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DOI: 10.1055/a-2510-7694
Alle mit an Bord nehmen – Veränderungsmanagement
Autoren
Wenn sich Vertrautes ändert, macht das vielen Menschen Angst – den von außen initiierten Wandel lehnen sie häufig unmittelbar ab, sodass sich Vorteile und Nutzen des Neuen nur schleppend oder gar nicht im Unternehmen auswirken können. Ein gutes und vor allem schrittweise geplantes Change Management ist daher sinnvoll.


Im therapeutischen Kontext finden die meisten Veränderungen in den Bereichen Digitalisierung, Entwicklung neuer Strukturen und Vereinfachung und Standardisierung von Abläufen statt, dabei geht es meist um Arbeitsschritte, neue Arbeitsmethoden und Änderungen im sozialen Gefüge.
Ein typisches Beispiel für die Veränderung im sozialen Gefüge ist ein personeller Wechsel beispielsweise auf Leitungsebene. Eine neue Führungskraft wird eingestellt, eine neue Stelle mit Leitungsfunktion wird geschaffen oder jemand von den Mitarbeitenden wechselt auf eine Führungsposition. Die Person, die nun die Leitungsfunktion innehat, möchte Dinge verändern und Neues anstoßen. Dabei lässt sich oft beobachten, dass sich das bestehende Team nicht bereit zeigt, von alten Mustern abzuweichen, und die Veränderungen boykottiert. Ohne gezielte Vorbereitung gerät der Veränderungsprozess so bereits zu Beginn ins Stocken. Dabei sind Veränderungen fast immer unausweichlich, und egal ob sie sich lange angekündigt haben oder plötzlich auftreten, wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen.
Menschen reagieren emotional auf Veränderungen. Dabei durchlaufen sie in der Regel fünf Stufen – angelehnt an das Fünf-Phasen-Modell der US-schweizerischen Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross (FÜNF-PHASEN-MODELL), das ursprünglich beschreibt, wie sterbenskranke Menschen mit ihrer Situation umgehen, und das mittlerweile vermehrt auf Veränderungsprozesse übertragen wird.
Gesetzesänderungen, zunehmende Digitalisierung, neue Mitarbeitende oder eine neue Führungskraft – in den meisten Fällen gelingt es nicht, Veränderungen aktiv zu umgehen. Sinnvoller ist eine gute Vorbereitung, damit alle Beteiligten den Wandel in der Praxis nachvollziehen und mittragen können. Dabei ist es wichtig,
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klare Ziele zu setzen,
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Transparenz für das Team zu schaffen,
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das Team mit einzubeziehen und
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Raum für Emotionen zu geben.
Umgekehrt bedeutet das, dass folgende Faktoren der Veränderung deutlich im Weg stehen:
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Das Team wird nicht miteinbezogen.
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Es gibt keine ausreichende Kommunikation zwischen Team und Führungskraft.
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Es ist zu wenig Zeit bis zur Umsetzung der Veränderungen vorhanden.
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Zu viele Veränderungen sollen auf einmal angegangen werden.
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Emotionen, vor allem die Trauer, Gewohntes zu verlieren, werden nicht zugelassen.
Veränderungsprozesse mit dem Team gestalten – für mehr Akzeptanz
Stellen Sie sich vor, es gibt in Ihrer Praxis einen Wechsel der therapeutischen Leitung. Eine neue Kollegin übernimmt die Stelle ihrer Vorgängerin, die aufgrund eines Wohnortwechsels nach zehn Jahren ihre Stelle gekündigt hat.
Die Kollegin startet mit vielen Ideen in ihre neue Aufgabe, ist hochmotiviert und teilt ihrem Team gut gemeinte Ideen mit. Diese werden jedoch von Beginn an sabotiert. Die Neue ist ratlos, denn ihrer Meinung nach sind ihre Veränderungswünsche in Bezug auf die Abläufe innovativ und zukunftsorientiert. Was sie zu spüren bekommt, ist das Festhalten an alten Routinen und die Trauer um den Weggang der Vorgängerin. Hier hilft es wenig, die Mitarbeitenden überzeugen zu wollen – wichtiger ist eine schrittweise Vorbereitung und gute Begleitung des Teams im Veränderungsprozess. Dazu dienen die folgenden fünf Schritte.
Nur bei schrittweisen Veränderungen können alle im Team folgen.
1. Veränderungsideen im Team vorstellen
Damit Veränderungen bewusst angegangen und vor allem auch von allen mitgetragen werden, sollte das gesamte Team miteinbezogen werden. Wenn Sie also eine Veränderung in Erwägung ziehen, planen Sie, so weit es möglich ist, gemeinsam mit Ihrem Team und bereiten Sie es frühzeitig darauf vor, dass Veränderungen unausweichlich sind, dass aber ausreichend Zeit und Raum für die Umsetzung bestehen. Gehen Sie ein Thema nach dem anderen an und nicht alle auf einmal.
2. Kontroverse Meinungen und Emotionen sind willkommen
Signalisieren Sie, dass alle Meinungen und Emotionen willkommen sind. Wenn Sie es schaffen, offen zu bleiben für die Anliegen und Befürchtungen Ihrer Teammitglieder, dann werden Sie Ihren Veränderungsprozess richtig gut in Gang bringen. Denn das, was gesagt und gefühlt werden darf, muss sich nicht verdeckt einen Weg suchen und im Verlauf den Veränderungsprozess boykottieren und sabotieren.
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Welche Befürchtungen haben die einzelnen Mitarbeitenden?
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Was könnte im schlimmsten Fall durch die Veränderung geschehen?
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Wie fühlt sich die Veränderung an?
3. Abschiedsschmerz benennen unddas Vergangene würdigen
Der Weggang einer Führungskraft und der Neubeginn mit einer neuen verantwortlichen Person ist ein einschneidendes Ereignis: Es läutet das Ende eines beruflichen Lebensabschnitts ein und wird oft als dramatisch erlebt. In diesem Prozess der Trauer um das Vergangene liegt eine tolle Möglichkeit, sich im Team noch mal neu kennenzulernen.
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Wie lange sind die Teammitglieder bereits in der Institution, bevor die Veränderung stattfindet?
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Was bedeutet der Abschied von dem Gewohnten?
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Was ist nötig, um die bisherige Phase gut abschließen zu können?
4. Alte Ressourcen nutzen
Machen Sie Ihrem Team klar, dass in den seltensten Fällen wirklich alles verändert wird. Wenn Ihre Teammitglieder durch den Erhalt bestimmter Abläufe und liebgewonnener Routinen Sicherheit erfahren, dann kann sich der Blick wieder öffnen in Richtung Veränderung.
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Was hat Ihnen in der Zusammenarbeit mit der bisherigen Führung besonders gut gefallen?
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Was ist dem Team besonders wichtig?
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Welche Abläufe haben sich bewährt?
5. Ziel formulieren und Startschuss fürdas Neue geben
Nachdem Sie das Vergangene gewürdigt, dem Abschiedsschmerz Raum gegeben und die Ressourcen gesammelt haben, ist nun ein guter Moment, das Ziel in Richtung Veränderung zu formulieren und alle Teammitglieder an Bord zu holen.
Die Beteiligten an Veränderungsprozessen durchlaufen – sehr individuell – die folgenden fünf Phasen.
1. Phase: Verleugnung
Es ist eine Abwehrhaltung gegenüber der Veränderung zu beobachten. Die Realität, die Veränderung wird nicht anerkannt.
2. Phase: Zorn (Wut)
Es zeigen sich Frust und Zorn gegenüber dem Unternehmen und den Führungskräften, Beteiligte empfinden die Situation der Veränderung als bedrohlich.
3. Phase: Verhandlung (Handeln)
Die Mitarbeitenden zeigen erste Versuche, sich mit der Veränderung zu arrangieren, suchen nach Kompromissen und Möglichkeiten, die Veränderung zu formen und deren Auswirkungen zu minimieren.
4. Phase: Depression (Niedergeschlagenheit)
Die Tragweite der Veränderung wird erfasst und die Mitarbeitenden fühlen sich überwältigt, hilflos oder traurig, sie erkennen, dass die Veränderung unvermeidbar ist.
5. Phase: Akzeptanz
Die Mitarbeitenden akzeptieren die neue Realität und integrieren die Veränderung. Damit ist nicht unbedingt Enthusiasmus gemeint, sondern eine resignierte Akzeptanz.


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Wertschätzen Sie die Ehrlichkeit.
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Lassen Sie Raum für Emotionen wie Trauer und Wut.
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Schärfen Sie Ihren ressourcenorientierten Blick: Was kann der Veränderungsmuffel aufdecken, was ohne ihn unentdeckt geblieben wäre? Mahnt er möglicherweise zur Langsamkeit, Veränderungen nicht zu schnell umzusetzen? Oder lenkt er den Blick auf die kritischen Aspekte? Was sieht der Veränderungsmuffel, was die anderen nicht sehen (wollen)?
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Was braucht der Veränderungsmuffel, um die Veränderungen mittragen zu können?
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In fast jedem Menschen steckt auch ein bisschen was vom Veränderungsmuffel. Diesem Anteil von Beginn an Raum zu geben, ist sinnvoll. Kommt er nicht gleich zu Wort, wird er sich immer wieder melden und die Veränderung nie ganz mittragen.
□ Veränderungsideen im Team vorstellen – planen Sie ausreichend Vorlaufzeit ein und bereiten Sie das Team auf anstehende Veränderungen vor
□ Kontroverse Meinungen und Emotionen willkommen heißen – sehen Sie die Vorteile in der ernsthaften, kritischen Auseinandersetzung mit Veränderungen
□ Abschiedsschmerz benennen und das Vergangene würdigen – geben Sie Raum für den Abschied von Gewohntem und würdigen Sie das Bisherige gemeinsam
□ Alte Ressourcen nutzen – erfinden Sie das Rad nicht neu; nutzen Sie bewährte Abläufe und Strukturen, das erspart Zeit und gibt dem Team Sicherheit
□ Ziel formulieren und Startschuss für das Neue – gehen Sie die ersten Schritte in die Veränderung gemeinsam im Team
Fazit
Veränderungen sind in der heutigen Zeit unumgänglich. Diese schrittweise, bedacht und unter Berücksichtigung aller Beteiligten anzugehen und umzusetzen, ist notwendig, wenn die Veränderungen die erwünschten Vorteile und Fortschritte mit sich bringen sollen.
Schauen Sie immer wieder, ob alle Teammitglieder mit im Boot sitzen und unterwegs niemand über Bord gegangen ist. Veränderungsprozesse sind keine ruhige Spazierfahrt, sie erfordern Durchhaltevermögen, fachkundige Navigation, Beteiligung aller Teammitglieder und eine klare Vision vom Ziel. Die Vor- und Nachbereitung eines Veränderungs-prozesses sind auf dieser Reise mindestens genauso wichtig wie die Veränderung an sich.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Erkundung Ihrer Veränderungsprozesse mit Ihrem Team.
Isabel Arens
Isabel Arens


Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
09. April 2025
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