Schlüsselwörter STIC - serös tubares intraepitheliales Karzinom - Krebsregister - Inzidenz - STIC-Register
- Rheinland-Pfalz
Hintergrund
Seröse tubare intraepitheliale Karzinome (STIC) gelten als Vorläuferläsionen von High-grade
serösen Karzinomen (HGSC) [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ].
STIC sind gekennzeichnet durch eine TP53-Mutation, wie bei den HGSC, verbunden mit
einer aberranten p53-Überexpression, einem hohen mitotischen Index und einer genomischen
Instabilität [7 ]. Serös tubare intraepitheliale Läsionen, sogenannte STIL, erfüllen histopathologisch
noch nicht alle Kriterien eines Carcinoma in situ, zählen jedoch auch mit der p53-Signatur
als Vorläuferläsionen der HGSC. STIC befinden sich im Fimbrientrichter der Tuba uterina
und werden meistens per SEE-FIM-(Sectioning and Extensively Examining the FIMbriated
End-)Protokoll diagnostiziert [3 ]. Das SEE-FIM-Protokoll ermöglicht die vollständige Aufarbeitung der Tube mittels
Querschnitten und des Fimbrientrichters mittels Längsschnitten mit konsekutiven Färbungen,
und erleichtert somit die Detektion von Läsionen, die in der Routineaufarbeitung oft
nicht erkennbar sind.
Tubare und ovarielle HGSC machen 70–80% aller malignen Ovarialkarzinome aus und haben
die schlechteste Prognose aller gynäkologischen Tumoren. Das lebenslange Risiko, an
einem Ovarialkarzinom bis zum Alter von 70 Jahren zu erkranken, wird in der Allgemeinbevölkerung
auf 1,3% geschätzt im Vergleich zu 36–53% bei BRCA1 -Trägerinnen und 10–25% bei BRCA2 -Trägerinnen [8 ]. Deshalb wird für diese Hochrisikopopulation die risikoreduzierende Salpingo-Oophorektomie
(RRSO) empfohlen, welche die effektivste Methode zur Prävention darstellt [9 ]
[10 ]. Okkulte Karzinome und/oder STIC werden schätzungsweise in bis zu 10–15% dieser
Fälle nachgewiesen [11 ]
[12 ]
[13 ]. Der Nachweis von isolierten STIC bei RRSO liegt bei ca. 2–3% [14 ]
[15 ]. Frauen mit einem isolierten STIC haben ein Risiko von 21,6–27,5% je nach Studie,
innerhalb der nächsten 10 Jahre ein fortgeschrittenes HGSC zu entwickeln [16 ]
[17 ]. Bis heute sind wesentliche klinische und prognostische Eigenschaften von STIC unklar.
Der Nachweis eines STIC geht mit einem substanziellen Risiko eines invasiven Prozesses
und somit einer Vollmanifestation eines HGSC einher [14 ]
[18 ]
[19 ]. Auch können bereits okkulte Lymphknotenmetastasen bei Patientinnen mit einer STIC-Läsion
gefunden werden [18 ]. Die Seltenheit von STIC und die fehlenden Informationen stellen eine diagnostische
und therapeutische Herausforderung dar [20 ]. Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt, nach Risikoaufklärung „die Möglichkeit einer
Staging-Operation zum Ausschluss einer höhergradigen Läsion mit der Patientin zu diskutieren“
(AWMF-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren, Version
6.0 – Oktober 2024) [21 ]. Die NCCN (National Comprehensive Cancer Network) Guideline führt 2 Optionen auf
bei isoliertem STIC: 1) Observatio mit und ohne Bestimmung des Tumormarkers CA-125
und 2) operatives Staging mit anschließender Nachsorge. Falls noch keine genetische
Testung erfolgt sein sollte, ist diese nach STIC-Diagnose zu empfehlen [22 ]. Die 02/2024 publizierten Empfehlungen der ESGO-ESMO-ESP-Konsensuskonferenz, bestehend
aus 46 Teilnehmer*innen aus 15 Staaten, sind am ausführlichsten formuliert. Hier wird
ein peritoneales Staging empfohlen, vorzugsweise minimalinvasiv und ohne Lymphadenektomie.
Eine Hysterektomie sollte in Betracht gezogen werden, insbesondere bei Patientinnen
mit BRCA1 -Mutation (Konsensus: 82%) [23 ]. 2020 wurde eine nationale Umfrage zur Diagnostik, der pathologischen Aufarbeitung
und operativen Therapie von STIC in Deutschland an allen gynäkologisch-onkologischen
Zentren durchgeführt [20 ]. Die Umfrage zeigte gravierende Unterschiede in der Behandlung von Patientinnen
mit STIC, insbesondere bei der Durchführung eines Staging-Folgeeingriffs: 38,2% der
Kliniken würden die Patientinnen mit STIC laparoskopieren und 25,9% offen chirurgisch
operieren.
Darüber hinaus werden STIC in mehr als der Hälfte aller Ovarialkarzinome, Tubenkarzinome
und primären Peritonealkarzinome nachgewiesen [11 ]
[24 ]. Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie von Oktober 2024 werden alle Ovarialkarzinome
und primären Peritonealkarzinome mit Nachweis eines STIC nun als Tubenkarzinome bezeichnet
[21 ].
Bezüglich des Risikos eines isolierten STIC in der Normalbevölkerung ohne erhöhtes
Risiko gibt es uneinheitliche Angaben. Eine Studie von 2018 berichtete über 8 STIC-Diagnosen
von 9392 Frauen mit benigner Diagnose (< 0,01%) nach Aufarbeitung der Salpingen mittels
SEE-FIM-Protokoll [25 ].
Zusammenfassend gesagt gibt es bis dato noch keine klaren Zahlen zur Inzidenz von
STIC. Seit 2021 sind STIC in Deutschland meldepflichtig mit dem ICD-10-GM Code 2024
„D07.3“, welcher bedeutet: „Carcinoma in situ sonstiger und nicht näher bezeichneter
weiblicher Genitalorgane“ (ICD-10-GM Version 2024, herausgegeben vom Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte). Seit 2016 wird bei einer Krebsdiagnose auch
der zugehörige Pathologiebericht an das Krebsregister Rheinland-Pfalz (RLP) übermittelt.
Somit besteht die Möglichkeit, erstmalig in Deutschland die Inzidenz von STIC valide
zu ermitteln. In RLP leben aktuell 4,17 Millionen Menschen (Stichtag 31.12.2023) [26 ]. Es befindet sich an 6. Stelle der deutschen Bundesländer nach Einwohnerzahl und
ermöglicht eine realistische Inzidenzschätzung für Deutschland. Im Rahmen des Aufbaus
des nationalen STIC-Registers durch die Universitätsmedizin Mainz und das Institut
für digitale Gesundheitsdaten RLP (IDG RLP) in Mainz mit dem Geschäftsbereich Krebsregister
Rheinland-Pfalz erfolgte die Erfassung der Häufigkeiten und Patientencharakteristika
von allen registrierten STIC in RLP.
Methoden
Screening der Pathologieberichte
Alle Pathologieberichte des rheinland-pfälzischen Krebsregisters wurden im Zeitraum
von 01/2016–12/2023 systematisch auf Schlagwörter rund um das Thema STIC durchsucht.
Die Schlagwörter wurden in Zusammenarbeit mit dem IDG RLP entwickelt und sind im Anhang
1 aufgelistet.
Die Pathologieberichte zu den identifizierten Fällen wurden im April 2024 unter Einhaltung
aller datenschutzrechtlichen Vorgaben vor Ort im IDG RLP von V.L. gescreent und ausgewertet.
In den Pathologieberichten konnten aus der klinischen Fragestellung die folgenden
klinisch relevanten Daten extrahiert werden: Indikationsstellung der Operation, genetische
Vorbelastung, ggf. andere mitaufgeführte Krebserkrankungen (insbesondere Mammakarzinome).
Follow-up
Nach Identifizierung der relevanten Pathologieberichte erfolgte durch das IDG RLP
die Ermittlung von weiteren Meldungen zur zugehörigen Patientenidentifikationsnummer,
um auf mögliche weitere Krebsvorerkrankungen rückschließen zu können. Dies wurde ebenfalls
für alle Krebserkrankungen nach Eingang der isolierten STIC-Diagnose durchgeführt,
um mögliche HGSC zu identifizieren.
Des Weiteren lagen Daten zum Vitalstatus der Personen basierend auf Meldungen der
Einwohnermeldeämter bis 01/2024 vor.
Auswertung
Die deskriptive Auswertung wurde mit SPSS Version 27 (SPSS, Chicago, IL, USA) durchgeführt.
Daten zu weniger als 3 Patientinnen wurden aufgrund des Datenschutzes nicht weiter
aufgeschlüsselt, um keine Identifizierung zu ermöglichen.
Ergebnisse
Isolierte STIC
382 Pathologieberichte wurden als relevant identifiziert und gescreent. In den Jahren
2020–2022 wurden in RLP 7 Patientinnen mit einem isolierten STIC gemeldet bei insgesamt
50897 eingegangenen Tumormeldungen der Frau in diesem Zeitraum (entsprechend 0,014%).
Von allen Tumormeldungen 2020–2022 in RLP wurden 525 Frauen mit einem HGSC des Ovars,
der Tube und des Peritoneums registriert (2020: n = 165; 2021: n = 189; 2022: n = 171).
Im Vergleich dazu wurden 2023 129 Frauen mit HGSC erfasst.
Sechs Patientinnen erhielten die Diagnose eines isolierten STIC im Rahmen einer RRSO
bei erblicher Belastung für familiären Brust- und Eierstockkrebs. Wenige weitere isolierte
STIC wurde im Rahmen von laparoskopischen, suprazervikalen Hysterektomien diagnostiziert.
Die Kodierung von STIC gemäß ICD-10-GM Code 2024 war insgesamt uneinheitlich. Ein
isoliertes STIC wurde bereits als frühes, invasives HGSC des Ovars geführt. Tumormeldungen,
die ursprünglich mit einem anderen ICD-Code oder zunächst nicht kodiert worden waren,
wurden vom Landeskrebsregister entsprechend bearbeitet.
Charakteristika der isolierten STIC
Das mittlere Alter bei der STIC-Diagnose betrug 60,29 (Standardabweichung (SD): ±
7,09) Lebensjahre. Bei 86% (n = 6) der Patientinnen wurde eine positive Familienanamnese
für familiären Brust- und Eierstockkrebs angegeben. Bei 4 Patientinnen lag eine BRCA1 -Mutation vor. Vier Patientinnen waren vor der RRSO bereits an einem Mammakarzinom
erkrankt, weniger als 3 Patientinnen hatte ein DCIS in der Vorgeschichte. Die durchschnittliche
Zeit der Erstdiagnose des Mammakarzinoms/DICS bis zur RRSO betrug 9,38 (SD: ± 6,75)
Jahre. Das mittlere Alter bei der Meldung des Mammakarzinoms/DCIS bei den 5 betroffenen
Patientinnen betrug 50,4 (± 10,71) Jahre. Die Follow-up-Zeit zwischen der STIC-Diagnose
bis zur Erfassung des Vitalitätsstatus (lebend/tot) war 2,45 (SD: ± 0,97) Jahre. Bei
keiner Patientin mit isolierter STIC-Diagnose wurde in diesem Zeitraum ein HGSC gemeldet.
Eine Übersicht zu den Charakteristika der isolierten STIC wird in [Tab. 1 ] aufgeführt.
Tab. 1
Charakteristika der Patientinnen mit isoliertem STIC im Zeitraum von 2016 bis 2023
in RLP.
Charakteristika
STIC-Patientinnen (n = 7)
DCIS = duktales Carcinoma in situ; ED = Erstdiagnose; RLP = Rheinland-Pfalz; RRSO
= risikoreduzierende Salpingo-Oophorektomie; SD = Standardabweichung; STIC = serös
tubares intraepitheliales Karzinom
mittleres Alter bei STIC-Diagnose (Jahre ± SD)
60,29 (± 7,09) Jahre
positive Familienanamnese
6/7
vorangegangene Krebserkrankungen
5/7
durchschnittliches Alter bei ED Mammakarzinom/DCIS
50,4 (± 10,71) Jahre
durchschnittliche Zeit ED Mammakarzinom/DCIS bis RRSO (Befunddatum) (Jahre ± SD)
9,38 (± 6,75) Jahre
Follow-up-Zeit (Diagnose STIC bis letzter Vitalstatus 01/2024)
2,45 (± 0,97) Jahre
Inzidenz pelvines High-grade seröses Karzinom nach STIC-Diagnose
0
Auswertung der synchronen STIC
43 synchrone STIC wurden im Zeitraum von 01/2016 bis 12/2023 registriert. Von den
synchronen STIC waren 27 (62,8%) bei Patientinnen mit Ovarialkarzinomen zu finden,
5 (11,6%) bei Tubenkarzinomen, jeweils 3 (7%) bei Endometriumkarzinomen und bei Peritonealkarzinosen,
jeweils weniger als 3 bei Low-grade serösen Ovarialkarzinomen (LGSOC), Borderlinetumoren
des Ovars, bei primären Peritonealkarzinomen und Urothelkarzinomen. Eine Zusammenfassung
der synchronen STIC stellt [Tab. 2 ] dar. Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie von Oktober 2024 werden alle Ovarialkarzinome
und primären Peritonealkarzinome mit Nachweis eines STIC nun als Tubenkarzinome bezeichnet
[21 ].
Tab. 2
Übersicht der synchronen STIC im Zeitraum von 2016 bis 2023 in RLP.
Anzahl synchroner STIC
n = 43
Anmerkungen: Daten zu weniger als 3 Patientinnen wurden aufgrund des Datenschutzes
nicht weiter aufgeschlüsselt, um keine Identifizierung zu ermöglichen.
HGSOC = High-grade seröses Ovarialkarzinom; LGSOC = Low-grade seröses Ovarialkarzinom;
RLP = Rheinland-Pfalz; STIC = serös tubares intraepitheliales Karzinom
1 : Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren“,
Version 6.0, Oktober 2024, werden alle initial als Ovarialkarzinome oder primären
Peritonealkarzinome bezeichneten Tumoren, die ein STIC aufweisen, nun als Tubenkarzinome
klassifiziert.
3
3
4
6
10
4
10
3
HGSOC1
27
Tubenkarzinom
5
Endometriumkarzinom
3
Peritonealkarzinose
3
LGSOC
< 3
Borderlinetumor des Ovars
< 3
primäres Peritonealkarzinom1
< 3
Urothelkarzinom
< 3
Diskussion
In den Jahren 2020–2022 wurden 2–3 isolierte STIC-Diagnosen pro Jahr in RLP registriert
von zusammengefasst 50897 gemeldeten Tumoren bei Frauen in diesem Zeitraum. Die isolierte
STIC-Diagnose entsprach somit 0,014% aller Meldungen von Krebserkrankungen bei Frauen
2020–2022 in RLP. Auf ganz Deutschland bezogen mit aktuell 84,7 Millionen Einwohner*innen
(Stand: 30.06.2024) [27 ] kann man somit von ca. 40–60 isolierten STIC-Diagnosen pro Jahr in den Jahren 2020–2022
ausgehen. Als Einschränkung dieser Hochrechnung ist festzuhalten, dass in Gegenden
mit einer geringeren oder höheren Anzahl an RRSO/opportunistischen Salpingektomien
die Inzidenzschätzung anders ausfallen könnte.
2023 konnte kein isoliertes STIC in RLP identifiziert werden. Die Gründe hierfür sind
unklar. Eine mögliche Erklärung ist der Meldeverzug, obwohl in RLP eine gesetzliche
Meldepflicht von 4 Wochen nach Meldeanlass besteht. Zudem wurden 2023 ebenfalls vergleichsweise
weniger HGSC des Ovars, der Tube und des Peritoneums bei Frauen in RLP erfasst als
in den vorangegangenen Jahren.
Insgesamt ist von einer Zunahme der STIC-Diagnosen auszugehen, insbesondere auch in
der Niedrigrisikopopulation durch sogenannte opportunistische Salpingektomien. In
Deutschland stieg die Anzahl der opportunistischen Salpingektomien bei Hysterektomien
aus benignen Gründen von 4% bis 2011 auf 45% in 2020 [28 ]. Darüber hinaus konnte bereits eine populationsbasierte, retrospektive Kohortenstudie
aus British Columbia zeigen, die 25889 Patientinnen mit einer opportunistischen Salpingektomie
eingeschlossen hatte, dass die Gruppe mit den opportunistischen Salpingektomien eine
signifikant geringere Rate an ovariellen und tubaren HGSC aufwies als die Kontrollgruppe
(n = 32080) [29 ]. Die opportunistische Salpingektomie gilt als sicher durchführbar bei gynäkologischen
Routineeingriffen, z. B. bei laparoskopischen und vaginalen Hysterektomien [30 ]
[31 ].
Gemäß der aktuellen S3-Leitlinie „soll bei opportunistischer Salpingektomie mindestens
der Fimbrientrichter komplett untersucht werden. Die Tube kann in mehreren repräsentativen
Schnitten abgebildet werden“ [21 ]. Aufgrund der nun empfohlenen, genaueren histopathologischen Aufarbeitung der Tube
und der Fimbrie ist von einer Zunahme der STIC-Diagnose als Zufallsbefunde auszugehen.
Es existiert weiterhin kein effektives Screening zur Prävention von ovariellen und
tubaren HGSC bei nicht-BRCA -mutierten Patientinnen. In unserer Datenerfassung waren alle Patientinnen mit einer
genetischen Disposition für Brust- und Eierstockkrebs BRCA1 mutiert. Generell dominiert die Entwicklung eines HGSC nach STIC bei Patientinnen
mit BRCA1 -Mutation im Vergleich zur BRCA2 -Mutation [16 ]
[32 ]. Der Follow-up-Zeitraum war mit 2,45 Jahren kurz und auch die Fallzahl niedrig,
sodass in RLP bis heute kein HGSC bei den Patientinnen mit isoliertem STIC dokumentiert
wurde. Eine intensivierte Überwachung nach einer isolierten STIC-Diagnose wird für
mindestens 7 Jahre empfohlen [33 ] und entspricht der Literatur, welche das Auftreten von HGSC nach isoliertem STIC
von 28 bis 118 Monaten beschreibt [16 ]. Wie genau diese onkologische Nachsorge aussehen soll, ist nicht beschrieben.
Das mittlere Alter von 60 Jahren bei STIC-Diagnose und somit auch bei RRSO war hoch
[34 ]. Das empfohlene Alter für die RRSO bei BRCA1 -mutierten Patientinnen liegt bei 35–40 Lebensjahren, bei BRCA2 bei 40–45 Lebensjahren gemäß der aktuellen nationalen Leitlinie und internationalen
Empfehlungen [21 ]
[35 ]
[36 ]. Hier gilt es anzumerken, dass der Zeitpunkt der RRSO ebenso von der Familienplanung,
als auch vom Erkrankungsalter der Familienangehörigen abhängig ist. Die mittlere Zeit
von der Erstdiagnose des Mammakarzinoms/DCIS bis RRSO lag bei 9,38 Jahren bei den
5 Patientinnen mit vorherigem Mammakarzinom/DCIS. Das mittlere Alter bei der Meldung
der Mammakarzinom/DCIS-Diagnose lag bei 50,4 Jahren. Vermutlich fand daraufhin erst
eine genetische Beratung und Testung bezüglich eines erhöhten Risikos für familiären
Brust- und Eierstockkrebs statt. Mögliche weitere Gründe für die späte Durchführung
der RRSO könnten das Herauszögern vorzeitiger postmenopausaler Beschwerden mit z. B.
konsekutiv reduzierter Lebensqualität und höherem kardiovaskulären Risiko sein [37 ]. Deshalb laufen aktuell 3 prospektive Studien, welche die onkologische Sicherheit
und/oder die Lebensqualität bei primärer prophylaktischer bilateraler Salpingektomie
und verzögerter bilateraler Oophorektomie bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko untersuchen
[37 ]
[38 ]. Hier ist beispielsweise die TUBA-WISP II-Studie als internationale Kollaboration
zwischen der niederländischen TUBA-Studiengruppe und der US-amerikanischen WISP-Studiengruppe
mit Einschluss von 1500 BRCA1- und 1500 BRCA2 -mutierten Patientinnen zu nennen. Die ersten Daten der TUBA-WISP II-Studie werden
nach Rekrutierungsende 2026 und 10-jährigem Follow-up im Jahr 2036 erwartet [39 ].
Stärken und Limitationen
Die Auswertung präsentiert zum ersten Mal valide Zahlen zur Inzidenzschätzung von
STIC in Deutschland. Positiv hervorzuheben ist die mittlere Einwohnerzahl von Rheinland-Pfalz
mit 4,17 Millionen Einwohnern (Stand 31.12.2023) [26 ]. Jedoch beruht der größte Teil der Auswertung lediglich auf den Pathologieberichten.
Es war oft nicht möglich herauszulesen, ob das SEE-FIM-Protokoll angewendet wurde.
Es ist davon auszugehen, dass STIC unterdiagnostiziert wurden, da vermutlich nicht
immer die korrekte und vollständige Aufarbeitung der Tuben und insbesondere des Fimbrientrichters
erfolgte. In vielen Anforderungen an die Pathologie wurde lediglich eine familiäre
Risikokonstellation für Brust- und Eierstockkrebs angegeben und nicht explizit das
SEE-FIM Protokoll verlangt bzw. die Frage nach einem STIC gestellt. Zudem ist es möglich,
dass STIC nicht regelrecht in den Pathologiebefunden eingetragen wurden.
Wichtige Patienteninformationen könnten ebenso fehlen, z. B. Informationen zu anderen
Vorerkrankungen oder zur Begründung des späten Zeitpunktes der RRSO. In Einzelfällen
könnte es möglich sein, dass nach Standortwechsel einer Patientin eine weitere Krebsdiagnose
in einem anderen Landeskrebsregister eingegangen ist. Eine weitere Limitation ist
die kurze Follow-up-Zeit von 2,45 Jahren.
Ausblick: Erweiterung der Abfrage auf alle Landeskrebsregister
Ausblick: Erweiterung der Abfrage auf alle Landeskrebsregister
Bezüglich der uneinheitlichen Codierung könnte man überlegen, ob isolierte und synchrone
STIC zur Vereinheitlichung als eigene ICD-10-GM Codes aufgenommen werden sollten.
Zukünftig soll die Suche auf die weiteren Landeskrebsregister ausgeweitet werden,
um valide Daten zur Inzidenz von STIC in Deutschland zu erheben. Des Weiteren gibt
es am Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) am Robert Koch-Institut in Berlin die
Möglichkeit, bundesweite Daten auf Basis der Datenlieferungen der Landeskrebsregister
zu beantragen. Am 31.08.2021 trat das Gesetz zur Zusammenführung von Krebsregisterdaten
in Kraft. Damit werden die Nutzungsmöglichkeiten der bundesweit verlaufsbegleitend
erfassten klinischen Daten von Patient*innen weiter verbessert [40 ].
Nationales STIC/STIL-Register
Nationales STIC/STIL-Register
Aufgrund der limitierten Studienlage, der heterogenen Behandlungsstrategien und des
hohen Risikos, ein HGSC zu entwickeln, soll ein nationales, retrospektives/prospektives
STIC-Register helfen und alle Daten zu STIC und auch STIL bezüglich der Diagnostik,
Therapie, Nachsorge und Patientencharakteristika erfassen.
Diese Datensammlung soll in der Zukunft als Grundlage für evidenzbasierte diagnostische
und therapeutische Empfehlungen dienen, um somit die Versorgung und Sekundärprophylaxe
der Patientinnen mit isoliertem STIC (STIL) zu verbessern. Das nationale STIC-Register
hat im Oktober 2024 mit der Datenerhebung begonnen. Weitere Informationen und Details
zur Teilnahme finden Sie unter folgendem QR-Code (s. [Abb. 1 ]) oder unter https://stic-register.de
Abb. 1
QR-Code STIC-Register.
Zusammenfassung
Zum ersten Mal in Deutschland wurde die Inzidenz von isolierten STIC anhand einer
Analyse der Daten eines Krebsregisters untersucht. Insgesamt konnten in RLP im Zeitraum
von 2016 bis 2023 7 Patientinnen mit einem isolierten STIC registriert werden. Zuletzt
wurden in den Jahren 2020–2022 in RLP 2–3 isolierte STIC-Diagnosen pro Jahr gemeldet.
Dies entsprach 0,014% aller Meldungen von Krebserkrankungen bei Frauen in diesem Zeitraum
in RLP. Schätzungsweise kann somit in Deutschland jährlich von 40–60 Erstdiagnosen
isolierter STIC ausgegangen werden. Die Patientinnen mit isoliertem STIC in RLP sind
bis dato noch ohne Rezidiv eines HGSC, am ehesten durch die kurze Follow-up-Zeit bedingt.
Das durchschnittliche Lebensalter bei der STIC-Diagnose lag mit 60 Lebensjahren im
oberen Bereich. Die RRSO wurde durchschnittlich 9,38 Jahre nach der Mammakarzinom-/DCIS-Diagnose
bei betroffenen Patientinnen durchgeführt. Zukünftig soll die Suche auf die weiteren
Landeskrebsregister ausgeweitet werden, um valide Daten zur Inzidenz von STIC in Deutschland
zu erhalten, unter anderem auch als grundlegende Information für das nationale STIC-Register.
Ethik
Die Analyse wurde in Übereinstimmung mit den „Ethischen Grundsätzen für die medizinische
Forschung am Menschen“ der aktuellen Version der Deklaration von Helsinki durchgeführt.
Die für diese Analyse erhobenen Daten beruhen auf der Auswertung des Krebsregisters
Rheinland-Pfalz im Institut für digitale Gesundheitsdaten RLP. Die Auswertung ist
nach Landeskrebsregistergesetz Rheinland-Pfalz in § 3 Absatz 2 abgebildet („Bereitstellung
von Daten für die wissenschaftliche Forschung“). Ein Datennutzungsantrag wurde vor
Beginn der Analyse beim Krebsregister RLP gestellt und genehmigt.
Ein spezifisches Ethikvotum war für diese Studie nicht verpflichtend. Eine schriftliche
Einverständniserklärung der Teilnehmer*innen war nicht erforderlich, da die Patientinnen
nicht identifizierbar sind.
Studienfinanzierung
Diese Analyse wurde von keinem Sponsor oder Geldgeber unterstützt.
Verfügbarkeit von Daten und Materialien
Verfügbarkeit von Daten und Materialien
Alle während dieser Auswertung generierten oder analysierten Daten sind in diesem
Artikel enthalten. Weitere Anfragen können an die entsprechende Autorin bzw. an das
Krebsregister Rheinland-Pfalz im Institut für digitale Gesundheitsdaten RLP gerichtet
werden.
Supplementary Material
Entwickelte STIC-Suchbegriffe für die interne Abfrage im Landeskrebsregister RLP.