Einleitung
Bereits 1935 beschrieben Stein und Leventhal bei Frauen eine Verbindung von polyzystischen
Ovarien und Zyklusunregelmäßigkeiten [1]. Als polyzystisches Ovarsyndrom (PCOS) wurde der Symptomkomplex aus Zyklusunregelmäßigkeiten
und auffälliger Ovarmorphologie (polyzystische Ovarmorphologie, PCOM) im Verlauf der
folgenden Jahrzehnte um die Symptome der klinischen und laborchemischen Hyperandrogenämie
ergänzt [2]. Frauen mit PCOS haben ein erhöhtes Risiko, metabolische, psychische und kardiovaskuläre
Komorbiditäten zu entwickeln und zeigen häufiger Einschränkungen in ihrer Fertilität
[3]
[4].
Die Pathogenese des PCOS ist nur in Teilen geklärt. Bisherige Erkenntnisse werden
in einem multifaktoriellen Modell verbunden: Genetische Anlagen und Lebensstileinflüsse
(von fetaler Programmierung im Mutterleib bis zur Ernährung und Bewegung im Kindes-
und Erwachsenenalter) spielen eine Rolle. Es wird eine Störung der Gonadotropin-Ovar-Achse
mit tonischer LH-Sekretion aus der Hypophyse, Follikelarrest und Hyperandrogenämie
beobachtet [5]. Unklar ist, ob der Ursprung des PCOS neuroendokrinen oder ovariellen Ursprungs
ist.
Unabhängig vom Body-Mass-Index (BMI) der betroffenen Frauen gehört als metabolischer
Aspekt eine gesteigerte Insulinresistenz zum Phänotyp des PCOS [6]. Veränderungen der endokrinen Funktion des Fettgewebes mit verringerter Adiponektin-
und vermehrter Androgen-Sekretion tragen hierzu bei [7].
Im Erwachsenenalter sind je nach der verwendeten Klassifikation 8–13% aller Frauen
vom PCOS betroffen. Doch bereits bei 4–11% der Jugendlichen lassen sich Symptome des
PCOS beobachten [8]
[9]. Hierbei gibt es ethnische Einflüsse mit geringer Prävalenz in Mitteleuropa (4,3%)
im Vergleich zum Mittelmeerraum (6,1%) und zu Südostasien (11,4%) [8]. Dabei sind Jugendliche eine besondere Patientengruppe, die sich aufgrund ihrer
nicht abgeschlossenen Entwicklung von erwachsenen Frauen mit PCOS unterscheiden [10].
In den vergangenen Jahren haben internationale und nationale Konsensusgruppen versucht,
die Diagnostik und Therapieempfehlungen für Frauen mit PCOS zu harmonisieren. Eine
internationale Leitliniengruppe unter Einbeziehung von betroffenen Frauen formulierte
erstmals 2018 evidenzbasierte Diagnostik- und Therapieempfehlungen auf Basis einer
umfassenden Literaturrecherche. Diese wurden 2023 aktualisiert [11]. Eine deutsche S2k-Leitlinie, die in Zusammenarbeit von gynäkologischen, internistischen
und pädiatrischen Fachgesellschaften entstanden ist, befindet sich kurz vor der Veröffentlichung
[12]. Die neuen Leitlinien rücken die Besonderheiten der PCOS-Diagnose im Jugendalter
stärker in den Fokus und bewerten die Besonderheiten im Jugendalter, aber auch die
zum Teil weiterhin geringe Evidenz bei Diagnostik und Therapie.
Die vorliegende Übersichtsarbeit gibt aus der kinderendokrinologischen Sicht ein Update
zur klinischen Versorgung bei Adoleszenten mit Verdacht auf ein PCOS. Im Jugendalter
steht entsprechend den aktuellen Leitlinien die Prävention therapeutisch im Vordergrund.
Übersicht/Review
Diagnostik
Alle Symptome der klassischen PCOS-Trias können in der weiblichen Pubertät auch ohne
einen Krankheitswert auftreten. Insbesondere der polyzystische Aspekt der Ovarien
ist ein Normalbefund [13]
[14]
[15]
[16]. Die Abgrenzung von PCOS-Symptomen zu Normvarianten ist daher eine Herausforderung
und kann erst im klinischen Verlauf gelingen. In älteren Klassifikationen des PCOS
und in wissenschaftlichen Auswertungen vor 2018 wurde diese Besonderheit in den ersten
Jahren nach der Menarche nicht immer berücksichtigt, was zu einer heterogenen Datenlage
beiträgt.
Als Adoleszenz wird nach der aktuellen internationalen Leitlinie die Zeit von 8 Jahren
nach der Menarche bezeichnet. Die Diagnose eines PCOS wird in diesem Zeitraum als
Kombination aus Zyklusstörung und Hyperandrogenämie gestellt (siehe [Tab. 1]). Ist nur eines der beiden Kriterien erfüllt, kann man die Diagnose eines PCOS at risk stellen und sollte nach 3 und 8 Jahren nach der Menarche erneut evaluieren, ob die
diagnostischen Kriterien für adoleszente bzw. dann erwachsene Frauen erfüllt sind.
Tab. 1
Diagnostische Kriterien für die Diagnose eines PCOS bei Adoleszenten nach aktuellen
Leitlinien. Daten aus: [8]
[11]
[17]. Sind Kriterien 1 und 2 erfüllt, wird die Diagnose PCOS vergeben. Ist nur Kriterium
1 oder 2 erfüllt, wird die Diagnose PCOS at risk vergeben und 3 und 8 Jahre nach Menarche reevaluiert.
1. irreguläre Menses/Oligomenorrhö
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Zeit nach Menarche
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Definition „unregelmäßiger Menstruationszyklus“
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≤ 1 J.
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physiologisch
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1–3 J.
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Zykluslänge < 21 Tage oder > 45 Tage
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> 3 J.
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Zykluslänge < 21 oder > 35 Tage oder < 8 Zyklen pro Jahr
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> 1 J.
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sekundäre Amenorrhö > 90 Tage
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primäre Amenorrhö
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ab 15. Geburtstag oder > 3 Jahre nach Thelarche
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2. Hyperandrogenämie:
a) laborchemisch
b) klinisch: mittelschwerer bis schwerer Hirsutismus, schwere Akne
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3. Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen
|
Da das PCOS auch im Adoleszentenalter eine Ausschlussdiagnose ist, dient die Diagnostik
in erster Linie zur Abklärung möglicher Differenzialdiagnosen und im Weiteren dem
Feststellen von Komorbiditäten. Hier hat auch die Sonografie von Uterus und Ovarien
zum Ausschluss von strukturellen Anomalien oder einer Endometriumhyperplasie bei Zyklusunregelmäßigkeiten
ihren Platz. Die Feststellung einer PCOM in der Sonografie ist aber kein Bestandteil
der Diagnostik des PCOS bei Jugendlichen. [Tab. 2] gibt einen Überblick über eine strukturierte Anamnese, klinische Untersuchung und
Diagnostik, die zur Einordnung der Symptome und Diagnosestellung hilfreich sind.
Tab. 2
Strukturierte Anamnese, Untersuchung und Diagnostik bei der Fragestellung nach PCOS
in Adoleszenten nach den aktuellen Leitlinien. Daten aus: [8]
[11]
[17].
Anamnese
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-
Beschwerden: Wärme/Kälteintoleranz; Tachykardie/ Bradykardie (Hypo-/Hyperthyreose),
Striae rubrae, Müdigkeit, Muskelschwäche (Cushing-Syndrom)
-
Körperbehaarung: Pubarche, Beginn weiterer Körperbehaarung im Sinne eines Hirsutismus,
Dynamik (Rapid Onset, Differenzialdiagnose Tumor), lokale Haarentfernung: welche Methoden
werden angewandt, in welchem Intervall
-
Pubertätsverlauf (Thelarche, Menarche), Zyklusanamnese
-
Medikamente
-
Familienanamnese: Zyklusstörungen/assistierte Reproduktion bei weiblichen Familienmitgliedern?
Diabetes mellitus in der Familie
-
Rauchen
-
Alltagsaktivität/Sport
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Aspekte bei der klinischen Untersuchung
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Kommentar
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Blutdruck, Herzfrequenz, Größe (Perzentile), Gewicht (Perzentile), BMI (Perzentile)
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Übergewicht, Adipositas und extreme Adipositas sind mit einem BMI über der alters-
und geschlechtsspezifischen 90./97. und 99,5. Perzentile definiert [18]. Zur Berechnung kann der BMI-Rechner der AGA verwendet werden [19].
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Hirsutismus
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pigmentierte Terminalhaare (unbehandelt > 5 mm Länge) mit männlichem Verteilungsmuster,
modifizierter Ferriman-Gallway-Score, fehlende Cut-off-Werte in der Adoleszenz
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Akne
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Mehr als 10 faziale Läsionen (Komedonen in der frühen Pubertät und inflammatorische
Läsionen – Papeln und Pusteln – in den perimenarchalen Jahren) definieren eine mittelschwere
Akne. Das Vorhandensein von mehr als 2 Knoten über 1 cm oder Abszesse definiert eine
schwere Akne.
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Alopezie (Female Pattern Hair Loss)
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Ludwig/Olsen Visual Scale
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Acanthosis nigricans
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sonstige Auffälligkeiten
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Hinweise auf Galaktorrhö, Akromegalie, Hochwuchs, Wachstumsverlauf
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empfohlene Diagnostik
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Begründung
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Gesamttestosteron, freier Androgenindex (= FAI aus Gesamttestosteron und SHBG) und
ggf. Androstendion und Dehydroepiandrosteron-Sulfat (DHEAS)
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Hyperandrogenämie, Cave Normwerte abhängig von Alter/Pubertätsstatus
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Prolaktin
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z. A. (zum Ausschluss) Prolaktinom
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TSH, fT4
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z. A. Hyper-/Hypothyreose
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17α-Hydroxyprogesteron, ggf. ACTH-Test
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z. A. nicht-klassischer adrenaler Hyperplasie (NCCAH, ehem. Late onset-AGS)
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FSH, LH
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primäre Ovarialinsuffizienz/Hypothalamische Amenorrhö
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Cortisol, ggf. ACTH, Dexamethason-Kurztest (1 mg)
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bei klinischem Verdacht auf Cushing-Syndrom
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Abklärung androgensezernierender Tumoren
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bei ausgeprägtem Hirsutismus
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Sonografie Abdomen mit Darstellung von Uterus und Ovarien sowie Nebennieren
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z. A. struktureller Anomalien bei primärer Amenorrhö und androgenproduzierender Tumoren
der Nebenniere, des Ovars
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anamnestisch, ggf. β-HCG
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Schwangerschaft
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Nüchtern-Blutzucker, HbA1
c, HDL, LDL, Gesamt-Cholesterol, Triglyzeride
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assoziierte metabolische Komplikationen
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Auch wenn das erhöhte Anti-Müller-Hormon (AMH) als diagnostisches Kriterium eines
PCOS bei erwachsenen Frauen nach den neuen internationalen Leitlinien angewandt werden
kann, sollte es bei Jugendlichen aufgrund fehlender Cut-off-Werte ebenfalls nicht
zur Diagnosestellung eines PCOS herangezogen werden.
Ein Screening auf metabolische und psychische Komorbiditäten ist Bestandteil der erweiterten
PCOS-Diagnostik und der therapeutischen Begleitung im Jugendalter, da das Risiko für
Übergewicht, Adipositas, Störungen des Glukose- und Fettstoffwechsels sowie Fettlebererkrankung
(Metabolic Dysfunction-associated Steatotic Liver Disease, MASLD, ehemals Nonalcoholic
Steatohepatitis, NASH) und Hypertonie deutlich erhöht ist [20]
[21].
Multimodale Begleitung und Prävention
Patientenzentrierte Aufklärung
Ist die Diagnose eines PCOS oder PCOS at risk gestellt, sollten die Jugendlichen und ihre Betreuungspersonen über das Krankheitsbild
aufgeklärt werden. Eine evolutionäre Perspektive kann hilfreich sein und die Bereitschaft
für einen gesunden Lebensstil und Prävention schaffen. Das PCOS kann als eine genetische
Variante betrachtet werden, die optimal an Hungerzeiten angepasst ist. In Zeiten knapper
Nahrung könnten Insulinresistenz, Hyperandrogenämie und Fettreserven zu einer rascheren
Ovulation und dem Eintritt von Schwangerschaften und somit zu einem Fertilitätsvorteil
geführt haben [22]. In der bewegungsarmen und nahrungsdichten Umgebung unserer modernen Gesellschaft
entstehen jedoch bei einem PCOS-Phänotyp durch Übergewicht und Adipositas Nachteile
wie Hirsutismus, Diabetes und Fertilitätseinschränkungen. Passend zu dieser Hypothese
ist die Prävalenz des PCOS mit der zunehmenden Rate an Adipositas angestiegen [23]. Eine Anpassung des Lebensstils ist somit entscheidend, um den mit dem PCOS verbundenen
Risiken vorzubeugen.
Im Rahmen der Aufklärung sollte den Familien idealerweise Informationsmaterialien
zur Verfügung gestellt werden. Durch die deutsche PCOS Selbsthilfe Deutschland e. V.
wurden Online-Materialien entwickelt, die zuletzt 2014 aktualisiert wurden [24]. Von der internationalen Leitliniengruppe wurden ansprechende, aktuelle und auch
digitale Materialien auf englischer Sprache entwickelt [25]. Informationen mit einem besonderen Fokus auf Jugendliche und junge Frauen stehen
jedoch leider nicht zur Verfügung.
Adipositas und Stoffwechsel
Die Beratung zu einer gesunden Lebensweise im Jugendalter ist ein wesentliches Element
der Prävention. Hier kann eine frühe PCOS-Diagnose dazu beitragen, dass rechtzeitig
präventive Maßnahmen ergriffen werden können und damit langfristig Komorbiditäten
vorgebeugt werden kann [26]. Jugendliche sollten über ein erhöhtes metabolisches Risiko bei Frauen mit PCOS
aufgeklärt werden. Entscheidend ist die Beratung zur Ernährung (energiereduzierte,
ausgewogene Mischkost) und ausreichenden Alltagsbewegung (täglich 90 Minuten) als
Prävention von Übergewicht bei normalgewichtigen Jugendlichen [27]
[28].
Bei Adoleszenten mit Übergewicht (> 90. BMI-Perzentile) sowie Adipositas (> 97. BMI-Perzentile,
entspricht einem BMI von 30 kg/m2 bei erwachsenen Frauen) wird eine Lebensstilmodifikation angestrebt. Hier ist eine
strukturierte Lebensstilintervention mit multidisziplinärer Betreuung erforderlich.
Zertifizierte Behandlungseinrichtungen sind auf der Homepage der Arbeitsgemeinschaft
Adipositas im Kinder- und Jugendalter (AGA) zusammengestellt [29]. Eine erfolgreich umgesetzte Lebensstiländerung kann bereits zur Verbesserung des
klinischen und laborchemischen Bildes führen [30].
Ein Screening auf metabolische Komorbiditäten und Risikofaktoren ist Bestandteil der
initialen PCOS-Diagnostik und sollte in der medizinischen Begleitung fortgesetzt werden.
Dieses beinhaltet bei Adoleszenten mit PCOS das Monitoring von Blutdruck, Gewicht,
des Kohlenhydrat- sowie Lipidstoffwechsels und ein Screening auf MASLD [31]. Die Intervalle hängen dabei vom klinischen Bild ab. Hierbei sollte bedacht werden,
dass eine gewisse Insulinresistenz in der Pubertät physiologisch ist und sich im Verlauf
bessern kann. Deshalb sollten zur Bewertung von Surrogatmarkern der Insulinresistenz
altersangepasste Normalwerte verwendet werden [32].
Bei extremer Adipostas (> 99. BMI-Perzentile) sollte zudem das Screening auf ein obstruktives
Schlafapnoesyndrom (OSAS) erfolgen. Hierfür steht ein standardisierter Fragebogen
zur Verfügung (Kinderärztlicher Schlaffragebogen, Sleep-Disordered Breathing Subscale
Version 1.0 GERMAN, PSQ-SRBD-Subscale-DE: Wiater/Sagheri 2009). Bei Auffälligkeiten
sollte eine Schlaflaboruntersuchung erfolgen.
Bereits bestehende Hyperlipidämie, Glukosestoffwechselstörungen oder Hypertonie sollen
leitliniengerecht behandelt werden [33].
Psychische Gesundheit und Lebensqualität
Eine erhöhte Rate an Depression, Angststörungen und Essstörungen (wie Binge Eating
oder Bulimie) wird bei Jugendlichen und Frauen mit PCOS berichtet [34]. Diese können eine Veränderung des Lebensstils erschweren.
Daher werden in den aktuellen Leitlinien ein Screening bzw. eine erhöhte Aufmerksamkeit
auf psychischen Komorbiditäten und die Einleitung einer geeigneten Therapie bei Auffälligkeiten
empfohlen. Dabei macht die deutsche Leitlinie keine konkreten Vorschläge für geeignete
Screeninginstrumente. Hilfreich im klinischen Alltag können kurze Fragebogen wie der
SCOFF bezüglich Essstörungen und der PHQ9 für eine depressive Symptomatik sein [35]
[36].
Beschwerden wie Hirsutismus, Sorgen um Fertilität und Übergewicht/Adipositas können
die gesundheitsbezogene Lebensqualität verringern. Hier werden zunehmende krankheitsspezifische
Fragebogen entwickelt [37]. Bei Übergewicht kann ein veränderter Lebensstil mit Gewichtsabnahme zu einer verbesserten
Lebensqualität führen [38]. Dies unterstreicht den Stellenwert der Prävention bei der Begleitung von Jugendlichen
mit PCOS.
Symptome der Hyperandrogenämie (Hirsutismus, Akne)
Die Therapie der dermatologischen Erscheinungen der Hyperandrogenämie sind symptomorientiert.
Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung.
Als lokale Maßnahmen zur Reduktion des Hirsutismus sind vor allem Laser- und Photoepilation
sowie die chemische Epilation mit Eflornithin geeignet. Eine Kostenübernahme für Laserbehandlungen
durch die Krankenkassen erfolgt in der Regel nicht. Sofern der Hirsutismus zu einer
Depression oder sozialem Rückzug führt, kann mit einer psychologischen und ärztlichen
Stellungnahme im Einzelfall eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragt werden.
IPL-Verfahren (IPL: Intensed Pulse Light) sind im Vergleich zu Diodenlasern weniger
effektiv, wobei hier keine Daten zu IPL-Heimgeräten vorliegen [39]. Die Behandlung ist individuell. Weitere kosmetische Maßnahmen können Rasur, Färben
oder Wachsen sein.
Bei der Acne vulgaris steht die dermatologisch verordnete topische Therapie im Vordergrund
[40].
Eine Option zur medikamentösen Behandlung der Hyperandrogenämie ist der Einsatz kombinierter
orale Kontrazeptiva (KOK). Diese führen in wenigen Monaten zu einer Besserung der
klinischen Symptomatik bei Akne und zu einer zusätzlichen Reduktion des Hirsutismus
bei Kombination mit Laser- und Photoepilation [39]
[41]. Eine Wirkung auf den Hirsutismus ist allerdings erst nach einer Therapiedauer von
mindestens 6 Monaten zu erwarten und variiert je nach Ausmaß der Beschwerden.
Die Therapie ist für die PCOS-Indikation Off Label. Die KOK bewirken einen Anstieg
des sexualhormonbindenden Globulins (SHBG), eine Verringerung von LDL sowie von Testosteron
und Androstendion. Hierbei gibt es bisher keine Evidenz für eine verbesserte klinische
Wirksamkeit von antiandrogenen Gestagenen [42]. Für Chlormadinonazetat und Cyproteron bestehen zudem Anwendungsbeschränkungen aufgrund
eines erhöhten Meningeomrisikos [43]
[44]. Daher sollte nach derzeitigem Wissen für die Therapie der Hyperandrogenämie bei
PCOS bei Jugendlichen ein kombiniertes orales Kontrazeptivum mit niedrigem thrombogenen
Risiko (Estradiol < 30 µg und als Gestagene Levonorgestrel, Norethisteron) gewählt
werden [42]. Eine Therapieentscheidung sollte individuell als Shared-decision Making gemeinsam
mit der Jugendlichen und ihren Eltern getroffen werden. Das Therapieansprechen ist
schwer objektivierbar und kann gegebenenfalls durch eine Fotodokumentation im Verlauf
überprüft werden. Im Vordergrund steht eine Besserung des individuellen Leidensdruckes.
Behandlung von Zyklusstörungen
Zyklusstörungen im Rahmen des PCOS sind im Jugendalter nicht primär behandlungsbedürftig,
wenn kein Leidensdruck seitens der Patientin besteht und keine Blutungsstörungen im
Sinne einer juvenilen Dauerblutung oder einer Hypermenorrhö vorliegen.
Besteht ein Übergewicht, kann eine Gewichtsabnahme zu einer Regulierung des Zyklus
führen [30]. Auch Metformin kann eingesetzt werden, wobei die Verordnung beim PCOS eine Off-Label-Indikation
ist. Insulinsensitizer und GLP-1-Agonisten sind, wahrscheinlich indirekt durch eine
Verbesserung der Insulinresistenz im Rahmen der Gewichtsreduktion, ebenfalls wirksam
[45]
[46]
[47]. Die GLP-1-Agonisten (Liraglutid, Dulaglutid) sind jedoch deutlich kostenintensiver
und in Deutschland nur für Jugendliche ab 10 Jahren zur Therapie eines Typ-2-Diabetes
zugelassen. Eine Regulierung des Zyklus lässt sich unter einer Therapie mit hormonellen
Kontrazeptiva erreichen (siehe Symptome der Hyperandrogenämie). Diese Therapie ist
Off Label, und die Patientinnen müssen entsprechend aufgeklärt werden. Eine Evidenz
zu einer Überlegenheit einer der Therapieoptionen (KOK versus Metformin) gibt es nicht
[43].
PCOS und ein BMI > 30 kg/m2 stellen aufgrund des dauerhaften unbalancierten Effekts des endogenen Östrogens auf
die Gebärmutterschleimhaut Risikofaktoren für eine Endometriumhyperplasie dar [48]
[49]. In den aktuellen Leitlinien werden keine Screeninguntersuchungen oder präventive
Therapien empfohlen, da die Inzidenz des Endometriumkarzinoms insgesamt niedrig ist
und ein Screening die endometriumkarzinomspezifische Mortalität nicht senkt [50].
In der Regel besteht bei Jugendlichen mit PCOS kein Östrogenmangel. Dieser wird als
Estradiolspiegel bei anhaltender Amenorrhö unter < 200 pmol/l definiert [51]. Bisherige Studien zu Knochendichte und Frakturraten zeigen widersprüchliche Ergebnisse.
In einer kürzlich publizierten Metaanalyse war das Frakturrisiko nicht signifikant
erhöht [52]. Bei lang andauernder Amenorrhö und anhaltend erniedrigten Estradiolspiegeln kann
im Einzelfall eine Hormonersatztherapie mit 17-β-Estradiol und Gestagen erwogen werden.
Verhütung, Fertilität und spätere Nachkommen
Die Jugendlichen mit PCOS sollten beraten werden, dass es für sie eine gute Chance
gibt, später eine normale Fertilität zu entwickeln, auch wenn im Verlauf möglicherweise
unterstützende medizinische Maßnahmen erforderlich sein können [53]. Daher sollte auch bei einer Amenorrhö eine Verhütung erfolgen. Ein Normalgewicht
gilt als wichtiger Parameter, um die Fertilität positiv zu beeinflussen [17]. Eine medikamentöse Therapie, die die Fertilität präventiv verbessert, gibt es nicht.
Bei Frauen mit PCOS besteht ein höheres Risiko für schwangerschaftsassoziierte Komplikationen
[18]. Auch hier sind die Prävention und ein gesunder Lebensstil wesentlich, um das Outcome
von Mutter und Kind zu beeinflussen. Bei weiblichen Nachkommen ist das Risiko erhöht,
auch ein PCOS zu entwickeln [19]. Eine starke Gewichtszunahme und bewegungsarmer Lebensstil der Mutter in der Schwangerschaft
und ein frühes Übergewicht des jungen Kindes stellen negative prognostische Faktoren
dar [23]. Die Aufklärung der jungen Frauen bezüglich dieser Risikofaktoren kann in der Adoleszenz
begonnen werden und sollte in der späteren Betreuung bis zur Realisierung des Kinderwunschs
fortgesetzt werden.
Transition
Die PCOS- und PCOS-at-Risk-Diagnose sollten bei allen Jugendlichen 3 Jahre nach Menarche
überprüft werden. Im weiteren Verlauf sollte 8 Jahre nach Menarche untersucht werden,
inwiefern die PCOS-Kriterien für erwachsene Frauen erfüllt sind. Hier können dann
die Sonografie der Ovarien hinsichtlich einer PCOM und die Bestimmung von AMH als
diagnostische Kriterien genutzt werden.
Schnell wird deutlich, dass für eine leitliniengerechte Versorgung somit eine Transition
in die Erwachsenenmedizin (gynäkologische Endokrinologie/Gynäkologie/internistische
Endokrinologie) erfolgen muss, wenn die Therapie bisher im Bereich der Kinderendokrinologie
erfolgte [31]. Etablierte Versorgungspfade für diesen Übergang fehlen bisher. Eine strukturierte
Transition kann sich an Modellprojekten wie dem Berliner Transitionsprogramm orientieren
[54]. Eine Leitlinie zur Transition von Jugendlichen mit Adipositas wird derzeit erarbeitet.
Schlussfolgerungen
Das bisherige Wissen zur Diagnostik des PCOS wird in den aktuellen Leitlinien zusammengefasst
und standardisiert.
Ein Schwerpunkt in der Betreuung der Jugendlichen ist die Prävention bzw. Behandlung
von metabolischen und psychischen Komorbiditäten. Die Prävention von PCOS-assoziierten
metabolischen Komplikationen und späterer Fertilitätseinschränkungen ist eine wesentliche
Säule der PCOS-Therapie in der Adoleszenz. Hier kann eine multiprofessionelle, multimodale
Begleitung zur Lebensstilveränderung hilfreich sein. Bei Leidensdruck kann eine medikamentöse
Therapie (Off Label) von Zyklusstörungen und Hyperandrogenämie angeboten werden. In
der Praxis ist die Einführung eines PCOS at risk für Jugendliche sehr hilfreich, da damit die Dynamik in der Pubertätsentwicklung
angemessen berücksichtigt wird. Die zeitlich begrenzte Diagnose soll den niederschwelligen
Zugang zu den geschilderten präventiven Maßnahmen ermöglichen. Gleichzeitig soll die
Reevaluation 3 und 8 Jahre nach Menarche ein langfristiges Labelling von Frauen verhindern,
die die Symptomatik vorübergehend in der Pubertät entwickelten. Inwiefern sich die
Diagnose PCOS at risk als sinnvoll im klinischen Alltag erweist, ohne zu einer Übertherapie der Jugendlichen
zu führen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.
Auch wenn die aktuelle Leitlinie die bestehende Diagnostik und Betreuung auf den Stand
der internationalen Empfehlungen bringt, bleiben offene Fragen, die der künftigen
wissenschaftlichen Untersuchung bedürfen. So gibt es bisher keine einheitlichen Normwerte
für die Androgenbestimmung im Jugendalter, und die Rolle der Androgene jenseits des
Testosterons ist bisher in der klinischen Diagnostik nicht abgebildet [55]. Die Datenlage zu optimalen therapeutischen Strategien ist trotz deutlich gestiegener
Anzahl an Publikationen schwierig und es besteht dringender Bedarf, offene Fragen
zu klären, um die Versorgung und Beratung zu verbessern.
Um eine leitliniengerechte Versorgung zu ermöglichen, ist eine weitere Standardisierung
und Schaffung von Betreuungspfaden für eine koordinierte Transition erforderlich.