ergopraxis 2025; 18(03): 42-44
DOI: 10.1055/a-2464-6058
Perspektiven

Mehr Zeit für die Arbeit mit Menschen – KI im Therapiealltag

Lisa Holtmeier
 

Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen grundlegend – Ergo- und Physiotherapie bilden da keine Ausnahme. Künstliche Intelligenz eröffnet auch hier neue Möglichkeiten, den Praxisalltag effizienter und klientenzentrierter zu gestalten. Wie all das in der praktischen Umsetzung aussehen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.


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KI kann vieles, aber nicht alles – für die Therapie von Herrn Müller bleibt eine „echte“ Fachkraft unverzichtbar.

Wünschen Sie sich nicht auch manchmal, Sie könnten wiederkehrende Aufgaben automatisieren, Abläufe und Prozesse in Ihrer Praxis vereinfachen und die Kommunikation mit Ihren Klient*innen optimieren? Dann könnten Sie über den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) nachdenken.

Was ist KI?

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein Bereich der Informatik, der Systeme entwickelt, die Aufgaben erledigen können, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie Lernen, Problemlösen und Sprachverarbeitung. Diese Systeme nutzen Algorithmen und große Datenmengen, um aus Erfahrungen zu lernen und ihre Leistung zu verbessern. KI wird in vielen Branchen eingesetzt, um Prozesse zu optimieren und innovative Lösungen zu bieten.


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Bisherige Einsatzgebiete

KI findet bereits in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie Anwendung und unterstützt Therapeut*innen und Klient*innen auf vielfältige Weise. In der Ergotherapie helfen KI-gestützte VR-Systeme und Bewegungssensoren dabei, motorische und kognitive Fähigkeiten zu trainieren und individuell anzupassen, in der Logopädie fördern Spracherkennung und automatisierte Sprachtherapie-Apps gezielt die Sprachentwicklung. Zusätzlich kommen in der Physiotherapie KI-basierte Bewegungsanalysen und Exoskelette zum Einsatz, um Bewegungsabläufe zu verbessern und Rehabilitation zu unterstützen. Durch diese Technologien wird die Therapie präziser, da die KI Übungen individuell anpasst, Fortschritte dokumentiert und so eine personalisierte Behandlung ermöglicht. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Rolle der Therapeut*innen unverzichtbar, da die persönliche Betreuung und Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Klient*innen zentral für eine erfolgreiche Therapie sind.


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Beispielhafte Einsatzbereiche von KI im therapeutischen Alltag

Dokumentation

Eine KI kann die Dokumentation für Therapeut*innen durch die Verwendung von Stichpunkten deutlich vereinfachen. Statt ausführliche Texte zu formulieren, können Therapeut*innen nach jeder Therapiestunde nur kurze Stichpunkte zu wesentlichen Aspekten festhalten, wie etwa beobachtete Fortschritte, Herausforderungen oder durchgeführte Übungen. Die KI analysiert diese Stichpunkte und wandelt sie in vollständige, gut strukturierte Dokumentationen um. So werden aus wenigen Stichworten umfassende Berichte, die den Behandlungsverlauf präzise widerspiegeln und den administrativen Aufwand erheblich verringern.

Im Rahmen der ICF-basierten Dokumentation kann die KI zudem automatisiert relevante Kategorien wie Körperfunktionen, Aktivitäten und Partizipation identifizieren und die Stichpunkte den passenden ICF-Codes zuordnen. Dies gewährleistet eine standardisierte Dokumentation, die sowohl übersichtlich als auch vollständig ist.

Therapieberichte

Die KI generiert auf Basis der vorhandenen Dokumentation automatisch vollständige Berichte. Durch die Analyse des gesamten Therapieverlaufs erstellt die KI professionell formulierte Berichte, die alle relevanten Informationen umfassen – von den erreichten Fortschritten über durchgeführte Maßnahmen bis hin zu zukünftigen Therapieempfehlungen. So wird sichergestellt, dass jeder Bericht detailliert und übersichtlich gestaltet ist. Die KI übernimmt dabei die Strukturierung und Formulierung und berücksichtigt zusätzlich die aktuelle Rechtschreibung.

Brainstorming & Ideenfindung

Eine KI kann Therapeut*innen auch bei der Ideenfindung und im Brainstorming für die Therapievorbereitung wertvolle Unterstützung bieten. Oftmals ist Kreativität gefragt, um die Behandlung ansprechend und abwechslungsreich zu gestalten – sei es für Einzeltherapien oder Gruppenprogramme. Hier kann die KI als Ideengeberin agieren, indem sie Vorschläge für Übungen oder Aktivitäten entwickelt. Im Brainstorming für die Therapievorbereitung kann die KI beispielsweise basierend auf den Zielsetzungen und Fähigkeiten der Klient*innen Vorschläge für sinnvolle Übungen und Aktivitäten machen. Ebenso lassen sich besondere Anlässe oder jahreszeitliche Themen einbinden, die den Therapiealltag lebendig und vielfältig gestalten.

Dieser Austausch mit der KI ermöglicht es Therapeut*innen, effizient und kreativ ein breites Spektrum an Ideen zu generieren, die sie dann gezielt an die Bedürfnisse ihrer Klient*innen anpassen können. So erweitert die KI nicht nur die Ideenauswahl, sondern spart auch Vorbereitungszeit und trägt zu einer abwechslungsreichen, maßgeschneiderten Therapie bei.

Praxismanagement

Im Praxismanagement kann eine KI besonders wertvolle Unterstützung bieten, indem sie administrative Aufgaben übernimmt und so die Effizienz steigert. Ein Anwendungsbereich ist die Erstellung eines Praxishandbuchs. Dieses Handbuch enthält alle wichtigen Informationen und Richtlinien für die Organisation und Abläufe in der Praxis. Die KI strukturiert dazu Daten zu Arbeitsprozessen, Standards und Vorschriften und erstellt daraus ein umfassendes, digitales Handbuch, das sich bei Bedarf leicht aktualisieren lässt. Dies fördert nicht nur eine einheitliche Arbeitsweise, sondern erleichtert auch neuen Mitarbeitenden das Verständnis für die Praxisabläufe.

Auch beim On- und Offboarding von Mitarbeitenden kann KI eine bedeutende Rolle spielen. Für neue Mitarbeitende erstellt die KI individuelle Einarbeitungspläne, die genau auf deren Aufgaben und Qualifikationen abgestimmt sind. Diese Pläne können Praxisrichtlinien, wichtige Informationen und spezifische Ansprechpartner*innen beinhalten, wodurch sich neue Teammitglieder schneller einarbeiten und produktiv einbringen können. Beim Offboarding kann die KI automatisch eine Checkliste generieren, die alle erforderlichen Schritte und Dokumente enthält, um den Austrittsprozess geordnet und effizient zu gestalten.

Durch diese Automatisierungen entlastet die KI die Praxisleitung von zeitaufwendigen Aufgaben und schafft klare Strukturen.

Gesprächsvorbereitung

Eine KI kann im Praxisalltag besonders wertvoll sein, indem sie für verschiedene Gespräche wie etwa Eltern-, Mitarbeitenden- und Vorstellungsgespräche individuelle Gesprächsleitfäden erstellt. Dabei greift sie auf die vorhandenen Daten zurück, strukturiert die relevanten Informationen und entwickelt einen übersichtlichen Leitfaden, der sicherstellt, dass alle wichtigen Punkte systematisch behandelt werden.

Für schwierige Themen bietet die KI zudem Formulierungshilfen an, die eine wertschätzende und professionelle Ansprache ermöglichen. Dies ist besonders hilfreich, wenn heikle Themen wie Entwicklungsverzögerungen bei Kindern, Feedback an Mitarbeitende oder sensible Punkte in Gesprächen zur Sprache kommen. Die KI liefert Vorschläge für eine diplomatische und konstruktive Ausdrucksweise, die auf Klarheit und Empathie setzt, sodass schwierige Inhalte respektvoll vermittelt werden können.

Darüber hinaus bietet die KI geeignete Fragestellungen, die Gespräche zielgerichtet und offen gestalten. Im Elterngespräch könnte sie beispielsweise Fragen zu den Beobachtungen der Eltern oder zum häuslichen Umfeld des Kindes vorschlagen, um deren Perspektive aktiv einzubeziehen. In Mitarbeitendengesprächen könnte die KI Fragen formulieren, die eine konstruktive Selbstreflexion fördern, etwa zur persönlichen Zielsetzung oder zum Verbesserungspotenzial. Für Vorstellungsgespräche liefert sie Fragen, die sowohl fachliche Qualifikationen als auch Soft Skills beleuchten und so eine ganzheitliche Betrachtung der Bewerber*innen ermöglichen.


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Grenzen

Im therapeutischen Alltag stößt KI an mehrere Grenzen. Erstens fehlt es KI-Systemen an emotionaler Intelligenz und Empathie, die für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Therapeut*innen und Patient*innen entscheidend sind. Demnach wird eine KI natürlich niemals einen echten Menschen ersetzen. Zweitens können KI-Modelle nur so gut sein wie die Daten, mit denen sie trainiert wurden; unzureichende oder fehlerhafte Daten können zu ungenauen Ergebnissen führen. Drittens ist die Anpassungsfähigkeit von KI an individuelle, komplexe menschliche Bedürfnisse und unvorhersehbare Situationen begrenzt. Viertens ist das Thema Datenschutz nicht zu unterschätzen. Das Verfassen von Therapieberichten und die Dokumentation mithilfe einer KI muss datenschutzrechtlich besonders sensibel behandelt werden. Es ist von großer Bedeutung, dass keinerlei personenbezogene Daten wie Namen, Geburtsdaten oder andere Informationen, die Rückschlüsse auf die Patient*innen zulassen, verwendet werden.


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Vorteile

Der Einsatz von KI bringt für Praxen zahlreiche Vorteile, die sowohl wirtschaftliche Effizienz als auch die Therapiequalität steigern können. Ein zentraler Aspekt ist die Kostenreduktion: Durch die deutliche Verringerung des Zeitaufwands für Vor- und Nachbereitungen können Praxen ihre personellen und zeitlichen Ressourcen gezielter einsetzen und Kosten sparen, ohne Kompromisse bei der Qualität der Versorgung einzugehen. Zudem profitieren Therapeut*innen durch die Entlastung von administrativen Aufgaben – die KI übernimmt viele zeitintensive Dokumentations- und Organisationsprozesse, was mehr Raum für die direkte Arbeit mit Klient*innen schafft und den therapeutischen Fokus stärkt. Gleichzeitig führt die Entlastung von bürokratischen Aufgaben zu einer spürbaren Zufriedenheitssteigerung im Team, da Therapeut*innen mehr Zeit für ihre eigentliche therapeutische Tätigkeit haben und weniger durch administrative Tätigkeiten belastet werden.

KI schafft mehr Raum für die direkte Arbeit an den Klient*innen

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Zusätzlich steigert die KI die wirtschaftliche Effizienz der Praxis, da sie repetitive und administrative Tätigkeiten automatisiert und damit sicherstellt, dass Praxen auch bei wachsender Bürokratielast wirtschaftlich und produktiv bleiben können. Insgesamt schafft die KI damit nicht nur Entlastung und mehr Zeit für das Wesentliche, sondern hilft auch, die Praxis zukunftsorientiert und wettbewerbsfähig zu gestalten.

Künstliche Intelligenz bietet zahlreiche Möglichkeiten, den Therapiealltag effizienter und zufriedenstellender zu gestalten. Der Schritt in Richtung digitaler Unterstützung mag zunächst ungewohnt erscheinen, doch die Chancen überwiegen deutlich. Geben Sie der KI eine Chance, probieren Sie neue Wege aus und sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen mit dieser neuen Technologie.

Lisa Holtmeier

Anwendungsfelder im Überblick
  • Dokumentation und ICF

  • Therapieplanung

  • Inspiration für Übungen

  • Erstellen von Arbeitsblättern

  • Schreiben von Therapieberichten

  • Praxismanagement

  • Beantwortung von Mails und Elternbriefen

  • Brainstorming für Selbstzahler- und Gruppenangebote

  • Schreiben von Social-Media-Beiträgen

  • Gesprächsvorbereitungen (z. B. Eltern- und Mitarbeitendengespräche)


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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin BSc, Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoachin und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der internen und externen gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten.

Publication History

Article published online:
27 February 2025

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin BSc, Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoachin und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der internen und externen gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten.
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