ergopraxis 2025; 18(06): 44-46
DOI: 10.1055/a-2551-0500
Perspektiven

Stärken des Teams erkennen und nutzen – Ressourcenarbeit

Isabel Arens
 

Über welche Fähigkeiten verfügen die Menschen in Ihrem Team? Wenn Sie das wissen, können Sie diese zielgerichtet und motivierend einsetzen. Tun Sie es nicht, betreiben Sie im wahrsten Sinn des Wortes Ressourcenverschwendung.


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ABB. Das Johari-Fenster: Hinter dem Modell steckt die Theorie, dass die Zusammenarbeit immer besser wird, je mehr alle Personen in Ihrem Team voneinander wissen.© Thieme Gruppe

Ressourcenarbeit ist eine Methode, um die Stärken und Fähigkeiten einer Person oder eines Teams herauszuarbeiten und sie jeder und jedem Einzelnen zu vergegenwärtigen. Damit sind Ressourcen, die das Individuum betreffen, genauso gemeint wie externe Ressourcen („InNERE UND ÄUSSERE RESSOURCEN“). Wer sich der eigenen Ressourcen bewusst ist und die Möglichkeit hat, diese zielgerichtet im Arbeitsalltag einzusetzen, erlebt eine Steigerung des Wohlbefindens. Sind die Stärken erst einmal bekannt, gilt es sie in den Arbeitsalltag zu integrieren und zu fördern. Wie sich die Ressourcen einsetzen lassen und welche Schwächen des Teams durch den Einsatz der Stärken einer anderen Person ausgeglichen oder gestärkt werden können, wollen wir genauer betrachten.

Die Beschäftigung mit den eigenen Ressourcen und denen des Teams hat viele Vorteile:

  • Die Sichtbarmachung der eigenen Ressourcen führt zu neuen Facetten der Eigenwahrnehmung. Wenn Sie nicht nur die eigenen Ressourcen erarbeiten, sondern auch Feedback durch Teammitglieder einholen, eröffnet sich eine gute Möglichkeit, „blinde Flecke“ aufzudecken – und das im positiven Sinne ([ABB.]). Welche positiven Fähigkeiten sieht die Kollegin in mir, die mir bisher nicht bekannt waren? Warum ist mein Kollege so wertvoll für unser Team?

  • Ressourcenarbeit macht deutlich, dass alle Menschen Stärken und Schwächen haben. Schwächen klar zu kommunizieren, kann eine Entlastung bringen, weil einzelne Personen nicht mehr vermeiden müssen, dass diese Schwächen ungewollt zu Tage treten.

  • Klarheit über Stärken und Schwächen vereinfachen die Kommunikation. Es kommt oft genug vor, dass Teammitglieder besprochene Abläufe nicht einhalten, weil diese an einer Stelle eigene Schwächen berühren. Wenn jedoch eine Übereinkunft darüber herrscht, dass Schwächen sein dürfen und es innerhalb des Teams Ressourcen gibt, die diese ausgleichen, dann wird vermehrt nach Lösungen gesucht, wie die Abläufe trotzdem eingehalten werden können.

  • Ressourcenarbeit im Team verdeutlicht die Vielfalt innerhalb der Gruppe. Kenntnis darüber, welche Stärken meine Kolleg*innen haben und mit welchen Schwächen sie kämpfen, stärkt das Gruppengefühl.

Ressourcenarbeit und das Johari-Fenster

„Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit von mehreren Personen funktionieren umso besser, je mehr diese voneinander wissen. Dabei können sowohl positive Effekte für den Einzelnen als auch für die gesamte Gruppe beobachtet werden.“ 1955 beschrieben die Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham dieses Phänomen und entwickelten als Kommunikationsmodell das Johari-Fenster, dessen Name sich aus den Vornamen der beiden Psychologen ableitet. Dem Modell liegt die Theorie zugrunde, dass zwischenmenschliche Kommunikation einfacher und besser wird, wenn sich Selbstbild und Fremdbild annähern.


Die vier Bereiche des Johari-Fensters

Der öffentliche Bereich beinhaltet die Informationen, die der Person und dem Umfeld bekannt sind. Das sind Informationen, die die Person bereits mitgeteilt hat oder die sehr offensichtlich sind, darunter das äußere Erscheinungsbild und gemeinsame Erfahrungen.

Der blinde Fleck bezeichnet Informationen, die der Person selbst unbekannt sind, die das Umfeld aber kennt. Dazu gehören kleine Ticks, Verhaltensweisen, Gestik, und Mimik.

Der geheime Bereich beschreibt Wissen, das die Person über sich selbst hat, das dem Umfeld aber unbekannt ist. Dazu gehören Schwächen, ungeliebte Verhaltensweisen, Gedanken und Annahmen über sich selbst.

In den vierten, den unbekannten Bereich können solche Informationen einsortiert werden, die sowohl dem Einzelnen als auch dem Umfeld unbekannt sind.

Möchte ein Team nun den gemeinsamen Handlungsspielraum transparenter und weiter gestalten, muss im Johari-Fenster das Feld links oben – der öffentliche Bereich – größer werden. Die beiden Psychologen haben zwei Möglichkeiten beschrieben, wie das gelingen kann.

Bei der ersten Möglichkeit wird der Fensterausschnitt des blinden Flecks kleiner, indem wir Rückmeldungen aus unserem Umfeld einholen, etwa in Form von gezielten Fragen. Über die Rückmeldungen erhält eine Person neue Informationen, die ihr vielleicht bisher unbekannt waren. Bei Feedbacks, die positive Rückmeldungen enthalten, kann die Person innerlich wachsen, sich an Lob und Anerkennung erfreuen. Bei kritischen Rückmeldungen kann sie überprüfen, inwiefern sie dazulernen und an dem vom Feedbackgeber beobachteten Verhalten etwas ändern möchte.

Wer bin ich?

Wer viel von sich preisgibt, gewinnt Erkenntnisse über sich selbst und kann seinen Handlungsspielraum erweitern.

Der öffentliche Bereich lässt sich auch vergrößern, indem der geheime Bereich kleiner wird. Wenn Menschen ihre Unsicherheiten und Schwächen mitteilen, verringert sich ihre Sorge, ertappt zu werden, oder sie strengen sich weniger an, Schwächen zu überspielen. Auf geäußerte Schwächen könnte das Team dann besser eingehen oder sie durch Stärken kompensieren.


Ressourcenarbeit gezielt einsetzen

Zwei Beispielübungen zeigen, wie Sie ganz einfach in Ihrem Team die Ressourcenarbeit einbauen können.


Fremdwahrnehmung (Partnerübung)

Im Rahmen einer Partnerarbeit werden positive Rückmeldungen an das Gegenüber gegeben. In dieser Übung geht es vorrangig um das Erhalten eines positiven Feedbacks und damit um das Verkleinern des blinden Flecks und das Aufdecken bisher unbekannter Stärken. Dafür können Sie das FORMULAR „PARTNERÜBUNG“ (S. 46) verwenden.

Die Partner nehmen sich Zeit und schreiben für die jeweils andere Person positive Rückmeldungen auf das Formular. Im Anschluss werden zunächst einer Person die gesammelten Punkte in Form einer „Lobdusche“ vorgetragen. Bei Bedarf kann danach Zeit für Austausch und Intensivierung der einzelnen Punkte eingeräumt werden. Danach erhält die zweite Person die positive Anerkennung und darf diese genießen.

Die ausgefüllten Formulare werden der Person übergeben, die das Feedback empfangen hat. Die Übung lässt sich in beliebiger Konstellation im Team, aber auch in Freundschaften und Familie adaptieren.

Innere und äußere Ressourcen

Zu den internen Ressourcen zählen physiologische, psychologische und interaktionelle Ressourcen, wie Gesundheit, Persönlichkeitsmerkmale, Kritikfähigkeit etc. Externe Ressourcen hingegen liegen außerhalb der Person selbst und sind und eher materieller Natur. Dazu zählen Freunde und Familie, Räumlichkeiten, Materialien, Geld etc.

Formular „Partnerübung“

Formular erstellen, z. B. mit folgenden zu sammelnden Punkten:

Deine Interessen sind:

_____________________________________

Deine Fähigkeiten sind:

_____________________________________

Du bist so wertvoll für unsere Zusammenarbeit im Team, weil:

_____________________________________

Ich glaube, deine Superstärke ist:

_____________________________________

Ich wollte dir schon immer zurückmelden, dass:

_____________________________________

  • Fragenformular für das Gegenüber ausfüllen

  • Feedback für das Gegenüber vorlesen

  • Austausch darüber, falls gewünscht oder wenn Fragen auftauchen

  • Fragenformular wird von der 2. Person vorgelesen

  • Austausch der Antwortbögen

Fragen „Selbstwahrnehmung“
  • Tätigkeiten sortieren nach: kann ich gut und braucht wenig Zeitaufwand und kann ich nicht gut und braucht viel Zeit

  • Gemeinsamer Austausch über Stärken und Schwächen

  • Überlegungen: Wo können Stärken des Teams Schwächen ausgleichen?

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Selbstwahrnehmung (Einzelarbeit)

Jedes Teammitglied kann z. B. die Tätigkeiten, die innerhalb eines Arbeitstags anfallen, in verschiedene Kategorien sortieren (FRAGEN „SELBSTWAHRNEHMUNG“, S. 46), z. B.: Welche Aufgaben kann ich sehr gut und habe dabei wenig Zeitaufwand? Welche Tätigkeiten kann ich gar nicht oder nur mittelmäßig, die gleichzeitig viel Zeit beanspruchen?

Es lohnt sich, sich nicht ausschließlich auf die Kernaufgaben zu konzentrieren, sondern auch unregelmäßig vorkommende Tätigkeiten zu betrachten, zum Beispiel Mitarbeitergespräche, Umfrageauswertungen, Einarbeitungsprozesse, Formularerstellung oder das Tätigken von Rückrufen.

  • Im Team können nun die Ressourcen gesammelt werden – verbal oder schriftlich.

  • Die Schwächen der einzelnen Teammitglieder werden gesammelt und füllen das Feld „geheimer Bereich“ des Johari-Fensters. Den Kolleg*innen wird durch das Aufdecken der Schwächen die Angst, dass diese ungewollt entdeckt werden, genommen, da alle offen über diesen Bereich sprechen.

  • Indem nun die Ressourcen und Schwächen im Team gegenübergestellt werden, ist häufig direkt zu beobachten, wo sich diese innerhalb der Gruppe ausgleichen lassen können.


Umgang mit den Ressourcen und Schwächen des Teams

Im Anschluss an die beiden Übungen haben Sie nun zwei Möglichkeiten, mit den Ergebnissen umzugehen.

Stärken heben Schwächen auf

Durch den offenen Austausch über Stärken und Schwächen berichtet Kollege A, wie schwer er sich mit einem speziellen Krankheitsbild tut, Kollegin B benennt im Austausch darüber, dass sie genau hier ein großes Interesse hat und eine ihrer Stärken im Umgang mit Klienten mit dieser Diagnose liegt.

Durch den transparenten Austausch kann das Team nun überlegen, ob z. B. Kollegin B sich auf diese Erkrankung spezialisiert und Kollege A diese Klienten gar nicht mehr aufnimmt bzw. nur im Ausnahmefall und nach entsprechender Übergabe vertreten sollte.


Schwächen durch Lernen von Stärkeren umwandeln

Kollegin C öffnet sich und schildert, wie ihr Elterngespräche schon Tage zuvor wie ein Stein im Magen liegen. Sie bereitet diese gut vor, hat aber große Sorge vor unvorhersehbaren Reaktionen der Eltern. Ihr fehlt ein passendes Handwerkszeug, um damit umzugehen.

Kollegin D hat genau hier ihre Ressource, sie liebt herausfordernde Elternarbeit und kann sehr flexibel mit den Anforderungen der Eltern umgehen. Die beiden Kolleginnen vereinbaren Hospitationstermine, bei denen Kollegin C bei D und ihren Elterngesprächen anwesend ist und beobachten kann, wie diese die Gespräche führt und mit unvorhersehbaren Fragen oder Reaktionen umgeht. Zudem führen sie innerhalb der Teamsitzung Rollenspiele durch, anhand derer C üben kann, flexibel zu reagieren, um ihre Unsicherheit zu bearbeiten.

Durch den gezielten Einsatz der Stärken der Teammitglieder zur Unterstützung der Kolleg*innen nimmt sich das Team noch stärker als Ganzes wahr. Das Verheimlichen von Unsicherheiten gehört der Vergangenheit an, im Fokus kann nun vermehrt der gemeinsame Veränderungsprozess stehen.



Fazit

Es lohnt sich sehr, sich mit Ressourcenarbeit auseinanderzusetzen. Sich darüber bewusst zu werden, was die eigenen Ressourcen sind und welche Stärken jedes einzelne Teammitglied mit sich bringt, kann das Wohlbefinden des Individuums verbessern und den Teamgeist positiv verändern. Auf Grundlage der Ressourcen des Teams können nun nachhaltig Veränderungs- und Verbesserungsprozesse angestoßen werden, was wiederum die Zufriedenheit des Teams erhöht.

Viel Freude bei der Entdeckung der Ressourcen im Team! Isabel Arens



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Isabel Arens
ist Ergotherapeutin, Qualitätsbeauftragte, Fachwirtin und Systemischer Coach und Veränderungsmanagerin. Schwerpunktmäßig arbeitet sie mit Führungskräften und Teams aus Therapieberufen und verbindet das Systemische Coaching und Veränderungsmanagement mit dem Qualitätsmanagement. Die Einbindung der Ressourcen des Teams in nachhaltige Veränderungsprozesse ist ihr ein Herzensanliegen. Ressource – Isabel Arens: Workshops, Seminare und Coaching für Führungskräfte und Teams in Therapieberufen und Kita: www.arensressource.de

Publication History

Article published online:
04 June 2025

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Georg Thieme Verlag KG
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Isabel Arens
ist Ergotherapeutin, Qualitätsbeauftragte, Fachwirtin und Systemischer Coach und Veränderungsmanagerin. Schwerpunktmäßig arbeitet sie mit Führungskräften und Teams aus Therapieberufen und verbindet das Systemische Coaching und Veränderungsmanagement mit dem Qualitätsmanagement. Die Einbindung der Ressourcen des Teams in nachhaltige Veränderungsprozesse ist ihr ein Herzensanliegen. Ressource – Isabel Arens: Workshops, Seminare und Coaching für Führungskräfte und Teams in Therapieberufen und Kita: www.arensressource.de
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ABB. Das Johari-Fenster: Hinter dem Modell steckt die Theorie, dass die Zusammenarbeit immer besser wird, je mehr alle Personen in Ihrem Team voneinander wissen.© Thieme Gruppe