Schlüsselwörter
Echtzeitbeobachtung - Dokumentationsaufwand - Arbeitszeitanalyse
Keywords
real-time observation - documentation effort - working time analysis
Einleitung
Die sorgfältige Dokumentation nimmt im medizinischen Bereich eine zentrale Rolle ein.
In Deutschland sind Ärztinnen und Ärzte gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Tätigkeiten
zu dokumentieren, um die Transparenz des Behandlungsprozesses sicherzustellen und
die Nachvollziehbarkeit des ärztlichen Handelns zu gewährleisten [1]. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der (Muster-)Berufsordnung der Ärzte (MBO-Ä
§ 10) [2] sowie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB § 630 f.) [3].
Die Dokumentation empfinden die Betroffenen oft als Belastung, da sie einen erheblichen
Teil ihrer täglichen Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Das entstehende Missverhältnis
zwischen administrativen Aufgaben und direkter Patientenversorgung beeinträchtigt
die Arbeitszufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte zunehmend [4]
[5]. Einerseits haben der gestiegene Informationsanspruch von Patientinnen und Patienten
sowie Krankenkassen [6]
[7] bzw. veränderte Arbeitsbedingungen wie die Teilzeitarbeit und gesetzliche Arbeitszeitbeschränkungen
zum Anstieg der Dokumentationsanforderungen geführt, um den erhöhten Kommunikationsbedarf
zwischen den verschiedenen Behandelnden zu decken [4]. Andererseits haben die zunehmende Digitalisierung und der verstärkte Einsatz moderner
Kommunikationstechnologien die Arbeitsstruktur der Ärztinnen und Ärzte in den letzten
Jahren stark verändert, was zu einer erleichterten Datenverfügbarkeit und einem verbesserten
Austausch untereinander führte. Der Austausch mit den Patientinnen und Patienten blieb
oftmals gering, mit deren Unzufriedenheit als Resultat [8]
[9]
[10]. Für eine empathische Beziehung zwischen Behandelnden und Behandelten gilt ein zeitlich
angemessener ärztlicher Patientenkontakt als unerlässlich [11]. Wie viel Zeit dafür absolut benötigt wird, ist bisher allerdings unbekannt [12].
Obwohl der Anteil der computerbasierten Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten in einigen
US-amerikanischen Studien [8]
[9]
[10] untersucht wurde, gibt es bisher kaum aktuelle Daten für Deutschland. Um die Auswirkungen
der Dokumentationsanforderungen auf die Arbeitszeit sowie den Patientenkontakt von
hiesigen Ärztinnen und Ärzten zu erfassen, wurden für die vorliegende Studie folgende
Forschungsfragen konzipiert:
-
Wie viel Arbeitszeit entfällt auf die Dokumentationstätigkeit?
-
Wie hoch ist der Anteil der Computerarbeit im Tagesverlauf?
-
Wie viel Arbeitszeit bleibt Ärztinnen und Ärzten im direkten Umgang mit den zu behandelnden
Patientinnen und Patienten?
-
Beeinflusst das Geschlecht, das Alter, die berufliche Position, die Berufserfahrung
oder die Fachrichtung die Arbeitszeitverteilung?
Material und Methoden
Arbeitszeitanalyse
Die Studie zur Arbeitszeitanalyse wurde in einem regionalen Schwerpunktkrankenhaus
im Zeitraum von November 2018 bis Mai 2019 durchgeführt und umfasste die Fachbereiche
Innere Medizin, Chirurgie sowie Anästhesie/Intensivmedizin. Die Hospitationen erfolgten
dabei auf internistischen und chirurgischen peripheren Stationen sowie auf der Intensivstation.
Die Daten wurden von einer einzelnen, externen, geschulten Person erhoben, um eine
homogene Vorgehensweise sicherzustellen und Informationsverluste zu verringern. Jeweils
drei Ärztinnen und Ärzte pro Fachbereich wurden für je drei reguläre achtstündige
Arbeitstage hospitiert. Überstunden und außerhalb der regulären Arbeitszeit liegende
Dienste wurden in der vorliegenden Untersuchung nicht berücksichtigt. Die Hospitationen
wurden an Tagen mit einander ähnlichem Arbeitsaufkommen vorgenommen, um eine hohe
Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Zur Zeitbudgetermittlung kam es an den Wochentagen
Dienstag bis Donnerstag, da an diesen erfahrungsgemäß eine relativ konstante Aufnahme
von Patientinnen und Patienten zu erwarten ist [13]. Es wurden alle Tätigkeiten dokumentiert, die innerhalb von Fünf-Minuten-Intervallen
durchgeführt wurden. Die dreitägige Hospitation sollte dazu dienen, dass sich die
Ärztinnen und Ärzte an die Beobachtungsituation gewöhnen, um den Hawthorne-Effekt
[14] zu minimieren. Dieser umfasst eine Verhaltensänderung bei Menschen infolge einer
Studienteilnahme.
Für die Arbeitszeitanalyse wurde vorab ein Beobachtungsprotokoll entwickelt, welches
tabellarisch verschiedene Tätigkeitskategorien enthielt. In einem Beobachtungsintervall
von fünf Minuten wurde jede Tätigkeit angekreuzt, welche in diesem Zeitraum von den
hospitierten Ärztinnen und Ärzten durchgeführt wurde. Somit konnte die zeitliche Parallelität
von Aktivitäten berücksichtigt werden. Die Festlegung des Zeitintervalls orientierte
sich an Gershuny [15], welcher eine Beobachtungseinheit zwischen zwei und 15 Minuten empfiehlt. Im Hinblick
auf die erforderliche Genauigkeit und praktische Umsetzung erschien ein Fünf-Minuten-Takt
optimal.
Die Zeitwertfeststellung für die Tätigkeitskategorien erfolgte zeilenabhängig. Da
jede Zeile des Protokolls ein Fünf-Minuten-Intervall darstellte, ergab sich die Wertigkeit
je nach Anzahl der gesetzten Kreuze. Durch das anschließend spaltenweise Addieren
der einzelnen Zeitwerte wurde der Tätigkeitsumfang ermittelt. Aus den erfassten Zeiten
der drei Hospitationstage wurde pro Arzt und Ärztin für jede Tätigkeit das arithmetische
Mittel errechnet. Diese Mittelung ist in Zeiterhebungsstudien zur Beschreibung des
Zeitbudgets unerlässlich [16]. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Fragestellung wurden einzelne Kategorien
schließlich zu größeren zusammengefasst und die ermittelten Zeiten für vergleichende
Gruppenbetrachtungen verwendet. Die Gesamtdokumentationszeit ergab sich aus den Zeiten
für Arztbriefe und anderweitiger Dokumentation (PC, Akte, sonstige). Die Patientenzeit
umfasste die Dauer für Patientengespräche, Aufklärungen sowie Untersuchungen am Patienten.
Bei den Chirurgen wurde zusätzlich die Operationszeit mit eingerechnet. Aus der Summe
der Zeiten für ArztbriefPC, Dokumentation am Computer und allgemeiner PC-Arbeit ergab
sich die Gesamtarbeitszeit am Computer. Das Hauptziel unserer Studie bestand in einer
ersten datengestützten Analyse ärztlicher Arbeitszeiten, die als Bestandsaufnahme
dient und eine objektive Annäherung an das Forschungsgebiet ermöglicht. Das Design
dieser Pilotstudie wurde deshalb bewusst als explorativ mit einer begrenzten Teilnehmeranzahl
konzipiert, ohne vorab Hypothesen festzulegen.
Ethikkommission
Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte willigten nach ausführlicher Aufklärung über
den Untersuchungszweck schriftlich in die Verwertung ihrer pseudoanonymisierten Daten
ein. Alle angewandten Methoden entsprechen den ethischen Standards der Deklaration
von Helsinki. Die Durchführung der Studie wurde von der zuständigen regionalen Ethikkommission
für medizinische Forschung geprüft und genehmigt (Nr. A2019–0075).
Statistik
Die erfassten Arbeitszeiten sind deskriptiv in Minuten mit Mittelwert ± Standardabweichung
(MW ± SD) sowie der Stichprobengröße n angegeben. Tägliche Zeitanteile (%) beziehen
sich auf 480 Minuten. Die Pilotstudie ist mit insgesamt N = 9 hospitierten Ärztinnen
und Ärzten als Bestandsaufnahme angelegt und wird für diesen Datensatz deskriptiv
berichtet. Alle erhobenen Daten wurden mit dem Statistikpaket IBM® SPSS® (Version 29.0) analysiert.
Ergebnisse
In der nachfolgenden quantitativen Ergebnisdarstellung werden die ermittelten Zeiten
für Dokumentation, Computertätigkeit und direkten Kontakt zu Patientinnen sowie Patienten
während eines achtstündigen Arbeitstages wiedergegeben. Neun Ärztinnen und Ärzte eines
Schwerpunktkrankenhauses nahmen an der dreitägigen Hospitation teil, wobei die Fachrichtungen
Innere Medizin, Allgemeinchirurgie sowie Anästhesie und Intensivmedizin gleichmäßig
vertreten waren. Die Geschlechterverteilung war mit fünf Ärztinnen und vier Ärzten
annähernd ausgeglichen. Die Berufserfahrung der Teilnehmenden lag zwischen drei und
25 Jahren, im Durchschnitt bei elf Jahren. Etwa 56 % der Partizipierenden waren fachärztlich
tätig.
Dokumentation
Ein Überblick der ermittelten Zeiten für die Dokumentation ist in [Tab. 1] dargestellt. Die Gesamtdokumentationszeit wurde mit 93,1 ± 23,4 Minuten als Summe
der Zeitaufwände für die Arztbrieferstellung, die papierbasierte und elektronische
Aktendokumentation sowie andere interne Dokumentationen ermittelt und umfasst 19,4 %
der täglichen ärztlichen Arbeitszeit. Auf die Dokumentation am Computer entfiel der
größte Anteil der Gesamtdokumentation mit 35,7 %, die papierbasierte Aktendokumentation
entsprach hingegen 21,4 %. Für anderweitige Dokumentation, z. B. die Erstellung von
Übergabeprotokollen, wurden durchschnittlich 10,5 % der Zeitspanne aufgewendet. Die
Arztbrieferstellung (32,4 %) benötigte im Durchschnitt 30,2 ± 5,0 Minuten, wobei in
dieser Zeitspanne zu 67,2 % computerbasiert gearbeitet wurde. Mit 11,6 % machten das
Ausdrucken und das Signieren den geringsten Zeitanteil aus, gefolgt vom Diktieren
mit 21,2 %. Um den Einfluss unterschiedlicher Formen der Dokumentation auf den zeitlichen
Umfang zu untersuchen, wurde nur die Gesamtdokumentationszeit berücksichtigt.
Tab. 1
Tägliche Dokumentationszeiten.
Dokumentationsform
|
Aufgewendete Zeit (min)
MW ± SD
|
Prozentualer Anteil
|
Gesamtdokumentation
|
93,1 ± 23,4
(19,4 % der Arbeitszeit)
|
100 %
|
Dokumentation PC
|
33,2 ± 19,0
|
35,7 %
|
Dokumentation Papierakte
|
19,9 ± 16,8
|
21,4 %
|
Dokumentation sonstige
|
9,8 ± 6,1
|
10,5 %
|
Arztbrief gesamt
|
30,2 ± 5,0
|
32,4 % (100 %)
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Die Zeiten sind als Mittelwert ± Standardabweichung (MW± SD) dargestellt; min, Minuten
[Tab. 2] zeigt ärztliche Zeiten ohne Patientenkontakt (Gesamtdokumentationszeit und Zeit am PC) sowie deren Einflussfaktoren:
Tab. 2
Ärztliche Zeit ohne Patientenkontakt in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Position, Berufserfahrung
und Fachrichtung.
Faktor
|
Faktorkategorien
|
Tägliche Dokumentationszeit gesamt (min)
MW ± SD
93,1 ± 23,4 min
19,4 % der Az
|
Tägliche Zeit am PC
(min)
MW ± SD
123,5 ± 44,4 min
25,7 % der Az
|
Geschlecht
|
Männlich (n = 4)
Weiblich (n = 5)
|
97,6 ± 31,9
89,5 ± 17,2
|
142,6 ± 45,0
108,2 ± 42,0
|
Alter
|
< 40 Jahre (n = 5)
≥ 40 Jahre (n = 4)
|
94,6 ± 17,6
91,3 ± 32,2
|
100,9 ± 42,0
151,6 ± 136,2
|
Position
|
Assistenzarzt/Assistenzärztin (n = 4)
Facharzt/Fachärztin (n = 5)
|
97,2 ± 19,2
89,8 ± 28,1
|
103,9 ± 47,9
139,1 ± 39,1
|
Berufserfahrung
|
< 7 Jahre (n = 3)
7 bis 14 Jahre (n = 4)
> 14 Jahre (n = 2)
|
90,7 ± 17,4
91,7 ± 17,4
99,5 ± 52,6
|
90,2 ± 48,2
126,2 ± 25,1
167,9 ± 23,9
|
Fachrichtung
|
Innere Medizin (n = 3)
Chirurgie (n = 3)
Anästhesie/Intensivmedizin (n = 3)
|
120,2 ± 15,0
83,0 ± 9,8
76,1 ± 13,6
|
163,1 ± 31,0
71,5 ± 16,6
135,8 ± 0,9
|
Zeiten sind als Mittelwert ± Standardabweichung (MW± SD) dargestellt; min, Minuten;
Az Arbeitszeit; im Gruppenvergleich auffallend lange Zeiten sind fett hervorgehoben.
Der zeitliche Dokumentationsaufwand war bei Männern und Frauen vergleichbar hoch
Die Gesamtdokumentationszeit fiel bei den Ärzten mit durchschnittlich 97,6 ± 31,9
Minuten etwas höher aus als bei den Ärztinnen mit durchschnittlich 89,5 ± 17,2 Minuten.
Das Alter von Ärztinnen und Ärzten spielte für den Dokumentationsumfang keine Rolle
Der Dokumentationsumfang der hospitierten Ärztinnen und Ärzte, die jünger als vierzig
Jahre alt waren, lag durchschnittlich bei 94,6 Minuten. Er fiel damit nur geringfügig
größer aus als in der Gruppe der älteren Ärztinnen und Ärzte. Diese benötigten durchschnittlich
91,3 Minuten für die Dokumentation ihrer Aufgaben.
Die berufliche Position hatte keinen Einfluss auf die Dokumentationszeit
Im Hinblick auf die berufliche Position zeigte sich, dass Assistenzärztinnen und -ärzte
mit 97,2 Minuten etwas höhere Dokumentationszeiten aufweisen als Kolleginnen und Kollegen
mit bereits abgeschlossener Facharztweiterbildung (89,8 Minuten).
Die Berufserfahrung hatte keinen Einfluss auf die Dokumentationszeit
Bei der Überprüfung der Gesamtdokumentationszeit in Abhängigkeit der Berufserfahrung
der hospitierten Ärztinnen und Ärzte wurden für die Gruppen mit geringer und mäßiger
Berufserfahrung vergleichbare Werte ermittelt (90,7 vs. 91,7 Minuten). Lediglich Ärztinnen
und Ärzte mit einer über 14 Jahre langen Berufstätigkeit wiesen mit 99,5 Minuten durchschnittlich
höhere Dokumentationszeiten auf.
Internistinnen und Internisten weisen den höchsten Dokumentationsaufwand auf
Internistinnen und Internisten leisteten mit durchschnittlich 120,2 ± 15 Minuten einen
höheren Dokumentationsumfang als Kolleginnen und Kollegen der Fächer Chirurgie mit
83,0 ± 9,8, und auch der Anästhesie/Intensivmedizin mit 76,1 ± 13,6 Minuten.
Die Fachrichtung beeinflusst die Arbeitszeit am Computer
Die Gesamtarbeitszeit am Computer ergab sich aus den für die computerbasierte Dokumentation,
die Arztbrieferstellung und die allgemeine Computerarbeit ermittelten Werten. Durchschnittlich
betrug diese 123,5 Minuten und entsprach damit 25,7 % der täglichen Arbeitszeit. Der
größte Anteil entfiel mit 56,7 % auf die dokumentationsfreie Nutzung der elektronischen
Ressourcen, z. B. bei der Begutachtung von CT-Bildern oder Laborwerten. Die computerbasierte
Dokumentation und Arztbrieferstellung machten mit nur 26,9 % bzw. 16,4 % einen deutlich
geringeren Anteil an der ärztlichen PC-Arbeitszeit aus. Vor allem bei den Fachrichtungen
Innere Medizin (163,1 ± 31,0 Minuten) und Anästhesie/Intensivmedizin (135,8 ± 0,9)
umfassen die Zeitaufwände für computergestützte Tätigkeiten mehr als ein Viertel des
Arbeitstages und sind jeweils höher als in der Chirurgie mit 71,5 ± 16,6 Minuten.
Dagegen konnte kein Einfluss des Geschlechts-, des Alters, der beruflichen Position
und der Berufserfahrung auf die computerbasierte Arbeitszeit der hospitierten Ärztinnen
und Ärzte festgestellt werden.
Arbeitszeit mit direktem Patientenkontakt
Diese Zeiten sind in [Tab. 3] dargestellt. Zur Ermittlung der ärztlichen Arbeitszeit im direkten Patientenkontakt
wurden die Zeitaufwände für gemeinsame Gespräche (z. B. Aufklärungsgespräche) und
patientenbezogene Untersuchungen (z. B. Blutentnahme, körperliche Untersuchungen)
addiert. Bei den Chirurginnen und Chirurgen wurde zusätzlich die Operationstätigkeit
einberechnet. Im Ergebnis verbrachten die hospitierten Ärztinnen und Ärzte durchschnittlich
80,7 Minuten im direkten Patientenkontakt. Das entsprach 16,8 % ihres Arbeitstages.
Der operationsbedingte Patientenkontakt erreichte mit 58,0 % den größten Anteil. Die
Kommunikation sowie die Untersuchung der Patientinnen und Patienten entsprachen jeweils
einem Fünftel der patientenbezogenen Arbeitszeit. Um den stationsgebundenen Patientenkontakt
fachrichtungsspezifisch beurteilen zu können, wurde zusätzlich die Dauer des Patientenkontakts
ohne Berücksichtigung der Operationsdauer ermittelt. Sie betrug durchschnittlich 33,8
Minuten und umfasste damit lediglich 7 % des Arbeitstages. In den nachfolgenden Analysen
werden beide Varianten der ermittelten Patientenzeit berücksichtigt; die Ergebnisse
werden entsprechend differenziert.
Tab. 3
Ärztliche Zeit am Patienten in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Position, Berufserfahrung, Fachrichtung und
unter Berücksichtigung von Operationszeiten.
Faktor
|
Faktorkategorien
|
Tägliche Zeit am Patienten (min)
inkl. Operationszeit
MW ± SD
80,7 ± 62,9 min
16,8 % der Az
|
Tägliche Zeit am Patienten (min)
exkl. Operationszeit
MW ± SD
33,8 ± 22,7 min
7,0 % der Az
|
Geschlecht
|
Männlich (n = 4)
Weiblich (n = 5)
|
67,4 ± 53,9
91,3 ± 73,6
|
38,6 ± 24,9
30,0 ± 22,9
|
Alter
|
< 40 Jahre (n = 5)
≥ 40 Jahre (n = 4)
|
122,3 ± 53,7
28,7 ± 14,7
|
38,0 ± 28,6
28,7 ± 28,7
|
Position
|
Assistenzarzt/Assistenzärztin (n = 4)
Facharzt/Fachärztin (n = 5)
|
117,8 ± 60,9
51,0 ± 51,5
|
41,2 ± 32,0
28,0 ± 12,9
|
Berufserfahrung
|
< 7 Jahre (n = 3)
7 bis 14 Jahre (n = 4)
> 14 Jahre (n = 2)
|
134,4 ± 62,5
65,6 ± 53,4
30,3 ± 25,3
|
32,2 ± 32,6
36,8 ± 20,8
30,3 ± 25,3
|
Fachrichtung
|
Innere Medizin (n = 3)
Chirurgie (n = 3)
Anästhesie/Intensivmedizin (n = 3)
|
61,6 ± 11,6
158,3 ± 30,1
22,2 ± 8,5
|
61,6 ± 11,6
17,8 ± 10,5
22,2 ± 8,5
|
Zeiten sind als Mittelwert ± Standardabweichung (MW± SD) dargestellt; min, Minuten;
Az Arbeitszeit; im Gruppenvergleich auffallend lange Zeiten sind fett hervorgehoben.
Die Fachrichtung bestimmt die Dauer des Patientenkontakts
Die Chirurgen verbrachten etwa 29 % (140,5 / 480 Minuten) ihrer täglichen Zeit im
OP. Damit fiel die patientenbezogene Arbeitszeit bei Berücksichtigung operativer Tätigkeiten
bei den Chirurginnen und Chirurgen mit 158,3 ± 30,1 Minuten (etwa 33 % pro Tag) deutlich
höher aus als bei den Anästhesisten/Intensivmedizinern mit 22,2 ± 8,5 Minuten, und
den Internisten mit 61,6 ± 11,6 Minuten, was sich aus den chirurgischen OP-Zeiten
erklärt ([Tab. 3]). Bei Bestimmung der Patientenzeit ohne Operationstätigkeit wiesen Internistinnen
und Internisten mit 12,8 % des Arbeitstages den stärksten Patientenkontakt auf. Sie
waren mit 61,6 ± 11,6 Minuten deutlich länger beim Patienten als Chirurgen mit 17,8 ± 10,5
und Anästhesisten/Intensivmediziner mit 22,2 ± 8,5 Minuten. Anästhesistinnen und Anästhesisten
verbrachten durchschnittlich 4,6 % ihrer Arbeitszeit direkt an der Patientin bzw.
am Patienten, die Chirurginnen und Chirurgen 3,7 %.
Jüngere Ärztinnen und Ärzte verbrachten mehr Zeit an der Patientin bzw. am Patienten
Unter Berücksichtigung der OP-Zeiten verbrachten jüngere Kollegen mit 122,3 ± 53,7
mehr Zeit an der Patientin bzw. dem Patienten als ältere mit 28,7 ± 14,7 Minuten.
Die Zeit war in der Gruppe der Unter-40-Jährigen im Mittel 93,6 Minuten länger. Das
entspricht mehr als dem Vierfachen. Wurde die patientenbezogene Arbeitszeit ohne Anrechnung
eventueller OP-Zeiten betrachtet, verringerte sich diese bei den jüngeren Ärztinnen
und Ärzten um 69 % auf 38,0 ± 28,6 Minuten, die Werte der Kolleginnen und Kollegen
über 40 Jahren blieben hingegen unverändert.
Ärztinnen und Ärzte verbrachten vergleichbar viel Zeit an der Patientin bzw. am Patienten
Bei Betrachtung des Zeitaufwands für den stationsbezogenen Patientenkontakt ohne Einfluss
der Operationstätigkeit waren die Zeiten mit 30,0 ± 22,9 versus 38,6 ± 24,9 auf gleichem
Niveau. Jedoch unter Berücksichtigung chirurgischer Operationszeiten verbrachten Ärztinnen
mit 91,3 ± 73,6 Minuten mehr Zeit im direkten Umgang mit den Patientinnen und Patienten
als ihre männlichen Kollegen mit 67,4 ± 53,9 Minuten.
Assistenzärztinnen und -ärzte verbrachten mehr Zeit an der Patientin bzw. am Patienten
Die Studie zeigt, dass Assistenzärztinnen und -ärzte mit 117,8 ± 60,9 Minuten mehr
Arbeitszeit an der Patientin bzw. am Patienten verbrachten als Kolleginnen und Kollegen
mit bereits abgeschlossener Weiterbildung (51,0 ± 51,5). Bei Berücksichtigung der
Operationszeit erreichte erstere Gruppe das 3,5-Fache der Zeit, die für Fachärztinnen
und Fachärzten ermittelt wurde. Ohne Berücksichtigung von operativen Tätigkeiten fiel
der positionsbedingte Unterschied der patientenbezogenen Arbeitszeit deutlich geringer
aus.
Mit steigender Berufserfahrung sank die Zeit mit unmittelbarem Patientenkontakt
Bei der Analyse der Patientenzeit inklusive OPs nahm diese mit zunehmenden Tätigkeitsjahren
ab. Während in der Gruppe mit geringer Berufserfahrung im Mittel 134,4 ± 62,5 Minuten
als Aufwand für patientenbezogene Tätigkeiten ermittelt wurden, betrug dieser bei
Ärztinnen und Ärzten mit mittlerer Berufserfahrung lediglich die Hälfte.
Die Zeiten ohne Operationstätigkeit fielen hingegen in allen Gruppen mit etwa einer
halben Stunde pro Tag am Patienten ähnlich aus.
Diskussion
Die vorliegende Zeiterhebungsstudie wurde darauf ausgerichtet, die Arbeitszeitverteilung
von Ärztinnen und Ärzten im stationären Sektor zu untersuchen, da in Deutschland zu
dieser Thematik bisher nur wenig Forschung existiert [12]
[17]
[18]
[19]. Mittels mehrfacher Hospitation von Ärztinnen und Ärzten in den Fachbereichen Innere
Medizin, Chirurgie sowie Anästhesie/Intensivmedizin wurden die Zeitaufwände für ärztliche
Dokumentation, Computerarbeit und Patientenkontakt während eines achtstündigen Arbeitstages
erfasst.
Dokumentation
Die Gesamtdokumentationszeit betrug fachrichtungsübergreifend durchschnittlich 93,1
Minuten (19,4 % der Arbeitszeit), wobei ihr größter Anteil computerbasiert geleistet
wurde. Die elektronische Aktendokumentation machte mit 35,6 % die umfangreichste Komponente
aus, dicht gefolgt von der Arztbrieferstellung mit 32,4 % – letztere wurde überwiegend
(67,4 %) am PC vorgenommen. Das Dokumentieren in Papierform erfolgte in einem Fünftel
der ermittelten Zeit. Lediglich 10,6 % der Arbeitszeit wurden für andere Dokumentationen
benötigt, z. B. für die Erstellung von Übergabeprotokollen. Die höchste Gesamtdokumentationszeit
wurde mit 120,2 Minuten (25 % der Arbeitszeit) bei den Internistinnen und Internisten
festgestellt. Wesentlich geringer fiel die durchschnittliche dokumentationsbezogene
Arbeitszeit bei den Chirurginnen und Chirurgen mit 82,9 Minuten (17 % der Arbeitszeit)
sowie den Anästhesistinnen und Anästhesisten mit 76,1 Minuten (16 % der Arbeitszeit)
aus.
Müller und Blum [20] untersuchten 2003 den Dokumentationsaufwand chirurgisch und internistisch tätiger
Klinikärztinnen sowie -ärzte. Im Vergleich zu den vorliegenden Daten fielen die Zeiten
in ihrer Untersuchung deutlich höher aus. Die Gesamtdokumentationszeit betrug in der
genannten Quelle in der Inneren Medizin 194,9 Minuten (41 % der Arbeitszeit) und in
der Chirurgie 161,9 Minuten (34 % der Arbeitszeit). Während diese Daten auf Schätzungswerten
aus einer Fragebogenerhebung basieren, erfolgte für die vorliegenden Arbeit eine Echtzeitanalyse
mittels einer Beobachtung. Befragungen gelten im Hinblick auf Zeiterhebungen als ungenau
und sind zusätzlich aufgrund des Phänomens der sozialen Erwünschtheit anfällig für
Verzerrungen. Häufig wird bei diesen die simultane Ausführung mehrerer Tätigkeiten
nicht berücksichtigt, woraus Überschätzungen der benötigten Zeit resultieren [21]
[22]. Als weiterer Grund für abweichende Dokumentationszeiten ist die fehlende Aktualität
der Studie von Müller und Blum [20] denkbar. Infolge der zunehmenden Digitalisierung sowie des Einsatzes von Codierenden
und Schreibkräften könnten Ärztinnen und Ärzte ferner bei der Dokumentation entlastet
worden sein. Der prozentuale Unterschied des dokumentationsbezogenen Arbeitszeitanteils
zwischen Innerer Medizin und Chirurgie war trotz der anderen Unterschiede bei beiden
Erhebungen annähernd gleich (7–8 %). Die höchste Dokumentationsdauer wurde wie in
der Studie von Müller und Blum [20] auch vorliegend bei den Internistinnen und Internisten festgestellt. Daraus kann
die Hypothese abgeleitet werden, dass von den untersuchten Fachrichtungen in der Inneren
Medizin der höchste Dokumentationsaufwand anfällt. Die Differenz zwischen der Gesamtdokumentationsdauer
in der Inneren Medizin und der in den anderen Fachrichtungen war in der vorliegenden
Untersuchung beträchtlich. Ein Einfluss von Geschlecht, Alter, Position oder Berufserfahrung
konnte nicht nachgewiesen werden.
Computerarbeitszeit
Die Computerarbeitszeit betrug durchschnittlich 123,5 Minuten und entsprach damit
25,7 % der täglichen Arbeitszeit. Ihr Großteil (56,7 %) entfiel auf die dokumentationsfreie
Nutzung des Computers, z. B. bei der Begutachtung von Laborwerten oder radiologischen
Bildern. Die computerbasierte Dokumentation (26,9 %) und die Arztbrieferstellung (16,5 %)
entsprachen einem erheblich geringeren Anteil der ärztlichen Bildschirmarbeitszeit.
Die hospitierten Ärztinnen und Ärzte der Inneren Medizin sowie der Anästhesie verbrachten
täglich mehr als zwei Stunden ihres Arbeitstages vor dem Computer, die Chirurginnen
und Chirurgen lediglich 71,5 Minuten. Die insbesondere im Vergleich zu Internistinnen
und Internisten deutlich geringere Computernutzung in letzterer Gruppe könnte aus
der Verwendung der klassischen Papierakte und der Operationstätigkeit resultiert sein.
Da in der chirurgischen Abteilung noch kein elektronisches Patientendatenmanagementsystem
genutzt wurde, sind die Bildschirmarbeitszeiten der einzelnen Fachbereiche allerdings
nur bedingt vergleichbar. Mit zunehmender Digitalisierung im Gesundheitssystem muss
auch in operativen Fachbereichen mit einer erhöhten ärztlichen Computerarbeitszeit
gerechnet werden. In einer US-amerikanischen Studie wurde 2012 an zwei Kliniken in
Baltimore die Arbeitszeitverteilung internistisch tätiger Ärztinnen und Ärzte untersucht,
wobei 40 % von ihr auf Computertätigkeiten entfielen [23]. Ähnliche zeitliche Dimensionen wurden in der vorliegenden Zeiterhebungsstudie ermittelt.
Internistinnen und Internisten verbrachten mit durchschnittlich 163,1 Minuten 34 %
ihres Arbeitstages vor dem PC. In der Literatur sind nur wenige Daten zur Computernutzung
stationär tätiger Ärztinnen und Ärzte auffindbar, wobei die meisten aus dem US-amerikanischen
Raum stammen. In den existierenden Erhebungen liegt der Anteil der Computernutzung
an der Arbeitszeit durchschnittlich zwischen 40 und 51 % [24]
[25]
[26]. Die Abweichung zu den vorliegenden Ergebnissen kann infolge des höheren Digitalisierungsgrades
des Gesundheitswesens der USA erklärt werden [27]. Etwaige Abhängigkeiten der ermittelten Computerarbeitszeit von Geschlecht, Alter,
Position und Berufserfahrung konnten in dieser Studie nicht detektiert werden.
Arbeitszeit mit direktem Patientenkontakt
Die patientenbezogene Arbeitszeit verbrachten die hospitierten Ärztinnen und Ärzte
im direkten Patienten-kontakt, z. B. im persönlichen Gespräch oder bei körperlichen
Untersuchungen. Zusätzlich wurde bei den Chirurginnen und Chirurgen die Operationstätigkeit
einkalkuliert. Da jedoch nur ein Drittel der Teilnehmenden chirurgisch tätig war,
wurde dadurch eine Überschätzung der fachrichtungsübergreifenden Patientenzeit befürchtet.
Aus diesem Grund wurde zusätzlich die Patientenzeit ohne Berücksichtigung der Operationsdauer
ermittelt. Im Folgenden werden beide Varianten diskutiert. Bei Beachtung der Operationstätigkeit
verbrachten die Ärztinnen und Ärzte durchschnittlich 80,7 Minuten (16,8 % der Arbeitszeit)
im direkten Umgang mit den Patientinnen und Patienten. Von dieser Zeitspanne entfiel
der größte Anteil (58,0 %) auf operationsbasierten Patientenkontakt. Die Kommunikation
sowie die Untersuchung an der Patientin bzw. am Patienten betrugen lediglich je ein
Fünftel der ermittelten Gesamtzeit. Die Patientenzeit ohne Berücksichtigung der OP-Tätigkeit
fiel mit 33,8 Minuten deutlich geringer aus. Sie umfasste damit lediglich 7 % des
ärztlichen Arbeitstages und bestand zu ungefähr gleichen Anteilen aus Patientengesprächen
und Untersuchungen. Fachrichtungsspezifisch konnte der größte patientenbezogene Arbeitszeitanteil
wie auch in der Studie von Rosta und Aasland [28] bei den Chirurginnen und Chirurgen nachgewiesen werden. Durchschnittlich verbrachten
diese 158,3 Minuten (33 % der Arbeitszeit) in der Patientenversorgung. Bei den Internistinnen
und Internisten fiel dieser Anteil mit 61,6 Minuten (12,8 % der Arbeitszeit) deutlich
geringer aus. Die niedrigste patientenbezogene Arbeitszeit wurde mit 22,2 Minuten
(4,6 % der Arbeitszeit) bei den Anästhesistinnen und Anästhesisten festgestellt. Der
Unterschied zwischen der Anästhesie und den beiden anderen Fachrichtungen ist deutlich.
Er resultiert möglicherweise aus dem höheren ärztlichen Betreuungsverhältnis auf der
Intensivstation im Vergleich zu peripheren Stationen.
Wurde die Operationstätigkeit nicht berücksichtigt, reduzierte sich die Patientenzeit
lediglich bei den Chirurginnen und Chirurgen- und zwar auf durchschnittlich 17,8 Minuten
(3,7 % der Arbeitszeit), und ist dann vergleichbar mit Patientenzeiten der Anästhesisten/Intensivmediziner.
Beide Fachgruppen sind deutlich weniger Zeit am Patienten als Internisten. Die Ergebnisse
verdeutlichen, dass der patientenbezogene Arbeitszeitanteil sehr stark von der Fachrichtung
beeinflusst wird. Eine Beurteilung dieser Werte und ihr Vergleich mit Literaturangaben
sollten deshalb nach Möglichkeit immer fachrichtungsspezifisch erfolgen.
Ein weiterer Unterschied zeigte sich bei altersabhängiger Betrachtung unter Berücksichtigung
der Operationstätigkeit. Ärztinnen und Ärzte, die weniger als 40 Jahre alt waren,
verbrachten mit durchschnittlich 122,3 Minuten viermal so viel Zeit an der Patientin
bzw. am Patienten wie Kolleginnen und Kollegen. Da alle teilnehmenden Chirurginnen
und Chirurgen zur jüngeren Altersgruppe zählten, gilt die Darstellung infolge ihres
hohen patientenbezogenen Arbeitszeitanteils als verzerrt. Die Altersabhängigkeit wurde
im zweiten Schritt ohne Einkalkulierung der Operationszeiten überprüft. Bei den jüngeren
Ärztinnen und Ärzten verringerte sich die patientenbezogene Arbeitszeit auf 38,0 Minuten.
Der Wert der älteren Kolleginnen und Kollegen blieb mit 28,7 Minuten vergleichbar.
Tipping et al. [29] verglichen 2010 in einem Review verschiedene Studien zur Arbeitszeitverteilung klinisch
tätiger Ärztinnen und Ärzte aus den Jahren 1961 bis 2008. Die ermittelten Werte für
den patientenbezogenen Arbeitszeitanteil schwankten in ihren Erhebungen zwischen 8,5
und 41 %. Die große Spannweite ergab sich infolge unterschiedlicher Forschungsansätze
und -qualitäten sowie der Erhebung in verschiedenen Klinikstrukturen und Fachbereichen.
Zur Arbeitszeitverteilung von Ärztinnen und Ärzten in deutschen Kliniken existieren
bisher nur wenige Studien. Im Jahr 2017 erfolgte eine großangelegte Zeiterhebungsstudie
im Universitätsklinikum Freiburg, die sich mittels Multimomentaufnahme über sieben
Fachbereiche erstreckte. Wolff et al. [12] erkannten, dass Ärztinnen und Ärzte im stationären Setting mehr als die Hälfte ihres
Arbeitstages fernab von der Patientin bzw. vom Patienten verbringen. Bei Berücksichtigung
von ambulanten und sonstigen Tätigkeiten, beispielsweise Wegzeiten oder Lehre, betrug
der durchschnittliche Arbeitszeitanteil für die direkte stationäre Patientenversorgung
24,4 % und der für Dokumentationstätigkeiten 17,5 %. Ein Vergleich dieser Werte mit
den vorliegenden Daten erscheint schwierig, da in der Freiburger Studie die Fachbereiche
Allgemeinchirurgie, Innere Medizin und Anästhesie nicht berücksichtigt wurden. In
den meisten Abteilungen fiel der Patientenkontakt im Gegensatz zur vorliegenden Zeiterhebungsstudie
zeitaufwändiger aus als die Dokumentation. Die Abweichungen zwischen der genannten
und der vorliegenden Studie ergaben sich möglicherweise durch unterschiedliche Erhebungsmethoden
(zufällige Tätigkeitsabfrage vs. permanente Beobachtung), anderen Tätigkeitsbereich-Definitionen
sowie verschiedenen Studienpopulationen.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass die Dokumentation und computergestützte
Tätigkeiten einen bedeutenden Anteil an der ärztlichen Tätigkeit ausmachen. Geschlecht,
Alter, berufliche Position und Berufserfahrung nehmen nur einen geringen Einfluss
auf die diesbezügliche Zeitverteilung. Jedoch variieren die Zeitspannen, die im direkten
Patientenkontakt bzw. mit der Dokumentation verbracht werden, je nach Fachrichtung.
Limitationen
Als wesentliche Einschränkung muss hervorgehoben werden, dass die vorliegende Pilotstudie
als Bestandsaufnahme auf einer geringen Zahl beteiligter Ärztinnen und Ärzte eines
städtischen Klinikums basiert. Infolge der permanenten Tätigkeitsabfrage der mehrtägigen
Echtzeitbeobachtung ergab sich ein vergleichsweise hoher Aufwand bei der Datenerhebung
sowie eine erschwerte Probandengewinnung. Die Resultate des erhobenen Datensatzes
werden deshalb rein deskriptiv berichtet und lassen sich nicht verallgemeinern. Es
ist weitere Forschung erforderlich, um definitive Schlussfolgerungen abzuleiten. Trotzdem
wurden wertvolle Einblicke darüber gewonnen, in welchem Verhältnis die tägliche Arbeitszeit
klinisch tätiger Ärztinnen und Ärzte in Zeit für den Patientenkontakt, für die Dokumentation
sowie für Computerarbeitszeit aufgeteilt ist.
Ausblick
Aufgrund des Mangels an Ärztinnen und Ärzten sowie der Notwendigkeit einer effektiven
Nutzung des vorhandenen ärztlichen Potenzials gewinnen Arbeitszeitanalysen aktuell
an Bedeutung. In zukünftigen Studien sollten Kliniken unterschiedlicher Versorgungsstufen
und andere Bundesländer, Fachrichtungen sowie eine größere Anzahl von Teilnehmenden
einbezogen werden. Für die Datenerhebung wird trotz des erhöhten Kosten- und Zeitaufwandes
die permanente Tätigkeitsabfrage während einer Hospitation empfohlen. Sie bietet im
Vergleich zu Multimomentaufnahmen und Befragungen eine genauere Zeitanalyse. Im Sinne
der Umsetzbarkeit hat sich ein Beobachtungsintervall von fünf Minuten als geeignet
erwiesen. Die Entlastung von bürokratischen Aufgaben, die seit Jahren von Ärztinnen
und Ärzten gefordert wird [30], scheint dringend notwendig. Vorschläge zur Verbesserung, beispielsweise die Digitalisierung
und die Unterstützung durch medizinische Dokumentationsassistentinnen und -assistenten,
sollten in weitere Forschung hinsichtlich ihrer Effizienz und Effektivität sowie des
personellen und finanziellen Aufwands geprüft werden. Die sinkende Attraktivität der
ärztlichen Kliniktätigkeit für die Generation Y ist ebenfalls für weitere Studien
relevant. Die Generation umfasst nach den meisten Auslegungen Menschen, die zwischen
den Jahren 1980 und 1995 geboren wurden sowie für ihre Eigenschaften wie technologische
Affinität, individualistische Einstellungen und eine Work-Life-Balance-Orientierung
bekannt sind [31].
Es gilt, die verbleibenden ärztlichen Ressourcen gemäß dem ursprünglichen Berufsbild
sinnvoll einzusetzen und ein übermäßiges Ungleichgewicht zwischen administrativen
Aufgaben sowie direkter Patientenversorgung zu vermeiden. Dadurch könnte ein wegweisender
Beitrag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Krankenhausärztinnen und -ärzten
geleistet sowie letztendlich auch die Patientenversorgung positiv beeinflusst werden.
Mit dem Fortschreiten der Digitalisierung im Gesundheitssystem und der zunehmenden
Nutzung elektronischer Ressourcen ist zu erwarten, dass die computerbasierte Arbeitszeit
der Ärztinnen und Ärzte weiter steigen wird.
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Die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte verbrachten etwa 19,4 % ihrer Arbeitszeit mit
der Dokumentation und nur 16,8 % im direkten Patientenkontakt (inkl. OP).
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Internistinnen und Internisten hatten mit 120 min deutlich mehr Dokumentationsaufwand
als Anästhesisten/Intensivmediziner (76 min) und Chirurgen (83 min).
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Etwa 25,7 % der Arbeitszeit der Ärztinnen und Ärzte entfielen auf computergestützte
Tätigkeiten, wobei der genaue Anteil von der Fachrichtung beeinflusst wird.
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Die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung pflegten mehr Patientenkontakt als Kolleginnen
und Kollegen mit bereits abgeschlossener Facharztweiterbildung.