Einleitung
Die Coronavirus Disease 2019 (COVID-19) stellt auch gegenwärtig ein bedeutsames Erkrankungsbild
für die globale Gesundheitspolitik dar [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]. Die Symptomatik der Infektion ist in ihrer Ausprägung sehr heterogen und reicht
von asymptomatischen Verläufen bis hin zu schwersten Verläufen mit Intensivpflichtigkeit
und letalem Ausgang. Die Ausprägung der Symptomatik ist dabei von den verschiedenen
Wellen der Pandemie sowie dem Subtyp abhängig [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]. In der Frühphase der Pandemie konnten bereits relevante prognostische Faktoren
für die Erkrankung identifiziert werden. Dabei zeigte sich, dass Personen über 60
Jahren einem zweifach höheren Risiko ausgesetzt sind, an der Erkrankung zu erkranken
(Hazard Ratio: 2,6). Zudem wurde ein um 40% höheres Risiko für Männer im Vergleich
zu Frauen festgestellt (Hazard Ratio: 1,4) [5 ]
[6 ]. Als weitere Risikofaktoren sind Komorbiditäten zu nennen, insbesondere kardiovaskuläre
Erkrankungen, wobei hier die chronische Herzinsuffizienz und die periphere arterielle
Verschlusskrankheit von besonderer Relevanz sind [6 ]
[7 ].
Die Diagnose von Koronarverkalkungen kann mittels Computertomografie (CT) mit hoher
Sicherheit gestellt werden. Zudem ist eine Quantifizierung derselben mit verschiedenen
Scores möglich [8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. Als anerkannter Score kann der Agatston-Score herangezogen werden, wobei eine kardiale
CT-Technik erforderlich ist. Eine Vielzahl hochwertiger Studien konnte nachweisen,
dass Koronarverkalkungen insbesondere bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit eine
signifikante prognostische Relevanz aufweisen.
In diesem Kontext ist insbesondere die Kohortenstudie der Framingham Heart Study zu
nennen, welche eine signifikante Korrelation zwischen dem Agatston-Score des CT und
kardiovaskulären Ereignissen bei asymptomatischen Probanden aufzeigt [13 ]. In ersten systematischen Arbeiten wurde jedoch bereits der prognostische Nutzen
des CAC-Scores bei Patienten mit akuten Erkrankungsbildern nachgewiesen [14 ]
[15 ]
[16 ]. Eine retrospektive Studie konnte zudem die prognostische Relevanz bei der Erkrankung
durch das Coronavirus (2019-NCoV, SARS-ähnlich) nachweisen. Es muss jedoch betont
werden, dass große multizentrische Studien zu diesem Thema noch ausstehen. Die fortschreitende
Entwicklung der Technik erlaubt zudem die Anwendung nicht kardialer CT-Untersuchungen
zur Quantifizierung koronarer Verkalkungen [11 ]. In diesem Kontext wurde der Weston-Score als klinisch einfach anzuwendender Score
untersucht, der eine semiquantitative Auswertung liefert und eine hohe Korrelation
mit dem Agatston-Score aufweist [11 ].
Das Ziel unserer Arbeit bestand daher darin, den prognostischen Nutzen der Koronarverkalkungen,
quantifiziert mit dem Weston Score aus dem CT, bei Patienten mit COVID-19 basierend
auf einem großen multizentrischen Datensatz aus einer deutschlandweiten radiologischen
Forschungsinfrastruktur aufzuzeigen.
Material und Methoden
Diese retrospektive multizentrische Studie wurde nach positiver Begutachtung durch
die Ethikkommission durchgeführt. Die vorliegende Analyse stellt einen wichtigen Beitrag
zu einer deutschlandweiten radiologischen Forschungsinfrastruktur dar. Alle Teilnehmer
dieser Forschungsinfrastruktur wurden zur Teilnahme am Subprojekt eingeladen. Im Rahmen
der vorliegenden Analyse wurden Daten von 11 Universitätskliniken berücksichtigt.
Die Einschlusskriterien umfassten eine Diagnosebestätigung der Erkrankung durch das
Coronavirus (SARS-COV-2) mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR), eine computertomografische
(CT) Untersuchung des Brustkorbs vor Beginn der Therapie, sowie ausreichende klinische
Daten, welche die 30-Tages-Mortalität angeben.
Die Ausschlusskriterien umfassten Artefakte in den CT-Bildern auf Höhe des Herzens,
welche eine ausreichende Beurteilung der koronaren Verkalkungen verhinderten, sowie
das Fehlen der Dokumentation des PCR-Ergebnisses und das Vorliegen von Malignomen.
Die Rekrutierung der Patientenkohorte erfolgte über einen Zeitraum von 2,3 Jahren.
In die Studie wurden insgesamt 541 Patienten (176 weiblich; 32,5%) eingeschlossen.
Das mittlere Alter der Patientinnen und Patienten betrug 61,2 Jahre ± 15,6 Jahre mit
einer Spannweite von 18–96 Jahren.
Bestimmung der koronaren Verkalkungen (Weston-Score)
Bestimmung der koronaren Verkalkungen (Weston-Score)
Die CT-Messungen wurden in den jeweiligen Studienzentren von Radiologen mit entsprechender
Expertise durchgeführt (Suppl. Tabelle 1 ).
Die Quantifizierung der koronaren Verkalkungen erfolgte semiquantitativ anhand des
validierten Weston-Scores. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erfolgt eine Unterteilung
der Koronarien in vier Gefäßabschnitte, nämlich den linken Hauptstamm, den Ramus interventricularis,
den Ramus circumflexus der linken Koronararterie sowie die rechte Koronararterie.
Die Quantifizierung der koronaren Verkalkungen erfolgt anhand einer 4-Punkte-Skala,
wobei eine 0 für das Fehlen von Verkalkungen und eine 3 für eine ausgeprägte Verkalkung
steht. Infolgedessen kann der Score einen Wert zwischen 0 und 12 Punkten annehmen.
Eine detaillierte Darlegung des Scores findet sich in der Originalpublikation von
Kirsch und Kollegen [11 ]. In dieser Publikation konnte ein hoher Inter-Reader-Agreement für den Score nachgewiesen
werden, zudem wies er eine starke Korrelation mit dem Agatston-Score nach. Die nachfolgende
[Abb. 1 ] zeigt zwei beispielhafte Fälle aus der Patientenkohorte.
Abb. 1 Patientenbeispiele aus der Kohorte mit keiner nachweisbaren Verkalkung (a ), Weston-Score 0 und (b ) mit ausgeprägten koronaren Verkalkungen der linken Koronararterie Weston-Score 7.
COVID-19-CT-Score
Die Ausdehnung der pulmonalen Beteiligung der COVID-19-Erkrankung wurde anhand eines
validierten Scores erhoben [17 ]: Jeder der fünf Lungenlappen wurde einzeln visuell ausgewertet hinsichtlich des
Ausmaßes der Milchglas- oder Konsolidierungsareale. Das Ausmaß pro Lappen wurde von
0–4 bewertet, je nachdem, ob keine, minimale (1–25%), geringe (26–50%), moderate (51–75%)
oder ausgedehnte entzündliche Veränderungen zu sehen waren.
Statistische Analyse
Die statistische Analyse wurde unter Verwendung des Programms SPSS Version 25 (IBM
SPSS Statistics for Windows) durchgeführt. Die aktuelle Version ist 225.0. Die Erstellung
der Abbildungen erfolgte unter Verwendung von GraphPad Prism 8 (GraphPad Software,
La Jolla, CA, USA). Die gesammelten Daten wurden zunächst einer deskriptiven Statistik
unterzogen und ausgewertet. Im Rahmen der Korrelationsanalyse wurde der Spearman-Korrelationskoeffizient
herangezogen. Die Gruppenvergleiche wurden unter Zuhilfenahme des Mann-Whitney-U-Tests
sowie des Fisher-Exakt-Tests durchgeführt. Im Rahmen der Analyse der Assoziationen
zwischen dem CAC-Score und der 30-Tage-Moralität wurden sowohl univariable als auch
multivariable Regressionsanalysen durchgeführt. Für alle Analysen wurde ein Signifikanzniveau
von p < 0,05 festgelegt.
Ergebnisse
Im Rahmen der 30-Tage-Untersuchungsperiode verstarben insgesamt 115 Patienten, was
einem Anteil von 21,2% entspricht. Der mittlere Weston-Score betrug 3,0 ± 3,6, wobei
eine Spannweite von 0 bis 12 beobachtet wurde. Insgesamt wiesen 128 Patienten (23,7%)
keine Verkalkungen auf (Weston-Score von 0), während bei 426 Patienten Verkalkungen
der Koronarien festgestellt wurden (76,3%). Die Patienten mit Verkalkungen waren im
Durchschnitt signifikant älter als die Patienten ohne Verkalkungen (51,8 ± 15,3 Jahre
gegenüber 68,0 ± 11,8 Jahre, p < 0,0001, [Abb. 2 ]). Des Weiteren konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter
und dem Weston-Score in der Korrelationsanalyse nachgewiesen werden (r = 0,55, p <
0,0001, [Abb. 3 ]). Die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse weisen darauf hin, dass Patienten mit letalem
Verlauf einen höheren Weston-Score aufweisen als überlebende Patienten (4,1 ± 4,01
gegenüber 2,7 ± 3,4, p = 0,0007, [Abb. 4 ]). Hinsichtlich des Vorhandenseins von Verkalkungen konnte jedoch kein Unterschied
festgestellt werden. Somit wiesen 67,8% der Patienten mit letalem Verlauf und 55,6%
der überlebenden Patienten Verkalkungen auf, was sich jedoch nicht statistisch signifikant
unterschied (p = 0,23) ([Tab. 1 ]).
Abb. 2 Vergleich der Patientengruppe mit nachweisbaren Verkalkungen (Weston-Score >0) und
ohne Verkalkungen in Bezug auf das Alter. Die Patienten mit sichtbaren Verkalkungen
waren statistisch signifikant älter (p<0,0001).
Abb. 3 Korrelationsanalyse zwischen dem Weston-Score und dem Alter der Patienten. Es zeigte
sich ein moderater Zusammenhang (r=0,55, p<0,0001).
Abb. 4 Vergleich der Patientengruppen mit einem letalen und nicht letalen Verlauf mittels
Box-Plot-Grafik. Der Weston-Score war bei Patienten mit einem letalen Verlauf statistisch
signifikant höher (p=0,0007).
Tab. 1 Koronare Verkalkungen stratifiziert nach letalem und nicht letalem Verlauf.
Letaler Verlauf (n=115)
Nicht letaler Verlauf (n=426)
p-Wert
Mittlerer Weston Score
4,1 ± 4,01
2,7 ± 3,4
0,0007
Vorhandensein von Verkalkungen
78 (67,8%)
237 (55,6%)
0,23
Der Weston-Score zeigte eine schwache positive Korrelation mit dem COVID-19-CT-Score
(r=0,34, p=0,0004, [Abb. 5 ]).
Abb. 5 Korrelationsanalyse zwischen dem Weston-Score und dem COVID-19-CT-Score. Es zeigte
sich ein schwacher Zusammenhang zwischen den beiden Parametern (r=0,34, p=0,0004).
Regressionsanalyse zur Prädiktion der Mortalität
Regressionsanalyse zur Prädiktion der Mortalität
Die univariable Regressionsanalyse zur Vorhersage der Mortalität ergab, dass das Vorhandensein
von Verkalkungen einen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Mortalität aufweist.
Dies wurde durch einen OR von 1,68 (95% CI 1,08–2,59, p = 0,01) bestätigt. In der
multivariablen Analyse konnte dieser Zusammenhang jedoch nicht statistisch signifikant
nachgewiesen werden (p = 0,49). Der Weston-Score als metrische Variable wies in der
univariablen Analyse ein OR von 1,10 (95%-KI 1,04–1,14, p < 0,001) und ein OR von
1,06 (95%-KI 1,005–1,138, p = 0,036) in der multivariablen Analyse auf. Eine übersichtliche
Darstellung der Ergebnisse findet sich in [Tab. 2 ].
Tab. 2 Uni- und multivariable Regressionsanalyse zur Vorhersage der 30-Tages-Mortalität.
Parameter
Univariable HR
95%CI
p-Wert
Multivariable HR
95%CI
p-Wert
Vorhandensein von Verkalkungen
1,68
1,08–2,59
0,01
1,18
0,72–1,95
0,49
Weston-Score als metrische Variable
1,106
1,04–1,16
<0,001
1,06
1,005–1,138
0,036
Weston-Score ≥ 2
1,37
0,89–2,09
0,17
Weston-Score ≥ 3
1,59
1,02–2,47
0,038
1,22
0,77–1,96
0,38
Alter
1,02
1,01–1,04
<0,001
1,01
1,001–1,034
0,04
Geschlecht (männlich)
0,84
0,54–1,32
CT-Score
1,24
1,11–1,37
<0,001
1,25
1,12–1,39
<0,001
Subgruppenanalysen, adjustiert für das Geschlecht, ergaben ähnliche Resultate für
die Diskriminations- und Regressionsanalysen. Die Ergebnisse sind in den [Tab. 3 ], [Tab. 4 ], [Tab. 5 ] und [Tab. 6 ] dargestellt.
Tab. 3 Koronare Verkalkungen stratifiziert nach letalem und nicht letalem Verlauf in der
Kohorte der weiblichen Patienten.
Letaler Verlauf (n=34)
Nicht letaler Verlauf (n=141)
p-Wert
Mittlerer Weston-Score
3,7 ± 4,0
2,0 ± 3,1
0,01
Vorhandensein von Verkalkungen
22 (64,7%)
65 (46,1%)
0,33
Tab. 4 Koronare Verkalkungen stratifiziert nach letalem und nicht letalem Verlauf in der
Kohorte der männlichen Patienten.
Letaler Verlauf (n=81)
Nicht letaler Verlauf (n=369)
p-Wert
Mittlerer Weston-Score
4,2 ± 4,0
3,0 ± 3,5
0,01
Vorhandensein von Verkalkungen
56 (69,1%)
173 (46,9%)
0,054
Tab. 5 Uni- und multivariable Regressionsanalyse zur Vorhersage der 30-Tages Mortalität in
der Subgruppe der weiblichen Patienten.
Parameter
Univariable HR
95%CI
p-Wert
Multivariable HR
95%CI
p-Wert
Vorhandensein von Verkalkungen
2,14
0,98–4,66
0,055
Weston-Score als metrische Variable
1,13
1,03–1,25
0,01
1,07
0,96–1,20
0,18
Weston-Score ≥ 2
2,53
1,10–5,77
0,027
1,78
0,74–4,26
0,19
Weston-Score ≥ 3
3,15
1,44–6,98
0,004
2,17
0,92–5,12
0,075
Alter
1,03
1,01–1,06
0,005
1,02
1,0–1,056
0,052
Tab. 6 Uni- und multivariable Regressionsanalyse zur Vorhersage der 30-Tages-Mortalität in
der Subgruppe der männlichen Patienten.
Parameter
Univariable HR
95%CI
p-Wert
Multivariable HR
95%CI
p-Wert
Vorhandensein von Verkalkungen
1,47
0,86–2,49
0,15
Weston-Score als metrische Variable
1,09
1,02–1,16
0,008
1,06
0,98–1,15
0,10
Weston-Score ≥ 2
1,17
0,70–1,94
0,54
Weston-Score ≥ 3
1,31
0,78–2,20
0,30
Alter
1,02
1,003–1,039
0,023
1,01
0,99–1,03
0,29
Diskussion
Die korrekte und frühzeitige Risikostratifizierung spielt bei der Behandlung von Patienten
mit Coronavirus-Infektionen (COVID-19) eine entscheidende Rolle [18 ]. In diesem Kontext wurden bereits verschiedene anamnestische und klinische Parameter
für die Risiko- und Prognosebestimmung eines letalen Ausganges bei Patienten mit COVID-19
evaluiert [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ].
In den ersten Monaten der Pandemie konnte bereits eine systematische Analyse durchgeführt
werden, welche aufzeigte, dass insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere
die koronare Herzerkrankung, ein wichtiger Risikofaktor sind [19 ]. Es war daher das Ziel, die Assoziation der kardiovaskulären Grunderkrankungen und
der Mortalität bei COVID-19 detaillierter zu untersuchen. Hierbei war bildgebend auch
von großem wissenschaftlichem Interesse, die Koronarverkalkungen aus den CT-Datensätzen
zu extrahieren, da bei einer Vielzahl von Erkrankungen eine klare Assoziation zwischen
dem Ausmaß der Koronarverkalkungen und relevanten klinischen Outcomes aufgezeigt werden
konnte und somit auch bei COVID-19 eine prognostische Relevanz nahe lag [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ].
Die vorliegende Studie demonstriert die prognostische Relevanz von Koronarverkalkungen,
welche mittels CT-Scan bei Patienten mit einer Diagnose von COVID-19 festgestellt
werden können. Diese Erkenntnis ist konsistent mit den Resultaten vorheriger Studien.
Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse hat bereits aufgezeigt, dass
Koronarverkalkungen im CT bei Patienten mit einer Diagnose von COVID-19 ein signifikanter
prognostischer Marker sind [20 ].
Im Rahmen dieser Analyse wurden fünf Studien mit insgesamt 3500 Patientinnen und Patienten
eingeschlossen. Das gepoolte Odds Ratio betrug 2,68 (95%-Konfidenzintervall: 1,78–4,04).
Allerdings basieren die in die Auswertung einbezogenen Studien lediglich auf Daten
von Patienten, die sich in der ersten Welle der Pandemie befanden, was die Vergleichbarkeit
der Ergebnisse zum aktuellen Stand der Erkrankung deutlich einschränkt [20 ]. Die Einführung der Impfung hatte insbesondere einen großen Einfluss auf die Schwere
der Verläufe, was die Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Studien und der
aktuellen Lage einschränkt [21 ]. Eine weitere Meta-Analyse, basierend auf elf Studien mit insgesamt 2875 Patienten,
demonstrierte einen statistisch signifikanten Einfluss koronarer Verkalkungen auf
die Krankenhaus-Mortalität mit einem OR von 2,19 (95% CI: 1,36–3,52) [22 ]. Allerdings erfolgte in der Studie lediglich eine Stratifizierung der Patient:innen
mit und ohne sichtbare Verkalkungen. In Subgruppenanalysen konnte darüber hinaus ein
quantitativer Einfluss der Verkalkungen nachgewiesen werden. Patienten mit einem Agatston-Score
von über 400 wiesen demnach eine höhere Mortalität auf, was durch einen OR von 2,49
(95% CI 1,15–5,41) belegt wurde [22 ]. Hervorzuheben ist außerdem, dass keine der vorliegenden Studien den prognostischen
Effekt von Koronarverkalkungen auf Basis eines repräsentativen Patientenkollektivs
untersucht [14 ]
[15 ]
[16 ]
[20 ]
[22 ]
[23 ]
[24 ].
Die Koronarverkalkungen können als ein Ausmaß des allgemeinen kardiovaskulären Status
des Patienten gesehen werden. Außerdem sollten sie auch als bildgebender Marker für
das Ausmaß einer vorhandenen kardialen Komorbidität betrachtet werden. Eine genaue
systematische Trennung darüber, inwiefern die Koronarverkalkungen darüber hinaus noch
als ein eigenständiger, unabhängiger prognostischer Faktor bei COVD-19 zu werten sind,
benötigt weitere wissenschaftliche Anstrengungen und Analysen.
Ein hervorzuhebendes Ergebnis ist, dass das Ausmaß der Verkalkungen von größerer prognostischer
Relevanz ist als das reine Vorhandensein von Verkalkungen. Dies impliziert für die
klinische Befundung, dass nicht nur das reine Berichten der Koronarverkalkungen durch
den Radiologen erfolgen sollte, sondern auch eine gewisse Graduierung der Verkalkungen
vonnöten ist. Zudem erschwert dies die klinische Interpretation der Koronarverkalkungen,
da das reine Vorhandensein einfacher zu detektieren ist.
Einschränkend muss jedoch auf Basis der vorliegenden Ergebnisse angemerkt werden,
dass das Alter der Patienten ein wichtiger statistischer Confounder zu sein scheint.
Dies wird durch die multivariate Analyse verdeutlicht, in der die statistische Signifikanz
der Koronarverkalkungen in der vorliegenden Patientenpopulation nicht mehr erreicht
wird.
Im Gegensatz zu dem in der vorliegenden Studie untersuchten nativen semiquantitativen
Verkalkungsgrad der Koronarien, stellt die EKG-getriggerte kontrastmittelverstärkte
CT mit Bestimmung des Agaston-Scores den Goldstandard für die Diagnostik der Koronarien
dar [12 ]
[25 ].
Der in der vorliegenden Studie verwendete Weston-Score stellt einen validierten Score
dar, der eine hohe Korrelation mit dem Agatston-Score aufweist (r=0,81, p<0,0001)
sowie eine hohe Interreader -Übereinstimmung (ICC von 0,93) [11 ].
Es ist jedoch zu beachten, dass unterschiedliche CT-Scanner und abweichende Untersuchungsprotokolle
die Bestimmung des Weston-Scores und das Ausmaß der Koronarverkalkungen beeinflussen
können. Es sollte jedoch diskutiert werden, dass der semiquantitative Weston-Score
eine höhere Reliabilität zeigen sollte als der quantitative Agatston-Score und weniger
Heterogenität der Verkalkungen durch die unterschiedliche CT-Technik hervorgerufen
wird.
Eine Einschränkung ist zu nennen, dass keine Informationen bezüglich einer bereits
bestehenden koronaren Herzerkrankung bei den Patientinnen und Patienten erhoben werden
konnten, die aus deren Anamnese gewonnen werden könnten. Insofern bleibt unklar, inwiefern
die aus dem CT erhobenen Verkalkungen einen deutlichen Mehrwert über die kardiovaskuläre
Anamnese der Patienten aufweisen. Zudem kann die vorliegende Untersuchung keine Aussagen
zur prognostischen Relevanz von nicht verkalkten koronaren Stenosen und Plaques treffen,
da diese in der vorliegenden Untersuchungstechnik nicht detektiert werden können.
Der prognostische Einfluss der Koronarverkalkungen ist auch bei weiteren akuten Erkrankungsbildern
gezeigt worden, wie der akuten Lungenarterienembolie, Traumapatienten und der Pneumonie
[26 ]
[27 ]
[28 ]
[29 ]. Die prognostische Relevanz der Koronarverkalkungen aus der aktuellen Analyse reiht
sich demzufolge auch hier sehr gut in die publizierte Datenlage ein.
Des Weiteren wiesen auch weitere bildgebende Parameter einen prognostischen Einfluss
hinsichtlich der Mortalität bei Patienten, die an der Corona-Krankheit leiden, auf
[30 ]
[31 ]
[32 ]. In diesem Kontext sind insbesondere die ebenfalls aus einer deutschlandweiten radiologischen
Forschungsinfrastruktur hervorgegangenen Faktoren der mediastinalen Lymphadenopathie,
das Vorhandensein eines Pleuraergusses sowie eines Perikardergusses zu nennen [30 ]
[31 ]
[32 ]. Die Ergebnisse dieser Studien legen nahe, dass die genannten Faktoren nicht allein
als bildgebende Befunde betrachtet werden sollten, sondern auch als prognostische
Parameter bei Patienten mit einer Diagnose von COVID-19 angesehen werden können.
Aufgrund unserer Ergebnisse lässt sich ableiten, dass eine Einbeziehung der Koronarverkalkungen
als bildgebender Parameter in die klinischen Risiko-Scores sowie eine weitergehende
prospektive Untersuchung zielführend erscheint.
Im Rahmen der Diskussion um die Limitationen dieser Studie sind verschiedene Aspekte
zu berücksichtigen. Die Studie basiert auf einer retrospektiven Analyse, wobei die
damit einhergehenden Einschränkungen zu berücksichtigen sind. Das multizentrische
Design mit Patientinnen und Patienten aus verschiedenen deutschen Zentren erlaubt
die Schlussfolgerung, dass das Patientenkollektiv als repräsentativ anzusehen ist.
Die Auswertung der Bilddaten erfolgte in den beteiligten Studienzentren, was zu einer
höheren externen Validität führt. Allerdings besteht hier auch das Risiko eines größeren
Interreader-Bias im Vergleich zu einer zentralen Auswertung. Die Auswertung des Koronarkalkes
mit dem Weston-Score stellt ein etabliertes Verfahren dar, dessen Aussagekraft jedoch
nicht mit der des Agatston-Scores vergleichbar ist [11 ]. Es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob dieser Wert eine noch stärkere
Korrelation mit der Mortalität aufgewiesen hätte.
Die Mortalität des untersuchten Patientenkollektivs ist vergleichsweise hoch, was
bei einem Vergleich der Ergebnisse mit Patientenkohorten mit geringerer Mortalität
zu berücksichtigen ist. Ein wichtiger limitierender Faktor der vorliegenden Studie
ist das Fehlen von wichtigen anamnestischen Faktoren, wie einer bestehenden kardiovaskulären
Grunderkrankung oder relevanten Ko-Morbiditäten. Diese sind insbesondere auch ein
relevanter Faktor für das Vorhandensein der Koronarverkalkungen, aber auch ein relevanter
Risikofaktor für eine erhöhte Mortalität bei COVID-19. Diese Limitation muss berücksichtigt
werden, da diese potenziellen Confounder einen Einfluss auf die Ergebnisse haben können.
Schlussfolgerung
Die koronaren Verkalkungen aus der nativen CT-Diagnostik sind nur in der univariaten
Analyse mit der 30-Tages-Mortalität der COVID-19-Patienten assoziiert. Der Grad der
Verkalkung ist ein wichtigerer prognostischer Marker als das bloße Vorhandensein von
Verkalkungen. Das Alter scheint der wichtigste Parameter zu sein, der die Mortalität
beeinflusst und sowohl mit dem Ausmaß der Koronarverkalkung als auch mit der Mortalität
assoziiert ist.