Schlüsselwörter
Endoskopie - Karriere - Mutterschutzgesetz - Elternzeit - Weiterbildung - Endoskopikerin
- Gastroenterologie - Schwangerschaft
Keywords
endoscopy - career - female physician - maternity protection act - maternity leave
- pregnancy - endoscopist - gastroenterology
Aktuelle Situation und rechtliche Grundlagen zum Endoskopieren in der Schwangerschaft
Aktuelle Situation und rechtliche Grundlagen zum Endoskopieren in der Schwangerschaft
Die demografische Entwicklung der Ärzteschaft* zeigt einen kontinuierlichen Anstieg
des Frauenanteils unter den Studierenden und Ärzten, insbesondere auch in der Gastroenterologie.
Viele Ärztinnen beginnen die Weiterbildung während ihrer gebärfähigen Jahre, ein Umstand,
der mit spezifischen Herausforderungen verbunden ist. Gleichzeitig spielt die Endoskopie
eine zentrale Rolle im beruflichen Alltag von Gastroenterologen. Die Annahme einer
Familienplanung oder die Bekanntgabe einer Schwangerschaft führen allerdings noch
viel zu häufig zu Beeinträchtigungen der Weiterbildung und des Karriereweges [1]
[2], insbesondere auch im Hinblick auf den Einsatz in der Endoskopie. Ärztinnen berichten
daher von einer verspäteten Mitteilung ihrer Schwangerschaft oder einer bewussten
Verschiebung der Familienplanung bis nach der Facharztausbildung [3]. Dies unterstreicht den Bedarf nach klaren Regelungen und praxisnaher Orientierung,
um die berufliche Entwicklung und die Karrierechancen für die schwangeren Ärztinnen
zu sichern und ein gleichberechtigtes Entwicklungspotential, auch im Sinne der zukünftigen
Patientenversorgung, zu fördern.
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) schützt die Gesundheit der berufstätigen werdenden
und stillenden Mütter am Arbeitsplatz und in der Ausbildung. Gleichzeitig soll es
die berufliche Sicherheit von schwangeren und stillenden Frauen gewährleisten. Die
Regelungen des MuSchG werden ergänzt durch die Verordnung zum Schutze der Mütter am
Arbeitsplatz (MuSchArbV). Dies sind im Speziellen Beschäftigungsverbot, Arbeitszeiten,
Gesundheitsschutz, Kündigungsschutz, Mutterschaftsgeld und Stillzeiten. Die Überwachung
und Einhaltung von MuSchG und MuSchArbV obliegt den nach dem Landesrecht zuständigen
Aufsichtsbehörden, den staatlichen Ämtern für Arbeitsschutz. Mit der Novelle wurden
die Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um den Arbeitsplatz
bzw. die Arbeitsbedingungen umzustrukturieren und so Beschäftigungsverbote zu vermeiden.
Beschäftigungsverbote sind künftig auch nicht mehr einfach gegen den Willen der schwangeren
Frauen möglich. Stattdessen sollen Arbeitsplätze umgestaltet werden, um Gefährdungen
für die Schwangere und das ungeborene Kind auszuschließen. § 6 Abs. 1 MuSchG erlaubt
auch die Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen auf freiwilliger Basis, wenn bestimmte
Voraussetzungen erfüllt sind. Seit der Novellierung des MuSchG im Jahr 2018 sind auch
Studierende und Auszubildende in das Gesetz einbezogen, ausgenommen sind weiterhin
Selbstständige. Bei selbstständig tätigen Ärztinnen fehlen gesetzliche Schutzmechanismen
wie sie im Mutterschutzgesetz für Angestellte vorgesehen sind. Dies betrifft nicht
nur die Gefährdungsbeurteilung und arbeitsmedizinische Betreuung, sondern auch organisatorische
Aspekte wie Vertretungslösungen oder sozialversicherungsrechtliche Absicherung im
Fall eines Tätigkeitsausfalls. Die berufliche Vereinbarkeit von Schwangerschaft und
medizinischer Tätigkeit stellt für diese Gruppe daher eine besonders hohe Hürde dar.
Weitere wichtige und zu beachtende allgemeine Schutzvorschriften im Hinblick auf besondere
Tätigkeiten in der Endoskopie sind u.a. in der Biostoffverordnung (BioStoffV), der
Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) geregelt.
Wir verweisen hier auf die detaillierte Beschreibung im Rechtsgutachten, mit speziellem
Schwerpunkt auf das Endoskopieren in der Schwangerschaft in der Gastroenterologie#. Das 2018 novellierte MuSchG führt allerdings nicht selten zu grundlegenden Einschränkungen
und Verunsicherungen für Ärztinnen und Studentinnen, die dadurch in ihrem beruflichen
Karriereweg behindert werden. Eine aktuelle Studie einer Online-Befragung konnte zeigen,
dass etwa die Hälfte der befragten Ärztinnen Bedenken hatte, ihre Schwangerschaft
dem Arbeitgeber zu melden. Gründe dafür sind vor allem die Sorge, Einschränkungen
auf dem weiteren Karriereweg und bei der Weiterbildung zur Fachärztin hinnehmen zu
müssen, ein Verbot von Operationen oder sonstige Tätigkeitsverbote. Sobald die Ärztinnen
ihre Schwangerschaft meldeten, arbeiteten zwei Drittel der Ärztinnen maximal 50% ihrer
bisherigen beruflichen Tätigkeit, wobei 18% der Ärztinnen den Sinn dieser Einschränkungen
dabei nicht nachvollziehen konnten [4].
In den letzten Jahren haben verschiedene Verbände und wissenschaftliche Vereinigungen
bereits Positionspapiere und Leitfäden zur Verbesserung der Lage von schwangeren Ärztinnen
entwickelt. Das Junge Forum O und U (JF-OU) der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie
und Unfallchirurgie (DGOU) hat die Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS)
gegründet, um die Arbeitsbedingungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für
Chirurginnen in der Schwangerschaft in Deutschland zu verbessern (www.opids.de; Gründerinnen Dr. med. Maya Niethard und Dr. med. Stefanie Donner). Die Arbeitsgruppe
„Arbeiten in der Schwangerschaft auf der Intensivstation“ der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI e. V.) hat 2024 ebenfalls ein Positionspapier
mit Empfehlungen zur Verbesserung der Lage von schwangeren Mitarbeiterinnen auf einer
Intensivstation veröffentlicht [5]. Der Deutsche Ärztinnenbund e. V. (DÄB) unterstützt und fördert seit Jahren Aktivitäten
zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Ärztinnen und Studentinnen in der Schwangerschaft
und stellt Hinweise und Empfehlungen zu diesem Themenkomplex bereit (www.aerztinnenbund.de).
Schwangerschaftsmeldung
In Deutschland besteht keine gesetzliche Pflicht für Schwangere, ihre Schwangerschaft
dem Arbeitgeber mitzuteilen, allerdings wird eine frühzeitige Mitteilung empfohlen,
um den gesetzlichen Schutz nach dem MuSchG zu gewährleisten. Nach Bekanntgabe der
Schwangerschaft muss der Arbeitgeber die Schwangerschaft und den voraussichtlichen
Entbindungstermin umgehend der Aufsichtsbehörde melden und gegebenenfalls Details
zur Art der Beschäftigung und zu den Arbeitsbedingungen bereitstellen. Zudem ist der
Arbeitgeber nach § 10 MuSchG verpflichtet, eine individuelle Gefährdungsbeurteilung
des Arbeitsplatzes durchzuführen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Gefährdungsbeurteilung
Damit schwangere und stillende Ärztinnen ihre Weiterbildung oder Beschäftigung fortsetzen
können, ist der Arbeitgeber nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 MuSchG (sinnvoll in Verbindung
mit der vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG))
verpflichtet, eine anlassunabhängige Beurteilung der Arbeitsbedingungen durchzuführen
und zu ermitteln, ob in einem Arbeitsbereich Gefährdungen für eine schwangere oder
stillende Frau vorliegen können. Dies ist unabhängig von einer konkreten Schwangerschaft
oder der Beschäftigung einer schwangeren oder stillenden Frau. Dabei wird ermittelt,
ob bei einer Tätigkeit oder in einem Arbeitsbereich Gefährdungen für schwangere Ärztinnen
auftreten können. Die Gefährdungsbeurteilung ist tätigkeitsspezifisch für die verschiedenen
Arbeitsbereiche von Ärztinnen wie Endoskopie, OP, Station, Ambulanz etc. durchzuführen.
Entsprechende Arbeitshilfen und Ratgeber stellt die DGVS auf ihrer Webseite zur Verfügung†. Bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber alle Arbeitsplätze
auch bezüglich einer aerogenen Infektionsgefährdung durch SARS-CoV-2 beurteilen und
Schutzmaßnahmen für alle Beschäftigten festlegen. Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu)
beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat die „Empfehlung
zur mutterschutzrechtlichen Bewertung von Gefährdungen durch SARS-CoV-2“ hierzu veröffentlicht
[6]. Die Verletzung der Pflicht des Arbeitgebers zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Nach Bekanntgabe der Schwangerschaft ist der Arbeitgeber nach § 10 MuSchG verpflichtet,
zusätzlich eine individuelle Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes durchzuführen.
Schutzmaßnahmen
Basierend auf der Gefährdungsbeurteilung sind geeignete Schutzmaßnahmen festzulegen
(technisch, organisatorisch, persönlich) und zu dokumentieren (§ 14 MuSchG). Dies
erfolgt oft in Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt und ermöglicht die Beschäftigung
einer schwangeren und stillenden Ärztin mit der entsprechenden Tätigkeit. Dies ist
sowohl anlassunabhängig (Stufe 1) als auch anlassbezogen (Stufe 2) durchzuführen.
Die anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung muss für jede Schwangere und Stillende durchgeführt
werden. Die Maßnahmen sind konkret für eine Schwangere festzulegen, Art und Umfang
der Schutzmaßnahmen ergeben sich aus der Gefährdungsbeurteilung. Diese Maßnahmen werden
dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt übermittelt, das deren Angemessenheit prüft und
gegebenenfalls auch bei Nichteinhaltung der Maßnahmen für die gesetzlichen Schutzvorschriften
ein Beschäftigungsverbot aussprechen kann.
Insbesondere bei einem Einsatz in der Endoskopie lassen sich Schutzmaßnahmen für die
schwangere Ärztin sehr gut planen und umsetzen. Es handelt sich bei den Endoskopie-Untersuchungen
in den meisten Fällen um immer wiederkehrende, bekannte Eingriffe und Prozeduren,
bei denen einheitliche Konzepte und Schulungen zum Gebrauch der persönlichen Schutzausrüstung
(PSA) etabliert sind. Endoskopische Notfalluntersuchungen, Endoskopien bei infektiösen
Patienten und auch der Umgang mit und die Anwendung von spitzen Gegenständen sind
überschaubar und können daher gut vermieden werden, im Gegensatz zu vielen anderen
Arbeitsplätzen in der Gastroenterologie.
Beschäftigungsverbot
Der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass eine Gefährdung einer
schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes so weit wie möglich vermieden wird.
Eine unverantwortbare Gefährdung muss ausgeschlossen sein. Sie gilt dabei als ausgeschlossen,
wenn der Arbeitgeber alle Vorschriften einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach
dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres
Kindes nicht beeinträchtigt wird. Sollte eine unverantwortbare Gefährdung ermittelt
werden, so gilt es zuerst, geeignete Schutzmaßnahmen zu ermitteln und zu prüfen, ob
der Arbeitsplatz angepasst oder umgestaltet werden kann. Erst wenn eine Anpassung
nicht möglich oder unzumutbar ist, muss ein Arbeitsplatzwechsel erfolgen oder, falls
dies auch nicht umsetzbar ist, ein teilweises oder vollständiges betriebliches Beschäftigungsverbot
ausgesprochen werden.
Werdende Mütter dürfen nicht beschäftigt werden, wenn laut ärztlichem Zeugnis das
Leben oder die Gesundheit von Mutter und Kind durch die Fortführung der Beschäftigung
gefährdet ist (§ 16 des MuSchG, ärztliches Beschäftigungsverbot). Zudem gilt ein generelles
Beschäftigungsverbot in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung, es sei denn,
die Schwangere erklärt sich ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit, wobei diese Erklärung
jederzeit widerrufbar ist. Ergänzt werden diese Bestimmungen durch § 11 MuSchG, der
werdende Mütter im Bereich vor bestimmten Tätigkeiten schützt, wie vor schweren körperlichen
Arbeiten und dem Umgang mit gesundheitsgefährdenden Stoffen, Strahlen und Gasen. Auch
ständige Steharbeit über vier Stunden nach dem fünften Schwangerschaftsmonat sowie
Arbeiten, die ein erhöhtes Risiko für Berufskrankheiten darstellen, sind verboten.
Schwangere und stillende Mütter dürfen keinen unverantwortbaren Gefährdungen durch
Biostoffe der Risikogruppen 3 und 4 ausgesetzt werden (BioStoffV). Bei der Gefährdungsbeurteilung
nach § 5 ArbSchG muss der Arbeitgeber auch alle Arbeitsplätze bezüglich einer aerogenen
Infektionsgefährdung durch SARS-CoV-2 beurteilen und Schutzmaßnahmen für alle Beschäftigten
festlegen.
Ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft oder in der Stillzeit ist somit selten
notwendig. Eine Weiterbeschäftigung, insbesondere auch im Arbeitsbereich der Endoskopie,
ist daher sehr gut möglich, es bedarf nur der Einhaltung genannter Maßnahmen und entsprechender
Schutzmaßnahmen und in besonderer Weise einer individuellen Unterstützung durch den
Arbeitgeber und das Team. In Bezug auf eine fortgesetzte operative Tätigkeit einer
schwangeren Arbeitnehmerin oder Ärztin gibt es in der aktuellen Rechtsprechung bisher
keinen bekannten Fall, in dem ein Arbeitgeber für Schäden verantwortlich gemacht wurde,
die während dieser operativen Tätigkeiten entstanden sind. Die Zeit des Beschäftigungsverbots
gilt nicht als Weiterbildungszeit.
Haftung im Schadensfall
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die in der individuellen Gefährdungsbeurteilung
festgelegten Schutzmaßnahmen bereitzustellen und deren Einhaltung zu überwachen oder
die Überwachungsaufgaben zu delegieren. Diese Maßnahme ermöglicht dem Arbeitgeber,
sich von der Haftung zu entlasten, falls Dritte, wie beispielsweise Patienten, Ansprüche
geltend machen. Die schwangere Arbeitnehmerin trägt die persönliche Verantwortung
für die Befolgung dieser Schutzmaßnahmen. Bei Verstößen des Arbeitgebers gegen das
MuSchG können Strafzahlungen und im Falle vorsätzlicher Verstöße sogar härtere Strafen
gemäß § 32 MuSchG drohen.
Einsatz von schwangeren Ärztinnen in der Endoskopie
Einsatz von schwangeren Ärztinnen in der Endoskopie
Der Einsatz in der Endoskopie basiert immer auf der freiwilligen Entscheidung der
einzelnen Ärztin und es muss eine medizinische Unbedenklichkeit gegenüber dem Einsatz
in der Endoskopie herrschen (Gynäkologie, Betriebsärztlicher Dienst). Eine individuelle
Gefährdungsbeurteilung ihrer endoskopischen Tätigkeit muss erfolgen†. In enger Zusammenarbeit und Absprache mit der schwangeren oder stillenden Ärztin
selbst, dem Arbeitgeber und dem zuständigen Betriebsarzt vor Ort soll so ein Einsatz
in der Endoskopie unter sicheren Bedingungen ermöglicht werden. Dadurch ist eine erhöhte
Transparenz in Bezug auf die Bekanntgabe der Schwangerschaft und somit eine Vermeidung
von Mehrbelastung in der Frühschwangerschaft zu erwarten. Gemäß dem MuSchG sind die
Rechte von schwangeren Frauen am Arbeitsplatz klar definiert, was auch für Ärztinnen
in der Gastroenterologie gilt. Es müssen individuelle Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt
werden, und bestimmte Arbeitsbedingungen, wie das Vermeiden von Nacht- und Notfalldiensten,
sind einzuhalten. Jede Tätigkeit einer schwangeren Ärztin in der Endoskopie basiert
auf Freiwilligkeit und muss medizinisch unbedenklich sein. Die schwangere Ärztin kann
ihren erklärten Wunsch, weiter endoskopieren zu dürfen, jederzeit mit sofortiger Wirkung
zurücknehmen.
Bisherige Studien, die die Schwangerschaftsrisiken bei Ärztinnen untersuchten, konzentrierten
sich in erster Linie auf Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie, vorzeitige
Wehen und Schwangerschaftsfolgen wie Fehlgeburten, Totgeburten und Kaiserschnittraten
[7]
[8]. Allerdings fehlen prospektive, risikoangepasste Beobachtungsstudien über die Schwangerschaft
von Ärztinnen. Nur wenige Studien haben sich mit den spezifischen Auswirkungen der
Berufsausübung von Ärztinnen beschäftigt, und keine hat sich speziell mit der Durchführung
von Endoskopien durch schwangere Gastroenterologinnen befasst. Bisher unveröffentlichte
Daten aus der JUGA Study Group legen keine Zunahme an Schwangerschaftskomplikationen
durch Endoskopieren in der Schwangerschaft nahe.
Mit Bekanntgabe der Schwangerschaft treten jedoch nicht selten für die schwangere
Ärztin Probleme und Herausforderungen bezüglich des Einsatzes in der Endoskopie auf.
Die Rotation in die Endoskopie wird aufgrund möglicher Arbeitszeitverkürzungen und
möglicher antizipierter geringerer Flexibilität weiter verschoben und findet in der
Regel auch nicht direkt nach der Schwangerschaft statt. Eine kontinuierliche Weiterbeschäftigung
unterstützt jedoch nicht nur die Weiterbildung und Karriere der schwangeren oder stillenden
Ärztin, sondern führt auch zu einer besseren Personalbindung, einer Kontinuität im
Personalpool und damit zu einem wichtigen Qualitäts- und Kompetenzerhalt in der Patientenversorgung
und zu einem Mehrwert für alle Beteiligten. Insgesamt ist es daher zwingend notwendig,
dass nicht nur erst bei Bekanntmachung der Schwangerschaft ein Gespräch seitens des
Arbeitgebers und der Vorgesetzten angeboten und geführt wird, sondern bereits frühzeitig
in der Beschäftigung der Ärztin allgemeine und betriebsinterne Regelungen kommuniziert
werden und Weiterbildungsinhalte, Rotationen und Karriereentwicklung speziell auch
im Rahmen einer Familienplanung besprochen werden.
Zur Unterstützung von Ärztinnen in der Schwangerschaft können innerklinische Mentoring-Programme
sowie psychosoziale Beratungsangebote beitragen, die einen geschützten Raum für den
Austausch über individuelle Belastungen und berufliche Perspektiven schaffen. Ergänzend
stellen Supervisionen, interdisziplinäre Unterstützungsteams und niedrigschwellige
Gesprächsangebote durch Betriebsmedizin, Abteilungsleitung oder externe Fachstellen
wichtige Ressourcen sowie strukturierte Rückkehrgespräche nach Schwangerschaft und
Elternzeit dar. Eine frühzeitige Integration solcher Maßnahmen kann wesentlich zur
psychischen Stabilität und zur Aufrechterhaltung beruflicher Kontinuität beitragen.
Überlegungen zur Durchführung der ERCP in der Schwangerschaft
Überlegungen zur Durchführung der ERCP in der Schwangerschaft
Die endoskopische retrograde Cholangiopankreatografie (ERCP) und allgemein durchleuchtungsgestützte
endoskopische Untersuchungen bergen bestimmte zusätzliche Risiken für die durchführende
Endoskopikerin in der Schwangerschaft. Die Risiken einer Strahlenexposition für den
sich entwickelnden Fötus sind hinlänglich bekannt und umfassen Organfehlbildungen,
geistige Beeinträchtigungen und pädiatrische Tumorerkrankungen/Leukämien [9]
[10]. Mehrere Studien haben sich mit diesen Risiken bei medizinischem Personal befasst,
das am Arbeitsplatz ionisierender Strahlung ausgesetzt ist. Diese Studien haben weitgehend
ergeben, dass das fetale Risiko vernachlässigbar ist, wenn angemessene Sicherheitspraktiken
eingehalten werden [11]
[12]
[13].
Generell sollten keine Endoskopien durch schwangere Endoskopikerinnen durchgeführt
werden, bei denen Röntgenuntersuchungen erforderlich sind. Allerdings ist ein Einsatz
von Röntgenstrahlung möglich und auch gesetzlich erlaubt, wenn dies der ausdrückliche
Wunsch der schwangeren Endoskopikerin ist und dies auf einer Freiwilligkeit beruht.
Die zulässige Strahlenexposition für gebärfähige Frauen und für ungeborene Kinder,
die aufgrund der Beschäftigung der Schwangeren exponiert werden, ist in § 78 (4) des
Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) festgelegt. Die Organ-Äquivalentdosis des Uterus
darf bei gebärfähigen Frauen nicht größer als 2 mSv pro Monat sein, diese Maßnahme
dient dem Schutz des Ungeborenen bei unbekannter Schwangerschaft. Bei bekannter Schwangerschaft
darf die effektive Dosis des ungeborenen Kindes im Zeitraum zwischen der Bekanntgabe
der Schwangerschaft und deren Ende den Wert von 1 mSv nicht überschreiten. Die European
Heart Rhythm Association (EHRA) hat 2017 mit Unterstützung der Heart Rhythm Society
(HRS) ein detailliertes Konsensus-Dokument über die berufliche Strahlenexposition
in der Elektrophysiologie mit speziellem Schwerpunkt auf das weibliche medizinische
Personal und die Schwangeren veröffentlicht [14]. Hier werden Risiken der Strahlenexposition, Strategien und Schutzmaßnahmen für
den beruflichen Strahlenschutz ausführlich dargelegt und diskutiert.
Der Zutritt schwangerer Frauen zum Kontrollbereich muss vom fachkundigen Strahlenschutzverantwortlichen
oder vom Strahlenschutzbeauftragten erlaubt werden (§ 55 Abs. 2 StrlSchV) und dies
ist zu dokumentieren. Bei der Anwendung von Röntgenstrahlung in der Endoskopie müssen
Überwachungsmaßnahmen sicherstellen, dass der gesetzlich vorgeschriebene besondere
Dosisgrenzwert für das ungeborene Kind eingehalten wird (§ 55 Abs. 4 StrlSchV). Bei
Schwangeren muss die berufliche Strahlenexposition wöchentlich ermittelt, dokumentiert
und mitgeteilt werden (§ 69 Abs. 2 StrlSchV). Verwendet wird hierfür meist, zusätzlich
zum amtlichen Personendosimeter, ein (elektronisches) Zweitdosimeter im Rumpfbereich
zur arbeitswöchentlichen Ermittlung der Strahlenexposition. So kann die Gebärmutterdosis
beziehungsweise die Dosis des ungeborenen Kindes auch unter ungünstigen Expositionsbedingungen
sicher abgeschätzt werden***.
Daten des Britischen Instituts für Radiologie zeigen, dass 98,8% aller medizinischen
Fachkräfte mit einer beruflichen Strahlenexposition einer jährlichen Strahlendosis
von weniger als 1 mSv ausgesetzt sind und nur <0,01% einer Dosis von >5–10 mSv [15]. Nur wenige kleinere Studien haben die spezifische Strahlenexposition des Fötus
durch das Tragen eines Dosimeters auf dem Bauch unter einer Röntgenschürze untersucht.
Hierbei zeigten sich jeweils keine Expositionswerte über dem Grenzwert von 1 mSv.
In einer Studie mit 81 Gefäßchirurginnen und Auszubildenden, die Standard-Schutzkleidung
trugen, ergaben die durchschnittlichen Dosimeterwerte eine vernachlässigbare Strahlenbelastung
des Fötus [16]. Eine Befragung von 534 schwangeren interventionellen Radiologinnen, von denen die
meisten während der Schwangerschaft weiter praktizierten, zeigte keinen Unterschied
im Outcome bei der Schwangerschaft und des Fötus im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung
[11].
Die allgemeine Forderung, im Kontrollbereich Röntgenschutzkleidung zu tragen (§ 75
Abs. 1a StrlSchV), gilt auch für die schwangere Endoskopikerin. Die DIN EN 61331–3:2016–09
„Strahlenschutz in der medizinischen Röntgendiagnostik – Teil 3: Schutzkleidung, Augenschutz
und Abschirmungen für Patienten“ regelt, welche Schutzkleidung notwendig ist. Für
die Endoskopie sind eher geschlossene, schwerere Röntgenschutzkleidung zu verwenden
(Front 0,35 mm Pb, Rücken 0,25 mm Pb), wobei moderne Mantelschürzen und Zweiteiler
(Weste und Rock) eine ideale Passform, guten Tragekomfort und eine deutliche Reduktion
der Gewichtsbelastung für die Wirbelsäule bieten und auch für schwangere Ärztinnen
gut geeignet sind. Außerdem ist beim Einsatz von Schwangeren die konsequente Umsetzung
allgemeiner Strahlenschutzmaßnahmen wichtig, wie Abstand zum Nutzstrahlungsfeld, Nutzung
von anlagenbezogenen Strahlungsabschirmungen (Strahlenschutzscheiben, Untertischschutz),
Einblendung und eine konsequente Minimierung der Durchleuchtungszeiten [17].
Im Rahmen der Schwangerschaft kommt es allgemein zu einer verstärkten Belastung des
Bewegungsapparates [18]. Durch das zusätzliche Tragen einer Röntgenschürze kann es zu Muskel-Skelett-Beschwerden
kommen wie Rückenschmerzen, Nackenschmerzen und Handschmerzen. Zusätzliche prophylaktische
Maßnahmen wie Kompressionsstrümpfe, Beckengurt und spezielle Schuhe/Orthesen sind
dabei nicht nur in der Endoskopie im Rahmen einer Schwangerschaft sinnvoll.
Zusammenfassung
Die Endoskopie stellt einen gut planbaren und sicheren Arbeitsplatz für Ärztinnen
in der Schwangerschaft und in der Stillzeit dar, wenn bestimmte Grundsätze beachtet
werden. Angesichts der steigenden Zahl von Frauen in der Gastroenterologie und der
speziellen Herausforderungen während der Schwangerschaft ist es unerlässlich, angepasste
Richtlinien und unterstützende Maßnahmen zu entwickeln. Diese sollten sowohl die Gesundheit
und Sicherheit der Ärztinnen und des ungeborenen Kindes als auch die Qualität der
Patientenversorgung gewährleisten. Durch die Umsetzung dieser Empfehlungen kann die
Gastroenterologie als Fachgebiet weiterhin attraktiv und zugänglich für alle Medizinerinnen
bleiben, unabhängig von ihrem Lebensabschnitt oder Familienplanungsstatus.
Anmerkungen
* Geschlechtsneutrale Formulierung: Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit
wird auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen
Bezeichnungen in diesem Dokument sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
#, † Gutachten, Checklisten und weiterführendes Informationsmaterial
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
(DGVS) stellt ihren Mitgliedern intern das Rechtsgutachten der Medizinkanzlei Mohr
„Das ärztliche Arbeiten in der Schwangerschaft im Fachbereich der Gastroenterologie
unter spezialisierter Berücksichtigung endoskopischer Untersuchungsleistungen“ auf
Anfrage zur Verfügung. Auf der Homepage der DGVS (https://www.dgvs.de/juga-nachwuchs/schwangerschaft-familie/mit-bauch-und-begeisterung/) haben die Autoren und die AG JUGA weiterführende Informationen, Checklisten, Positivlisten,
Links und aktuelles Begleitmaterial zusammengestellt.
Beitrag der Autorinnen und Autoren
Die Beiträge der Autoren sind wie folgt.
Konzeption und Design: Henrike Lenzen und Jutta Keller
Datenerhebung: Henrike Lenzen und Jutta Keller
Entwurf des Manuskripts: Henrike Lenzen und Jutta Keller
Kritische Überarbeitung des Manuskripts hinsichtlich wichtiger intellektueller Inhalte:
Lukas Welsch und Stefanie Reichermeier
Review und Freigabe des Artikels: alle Autoren