersachsen, Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz und Thüringen[35] findet sich die Verpflichtung, dass die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit
an die Niederlassung „in eigener Praxis“ gebunden ist, soweit nicht gesetzliche Regelungen
etwas Anderes zulassen.
§ 29 Abs. 2 S. 1 und 2 HeilBerG NRW[36] bestimmt z. B. Folgendes:
„(2) Die Ausübung patientenbezogener ärztlicher, psychotherapeutischer und zahnärztlicher
Tätigkeit in gewerblicher Form ist unzulässig. Die Ausübung patientenbezogener ärztlicher,
psychotherapeutischer und zahnärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern und
außerhalb von Privatkrankenanstalten nach § 30 der Gewerbeordnung in der Fassung der
Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 11
des Gesetzes vom 28. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 172) geändert worden ist, ist an
die Niederlassung in einer Praxis gebunden, soweit nicht gesetzliche Bestimmungen
etwas anderes zulassen oder eine weisungsgebundene ärztliche, psychotherapeutische
oder zahnärztliche Tätigkeit in der Praxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen
und -therapeuten oder Zahnärztinnen und -ärzte ausgeübt wird. Ausgenommen sind Tätigkeiten
bei Trägern, die nicht gewerbs- oder berufsmäßig ärztliche, psychotherapeutische oder
zahnärztliche Leistungen anbieten oder erbringen. Die Kammern können vom Gebot nach
Satz 2 in besonderen Einzelfällen Ausnahmen zulassen, wenn sichergestellt ist, dass
die beruflichen Belange nicht beeinträchtigt werden. […]“
Zudem wurde aktuell in § 29 Abs. 3 HeilBerG NRW die Zulässigkeit der ärztlichen Berufsausübung
in einer juristischen Person des Privatrechts ausdrücklich positiv geregelt und als
Zulassungsvoraussetzung die Anforderungen vorgegeben, die in § 23a MBO-Ä für die Ärztegesellschaft
vorgegeben sind[37]:
„(3) Die gemeinsame Führung einer Praxis ist nur zulässig, wenn die Beteiligten die
Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen, psychotherapeutischen oder zahnärztlichen
Berufs besitzen. Die Führung einer Einzelpraxis oder einer Praxis in Gemeinschaft
in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts setzt voraus, dass
-
deren ausschließlicher Gegenstand die Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde, Psychotherapie
ist,
-
die Gesellschafter den Beruf persönlich und frei von Weisungen ausüben,
-
über Fragen der Berufsausübung ausschließlich die entsprechend berechtigten Berufsangehörigen
entscheiden,
-
eine Kapitalbeteiligung von Gesellschaftern ohne aktive Tätigkeit in der Gesellschaft
ausgeschlossen ist,
-
Dritte nicht am Gewinn der Gesellschaft beteiligt werden,
-
eine eigenständige und ausreichende Berufshaftpflichtversicherung für die juristische
Person und die in der Gesellschaft tätigen Berufsangehörigen besteht und
-
gewährleistet ist, dass die heilberufliche Tätigkeit von den Berufsangehörigen eigenverantwortlich,
unabhängig und nicht gewerblich ausgeübt wird.“
In vergleichbarer Form regelt auch § 21 Abs. 1 Sächsisches Heilberufekammergesetz
die Zulässigkeit der Berufsausübung in einer juristischen Person des Privatrechts.
Andere Bundesländer, wie Sachsen-Anhalt, haben demgegenüber nur eine allgemeine Anforderung
an die ärztliche Berufsausübung vorgegeben und diese weitgehend einem Gesetzesvorbehalt
unterstellt. Im Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt (KGHB-LSA) ist
in § 19 Abs. 4 folgendes geregelt:
„(4) Eine ambulante ärztliche und zahnärztliche Tätigkeit ist in einer Praxis oder
poliklinischen Einrichtung, im Rahmen der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus
sowie mit Ermächtigung im Krankenhaus zulässig. Zugelassen sind auch Tätigkeiten bei
Rechtsträgern, die im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ärztliche oder zahnärztliche
Leistungen anbieten oder erbringen. Diese Regelungen gelten entsprechend für Tierärzte
und Tierärztinnen.“
Das bedeutet, dass für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die ärztliche
Tätigkeit im Rahmen einer juristischen Person mit angestellten Ärzten zulässig ist,
die Heilberufs- und Kammergesetze und die entsprechenden Berufsordnungen der Landesärztekammern
maßgeblich sind. Allen Heilberufs- und Kammergesetzen ist jedoch gemein, dass die
ärztliche Betätigung innerhalb einer juristischen Person davon abhängig ist, dass
sie entweder im Gesetz selbst oder im Rahmen anderer gesetzlicher Bestimmungen gewährleistet
ist.
Dies schließt jedoch die Tätigkeit von freiberuflichen und angestellten Ärzten in
einer gewerblichen juristischen Person aus, die weder ein zugelassenes Krankenhaus
noch eine Privatkrankenanstalt nach § 30 GewO, ein MVZ oder eine Ärztegesellschaft
nach § 23a MBO-Ä ist und auch nicht der Ausnahmeregelung als nicht gewerbsmäßige Einrichtung
unterfällt. Gewerblich tätige juristische Personen, deren Gesellschafter keine Ärzte
sind, sind daher generell nicht berechtigt, angestellte Ärzte zu beschäftigen. In
NRW wird dies durch die Regelungen § 29 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 2 Nr. 7 HeilBerG
NRW nun ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben.
Den Verbotscharakter dieser Norm hatte das Oberverwaltungsgericht NRW in einer Entscheidung
vom 14.09.2000[38] bestätigt, wonach die Beschäftigung einer Ärztin für innere Medizin bei einer GmbH,
die Präventionsleistungen angeboten hat, gegen § 29 Abs. 2 S. 1 und 2 HeilBerG verstößt:
„Die Leistungen der GmbH auf dem Gebiet der Aufklärung und Gesundheitsvorsorge sind
zwar an sich nicht anstößig, fallen aber doch unter den Oberbegriff ‚Geschäfte mit
der Gesundheit‘, die nach der Gesetzesbegründung gerade vermieden werden sollen. Auch
wenn der Ausdruck ‚Geschäfte mit der Gesundheit‘ zunächst an unseriöse Angebote denken
lässt, soll doch – zumal angesichts der unbestreitbaren Überwachungsschwierigkeiten
– einer Kommerzialisierung von ärztlichen Leistungen durch gewinnorientierte Kapitalgesellschaften
allgemein entgegengewirkt werden. Um ärztliche Leistungen handelt es sich auch bei
der – nicht kurativen – Diagnostik und Vorsorgemedizin. Vertragspartner der Kunden
der GmbH ist diese, der selbst keine Approbation erteilt ist und erteilt werden kann.
Auch wenn die Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte erfolgt und durch die
Klägerin erfolgen sollte – insofern ist ihr Vortrag wechselnd –, ist sie doch nur
Erfüllungsgehilfin des zwischen dem Kunden und der GmbH bestehenden Vertragsverhältnisses.
Die letztlich einzige wirkliche Gewähr für eine unbeeinflusste Patienten-Arzt-Beziehung
bietet die Ausübung des Arztberufes in eigener Praxis, während sie in dem Bereich
der GmbH durch das Dazwischentreten dieser Gesellschaft anonymisiert wird, was dem
Umstand widerspricht, dass das Rechtsverhältnis zwischen freiem Arzt und Patient höchstpersönlicher
Natur ist“[39]
.
Zusammengefasst erlauben die landesrechtlichen Bestimmungen der Heilberufe- und Kammergesetze
die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in einer juristischen Person in unterschiedlicher
Form. Am ehesten ist dies in der Form der Ärztegesellschaft nach § 23a MBO-Ä möglich,
soweit diese durch das Gesetz oder die Berufsordnungen der Landesärztekammern nicht
ausgeschlossen worden ist. Die ärztliche Tätigkeit bei einer gewerblichen juristischen
Person ist demgegenüber generell unzulässig, soweit es sich nicht um zugelassene Krankenhäuser
oder konzessionierte Privatkrankenanstalten handelt.
3. Kostenübernahme durch die private Krankenversicherung
Soweit der Anwendungsbereich der GOÄ nach § 1 Abs. 1 auch für die ärztlichen Leistungen
eröffnet ist, die von einer zulässigen juristischen Person mit angestellten Ärzten
eröffnet ist, stellt sich die weitere Frage, ob die privaten Krankenversicherungen
verpflichtet sind, die Behandlungskosten eines Krankenhauses oder einer Arztpraxis,
welche in der Rechtsform einer juristischen Person geführt werden, zu übernehmen.
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall, stellte sich die Frage nicht, da die Leistungen
des Cyberknife-Verfahrens durch das beklagte Universitätsklinikum gegenüber einem
gesetzlich krankenversicherten Patienten erbracht wurden, der keinen Kostenerstattungsanspruch
gegenüber einer privaten Krankenversicherung hatte. In der Regel werden die Leistungen
nach der GOÄ jedoch gegenüber privat krankenversicherten Patienten erbracht, sodass
sich Rechtsfrage ergibt, ob der private Krankenversicherungsträger zur Übernahme der
Kosten verpflichtet ist oder diese gegenüber einer juristischen Person ablehnen kann.
Nach § 4 Abs. 2 MB/KK 2009 haben die Versicherten „die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten“. Nach der früher zu § 4 Abs. 2 MB/KK ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung
war jedoch eine juristische Person niemals „Arzt“ im Sinne dieser Vorschrift. Von
ihr gewährte Behandlungen und dafür erhobene Honorare waren daher i. d. R. nicht erstattungsfähig[40]. Auch der BGH hat diese Rechtsauffassung in einer früheren Entscheidung vom 30.11.1977[41] vertreten und festgestellt, dass auch die bei einer juristischen Person angestellten,
approbierten Ärzte nach dem Wortsinn nicht unter § 4 Abs. 2 MB/KK fallen, weil sie
„keine selbständige Niederlassung begründet haben und Ärzte, die ihren Beruf ausschließlich
im Anstellungsverhältnis ausüben, im Rechtssinne keine ‚niedergelassenen‘ Ärzte sind“.
Allerdings hat der BGH in dieser Entscheidung eine entscheidende Ausnahme von dem
Leistungsausschluss von Kosten ambulanter Behandlungen durch angestellte Ärzte juristischer
Personen zugelassen, wenn dies nicht dem Sinn der früheren Regelung in § 4 Abs. 2
MB/KK entsprach und dies über den versicherungswirtschaftlichen Zweck der Klausel
hinausging. In der angeführten Entscheidung hatte der BGH den Versicherer verpflichtet,
für die ambulante Behandlung eines Krankenhauses Versicherungsschutz zu gewähren,
wenn das betreffende Krankenhaus den Erfordernissen des § 4 Abs. 4 MB/KK genügte.
Bei Krankenhäusern, die nach der aktuellen Vorschrift in § 4 Abs. 4 MB/KK 2009
„unter ständiger ärztlicher Leitung stehen, über ausreichende diagnostische und therapeutische
Möglichkeiten verfügen und Krankengeschichten führen,“
bestehen danach – ebenso wie bei niedergelassenen Ärzten – generell keine Bedenken,
dass die dort gewährte Heilbehandlung in jeder Hinsicht den Regeln der ärztlichen
Kunst entspricht[42].
Diese an dem Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks vorzunehmende Auslegung
von § 4 Abs. 2 MB/KK 2009 lässt zunächst den Schluss zu, dass auch die ärztlichen
Leistungen angestellter Ärzte in einem MVZ vom Versicherungsschutz der privaten Krankenversicherung
umfasst werden. Das MVZ wird wie ein Krankenhaus zugelassen und muss nach § 95 Abs. 1
S. 1 SGB V unter ärztlicher Leitung stehen. Darüber hinaus sind MVZ ebenso wie Vertragsärzte
und zugelassene Krankenhäuser zur Qualitätssicherung nach § 135a SGB V verpflichtet,
sodass bei den in diesen Einrichtungen erbrachten Leistungen durch angestellte Ärzte
nach § 95 Abs. 2 S. 7 und 9 SGB V seitens des Versicherers von einer gleichen Qualität
ausgegangen werden kann. Daher ist davon auszugehen, dass der Leistungsausschluss
nach § 4 Abs. 2 MB/KK 2009 bei MVZ, die ihre Leistungen gegenüber privatversicherten
Patienten durch angestellte Ärzte erbringen, nicht eingreift und eine Kostenübernahmeverpflichtung
seitens der privaten Krankenversicherung besteht[43].
Entsprechendes gilt für die Ärztegesellschaft nach § 23a MBO-Ä, da die dort genannten
personellen und qualitativen Vorgaben eine entsprechende Qualität der ärztlichen Behandlung,
wie im Krankenhaus sicherstellen. Gesellschafter können danach nur in der Gesellschaft
tätige Ärzte sein, die § 18a Abs. 1 MBO-Ä auch nach außen erkennbar sein müssen, sodass
nach der im Vordringen befindlichen Meinung in teleologischer Auslegung des § 4 Abs. 2
MB/KK 2009 eine Leistungspflicht auch dann besteht, wenn die vertragliche Beziehung
des Versicherungsnehmers zu einer entsprechenden juristischen Person besteht[44].
Andere juristische Personen, die nicht selbst Arzt sind, bleiben demgegenüber durch
§ 4 Abs. 2 MB/KK 2009 von der Leistungspflicht der Privaten Krankenversicherung ausgeschlossen.
Hier besteht die vergleichbare Rechtslage, wie nach den Heilberufs- und Kammergesetzen
der Länder, die eine ärztliche Tätigkeit durch gewerbliche juristische Personen nicht
zulassen.
4. Abrechnungstechnische Folgen der Anwendbarkeit der GOÄ
Der vorliegende Fall der Behandlung mittels einer neuen und kostenintensiven Behandlung
mittels eines Cyberknife-Verfahrens zeigt die besondere wirtschaftliche Problematik
für MVZ und Krankenhäuser auf. Auch wenn eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode,
wie vorliegend die Cyberknife-Bestrahlung bislang im Gebührenverzeichnis zur GOÄ nicht
aufgeführt ist, sind deren Vorgaben zu beachten. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ müssen selbständige
Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer
nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses
berechnet werden.
Das bedeutet, dass solche Verfahren auf der Grundlage des Gebührenverzeichnisses zur
GOÄ gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ im Wege der Analogie zu vorhandenen Gebührennummern abgerechnet
werden müssen. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass es neue innovative medizinische
Verfahren gibt, die insbesondere hinsichtlich des Kostenaufwandes mit den in der GOÄ
aufgeführten Gebührenpositionen nicht vergleichbar sind, weil die dort genannte Vergütung
für die Durchführung nicht kostendeckend ist.
Dies auch darauf zurückzuführen, dass die gültige GOÄ im Wesentlichen aus dem Jahr
1982 stammt und 1996 lediglich teilnovelliert wurde. Eine Vielzahl moderner medizinischer
Leistungen ist in der derzeit gültigen GOÄ nicht abgebildet; diese müssen analog veralteter
Leistungen berechnet werden. Die Verpflichtung zur Analogabrechnung führt daher häufig
nicht zu einer kostendeckenden Vergütung. Dies beruht auch darauf, dass die Preise
der derzeit gültigen GOÄ lediglich normativ festgelegt wurden und ihnen keine betriebswirtschaftliche
Kalkulation zu Grunde liegt, die ein aufwandgerechtes Preisgefüge gewährleistet. An
dieser Situation wird sich in naher Zukunft wohl nichts ändern, da der Bundesgesundheitsminister
die von der Bundesärztekammer vorgeschlagene GOÄ-Novellierung zurückgewiesen hat.
5. Keine Anwendbarkeit der GOÄ bei Kooperationsverträgen
Klargestellt hat der BGH aber auch, dass seiner Ansicht nach Vereinbarungen zwischen
Krankenhausträgern und niedergelassenen Ärzten über deren Hinzuziehung im Rahmen allgemeiner
Krankenhausleistungen nicht den Vorschriften der GOÄ unterliegen[45]. Die GOÄ ist grundsätzlich die maßgebliche Rechtsgrundlage der Honorare, die Ärzte
für Leistungen gegenüber Privatpatienten bzw. den in § 11 Abs. 1 GOÄ genannten Leistungserbringern
verlangen können. Das Krankenhaus ist weder Leistungsempfänger noch Leistungserbringer
im Sinne von § 11 Abs. 1 GOÄ, sondern gerade selbst auch Leistungserbringer der allgemeinen
Krankenhausleistung, dem die Leistungen der niedergelassenen Ärzte im Verhältnis zum
Patienten zugerechnet werden. Bei dem zwischen den Ärzten und dem Krankenhaus bestehenden
Rechtsverhältnis handelt es sich um einen Dienstvertrag, der auf die Komplettierung
der vom Krankenhaus geschuldeten allgemeinen Krankenhausleistung gerichtet ist. Im
Rahmen dessen ist die Regelung der Einzelheiten einer angemessenen Vergütung der ärztlichen
Tätigkeit allein Sache der Vertragsparteien, wobei diese sich selbstverständlich am
ärztlichen Gebührenrecht orientieren können[46].
V. Ergebnis
Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis zu begrüßen, da sie nicht nur die Anwendbarkeit,
sondern auch die Bindung von Krankenhäusern, MVZ und Ärztegesellschaften, die als
juristische Personen geführt werden, an die GOÄ nach § 1 Abs. 1 vorgibt. Insbesondere
im Bereich der Praxisformen niedergelassener Ärzte sind die Regelungen in den Heilberufs-
und Kammergesetzen über die Zulässigkeit der Berufsausübung in der Organisationsform
der sog. Ärztegesellschaft nach § 23a MBO-Ä nicht einheitlich und daher vorab stets
landesrechtlich zu prüfen. Soweit die Zulässigkeit der ärztlichen Leistungserbringung
in der Rechtsform der juristischen Person besteht, hat daher wie bei Krankenhäusern,
die Abrechnung von ambulanten Leistungen gegenüber Privatpatienten zwingend nach der
GOÄ zu erfolgen.
Positiv anzumerken ist, dass sich offenbar auch die Bedingungen der privaten Krankenversicherung
an diese Entwicklung annähern und in diesen Fällen eine Kostenübernahme durch die
Kostenträger nach § 4 Abs. 2 MB/KK 2009 zugunsten des Versicherten vorsehen. Die Bindung
von zugelassenen juristischen Personen an die GOÄ nach § 1 Abs. 1 führt allerdings
auch zu dem bekannten Dilemma, dass für innovative, kostenintensive Untersuchungs-
und Behandlungsmethoden eine Bindung an die veraltete Kostenstruktur der GOÄ besteht,
sodass unter Umständen keine wirtschaftlich kostendeckende Vergütung für diese Methoden
zu erzielen ist.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Karina Jentsch
Rechtsanwältin
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